Arbeitsgericht Offenbach

Beschluss vom - Az: 3 BV 44/04

Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei Einführung einer Ethik-Richtlinie ("Honeywell")

Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung besteht bei der Aufstellung von Ethik-Richtlinien dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn in diesen Verhaltensregeln mitbestimmungspflichtige Komplexe aufgenommen sind.
Wird den Mitarbeitern die Verpflichtung aufgelegt, mögliche oder scheinbare Interessenkonflikte zwischen Mitarbeitern, die miteinander familiär oder eng persönlich verbunden sind, bei einer dafür vorgesehenen Stelle zu melden, so liegt damit eine gem. §87 I Nr.1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit vor. Ebenfalls nach dieser Norm mitbestimmungspflichtig ist eine Passage, die nicht nur sexuelle Belästigung, sondern auch jegliches Verhalten, das negative Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben kann, die Würde einer Person herabsetzen kann oder eine einschüchternde, feindliche oder anderweitige aggressive Arbeitsumgebung schafft, verbietet. Denn damit geht der Arbeitgeber noch über den gesetzlich vorgeschriebenen Belästigungsschutz des (bis zum 17.08.2006 geltenden) Beschäftigtenschutzgesetz hinaus.
Mitbestimmungspflichtig ist auch eine Regelung, anhand der der Arbeitgeber dazu berechtigt ist im Zweifelsfall die Arbeitsleistung und das Verhalten der Mitarbeiter -ohne Vorankündigung- durch Auswertung von Computerdaten zu überwachen (§87 I Nr.6 BetrVG).

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts wurde durch das Bundesarbeitsgericht überwiegend bestätigt.

Tenor

Es wird festgestellt, dass folgende Regelungen des ... Code of Business Conduct der erzwingbaren Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats unterliegen:

Seite 6:

"Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um ungebührliche Vorgesetztenverhältnisse zu vermeiden und Personen, mit denen wir familiäre oder enge persönliche Verbindungen haben, nicht direkt oder indirekt über - oder untergeordnet zu sein.

Sollte ein tatsächlicher oder scheinbarer Interessenkonflikt entstehen, muss der betreffende Mitarbeiter das Problem der Rechtsabteilung oder dem ...-Kontrollbüro ("Integrity and Compliance Office") und einem Mitglied des Führungsteams in dem Geschäftsbereich, in dem der Konflikt entsteht, schriftlich mitteilen, damit der Fall geprüft und gegebenenfalls Maßnahmen zur Beseitigung des Interessenkonflikts ergriffen werden können."

Seite 7:

"Insbesondere verbietet das Unternehmen unwillkommene sexuelle Zudringlichkeiten oder Körperkontakte, Gesten und Aussagen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen oder Verbreiten von Bildern, Karikaturen oder Witzen sexueller Natur. Ebenfalls verboten sind Repressalien gegen Mitarbeiter, die sich gewehrt und über sexuelle Belästigungen beschwert haben. Zur Meldung von sexuellen Belästigungen steht den Mitarbeitern ein einschlägiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung."

Seite 9:

"Mitarbeiter oder Vertreter, die Arbeiten im Namen von ... durchführen, sind bezüglich Ressourcen der ... Information Technology nicht zum Schutz ihrer Privatsphäre berechtigt, außer wenn dies durch die örtlichen Gesetze vorgesehen ist. Alle Computerdaten, die unter Verwendung von Ressourcen der ... Information Technology erstellt, empfangen oder übertragen werden, gelten nicht als private Informationen des Benutzers. ... behält sich das Recht vor, alle Daten aus jedwedem Grund ohne Vorankündigung zu untersuchen, wenn Verstöße gegen diesen Verhaltenskodex oder andere Richtlinien von ... vermutet werden. Durch die Verwendung von Ressourcen der ... Information ... Technology erklären sich Benutzer mit dieser Überwachung einverstanden."

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um einen Feststellungsantrag im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens. Der Antragsteller begehrt Feststellung, dass die Einführung und Anwendung des ... Code of Business Conduct insgesamt bzw. in einzelnen Teilen der Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats bzw. des Gesamtbetriebsrats unterliegt.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um den unter der Führung der Antragsgegnerin für diesen gewählten Konzernbetriebsrat. Dem Konzern gehören die Einzelunternehmen der Beteiligten zu 2. bis 13. an. Die Antragsgegnerin begehrt seit einiger Zeit die Einführung eines sogenannten ... Verhaltenscodex, den ... Code of Business Conduct. Dieser Code, der von der Konzernmutter zur Einführung in allen weltweiten Konzernen der Firma ... vorgegeben wurde, regelt das Verhalten der Mitarbeiter untereinander, gegenüber Vorgesetzten, Lieferanten und Kunden und sonstige Personen, die in Beziehung zu dem Unternehmen treten. Auf Blatt 14 bis 47 der Akte wird verwiesen.

