Arbeitsgericht Offenbach

Urteil vom - Az: 5 Ca 045/01

Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung; Straftat ist kein Kündigungsgrund

1. Nach § 102 BetrVG hat der Arbeitgeber einen für seinen Betrieb gewählten Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die erforderliche Anhörung muss bei außerordentlicher Kündigung vor Ablauf der zweiwöchigen Ausschlussfrist eingeleitet werden, welche wiederum nicht um die Anhörungsfrist verlängert wird.
2. Straftaten, die sich nicht gegen den Arbeitgeber oder einen Arbeitskollegen richten, können dann Grund für eine personenbedingte Kündigung sein, wenn sie das Arbeitsverhältnis belasten, etwa wenn sie ernsthafte Zweifel an der Verlässlichkeit und Eignung des Arbeitnehmers für die von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten begründen. Vorliegend stellt auch ein schwerwiegendes Vermögensdelikt (hier: Anstiftung zum Raub) keinen Kündigungsgrund dar, da der Arbeitnehmer weder Kunden- noch Kassenkontakt hat und an keinem sicherheitsrelevanten Arbeitsplatz arbeitet.
3. Auch eine Strafhaft (für den Arbeitnehmer) von einer Dauer von 3 Jahren und 6 Monaten stellt keinen Kündigungsgrund dar, wenn mit der Erlangung des Freigängerstatus' zu rechnen ist und die Zeit bis dahin mit zumutbaren Mittelnüberbrückt werden kann (z.B. Gewährung von Sonderurlaub).

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 8. Januar 2001 aufgelöst wurde.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens als Pauser weiter zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 16.440,62 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Die Beklagte ist ein Maschinenbauunternehmen und ist tätig auf dem Gebiet der Herstellung von Industrietrockneranlagen. Die von ihr gefertigten Produkte werden überwiegend ins Ausland exportiert.

Der am ... geborene Kläger ist seit 01. April 1969 bei der Beklagten, seit sechs Jahren als Pauser, beschäftigt. Er erzielte zuletzt bei einer 35 Stundenwoche ein Stundenlohn vom 27,31 DM.

Ab dem 01. Juli 2000 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft, dafür beantragte er zunächst die Verrechnung mit dem ihm zustehenden Erholungsurlaub, danach unbezahlten Sonderurlaub, beides wurde ihm entsprechend gewährt.

Der Beklagten wurde, auch von seiten des Strafverteidigers des Klägers, (vgl. Blatt 27 der Akten) der Grund für die Untersuchungshaft nicht mitgeteilt; gerüchteweise erhielt die Beklagte von einem von seiten des Klägers begangenen Raubüberfall/ Einbruchsdiebstahl durch die Zeitung Kenntnis (vgl. Blatt 34 der Akten).

Von im August und Oktober 2000 gefassten Kündigungsentschlüssen nahm die Beklagte nach Widerspruch des Betriebsrates wieder Abstand (vgl. Blatt 28 bis 32).

Am 21. Dezember 2000 wurde der Kläger rechtskräftig wegen Anstiftung zum Raub zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, nach Urteilsverkündung wurde er bis zum Strafantritt aus der Haft entlassen. Er erschien am Freitag, den 22. Dezember 2000 in den Geschäftsräumen der Beklagten, teilte seine Verurteilung mit und bot seine Arbeitskraft wieder an. Er wurde von einem Mitarbeiter nach hause geschickt. In der Zeit von Mittwoch, den 27. Dezember 2000 bis Freitag, den 29. Dezember 2000 wurde aufgrund von Betriebsferien im Unternehmen der Beklagten nicht gearbeitet.

Mit Schreiben von Montag, dem 08. Januar 2001, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Der Kläger trat am 01. März 2001 die Strafhaft an, er befindet sich seit Mitte April 2001 im Freigängerstatus und ist seit dem bei der Zeitarbeitsfirma beschäftigt, bei der er bereits bis zum Haftantritt tätig war. Er erzielt dort einen Stundenlohn von DM 12,00.

