Whistleblowing

I. Was bedeutet das?
II. Ist es erlaubt?
III. Welche Rechte und Pflichten gibt es für Whistleblower?
IV. Welche Änderungen sind durch die "Whistleblower-Richtlinie" zu erwarten?
V. Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt - Besserer Schutz für Hinweisgebende

I. Was bedeutet das?

Unter dem Begriff „Whistleblowing“ (überwiegend als  „jemanden anschwärzen“ oder „an die Öffentlichkeit bringen“ übersetzt) ist ein anonymes Meldeverfahren gemeint, das es Mitarbeitern ermöglicht, der Unternehmensleitung oder speziell Beauftragten Hinweise über grobe Missstände innerhalb der Unternehmen  oder  Organisationen zu erbringen.

II. Ist es erlaubt?

Entdeckt der Mitarbeiter1 Delikte innerhalb des Unternehmens, so kann er  – wie alle Bürger auch – Strafanzeigen stellen. Zu beachten ist jedoch, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer innerhalb des Arbeitsvertrags gleichwohl zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Vertragspartners verpflichtet sind.
Die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers umfasst unter anderem als Ausdruck der Loyalität und Vertraulichkeit, was sich aus dem konkreten Vertragsverhältnis ableiten lässt, die Achtung der geschäftlichen Interessen und des Rufes des Arbeitgebers.
Allerdings kann Whistleblowing insbesondere dann notwendig und mithin geboten sein, wenn es zur Aufdeckung von

  • rechtswidrigen Handlungen,
  • Gesetzesverstößen,
  • Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen, sowie anderen Gemeingefahren,
  • Korruptionsdelikten; Unterdrückung und Vernichtung von belastenden Dokumenten dient.

Eine solche Meldepflicht kommt allerdings nur bei groben oder schwerwiegenden Missständen von erheblicher Tragweite in Betracht, die gerade dem Schutz allgemeiner, öffentlicher Belange dienen. Bereits einfache Pflichtverletzungen werden hiervon nicht erfasst.
Der Hinweisgeber, der auf Grund konkreter Anhaltspunkte darlegen kann, dass innerhalb des Unternehmens gesetzliche Pflichten oder sonstige Regeln verletzt werden, hat sich zunächst an den eigenen Vorgesetzten oder an eine andere innerbetrieblich zuständige Stelle zu wenden (sog. internes Whistleblowing).
Liegen jedoch Indizien vor, die eindeutig signalisieren, dass hierauf nicht oder – zumindest nach der berechtigten Auffassung des Hinweisgebers – nicht ausreichend reagiert wird und ist eine Abhilfe nicht zu erwarten, so darf dieser eine oder mehrere Hierarchie-Ebenen überspringen. Im Ausnahmefall kann auf eine vorherige innerbetriebliche Meldung sogar verzichtet werden, wenn sie dem Hinweisgeber unzumutbar ist. Insbesondere gilt dies, wenn es sich hierbei um eine schwerwiegende oder von dem Arbeitgeber selbst begangene Straftat handelt oder der Hinweisgeber ohne die entsprechende Anzeige sich selbst in die Gefahr der Strafverfolgung bringen würde.
Wendet sich der Hinweisgeber allerdings an die Öffentlichkeit, so liegt ein sog. externes Whistleblowing vor. Dies ist in bestimmten Organisationen streng verboten und kann darüber hinaus einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag oder gar gegen Strafgesetze darstellen. Zudem sollte der Hinweisgeber vor der Weitergabe der Informationen explizit auf die Genauigkeit, Zuverlässigkeit sowie die Vollständigkeit des zu meldenden Sachverhalts achten und diese prüfen. Gibt der Betreffende hingegen bewusst falsche oder unvollständige Informationen weiter, so  kann dieses Verhalten strafbar sein aufgrund

  • falscher Verdächtigung (§ 164 StGB),
  • übler Nachrede (§ 186 StGB),
  • Beleidigung (§ 185 StGB),
  • Verleumdung (§ 187 StGB).

Die Verbreitung von Informationen ohne vorherige Zustimmung des verfügungsberechtigten Vorgesetzten kann ebenfalls unter Strafe stehen. So ist die Weitergabe von fremden Geheimnissen verboten, die einem aufgrund seiner Tätigkeit im Rahmen der Schweigepflicht anvertraut wurden, vgl. § 203 StGB. Darüber hinaus erweckt die Aufdeckung bzw. Weitergabe von Informationen bei dem Unternehmen sowie bei der betroffenen Person das Gefühl, verraten und/oder hintergangen worden zu sein, so dass der Hinweisgeber daraufhin mit Repressalien, wie etwa einer fristlosen Kündigung, zu rechnen hat.  Allerdings kann solch eine Kündigung nur dann wirksam sein, wenn der Hinweisgeber gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen hat.
Ein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß kann etwa darin liegen, dass der Hinweisgeber durch die bewusste Weitergabe an falschen Informationen treuwidrig handelt und hierdurch der Ruf des Unternehmens oder der einzelnen Person (erheblich) zu schädigen droht. Ebenfalls kann ein Pflichtverstoß auch dann gegeben sein, wenn der Hinweisgeber trotz wahrheitsgemäßer Angaben einen Kommunikationsweg bestreitet, welcher den Arbeitgeber in erheblicher Weise schadet.