Die Firma ... ist ein deutsches Tochterunternehmen der US-amerikanischen Firma ..., die an der ... gelistet ist. Für die an der ... gelisteten Unternehmen besteht eine gesetzliche Verpflichtung, einen Code of Business Conduct in Access bei den ihr unterfallenen Unternehmen einzuführen. Dieser Code of Business Contact in Access enthält Regelungen zur Verhinderung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten, zur Verschwiegenheit, zu lauterem und fairen Geschäftsgebaren, zum Schutz von Unternehmenseigentum, zur Verpflichtung der Mitarbeiter zu gesetzeskonformen Verhalten und zur Ermutigung der Mitarbeiter, Gesetzesverstöße und Verstöße gegen den Codex zu melden. Die US-amerikanische Muttergesellschaft hat daher für alle weltweit bei ihr beschäftigten Mitarbeiter einen Verhaltens-Codex erarbeitet, der sodann in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Dieser Verhaltens-Codex enthält Regelungen über das Verhalten der Mitarbeiter untereinander, der Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, gegenüber Lieferanten, Wettbewerbern, Kunden, Gemeinden und Behörden sowie Verantwortung hinsichtlich internationaler Geschäftspraktiken. In diesem Codex ist unter anderem geregelt: Unter der Überschrift "Wir vermeiden Interessenkonflikte" heißt es auf Seite 6: Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um ungebührliche Vorgesetztenverhältnisse zu vermeiden und Personen, mit denen wir familiäre oder enge persönliche Verbindungen haben, nicht direkt oder indirekt über oder untergeordnet zu sein.

Sollte ein tatsächlicher oder scheinbarer Interessenkonflikt entstehen, muss der betreffende Mitarbeiter das Problem der Rechtsabteilung oder dem ... Kontrollbüro (Integrity and Compliance Office) und einem Mitglied des Führungsteams in dem Geschäftsbereich, in dem der Konflikt entsteht, schriftlich mitteilen, damit der Fall geprüft und gegebenenfalls Maßnahmen zur Beseitigung des Interessenkonflikt ergriffen werden können.

Seite 7 der Richtlinie unter der Überschrift "Wir sind für volle Gleichberechtigung und begrüßen Unterschiede": Wir sind der Überzeugung und erkennen an, dass alle Menschen für ihre individuellen Fähigkeiten und Beiträge respektiert werden sollten. Sinn des Unternehmens ist es, allen Mitarbeitern herausfordernde, sinnvolle und lohnende Möglichkeiten zur persönlichen beruflichen Weiterentwicklung zu bieten, und zwar unabhängig von Geschlecht, Rasse ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung, Alter, Schwangerschaft, Religion, Veteranenstatus, Herkunftsland oder jeglichem anderen gesetzlich geschützten Status. Insbesondere verbietet das Unternehmen unwillkommene sexuelle Zudringlichkeiten oder Körperkontakte, Gesten und Aussagen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen oder Verbreiten von Bildern, Karikaturen oder Witzen sexueller Natur. Ebenfalls verboten sind Repressalien gegen Mitarbeiter, die sich gewehrt und über sexuelle Belästigungen beschwert haben. Zur Meldung von sexuellen Belästigungen steht den Mitarbeitern ein einschlägiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung.

Seite 9 "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten": Mitarbeiter oder Vertreter, die Arbeiten im Namen von ... durchführen, sind bezüglich Ressourcen der ... Information Technology nicht zum Schutz ihrer Privatsphäre berechtigt, außer wenn dies durch die örtlichen Gesetze vorgesehen ist. Alle Computerdaten, die unter Verwendung von Ressourcen der ... Information Technology erstellt, empfangen oder übertragen werden, gelten nicht als private Informationen des Benutzers. ... behält sich das Recht vor, alle Daten aus jedweden Grund ohne Vorankündigung zu untersuchen, wenn Verstöße gegen diesen Verhaltens-Codex oder andere Richtlinien von ... vermutet werden. Durch die Verwendung von Ressourcen durch die ... Information Technology erklären sich Benutzer mit dieser Überwachung einverstanden.

Auf Seite 29 heißt es: "Alle ...-Mitarbeiter müssen den Verhaltens-Codex sowie die Grundsätze und Verfahren des Unternehmens genau verfolgen und mutmaßliche Verstöße umgehend melden.

Mitarbeiter werden dazu angeregt, Verstöße durch ihre normalen Berichterstattungskanäle an den Kontrollbeauftragten ihrer Geschäftseinheit, ein Mitglied des Integrity and Compliance Council oder an die Rechtsabteilung zu melden.

Außerdem haben alle Mitarbeiter Zugang zu einer oder mehreren Telefon-Helplines , die rund um die Uhr von einem professionellen, unabhängigen Auftragnehmer, besetzt sind. Über diese Helplines können mutmaßliche Verstöße gegen Gesetze, Vorschriften, Unternehmensgrundsätze oder den Verhaltens-Codex gemeldet werden. Auf dem hinteren Deckblatt ist ein Informationsblatt über die Integritäts-Helpline angefügt (auf Blatt 48 d. A. wird verwiesen)."