Mit der am 18. Januar 2001 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger das Fehlen des wichtigen Grundes für die außerordentliche und die fehlende soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung nicht vorliege, zudem sei die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Absatz 2 BGB nicht eingehalten worden. Insbesondere seien konkrete Nachteile, die sich durch die vom Kläger im privaten Bereich begangene Straftat, für das Arbeitsverhältnis ergeben, nicht ersichtlich. Im Rahmen der Interessenabwägung sei entscheidend die dreißigjährige beanstandungsfreie Beschäftigung des Klägers zu berücksichtigen. Gerade aufgrund der Hinweise des Gerichtes im Rahmen der Verurteilung des Klägers hinsichtlich der Möglichkeiten der Erlangung des Freigängerstatus sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar, da die damit verbundenen Unwägbarkeiten dabei stets auftreten und als solche keinen Kündigungsgrund darstellten. Eine Rufschädigung der Beklagten für den Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei nicht zu befürchten. Für die ordentliche Kündigung sei demzufolge ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund ebenfalls nicht gegeben.

Weiter sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.Januar 2001 aufgelöst wurde, sowie

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites als Pauser weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vorliege. Der Kläger habe im privaten Bereich eine Straftat begangen, die sich negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirke. Durch die schwerwiegende Straftat, an der der Kläger beteiligt war und bei der 5,7 Mio. DM erbeutet worden seien, sei jede Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört worden. Da die Beklagte in einem kleinen Ort geschäftsansässig sei, sei ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar, diese sei nicht gewillt, einen Straftäter zu beschäftigen und auf diese Weise ihren guten Ruf zu zerstören. Weiter sei es für die Beklagte völlig offen, ob der Kläger als Freigänger seiner Arbeit wird nachkommen können. Da nicht bekannt sei, wann ggfs. eine Inhaftierung erfolge, könne eine Personalplanung nicht vorgenommen werden, zumal ungewiss sei, ob der Kläger das für die Erlangung und Beibehaltung des Freigängerstatus erforderliche einwandfreie Verhalten zeigen werde. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, an der Erlangung des Freigängerstatus mitzuwirken. Der Arbeitsplatz des Klägers sei seit August 2000 anderweitig besetzt worden. Auch von seiten der Kollegen des Klägers werde es bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu erheblichen Spannungen und Belastungen kommen. Daneben seien negative Reaktionen auch durch Geschäftskunden der Beklagten zu befürchten, gerade aufgrund der Veröffentlichungen über die Straftat in den Medien.

Da bei der Beklagten zwischen Weihnachten und Neujahr aufgrund von Betriebsferien nicht gearbeitet werde, sei die Einleitung des Anhörungsverfahrens des Betriebsrates vor dem 02. Januar 2001 nicht möglich gewesen, mit Schreiben von diesem Tag sei dieser von den Kündigungsgründen unterrichtet worden (vgl. Blatt 33 der Akten) und habe am 05. Januar 2001 den beabsichtigten Kündigungen widersprochen (vgl. Blatt 5 der Akten). Unverzüglich danach habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 08. Januar 2001 gekündigt.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2001 und 03.05.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann die begehrte Feststellung verlangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08. Januar 2001 aufgelöst wurde. Weiter steht ihm ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen arbeitsvertraglich vereinbarten Bedingungen als Pauser bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites zu.

Das Kündigungsschutzgesetz findet aufgrund der zurückgelegten Beschäftigungszeit und der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer auf das vorliegende Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Kläger hat innerhalb der von § 4 KSchG vorgesehenen Klagefrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gerichtlich die Unwirksamkeit der außerordentlichen und die fehlende soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung geltend gemacht, er hat nämlich gegen die ihm am 08. Januar 2001 zugegangene Kündigung mit Schriftsatz vom 17. Januar 2001, bei Gericht am 18. Januar 2001 eingegangen, die vorliegende Klage erhoben.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist bereits aufgrund Versäumung der Zweiwochenfrist des § 626 Absatz 2 BGB unwirksam. Nach § 626 Abs. 2 BGB beginnt die zweiwöchige Ausschlussfrist, innerhalb derer die außerordentliche Kündigung erfolgen muss, mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Für den Fristbeginn kommt es auf die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis des Kündigungssachverhaltes an. Zu den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehören nicht nur die konkreten Vorfälle, die den Anlass für eine außerordentliche Kündigung bilden, sondern alle Umstände, die bei der Zumutbarkeitsprüfung in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BAG vom 31.03.1993, AP 32 zu § 626 BGB Ausschlussfrist m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte am Freitag, den 22. Dezember 2000 vollständig über die Gründe informiert war, die sie dann zum Anlass für die außerordentliche Kündigung genommen hat. An diesem Tag hat nämlich der Kläger die Beklagte von der erfolgten Verurteilung wegen der begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und die Möglichkeiten der Erlangung des Freigängerstatus informiert. Damit endete die Frist des § 626 Absatz 2 BGB am Freitag, den 05. Januar 2001. Die außerordentliche Kündigung ging dem Kläger jedoch erst am Montag, den 08. Januar 2001 zu und damit außerhalb der Kündigungserklärungsfrist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Frist auch nicht um die Anhörungsfrist für den Betriebsrat gemäß § 102 Absatz 3 BetrVG zu verlängern. Nach § 102 BetrVG hat der Arbeitgeber einen für seinen Betrieb gewählten Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die erforderliche Anhörung muss vor Ablauf der Ausschlussfrist eingeleitet werden, die nicht um die Anhörungsfrist verlängert wird (BAG vom 18.08.1977, EzA § 103 BetrVG Nr. 20; KR/Fischermeier Kommentar zum KSchG und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften 5. Auflage 1998 § 626 BGB RN 332 m.w.N).

