Weiterbeschäftigungs- und Wiedereinstellungsanspruch

I. Arbeiten nach der Kündigung
II. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
III. Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzverfahrens
IV. Der Wiedereinstellungsanspruch

I. Arbeiten nach der Kündigung

Jeder Arbeitnehmer1 hat (aufgrund des Arbeitsvertrages) das Recht von seinem Arbeitgeber beschäftigt zu werden bis das Arbeitsverhältnis endet. Nach dem Ausspruch einer Kündigung endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist, sofern es sich nicht um eine fristlose Kündigung handelt.

Problematisch wird es erst, wenn nach ausgesprochener Kündigung um das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gestritten wird. Dann stellen sich folgende Fragen: Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf auch während des Klageverfahrens, welches teilweise weit über die Kündigungsfrist hinaus andauert, beschäftigt zu werden? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Und wenn nein, was passiert, wenn die Kündigung am Ende unwirksam war und die Stelle neu besetzt wurde? Unter welchen Voraussetzungen kann der Arbeitnehmer auch bei einer wirksamen Kündigung die Wiedereinstellung verlangen?

II. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist

Das Arbeitsverhältnis endet erst mit Ablauf der Kündigungsfrist, sofern keine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer zwar in Urlaub schicken, ihn einfach so freistellen darf er jedoch nicht. Gerade bei längeren Kündigungsfristen ist dem Arbeitnehmer nämlich daran gelegen seine Arbeitsmarkttauglichkeit nicht einzubüßen.
Eine Freistellung ist daher grundsätzlich nur zulässig, soweit der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat (z.B. bei Auftragsmangel oder wenn der Arbeitnehmer einer Straftat verdächtig ist). In der Regel ist dies jedoch nicht der Fall, sodass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortgeführt wird.

III. Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzverfahrens

Nun passiert es nicht selten, dass der Arbeitnehmer zwar Kündigungsschutzklage erhoben hat, vor Ablauf der Kündigungsfrist aber kein Urteil ergangen ist.
Hier gibt es vier Möglichkeiten, die dem Arbeitnehmer zu einem Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Kündigungsschutzverfahrens verhelfen:

1. Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen.

Vor Ausspruch einer Kündigung muss der Betriebsrat angehört werden. Hat der Betriebsrat der Kündigung frist- und ordnungsgemäß (!) widersprochen und hat der Arbeitnehmer daraufhin Kündigungsschutzklage erhoben, so muss der Arbeitgeber den Gekündigten grundsätzlich bis zum Abschluss des Klageverfahrens weiterbeschäftigen. Vorsicht: Dies gilt nur für ordentliche Kündigungen! Zur Entstehung des Anspruchs ist es außerdem notwendig, dass der Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung ausdrücklich verlangt.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch folgt hier aus §102 V BetrVG und setzt, wie gesehen, das Bestehen eines Betriebsrats voraus.

2. Die Kündigung ist offensichtlich unwirksam

Der Arbeitnehmer kann die Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens auch verlangen, wenn er ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Weiterbeschäftigung hat. Dies ist grundsätzlich jedoch nur der Fall, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist, beispielsweise weil nach einem bereits verlorenen Kündigungsschutzverfahren dieselben unwirksamen Kündigungsgründe erneut genannt werden.

3. Sieg in erster Instanz

Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Weiterbeschäftigung hat der Arbeitnehmer in der Regel auch, wenn er das Kündigungsschutzverfahren in erster Instanz gewonnen hat. Mit einem Sieg vor dem Arbeitsgericht kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle also wiederbekommen.
Tipp: Um nach einem Sieg in erster Instanz keine eigenständige Klage auf Weiterbeschäftigung einreichen zu müssen, bietet es sich an, diese bereits mit der Kündigungsschutzklage zu verbinden.

4. Vereinbarung mit dem Arbeitgeber

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Klageverfahrens vereinbaren. Diese Variante kann für beide Seiten von Vorteil sein: Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitsstelle nicht verlassen, während der Arbeitgeber Planungssicherheit hat und nicht mit der eventuellen Durchsetzung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs rechnen muss.
Eine solche Vereinbarung stellt eine befristete bzw. bedingte Weiterbeschäftigung dar und muss daher schriftlich geschlossen werden. Wird die Schriftform hingegen nicht eingehalten, so kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen.

Zusammenfassung:

Der Betriebsverfassungsrechtliche Anspruch (1.) ist am komfortabelsten für den Arbeitnehmer, da bereits der Widerspruch des Betriebsrats ausreicht, um die Weiterbeschäftigung verlangen zu können.
Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch (2. und 3.) ist dagegen wesentlich schwieriger zu realisieren. Der Arbeitnehmer muss dazu ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Weiterbeschäftigung haben, was nur bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung oder nach einem Sieg in erster Instanz der Fall ist. Um nach einem Sieg im ersten Rechtszug schnellstmöglich ein vollstreckbares Urteil zu bekommen, sollte der Weiterbeschäftigungsanspruch bereits mit der Kündigungsschutzklage verbunden werden.
Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (4.) bietet Rechtssicherheit; zu beachten ist das Schriftformerfordernis.

Ergeht ein Urteil, das den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verpflichtet, so genügt der Ausspruch einer weiteren Kündigung nicht. Vielmehr muss der Arbeitgeber nun mithilfe der Vollstreckungsabwehrklage die Vollstreckung des Urteils verhindern.

IV. Der Wiedereinstellungsanspruch

Verläuft das Kündigungsschutzverfahren für den Arbeitnehmer erfolgreich, d.h. die Kündigung ist unwirksam, so hat das Arbeitsverhältnis formal weiterbestanden und der Arbeitnehmer hat für die Vergangenheit einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn, sofern er während des Verfahrens nicht sowieso weiterbeschäftigt und entlohnt wurde (s.o.). Eine Wiedereinstellung im rechtlichen Sinne ist gar nicht notwendig, da das Arbeitsverhältnis nie beendet war. Der Arbeitnehmer wird nun wieder zu den bisherigen Bedingungen beschäftigt. Zwar muss nicht derselbe Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden, eine Versetzung kann der Arbeitgeber jedoch nur im Rahmen seines Weisungsrechts anordnen.
Rechtstechnisch handelt es sich hierbei um einen „normalen“ Beschäftigungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis.

In einem ganz anderen Fall kann der Arbeitnehmer eine echte Wiedereinstellung verlangen:
Der Arbeitgeber spricht eine wirksame Kündigung aus, das Arbeitsverhältnis endet. Weil sich die Umstände, die zur Kündigung geführt haben, aber nachträglich geändert haben, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wieder einstellen.

Beispiele:  Kündigung wegen geplanter Stilllegung des Betriebs, später findet sich unverhofft ein Käufer. Oder: Kündigung wegen Verdachts einer Straftat, Arbeitnehmer wird in der Folge freigesprochen.

Da eine Kündigung niemals Sanktionscharakter hat, sondern stets auf einer negativen Prognose beruht, besteht ein Wiedereinstellungsanspruch nur bei überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Änderung der Umstände maßgeblich in der Sphäre des Arbeitgebers begründet ist und auch keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Ist die Stelle zum Beispiel bereits neubesetzt, so kann der Arbeitnehmer regelmäßig keine Wiedereinstellung verlangen.

Im Ergebnis kommt eine Wiedereinstellung nach wirksamer Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht. Eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage gewährt dagegen grundsätzlich die Weiterbeschäftigung.


1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird innerhalb dieses Textes das geschlechtsneutral zu verstehende generische Maskulinum als Formulierungsvariante verwendet.

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