Bereits seit 1993 existiert, bedingt durch die amerikanisch geprägte Philosophie des ...-Gesamtkonzerns eine Art Verhaltens-Codex, in dessen Rahmen die Verhaltensweisen schriftlich niedergelegt werden. Der aktuelle Verhaltens-Codex aus dem Jahr 2004 sollte nach dem Willen der Antragsgegnerin unter den Beschäftigten ihres Unternehmens angeboten, verteilt und unterschrieben werden. Die Unterschrift unter dem Verhaltens-Codex sollte bestätigen, dass jeder Mitarbeiter mit dem Verhaltens-Codex Einverständnis erklärt und dessen Inhalt schriftlich bestätigt. Die Verteilung des Codex erfolgte nach Beteiligung des Betriebsrats. In einem gemeinsamen Schreiben von Geschäftsleitung und Konzernbetriebsrat vom 19. Juli 2004 an alle Personalleiter und Betriebsräte der ... Deutschland Holding GmbH heißt es: "Um den Vorgaben des Konzerns zur weltweiten Einführung des Codex-Codes zu entsprechen, haben wir uns nach mehreren Gesprächen auf folgende pragmatische Vorgehensweise verständigt:

Der Konzernbetriebsrat toleriert ohne Aufgabe seiner Rechtsposition die Einführung des Codes. Dieser beinhaltet die Verteilung der Broschüre, der ein gemeinsam abgestimmtes Vorwort beigefügt wird, sowie die Durchführung von Informationsveranstaltungen über den Inhalt des Codes, in der am jeweiligen Standort üblichen Form oder in elektronischer Version. Den Erhalt und das Verständnis der Broschüre kann sich der Arbeitgeber schriftlich bestätigen lassen, eine Verpflichtungserklärung auf den Code erfolgt dadurch nicht. Diese Vorgehensweise entspricht den Verfahren bei der Einführung des Codes im Jahr 2002.

Um die Rechtslage im Hinblick auf die Bestimmungsrechte endgültig zu klären, wird der Konzernbetriebsrat ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einleiten. Über den Ausgang dieses Verfahrens werden wir Sie selbstverständlich informieren.

Mit diesem pragmatischen Ansatz wollen wir auch in den Konzern hinein zeigen, dass es selbst bei schwierigen Themen gelingt, auf der Basis konstruktiver Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat zu gemeinsamen Lösungen zu kommen."

Der Gesamtbetriebsrat ist der Auffassung, der unternehmensseitig vorgegebene Verhaltens-Codex sei ein geschlossenes Gesamtkonzept, aus dem Einzelteile nicht herausgelöst werden können, da sie in enger Beziehung zueinander stünden. Es gebiete sich daher eine Gesamtbetrachtung und Bewertung, was die Einführung und Anwendung dieses Codex angehe. Insofern sei das ganze Werk mitbestimmungspflichtig. Jedenfalls bestehe aber bei einer Reihe von Einzelregelungen des Verhaltens-Codexes ein Mitbestimmungsrecht.

Der Gesamtbetriebsrat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Einführung und Anwendung des ... Code of Business Conduct der erzwingbaren Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats, hilfsweise der einzelnen Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates, unterliegt,

hilfsweise

Es wird festgestellt, dass folgende Regelungen des ... Code of Business Conduct der erzwingbaren Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats, hilfsweise der einzelnen Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates, unterliegen:

Seite 6 "Wir vermeiden Interessenkonflikte":

"Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um ungebührliche Vorgesetztenverhältnisse zu vermeiden und Personen, mit denen wir familiäre oder enge persönliche Verbindungen haben, nicht direkt oder indirekt über- oder untergeordnet zu sein."

Beweis: wie vor

Seite 6 "Wir vermeiden Interessenkonflikte":

"Sollte ein tatsächlicher oder scheinbarer Interessenkonflikt entstehen, muss der betreffende Mitarbeiter das Problem der Rechtsabteilung oder dem ...-Kontrollbüro ("Integrity and Compliance Office") und einem Mitglied des Führungsteams in dem Geschäftsbereich, in dem der Konflikt entsteht, schriftlich mitteilen, damit der Fall geprüft und gegebenenfalls Maßnahmen zur Beseitigung des Interessenkonflikts ergriffen werden können."

Beweis: wie vor

Seite 6 "Wir sind für volle Gleichberechtigung und begrüßen Unterschiede":

"... Wir sind der Überzeugung und erkennen an, dass alle Menschen für ihre individuellen Fähigkeiten und Beiträge respektiert werden sollten. Ziel des Unternehmens ist es, allen Mitarbeitern herausfordernde, sinnvolle und lohnende Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu bieten, und zwar unabhängig von Geschlecht, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung, Alter, Schwangerschaft, Religion, Veteranenstatus, Herkunftsland oder jeglichem anderen gesetzlich geschützten Status:"

Seite 7 "Wir arbeiten in einem positiven Umfeld":

"Insbesondere verbietet das Unternehmen unwillkommene sexuelle Zudringlichkeiten oder Körperkontakte, Gesten und Aussagen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen oder Verbreiten von Bildern, Karikaturen oder Witzen sexueller Natur. Ebenfalls verboten sind Repressalien gegen Mitarbeiter, die sich gewehrt und über sexuelle Belästigungen beschwert haben. Zur Meldung von sexuellen Belästigungen steht den Mitarbeitern ein einschlägiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung."

Beweis: wie vor

Seite 9 "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten":

"Mitarbeiter oder Vertreter, die Arbeiten im Namen von ... durchführen, sind bezüglich Ressourcen der ... Information Technology nicht zum Schutz ihrer Privatsphäre berechtigt, außer wenn dies durch die örtlichen Gesetze vorgesehen ist. Alle Computerdaten, die unter Verwendung von Ressourcen der ... Information Technology erstellt, empfangen oder übertragen werden, gelten nicht als private Informationen des Benutzers. ... behält sich das Recht vor, alle Daten aus jedwedem Grund ohne Vorankündigung zu untersuchen, wenn Verstöße gegen diesen Verhaltens-Codex oder andere Richtlinien von ... vermutet werden. Durch die Verwendung von Ressourcen der ... Information Technology erklären sich Benutzer mit dieser Überwachung einverstanden..."

Die Beteiligten zu 2 bis 13 beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

Zur Begründung führen sie aus, der Verhaltens-Codex sei weder als Ganzes, noch in Teilen mitbestimmungspflichtig. Es treffe im Übrigen nicht zu, dass es sich bei dem Verhaltens-Codex um ein geschlossenes Gesamtkonzept handele, aus dem Einzelteile nicht herausgelöst werden könnten. Den Arbeitnehmern werden keine Handlungspflichten durch den Codex auferlegt. Auch in den übrigen Regelungen werden weder Fragen der Ordnung des Betriebs, noch des Verhaltens der Arbeitnehmer geregelt oder ihnen etwaige Handlungspflichten auferlegt. Die unter der Rubrik "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten" enthaltenen Grundsätze seien Ausfluss der amerikanischen Unternehmensphilosophie. Im Vorwort zu dem Codex seien die deutschen Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass bestimmte Regelungen und Verhaltensgrundsätze in Deutschland aufgrund der entgegenstehenden Rechts- und Gesetzeslage keine Anwendung finden. Diese Passage "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten" komme daher in Deutschland nicht zur Anwendung. Im Übrigen werde der Verhaltens-Codex von den Antragsgegnern nicht als verbindliche Verhaltensordnung, sondern als Leitlinie und Orientierungshilfe interpretiert und angewendet. Im Vorwort sei darüber hinaus ausdrücklich darauf verwiesen worden, dass einzelne Formulierungen des Codexes wegen der Besonderheiten des deutschen Rechts keine Geltung beanspruchen. So heißt es im Vorwort:

"Bestimmte Formulierungen im Text stehen im Widerspruch oder in einem Spannungsverhältnis zur Rechtssituation in Deutschland. Insbesondere möchten wir auf folgende Punkte hinweisen:

- Der Schutz von persönlichen Daten im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung;

- Das im deutschen wie im europäischen Recht verankerte Diskriminierungsverbot, welches hinsichtlich der Behandlung von Familienangehörigen unabdingbare Grundsätze festlegt.

- Darüber hinaus möchten wir den Punkt betonen, dass für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses maßgebend das deutsche Vertragsrecht, das Arbeitsrecht und in diesem Rahmen die schriftlichen Arbeitsverträge sind. Teil des Arbeitsvertrages sind - soweit vorhanden - maßgebende tarifliche Bestimmungen und Betriebsvereinbarungen.

Diese Punkte verstehen Sie bitte als Konkretisierung der Formulierung im Text des ... Code of Business Conduct, dass nationales und lokales Recht bzw. nationale und lokale Regeln Vorrang vor den Formulierungen des Textes des ... Code of Business Conduct haben.

Jedweder Bezug auf den Verhaltens-Codex auf CIS/CP-Formularen ändert nichts an der Tatsache, dass die Rechte eines(r) Arbeitnehmer(in) gemäß den Gesetzen des Landes, in dem der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, den Arbeitsvorschriften des jeweiligen Arbeitgebers oder dem individuellen Arbeitsvertrag gelten. Unterschriften auf den CIS/CP-Formularen zeigen keine Verzichtserklärung des(r) Arbeitnehmers(in) auf seine (ihre) Rechte auf Schutz gemäß lokalem Recht oder schriftlichem Anstellungsvertrag an.

Dementsprechend bedeutet die Unterschrift eines(r) Arbeitnehmers(in) auf einem CIS/CP-Formular nicht, dass auf die Rechte und den Schutz gemäß lokalem Recht oder dem schriftlichen Vertrag entsprechend, verzichtet wird."

Bis zum heutigen Tage seien darüber hinaus auch keine Maßnahmen gegen einzelne Mitarbeiter wegen Nichtbefolgen des Codes eingeleitet oder in Aussicht gestellt worden. Die Antragsgegner zu 2 bis 13 behaupten darüber hinaus, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei bereits durch dessen Tolerierung an das gemeinsame Schreiben mit der Beteiligten zu 2 vom 19. Juli 2004 gewahrt.

Hinsichtlich der Passage auf Seite 9 des Verhaltens-Codexes: Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten" hat die Arbeitgeberin vorgetragen, hat es ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG weder nach dem gesetzlichen Wortlaut, noch nach Sinn und Zweck des Gesetzes gegeben. Bezüglich dieser Bestimmung des Verhaltens-Codexes sei im Vorwort des Codexes jedoch ausdrücklich dargestellt, dass diese Regelung nicht mit deutschen Gesetzen im Einklang stehen und daher nicht zur Anwendung komme. Da dieses geklärt sei, komme eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht in Betracht. Auch hinsichtlich der Passage des Verhaltens-Codexes "Ihr Leitfaden für korrektes Verhalten im Geschäftsleben" sei nicht mitbestimmungspflichtig, da keine verbindlichen Verhaltensregelungen getroffen werden. Es handele sich vielmehr laut Einführung um eine Richtlinie und Hilfestellung. Im Hinblick auf die Passage "Wir vermeiden Interessenskonflikte" sei ebenfalls kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben. Zum einen werden den Mitarbeitern keine konkreten dienstlichen Handlungspflichten auferlegt, zum anderen stehe es nicht in der Macht des Arbeitnehmers, zu verhindern, dass Familienmitglieder zu Vorgesetzten berufen werden. Diese Personalentscheidungen haben die Vorgesetzten zu treffen. Hinsichtlich des übrigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze in der Akte und das Sitzungsprotokoll vom 24. November 2005 verwiesen.

 (Die Antragsgegner zu 2 bis 13 führen darüber hinaus aus, der Globalantrag des Antragstellers, den gesamten Verhaltens-Codex für mitbestimmungspflichtig zu erklären, sei als Feststellungsantrag unzulässig.)

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag des Antragstellers ist ebenso wie der tenorierten Passagen begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Der Gesamtbetriebsrat ist für die streitigen Regelungsbereiche gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Gesamtbetriebsrat dann für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts zuständig, wenn und soweit objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Ein zwingendes Erfordernis kann sich dabei aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben (BAG Urteil vom 26.04.2005 - 1 Azr 76/04, AP-Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 = NZA 2005, 892; BAG Beschluss vom 09.12.2003 - 1 Abr 49/02, AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 27). Die Zweckmäßigkeit einer unternehmenseinheitlichen Regelung kann ebenso wenig wie ein Kosteninteresse des Arbeitgebers in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen (BAG Beschluss vom 15.01.2002 - 1 Abr 10/01, AP-Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972 = NZA 2002, 988). Ob ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung besteht, bestimmt sich nach dem Mitbestimmungstatbestand, der eine zu regelnde Angelegenheit zugrunde liegt.

Hier kann bereits faktisch nicht der einzelne Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG wahrnehmen. Die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin hat die Ethik-Richtlinie verbindlich für alle Betriebe weltweit und über die Arbeitgeberin auch in Deutschland eingeführt. Damit will die Muttergesellschaft und über sie die Arbeitgeberin erreichen, dass alle Mitarbeiter in Deutschland unternehmenseinheitlich nach einheitlichen Wertmaßstäben arbeiten. Die Ethik-Richtlinien können wegen dieses der Arbeitgeberin von der Muttergesellschaft vorgegebenen Selbstverständnisses nur einheitlich in allen Betrieben eingeführt werden; der ethische Maßstab, den die Arbeitgeberin bei ihren Mitarbeitern ansetzt, kann nicht unterschiedlich geregelt werden, je nach dem, ob ein Mitarbeiter im Betrieb A oder im Betrieb B der Arbeitgeberin arbeitet. Gerade wegen des zwingenden Charakters der Ethik-Richtlinie für alle Betriebe und Arbeitnehmer kann nur eine unternehmenseinheitliche Regelung und keine Regelung auf Betriebsebene erfolgen (vgl. LAG Berlin, Beschluss vom 22.04.1987, 12 TaBV 1/87). Der Gesamtbetriebsrat hat bei den Abschnitten Seite 6 unter der Rubrik "Wir vermeiden Interessenskonflikte" unter dem Spiegelstrich 4 und 6, bei dem Abschnitt auf Seite 7 unter der Rubrik "Wir arbeiten in einem positiven Umfeld" unter Spiegelstrich 3 (vorher war es Spiegelstrich 3 und 5) und bei dem Abschnitt Seite 9 unter der Rubrik "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten", Spiegelstrich 3, zweiter Absatz ein Mitbestimmungsrecht.

Entgegen einer in der Literatur (vgl. Richardi, BetrVG 9. Auflage, § 87, Rd.Nr. 195) vertretenen Auffassung besteht bei der Aufstellung von Ethik-Richtlinien dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn in diesen Verhaltensregeln mitbestimmungspflichtige Komplexe aufgenommen sind. Denn allein mit der Bezeichnung Ethik-Regeln und der damit verbundenen verfolgten Absicht, den Inhalt des Arbeitsvertrags näher zu regeln, lässt sich ein Mitbestimmungsrecht nicht grundsätzlich verneinen. Im Hinblick auf die Rubriken "Wir vermeiden Interessenskonflikte" und "Wir arbeiten in einem positiven Umfeld" besteht ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Bezüglich der Rubrik "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten" besteht ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

a. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer (BAG Beschluss vom 27.01.2004 - 1 Abr 7/03, BAGe 109, 235 = NZA 2004, 556 bis 559; BAG Beschluss vom 08.06.1999 - 1 Abr 67/98, AP BetrVG 1972, § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 31 = IZA BetrVG 1972, § 87 betriebliche Ordnung Nr. 25; BAG Beschluss vom 11.06.2002 - 1 Abr 46/01, BAGe 101, 285, 286 = AP BetrVG 1972, § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 38). Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren (BAG Beschluss vom 11.06.2002 - 1 Abr 46/01). Zwecks des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen (BAG Beschluss vom 28.05.2002 - 1 Abr 32/01).

Der Betriebsrat hat nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen (vgl. BAG Beschluss vom 27.01.2004 - 1 Abr 7/03 a. a. O.; BAG Beschluss vom 28.05.2002 - 1 Abr 32/01, BAGe 101, 216, 223 = AP BetrVG 1972, § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 39). Nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG fallen dagegen Maßnahmen, die das sogenannte Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer regeln sollen. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird (BAG Beschluss vom 27.01.2004 - 1 Abr 7/03, a. a. O., BAG Beschluss vom 11.06.2002 - 1 Abr 46/01, BAGe 101, 285, 287 = AP BetrVG 1972, § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 38 = EZA BetrVG 1972, § 87 Betriebliche Ordnung, Nr. 28). Ein Mitbestimmungsrecht besteht allerdings nur, wenn ein Regelungsspielraum besteht; seine Ausfüllung verlangt eine Beteiligung des Betriebsrats (BAG Beschluss vom 25.01.2000 - 1 Abr 3/99 = AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972, Ordnung des Betriebs = NZA 2000, 665). Ausgehend von dieser Rechtslage sind die im Tenor ausgesprochenen Abschnitte mitbestimmungspflichtig.

Auf Seite 3, dritter und fünfter Spiegelstrich, unter der Rubrik "Wir vermeiden Interessenkonflikte" wird den Mitarbeitern die Verpflichtung aufgelegt, mögliche oder scheinbare Interessenkonflikte zwischen Mitarbeitern, die miteinander familiär oder eng persönlich verbunden sind, zu melden. Als Ansprechpartner werden die Rechtsabteilung oder das Kontrollbüro (Integrity and Compliance Office) und ein Mitglied des Führungsteams in dem Geschäftsbereich, in dem der Konflikt entsteht, genannt.

Zwar ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht zum Arbeitgeber verpflichtet, von diesem sowie von anderen Arbeitnehmern Schäden abzuwenden, soweit dies möglich und zumutbar ist (herrschende Meinung Erfurter Kommentar - Preis 5. Auflage § 611 BGB, Randnummer 906). Diese Regelung der Ethik-Richtlinie der Arbeitgeberin geht über diese Schadensabwendungspflicht des Arbeitnehmers jedoch weit hinaus. Die Arbeitnehmer müssen bereits dann die Arbeitgeberin unterrichten, wenn aufgrund einer engen persönlichen Beziehung auch nur scheinbar ein Interessenkonflikt innerhalb einer Abteilung entstehen kann. Dies ist unabhängig davon, ob bereits ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Indem Mitarbeiter verpflichtet werden, auch einen scheinbaren Interessenkonflikt anzuzeigen, kann das Zusammenleben in der Betriebsgemeinschaft unter der Betriebsfrieden nachhaltig gestört werden. Zwar wird im Regelfall in erster Linie das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und damit das mitbestimmungsfreie Verhalten betroffen sein, tatsächlich verpflichtet die Richtlinie die Mitarbeiter jedoch, jeglichen auch nur scheinbaren Interessenskonflikt zu melden. Darüber hinaus legt die Arbeitgeberin mit dieser Regelung den Arbeitnehmern bestimmte Verhaltenspflichten auf, indem sie vorschreibt, wer von dem tatsächlichen oder scheinbaren Interessenskonflikt zu informieren ist und zwar die Rechtsabteilung, dass ... Kontrollbüro und das Mitglied des Führungsteams im betroffenen Geschäftsbereich. Mit der Festlegung des Verfahrens, wie die Mitarbeiter auf einem tatsächlichen oder scheinbaren Interessenskonflikt reagieren müssen, ist nicht mehr das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten, sondern das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer und damit die betriebliche Ordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen (vgl. Wisskirchen/Jordan/Bissels DB 2005, 2190, 2191; Junker BB 2005, 604 f). Der mitbestimmungspflichtige Tatbestand liegt in der an alle Arbeitnehmer gerichteten verbindlichen Anordnung, bei einem festgestellten oder als möglich angesehenen Interessenskonflikt eine von drei Stellen zu unterrichten. Eine solche Verfahrensregelung unterliegt der Mitbestimmung (vgl. BAG Beschluss vom 21.01.1997 - 1 Abr 93/97, AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972, Ordnung des Betriebs = NZA 1997, 785 = BB 1997, 16, 190 = EZA, § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 23).

b. Dem Gesamtbetriebsrat steht bei dem Komplex "Wir arbeiten in einem positiven Umfeld auf Seite 7 ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu.