III. Welche Rechte und Pflichten gibt es für Whistleblower?

Innerhalb der Bundesrepublik existieren noch keine gesetzlichen Regelungen, welche die Rechte und Pflichten eines Whistleblowers normiert. Daher ist anhand der vorliegenden Rahmenbedingungen, Vereinbarungen und sonstigen Vorgaben eine Erörterung anzustellen.
Zum Beispiel ergeben sich die primären Rechte der Hinweisgeber aus den arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten. So können den Hinweisgebern unter anderem Anzeigerechte und –pflichten zustehen, wenn der Arbeitgeber keine adäquaten, ausreichenden Maßnahmen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes getroffen hat und diese immense Gefahren für Arbeitnehmer oder für die Allgemeinheit darstellen können. Ebenfalls stehen den Hinweisgebern Abwehrrechte gegen Maßnahmen zu, wenn etwa der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme zu benachteiligen beabsichtigt, weil der Arbeitnehmer auf zulässige Weise seine Rechte ausgeübt hat.
In bestimmten Fällen haben Hinweisgeber keine Benachteiligungen, insbesondere keine Sanktionen, zu befürchten. Diese Fälle liegen vor, wenn

  • der Vorgesetzte die Straftaten in eigener Person begangen hat
  • der Hinweis Straftaten beinhaltet, so dass durch die Nichtanzeige der Hinweisgeber sich strafbar machen würde
  • eine entsprechende Abhilfe nicht zu erwarten ist.

Weiterhin enthält auch das Geschäftsgeheimnisgesetz bestimmte Rechtfertigungsgründe, die dem Whistleblower Schutz bieten.
Erforderlich ist hierfür, dass die Aufdeckung eines Geschäftsgeheimnisses dazu geeignet ist, um das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.

IV. Welche Änderungen sind durch die „Whistleblower-Richtlinie“ zu erwarten?

Hinweisgeber schrecken aus Angst vor Kündigungen, Degradierungen sowie vor jeglichen Repressalien häufig davor zurück, Verstöße zu melden. Das betrifft auch Verstöße gegen das Unionsrecht, beispielsweise wenn es um Höchstgrenzen für PKW-Abgaswerte geht.
Zum Schutz für Hinweisgeber hat das EU-Parlament am 16.04.2019 die „Whistleblower-Richtlinie“ (2018/0106 COD) verabschiedet, wonach Privatunternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. Euro verpflichtet werden sollen, interne Meldesysteme einzurichten. Konkrete Vorgaben, die bei der Implementierung des Meldesystems einzuhalten sind, sind der Richtlinie bereits zu entnehmen. Die Umsetzung und ggf. Ausgestaltung der Richtlinie durch den nationalen Gesetzgeber hat binnen 2 Jahren zu erfolgen.

V. Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt - Besser Schutz für Hinweisgebende

Um einen besseren Schutz des Hinweisgebenden vor Benachteiligungen (z.B. Kündigung, Degradierung sowie jegliche Repressalien) gewährleisten zu können, wurde am 12. Mai 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verabschiedet. Mit diesem Gesetz soll die sog. EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in nationales Recht umgesetzt werden.

Das Hinweisgeberschutzgesetz tritt Mitte Juni 2023 in Kraft und verpflichtet Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern einen Monat nach Verkündung des Gesetzes, die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes umzusetzen. Nach § 12 HinSchG müssen alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern eine eigene interne Meldestelle einrichten. Diesen Unternehmen ist es nach § 14 HinSchG jedoch erlaubt, einen „Dritten“ mit der Aufgabe einer internen Meldestelle zu beauftragen. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern besteht eine verlängerte Implementierungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Gemäß § 14 Abs. 2 HinSchG ist es diesen Unternehmen gestattet, mit anderen Unternehmen eine „gemeinsame Meldestelle“ zu betreiben. Bei Nichtumsetzung interner Meldestellen drohen Unternehmen Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Mit einer Geldbuße wird gegen das Unternehmen auch dann geahndet, die Meldungen behindern oder die Repressalien gegen den Hinweisgebenden ergreifen.Neben der Einrichtung einer solchen Meldestelle für Hinweisgeber (das sog. Hinweisgebersystem), haben Unternehmen weitere Verpflichtungen zu beachten:

  • Hinweisgebern müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben.
  • Wird ein Hinweis abgegeben, muss die interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber binnen sieben Tage nach Eingang bestätigen.
  • Binnen drei Monaten muss dem Hinweisgeber eine Rückmeldung zur getroffenen Maßnahme gegeben werden.
  • Als weitere, gleichwertige Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen müssen den Hinweisgebern eine verständliche und leicht zugängliche Information über die Möglichkeiten externer Meldestellen an zuständige Behörden, Einrichtungen oder sonstige Stellen gegeben werden.

Neben dem Schutz für Hinweisgebende enthält das Gesetz auch Regelungen zugunsten von Arbeitgebern, denen es ermöglicht werden soll, mit grob missbräuchlichen Hinweisen umzugehen – etwa Schadensersatzansprüche bei vorsätzlicher grob fahrlässiger Meldung falscher Informationen.


1Aus Gründen der Lesbarkeit wird innerhalb dieses Textes das geschlechtsneutral zu verstehende generische Maskulinum als Formulierungsvariante verwendet.

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