Arbeitsgericht Wiesbaden

Beschluss vom - Az: 6 BV 2/99

Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung

Auch Schulungen über Gesprächs-, Diskussions- und Verhandlungsführung in der Betriebsratsarbeit werden als erforderlich -im Sinne des §37 VI BetrVG- angesehen.

Tenor

Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die Kostenübernahme für die vom Beteiligten zu 1) beantragte Betriebsratsschulung "Effektive Gremienarbeit im Betriebsrat -- "Gremienlust statt Gremienfrust" -- Kommunikation und Konfliktfähigkeit in der BR-Arbeit" in Höhe von DM 9.660,-- zu erteilen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Kosten für eine geplante Schulung des gesamten Antragstellers zuzüglich zwei weiterer Personen gemäß §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG zu übernehmen.

Der Antragsteller ist der amtierende Betriebsrat bei der Beteiligten zu 2). Es besteht aus 19 ordentlichen Mitgliedern, wovon sechs freigestellt sind. Er vertritt etwa 2500 Arbeitnehmer inklusive der bei der Antragsgegnerin beschäftigten Beamten.

Im Frühjahr 1999 wollte der Antragsteller alle seine Mitglieder zuzüglich dem Vorsitzenden der Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie dem Vertrauensmann der Schwerbehinderten auf eine zweitägige Schulung im Bildungszentrum der Deutschen ... gewerkschaft in ... schicken. Das Thema dieses Seminars lautete:

Effektive Gremienarbeit im Betriebsrat -- "Gremienlust statt Gremienfrust" -- Kommunikation und Konfliktfähigkeit in der BR-Arbeit

Der Seminarablauf war wie folgt geplant:

Ankommen, Organisatorische Grundlagen, Vorstellung des Ablaufs

Einstieg: Effektive BR-Arbeit

--

Orientierung, was zu einer erfolgreichen Arbeit gehört

--

Problemlagen des BR

--

Rechtliche Aufgaben und kommunikative Anforderungen

--

Bedeutung von Kommunikation und Konfliktfähigkeit

Gefühle und Beziehungen in der Gremienarbeit Kommunikation und Konfliktfähigkeit

--

Grundlagen der Kommunikation

--

Wie kommt es zu Störungen

--

Konsequenzen für die betriebsrätliche Aufgabenbewältigung

Gesprächstechniken und Konfliktfähigkeit -- praktische Übungen

--

Kontrollierter Dialog

--

Umgang mit destruktiven Äußerungen -- kontrollierte Reaktion

--

Wahrnehmen und interpretieren -- Störungen durch "Phantasie"

--

Feedback geben und nehmen

--

Einfühlen -- Rollen-/Positionstausch

Gesprächs- und Verhandlungsführung -- Rollenspiel

--

Vorbereiten einer Verhandlung

--

Durchführen einer Verhandlung

--

Reflexion des Rollenspiels

--

Seminarabschluß.

Die Antragsgegnerin lehnte seinerzeit die Kostenübernahme unter Hinweis auf fehlende finanzielle Mittel (Bl. 30 d. A.) ab.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Kostenübernahme für das in der zweiten Märzhälfte geplante Seminar blieb erfolglos (ArbG Wiesbaden 6 BVGa 1/99).

Nunmehr verfolgt der Antragsteller im Hauptsacheverfahren sein Begehren weiter mit der Maßgabe, daß das Bildungszentrum Gladenbach ihm zugesichert hat, das Seminar dann durchzuführen, wenn die Kostenübernahme durch die Beteiligte zu 2) -- ggfs. durch gerichtliche Entscheidung -- gesichert ist.

Die Schulungskosten sollen sich pro Mann und Tag auf DM 230,-- belaufen, so daß sich bei 21 Teilnehmern und zwei Schulungstagen ein Betrag von DM 9.660,-- ergibt. Der Antragsteller meint, die Beklagte zu 2) habe vorprozessual nie die Erforderlichkeit der Schulung bestritten, sondern sich nur -- zu Unrecht -- auf die ihrer Meinung nach zu hohen Kosten berufen. Wenn sie nunmehr vollkommen unerwartet auch die Erforderlichkeit bestreite, handele sie insoweit widersprüchlich und könne sich hierauf nicht mehr berufen.

Im übrigen sei die Erforderlichkeit gegeben.

Die in dem geplanten Seminar vermittelten Kenntnisse seien für die Arbeit speziell des Antragstellers erforderlich.