Es versteht sich von selbst, dass ein Arbeitnehmer die gesetzlichen Regelungen zu beachten hat, die andere Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen. Dieses Gebot regelt § 2 Abs. 1 BeSchG. Damit ist aber der Regelungsspielraum des Gesamtbetriebsrats und der Arbeitgeberin im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht so eingeschränkt, dass kein Regelungsspielraum mehr besteht. Denn auch in diesem Fall wäre ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht gegeben, da es keine zu regelnden Tatbestände mehr gäbe. Denn die Arbeitgeberin muss erst dann eingreifen und geeignete Maßnahmen nach § 4 Abs. 1 BeSchG ergreifen, wenn ein Betroffener eine sexuelle Belästigung erkennbar ablädt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 BeSchG). In dem Komplex geht es allerdings nicht allein um die nach Beschäftigtenschutzgesetz geregelte sexuelle Belästigung. Die Arbeitgeberin definiert in dieser Passage die Belästigung großzügig und verbietet in ihrer Richtlinie jegliches Verhalten, das negative Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben kann, die Würde einer Person herabsetzen kann oder eine einschüchternde, feindliche oder anderweitige aggressive Arbeitsumgebung schafft. Damit werden auch Verhaltensweisen verboten, die noch nicht eine sexuelle Belästigung wie in § 2 Abs. 2 BeSchG beschrieben, darstellen. Mit dieser Vorgabe geht die Arbeitgeberin erheblich über die Regelungen des Beschäftigtenschutzgesetzes hinaus. In dieser Ethik-Bestimmung wird somit insgesamt das Zusammenleben innerhalb des Betriebs und damit das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geregelt; dieses unterliegt aber dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht auch bezüglich der Passage auf Seite 9 unter der Rubrik "Wir schützen Unternehmenseigentum und Daten".

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Unter Einführung sind alle Maßnahmen der Vorbereitung der geplanten Anwendung, insbesondere die Festlegung von Art und Gegenstand sowie von Zeitraum, Ort und Zweckbestimmung und Wirkungsweise der Überwachung zu verstehen. Mit dieser Regelung kündigt die Arbeitgeberin an, im Zweifelsfall die Arbeitsleistung und das Verhalten der Mitarbeiter durch Auswertung von Computerdaten zu überwachen. Sie berühmt sich des Rechtes, diese Computerdaten ohne Vorankündigung einzusehen und auszuwerten. Hierin liegt eine mitbestimmungspflichtige Regelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Die Arbeitgeberin kann bezüglich der oben angeführten Mitbestimmungstatbestände sich nicht darauf berufen, dass im Einzelfall durch das Vorwort des Codexes einige der im Codex genannten Verhaltensregeln aufgrund entgegenstehender Gesetze keine Anwendung finden.

 (Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin regelt die Passage über sexuelle Belästigung nicht lediglich die Verhaltensweise, die auch im Beschäftigtenschutzgesetz enthalten sind. Danach ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, nämliches jedes vorsätzlich sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt und insbesondere nach Ziffer 2 sexuelle Handlungen, körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen von pornographischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Diese Einschränkung macht die Arbeitgeberin in dieser Passage der Ethik-Richtlinie nicht.)

Diese Unsicherheit, ob eine Regelung in der Ethik-Richtlinie den örtlichen Gesetzen entspricht oder ihnen zuwiderläuft, ist nicht dem einzelnen Arbeitnehmer aufzuerlegen. Sofern die Arbeitgeberin verlangt, dass die Arbeitnehmer sich mit der Unterschrift verpflichten, sich an die Ethik-Richtlinien zu halten, muss für die Arbeitnehmer deutlich werden, zu welchen Verhaltensweisen sie durch die Richtlinie verpflichtet werden und welchen sie keine Folge leisten müssen. Die Arbeitgeberin kann somit nicht damit gehört werden, dass einzelne Passagen der Ethik-Richtlinie aufgrund der Gesetzeslage in Deutschland nicht befolgt werden müssen.

Die übrigen Anträge des Gesamtbetriebsrats sind unbegründet.

Dies gilt zum einen für die Passage auf Seite 6 unter der Rubrik "Wir sind für volle Gleichberechtigung und begrüßen Unterschiede" ab dem Satz "Wir sind der Überzeugung und erkennen an: bis Herkunftsland oder jeglichem anderen gesetzlich geschützten Status".