Der Arbeitgeber muss somit spätestens am 10. Tag nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen die Anhörung des Betriebsrates einleiten, um nach Ablauf der Anhörungsfrist von 3 Tagen dann noch am folgenden letzten Tag der Ausschlussfrist die Kündigung aussprechen zu können. Ist dem Arbeitgeber die Einleitung des Anhörungsverfahrens zu dem letztmöglichen Zeitpunkt nicht möglich, etwa wie im vorliegenden Fall, da an den drei Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr Betriebsferien bei der Beklagten waren und somit weder Betriebsratsmitglieder noch Ersatzmitglieder erreichbar waren; führt dies jedoch nicht zu einer Verlängerung der von dem Arbeitgeber bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzuwendenden Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Besteht ein Betriebsrat, entfällt die Beteiligungspflicht nach § 102 BetrVG dann, wenn alle Betriebsrats- und Ersatzmitglieder gleichzeitig und nicht nur kurzfristig an der Amtsausübung gehindert sind. In diesem Fall ist der Betriebsrat funktionsunfähig (BAG vom 18. August 1982, AP 24 zu § 102 BetrVG; ebenso Deubner/Kittner/Klebe/Kittner Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 6. Auflage, § 102 BetrVG, Rn 34; KR/Etzel a.a.O., § 102 BetrVG Rn 24a). Dieser kann dann keine Mitwirkungsrechte ausüben, so dass der Arbeitgeber grundsätzlich ohne Anhörung des Betriebsrates die Kündigung aussprechen kann, so dass auf diese Weise dem Arbeitgeber die Einhaltung der Frist ermöglicht wird. (vgl. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz § 102 Rz 29). Mit diesen Erwägungen wird der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 626 Abs. 2 BGB Rechnung getragen, die zum einen dem Übereilungsschutz und zum anderen der Rechtssicherheit dient. Dies gilt auch für die Zeit der vereinbarten Betriebsferien, dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen nicht zuzumuten, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu versäumen. Für eine entsprechende Anwendung des §§ 202 ff BGB und damit eine Unterbrechung der Frist des § 626 Absatz 2 BGB findet sich keinerlei Stütze im Gesetz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Hemmung der Ausschlussfrist für die Zeiten der notwendigen Aufklärungsmaßnahmen (vgl. BAG vom 31. März 1993 a.a.O.) mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist, da insoweit lediglich der Fristbeginn hinausgeschoben wurde und nicht wie hier eine bereits laufende Frist unterbrochen werden soll. Dies steht ebenfalls der zwingenden gesetzlichen Regelung des Verwirkungstatbestandes im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung, wie sie im § 626 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt, entgegen. Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass selbst bei einer Anhörung des Betriebsrates vom 2. Januar 2001, das zur Akte gereichte Anhörungsschreiben trägt dagegen das Datum 4. Januar 2001 und den entsprechenden Eingangsstempel von diesem Tag des Betriebsrates, der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers im vorliegenden Fall nicht fristgerecht aussprechen konnte, da die Anhörungsfrist gleichzeitig mit der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB am Freitag, den 05. Januar 2001 um 24.00 Uhr endete. Wie dargestellt ist daher die Versäumung der Ausschlussfrist des § 626 Absatz 2 BGB dem Arbeitgeber zuzurechnen und führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung Ungeachtet dessen hat die Beklagte aufgrund der bereits am Freitag, den 05. Januar 2001 abgegebenen abschließenden Erklärung des Betriebsrates die Möglichkeit nicht wahrgenommen, durch persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger am Nachmittag des gleichen Tages, die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten.

Auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die ausgesprochene außerordentliche Kündigung kommt es daher nicht mehr an.

Die von Seiten der Beklagten ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung vom 8. Januar 2001 ist ebenfalls unwirksam. Für diese fehlt es an einer sozialen Rechtfertigung. Zur Begründung der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung hat die Beklagte sowohl auf die Begehung der Straftat von Seiten des Klägers als solche als auch auf die Verurteilung zu einer Strafhaft von 3 Jahren und 6 Monaten zurückgegriffen. Beide Kündigungsgründe sind nach Überzeugung der erkennenden Kammer nicht geeignet, die ausgesprochene ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.

Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist. Erforderlich ist dafür, dass das Verhalten des Arbeitnehmers diesem vorwerfbar ist und zu einer Störung der Vertragsbeziehungen geführt hat. Dabei kann es sich um die Verletzung von Hauptpflichten oder von vertraglichen Nebenpflichten handeln (vgl. BAG vom 9. April 1987, AP 18 zu § 1 KSchG Krankheit; BAG vom 07.12.1988, AP 26 zu § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung). Ein strafrechtlich relevantes Verhalten wirkt sich auf die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur dann aus, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch darin liegende objektive Umstände, die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im Vertrauensbereich der Vertragsparteien oder Unternehmensbereich beeinträchtigt wird (vgl. BAG vom 20. September 1984, AP 13 zu § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung). Weiter ist eine sich aus dem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers ergebende negative Prognose dergestalt, dass auf künftige Vertragsverletzungen geschlossen werden kann und die fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz erforderlich.

Unter Anwendung der Kriterien auf den vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass der Kläger mit der Anstiftung anderer zum Raub eine Straftat begangen hat, die nicht eine gleichzeitige Verletzung einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung darstellt. Insoweit liegt der konkrete Fall anders als die von Seiten des BAG entschiedenen Fälle, in denen öffentlichen Bediensteten aufgrund der einzelvertraglich vereinbarten Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrages besondere vertragliche Nebenpflichten zur Wahrung des Ansehens der öffentlichen Verwaltung auferlegt wurden (vgl. BAG vom 08.06.2000 in NAZ 2000, 1283 mit weiteren Nachweisen) gegen die auch durch die Begehung von Straftaten im privaten Bereich verstoßen wird. Unstreitig hat die begangene Tat sich weder gegen den Arbeitgeber gerichtet, noch rühren etwaig verwendete Erkenntnisse oder Informationen, die für die Tatbegehung von Belang waren, aus der Sphäre des Arbeitgebers her. Insoweit liegt ein direkter Bezug zum Arbeitsplatz des Klägers nicht vor (vgl. zur Abgrenzung ebenso Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 2. Auflage 2001, § 1 KSchG Rn 364 sowie § 626 BGB Rn 150), so dass eine verhaltensbedingte Kündigung ausscheidet.

Entfaltet die im privaten und außerdienstlichen Bereich begangene Straftat jedoch konkrete Auswirkungen und Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses, so kann aufgrund der fehlenden Eignung des Arbeitnehmers für die von ihm vertraglich zu erbringenden Leistungen ein personenbedingter Kündigungsgrund gemäß § 1 KSchG in Betracht kommen. Da die personenbedingte Kündigung die Fähigkeit und Eignung des Arbeitnehmers betrifft, die geschuldete Leistung zu erbringen, kann das Fehlen dieser Fähigkeit oder der Eignung im Kündigungszeitpunkt oder deren erhebliche Beeinträchtigung eine personenbedingte Kündigung dann rechtfertigen, wenn mit der alsbaldigen Wiederherstellung der Fähigkeit und Eignung zur ordnungsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistungen nicht gerechnet werden kann. Dieses muss zu konkreten Störungen des Arbeitsverhältnisses geführt haben, die zum Zeitpunkt der Kündigung noch andauern, oder auch künftig zu befürchten sind und auch durch eine anderweitige Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht beseitigt werden können. Außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, in der zu prüfen ist, ob der Arbeitgeber die aufgrund des personenbedingten Kündigungsgrundes eingetretenen Störungen des Arbeitsverhältnisses (erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen) billigerweise noch hinnehmen muss oder ob die Kündigung aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers als billigenswert und angemessen erscheint. Straftaten, die sich nicht gegen den Arbeitgeber oder einen Arbeitskollegen richten, können nur dann Grund für eine personenbedingte Kündigung sein, wenn sie das Arbeitsverhältnis belasten, etwa wenn sie ernsthafte Zweifel an der Verlässlichkeit und Eignung des Arbeitnehmers für die von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten begründen. So können Vermögensdelikte bei einem Buchhalter, Kassierer, Lagerverwalter oder Geldboten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen, wenn sie auf fehlende Vertrauenswürdigkeit schließen lassen. Entscheidend dabei sind die Qualität des Delikts und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb (BAG vom 20. November 1997 AP 43 zu § 1 KSchG 1969).