Aufgrund der Größe des Betriebsrats und der vielfältigen Probleme, die im Zusammenhang mit der Umorganisation der ... stünden, seien die BR-Mitglieder bereits häufig im internen Umgang miteinander überfordert. Der Lehrgang Konfliktbewältigung im Betriebsrat sei erforderlich, weil es im Zuge der ständig zunehmenden Auseinandersetzung mit der Antragsgegnerin auch zu immer größeren Konflikten unter dem BR-Mitgliedern komme und diese ohne die im Lehrgang erlernbaren Kommunikationstechniken und Umgangsformen ihre Aufgaben nicht mehr bewältigen könnten.

Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu

verpflichten, die Kostenübernahme für die vom Betriebsrat beantragte Betriebsratsschulung "Effektive Gremienarbeit im Betriebsrat -- "Gremienlust statt Gremienfrust" -- Kommunikation und Konfliktfähigkeit in der Betriebsratsarbeit" in Höhe von DM 9.660,-- zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Zum einen hält sie die durch die geplante Veranstaltung zu vermittelnden Kenntnisse nicht erforderlich für die Betriebsratsarbeit, sondern nur für nützlich hierzu.

Die Behauptung des Antragstellers, es gebe nicht unerhebliche Probleme mit der Bewältigung von Konflikten und deshalb sei der angestrebte Lehrgang im Hinblick auf die Umorganisation der ... erforderlich, sei sehr allgemein gehalten und wenig substantiiert. Die Umorganisation betreffe den Bereich der ... niederlassungen nur in geringerem Maße.

Im übrigen seien die beantragten Seminarkosten auch nicht verhältnismäßig.

Unverhältnismäßig sei schon die Zahl der anzumeldenden Teilnehmer. Auch reiche für das geplante Thema ein Tag aus.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag mußte Erfolg haben.

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers ist § 40 Abs. 1 BetrVG i. V. mit § 37 Abs. 6 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen, und zwar speziell im Hinblick auf eine Schulungsveranstaltung, wenn diese Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.

Nach Auffassung der Kammer fehlt es hier an dieser Erforderlichkeit -- entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) -- nicht.

Abweichend von der Meinung des Antragstellers ist diese Voraussetzung auch vorliegend zunächst zu prüfen und zwar von Amts wegen. Eine Art Verwirkung der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals dadurch, daß die Beteiligte zu 2) sich erstmals im vorliegenden Verfahren hierauf berufen hat, gibt es deshalb nicht.

Hinsichtlich des Begriffs der Erforderlichkeit geht das Gericht von der gefestigten Rechtsprechung des BAG aus, wonach die Vermittlung von Kenntnissen dann erforderlich ist, wenn diese unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann.

In der Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., Rz. 123a zu § 37 mit weiteren Nachweisen) werden auch Schulungen über Gesprächs-, Diskussions- und Verhandlungsführung in der Betriebsratsarbeit als erforderlich angesehen.

So ist es auch hier. Gerade in größeren Betriebsräten, der Antragsteller hat 19 ordentliche Mitglieder und amtiert erst seit Mai 1998, kann es -- aus unterschiedlichen Gründen -- häufig zu Spannungen der Betriebsratsmitglieder untereinander kommen. Dis folgt allein schon aus der Eigendynamik und der Größe eines solchen Gremiums, ohne daß insoweit Einzelheiten vom Antragsteller näher dargelegt werden müßten; sie würden i. ü. möglicherweise auch unter die Schweigepflicht hinsichtlich Betriebsratsinterna fallen. In einem 19-köpfiges Gremium zuzüglich dem Vorsitzenden der Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie dem Vertrauensmann der Schwerbehinderten kommt es viel eher zu Konflikten als beispielsweise in einem bloß fünfköpfigen Betriebsrat, dem ein langjähriges Betriebsratsmitglied vorsitzt, der "alles im Griff" und zudem vielleicht auch noch einen erfahrenen Stellvertreter hat.

Deshalb sieht die Kammer es auch als erforderlich an, daß alle 19 Betriebsratsmitglieder sowie die beiden anderen Repräsentanten an der geplanten Schulung teilnehmen.

Gerade auch die gemeinschaftliche Teilnahme aller etwaiger möglicher Konfliktträger ist dem Ziel der Schulung weitaus dienlicher als bloß die Teilnahme eines Teils des Antragstellers.

Aus der Anzahl der vom Antragsteller auf das Seminar zu schickende Teilnehmer ergeben sich somit keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit.

Ebensowenig aus der Höhe der dadurch entstehenden Kosten, die das Gericht mit DM 9.660,-- als geradezu bescheiden ansieht. Eine Budgetierung der Kosten für Betriebsratsschulungen pro Jahr ist unzulässig.

Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.



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