Es ist nicht ersichtlich, nach welcher Vorschrift für diese Passage ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bestehen sollte. Da weder mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten im Sinne von § 87 Abs. 1 Ziffer 2 bis 13 BetrVG dort geregelt werden, noch ein Mitbestimmungsrecht aufgrund von Regelung für Ordnungsverhalten im Betrieb nach Ziffer 1 besteht und vom Gesamtbetriebsrat auch nicht vorgetragen ist, ist ein Mitbestimmungsrecht in diesem Zusammenhang nicht gegeben. Die angeführte Passage weist lediglich auf eine beabsichtigte Unternehmenskultur hin, die dem Inhalt nach als eine Selbstverpflichtungserklärung angesehen werden kann.

Auch der Globalantrag des Gesamtbetriebsrat, den gesamten ... Code of Business Conduct der erzwingbaren Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats zu unterziehen, ist unbegründet.

(Der Antrag des Betriebsrats auf Feststellung, dass der gesamte ... Code of Business Conduct der erzwingbaren Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats unterliegt, ist entgegen der Auffassung der Antragsgegner als zulässig anzusehen. Der Antrag umschreibt das mitbestimmungspflichtige Verhalten genügend genau und ist daher bestimmt genug.

Der Antrag ist gerichtet auf Feststellung, dass der gesamte ... Code of Business Conduct der Mitbestimmungspflicht des Konzernbetriebsrats unterliegt. Wird ein Feststellungsanspruch geltend gemacht, muss der Antrag so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, welche Maßnahmen im Einzelnen betroffen sind. Richtet sich der Antrag auf die Feststellung der Mitbestimmungspflicht, ist dem Bestimmtheitserfordernis dann genügt, wenn konkret bezeichnet wird, für was genau ein Mitbestimmungsrecht behauptet wird.

Der Bestimmtheitserfordernis genügt auch ein sogenannter Globalantrag, mit dem für einen bestimmten Vorgang generell ein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht wird. Bezieht sich der Antrag - wie hier - auf jede Klausel in dem Ethik-Code, ist dieses Begehren ausreichend bestimmt. Wird dem Antrag in dieser Allgemeinheit stattgegeben, kann es in der Folgezeit zu Unklarheiten kommen. Ein derartiger Globalantrag ist also bestimmt genug und daher nicht unzulässig (BAGe 52, 160 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG Beschluss vom 18.09.1991 - 7 Abr 63/90 - AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972; BAG Beschluss vom 27.10.1992 - 1 Abr Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Ob dem zulässigen Globalantrag in dieser Allgemeinheit auch stattzugeben ist, ob also wirklich für alle von ihm erfassten Fallgestaltungen ein Mitbestimmungsrecht besteht, ist eine Frage, die sich erst bei Überprüfung der Begründetheit des Antrags stellt.)

Der vom Gesamtbetriebsrat gestellte Globalantrag, mit dem die Feststellung der Mitbestimmungspflicht des gesamten ... Code of Business Conduct begehrt wird, ist nicht begründet, da dem Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht für alle in der Ethik-Richtlinie enthaltenen Regelungen besteht. Ein Globalantrag, mit dem die Feststellung der Mitbestimmungspflicht für sämtliche Regelungen der Ethik-Richtlinie begehrt wird, ist nur dann begründet, wenn der Antragsteller die Mitbestimmung für sämtliche Regelungen verlangen kann. Ist dies nicht der Fall, muss der Antrag im Ganzen als unbegründet zurückgewiesen werden. Das Gericht darf nicht dahin erkennen, dass der geltend gemachte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, die nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden sind. Eine solche Tenorierung würde sich nicht mehr im Rahmen des Antrags halten (§ 308 ZPO). Es würde nicht weniger, als beantragt zugesprochen werden, sondern etwas anderes (BAGe 52, 160 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG Beschluss vom 18.09.1991 - 7 Abr 63/90 - AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972).

Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist als Globalantrag anzusehen. Er bezieht sich ohne Einschränkungen auf jede Regelung des ... Code of Business Conduct.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts lässt sich der Antrag nicht einschränkend auslegen. Ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats kann jedoch nicht für jede Klausel des ... Code of Business Conduct bejaht werden.

Insoweit ist es ausreichend, dass bereits eine Regelung des Codes mitbestimmungsfrei ist.

Da bereits die vom Gesamtbetriebsrat als mitbestimmungspflichtig angesehene Regelung auf Seite 6 der Ethik-Richtlinie unter der Rubrik "Wir sind für volle Gleichberechtigung und begrüßen Unterschiede" von der Kammer als mitbestimmungsfrei angesehen worden ist, fällt der vom Gesamtbetriebsrat geltend gemachte Globalantrag in sich zusammen. Da es ausreicht, dass bereits eine Regelung in der Ethik-Richtlinie als bestimmungsfrei angesehen werden kann, kommt es auf weitere Beispiele der Mitbestimmungsfreiheit von Regelungen der Ethik-Richtlinie, die jedoch vorhanden ist, nicht an.

Der Beschluss ergeht kostenfrei.

 



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