Im vorliegenden Fall fehlt es nach Überzeugung der erkennenden Kammer trotz des erheblichen Gewichtes der Tat an deren konkreten Auswirkungen auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis. Dafür spricht zum einen, dass der Kläger bei der Beklagten als Pauser und damit als gewerblicher Arbeitnehmer tätig ist. Er hat keinerlei Kundenkontakt, sondern ist mit rein betriebsinternen Tätigkeiten betraut. Weiter hat der Kläger keinen sicherheitsrelevanten Arbeitsplatz inne, für den eine besondere Zuverlässigkeit, wie etwa gegenüber einem Kassierer, bestehen müsste, so dass insoweit ein Vermögensdelikt wie das Vorliegende für sich genommen, auch nicht geeignet ist, hier Zweifel an der Eignung des Klägers für seinen Arbeitsplatz hervorzurufen. Weiter obliegt ihm im Rahmen der von ihm auszuübenden Aufgaben keinerlei Vorgesetztenfunktion, so dass auch auf diesen Hintergrund eine negative Einflussnahme durch den Kläger für nicht gegeben erachtet wird. Hinsichtlich der Auswirkungen der Kenntnis von der Straftat und der entsprechenden Verurteilung durch die Arbeitskollegen kann das Entstehen von Spannungen und Konflikten zwischen dem Kläger und den Arbeitskollegen als durchaus möglich unterstellt werden, auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat im Rahmen seines Widerspruches hinsichtlich der Anhörung zu der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung insoweit eine andere Einschätzung der Situation zu erkennen gegeben hat, wonach sich verschiedene Kollegen für den Verbleib des Klägers im Unternehmen ausgesprochen haben. Damit ist zumindest deutlich geworden, dass insoweit unterschiedliche Positionen bestehen. Die Beklagte hat allerdings keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgetragen, zu welchen Konflikten und Auseinandersetzungen es zwischen dem Kläger und seinen Kollegen kommen wird, die sich über die persönlichen Beziehungen zwischen den Kollegen hinaus negativ auf das Arbeitsverhältnis als solches und den sich daraus ergebenden Pflichten auswirken können. Diese in den Beziehungen zu Kollegen möglicherweise entstehenden Probleme zu lösen, wird daher Sache des Klägers sein.

Die subjektive Einschätzung der Beklagten, grundsätzlich keine Straftäter beschäftigen zu wollen, ist insoweit nicht mehr als eine unter dem Vorbehalt des Vorliegens von die ordentliche Kündigung rechtfertigenden Gründen stehende subjektive Entscheidung. Diese kann jedoch nicht dazu herangezogen werden, eine objektiv bestehende Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Soweit die Beklagte auf ihren Sitz in einem Ort mit 8000 Einwohnern verweist, ist insoweit nicht erkennbar, inwieweit es durch die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers, der wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, zu einer für die Beklagte negativen Rufschädigung kommen soll, zumal unstreitig die Kunden der Beklagten nicht aus ... stammen, sondern vorwiegend aus dem Ausland kommen und insoweit auch über die Umstände nicht informiert sein dürften. Weiter ist dies eine für den Arbeitgeber hinzunehmende Belastung, deren konkrete betriebliche oder wirtschaftliche Auswirkungen auf die Arbeitgeberin nicht dargetan wurden. Auch soweit die Beklagte darauf zurückgreift, dass die zum Kläger bestehende Vertrauensgrundlage vollständig zerstört sei, beschränkt sie sich auf entsprechende schlagwortartige Formulierungen, die im vorliegenden Zusammenhang nicht ausreichend sind. Denn Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer erneuten, gleichartigen Tatbegehung kommen wird, bewegen sich in dem Bereich völliger Spekulation und können insoweit hier nicht herangezogen werden.

Da die Beklagte im vorliegenden Fall neben der Begehung der Straftat im außerdienstlichen Bereich die Verbüßung einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten als solche als Kündigungsgrund heranzieht, ist deren soziale Rechtfertigung ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer personenbedingten Kündigung zu überprüfen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Unmöglichkeit der Erbringung von Arbeitsleistungen für nicht unerhebliche Zeit in Folge der Verbüßung einer Strafhaft an sich geeignet ist, eine ordentliche, personenbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen, wenn für den Arbeitgeber zumutbare Überbrückungsmöglichkeiten nicht bestehen und sich die Arbeitsverhinderung konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, weil sie zu Störungen des Betriebsablaufes führt (vgl. BAG vom 09.03.1995, NZA 1995, 777; sowie vom 15. November 1984, AP 87 zu § 626 BGB m.w.N.). Da die Strafhaft nicht die Privatsphäre des Arbeitnehmers betrifft, sondern die geschuldete Arbeitsleistung unmöglich macht, kommt sie gerade deshalb als Kündigungsgrund in Betracht. Soweit wie dargelegt vom Arbeitgeber zu verlangen ist, dass er durch mögliche und zumutbare Überbrückungsmaßnahmen eine Kündigung entbehrlich macht, also den Betriebsablauf störende Auswirkungen der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung beseitigt, so ist erst recht zu fordern, dass er den Eintritt der Unmöglichkeit zu verhindern hilft. Hat die der Strafhaft des Arbeitnehmers zugrunde liegende Tat wie im vorliegenden Fall, nämlich keinen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis, dass sie selbst als verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund in Betracht kommt, so ist der Arbeitgeber in den Grenzen des Zumutbaren gehalten, an der Erlangung des Freigängerstatus mitzuwirken, um dem Arbeitnehmer die vertragliche Arbeitsleistung zu ermöglichen. Dies folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die als Ausfluss des im § 242 BGB niedergelegten Gedankens von "Treu und Glauben" den Inhalt des Schuldverhältnisses bestimmt; der Arbeitgeber darf danach dem Arbeitnehmer nicht grundlos Nachteile zufügen oder ihn der Gefahr eines Schadens aussetzen (vgl. BAG vom 14. September 1994, AiB 1995, 138 sowie BAG vom 09.03.1995 a.a.O.). Für die Frage, ob vom Arbeitgeber insoweit im Rahmen des ihm Zumutbaren die Mitwirkung an der Erlangung des Freigängerstatus zugunsten seines Arbeitnehmers verlangt wird, ist die Freiheit des Arbeitgebers einschließlich der Entscheidung darüber, welche Arbeitnehmer er wie lange beschäftigt, aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG mit den Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung des gewählten Arbeitsplatzes aus Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber zu stellen. Das Arbeitnehmerrecht überwiegt in den Fällen, in denen die der Haft zugrunde liegende Straftat ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis steht. Jedoch ist dem Arbeitgeber eine risikobehaftete Mitwirkung an der Erlangung des Freigängerstatus grundsätzlich nicht zuzumuten und zwar nicht erst dann, wenn die Befürchtungen, die Straftat und die Verurteilung zur Strafhaft könnten zu deutlichen, nachteiligen Reaktionen führen, so naheliegend sind, dass sie der Straftat selbst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben. Auch hierbei kommt es auf den Grad der Wahrscheinlichkeit von künftigen Störungen des Arbeitsverhältnisses und deren Schwere an. Nur wenn sich bei einer objektiven Prognose Störungen des Betriebes oder des Betriebsablaufes als ganz fernliegend bzw. geringfügig erweisen, kann vom Arbeitgeber erwartetet werden, dass er dem Arbeitnehmer zum Freigängerstatus verhilft und damit die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung als Kündigungsgrund ausräumt. Im vorliegenden Fall gelten jedoch zugunsten des Arbeitnehmers die bereits oben angestellten Erwägungen, wonach einem 30 Jahre lang unbeanstandet



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen