Arbeitsgericht Offenbach

Beschluss vom - Az: 2 BV 9/10

Klausurtagung des Betriebsrats; Kostenerstattung

Eine Kostenübernahmeverpflichtung des Arbeitgebers für eine Klausurtagung des Betriebsrats ergibt sich nur dann aus § 37 VI BetrVG, § 40 BetrVG, wenn es sich bei der Tagung um eine Schulungsveranstaltung handelt, durch die der Betriebsrat die notwendigen Kenntnisse erlangt, um seine gegenwärtigen oder zukünftigen Aufgaben sach- und fachgerecht zu erfüllen.
Besteht der Inhalt der Klausurtagung hingegen in der Erarbeitung eines personellen und sachlichen Konzeptes der Betriebsratsarbeit für die neue Wahlperiode sowie in der Lösung der ungelösten Personalfrage des Vorsitzenden, so ist darin keine Schulungsveranstaltung zu sehen.
Auch die Reise- und Übernachtungskosten sind in diesem Fall nicht erstattungsfähig (§40 BetrVG), da nur notwendige Reisekosten vom Arbeitgeber zu übernehmen sind. Auch die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Kosten für einen Moderator übernommen hat, lässt keine rechtlichen Schlüsse zu, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten um notwendige Reisekosten handelt.

Tenor

Die Anträge vom 12.05.2010 werden abgewiesen.

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beteiligten zu 2. den Teilnehmern einer dreitägigen Betriebsratssitzung sowie der Betriebsratsassistentin in H1. Übernachtungskosten, Frühstückskosten sowie Fahrtkosten zu erstatten.

Der Beteiligte zu 1. ist der bei der Beteiligten zu 2. für den Betrieb Offenbach gebildete Betriebsrat. Er besteht aus 11 Mitgliedern. Bei der Beteiligten zu 2. handelt es sich um ein Unternehmen der Metallindustrie und zwar um einen Anbieter diverser Produkte zu Lösungen für Lager. Materialfluss und Intralogistik. Im Mai 2009 gab der bisherige Vorsitzende des Beteiligten zu 1., Herr K1. bekannt, dass er aus persönlichen und beruflichen Gründen bei den Neuwahlen nicht mehr als Vorsitzender des Betriebsrats zur Verfügung stehe. Dies wurde gegenüber der Belegschaft im Rahmen der Betriebsversammlung im Herbst (10.09.2009) und Winter (08.12.2009) thematisiert und mit der Belegschaft besprochen. Als Reaktion erklärten die Betriebsratsmitglieder, dass niemand von ihnen für das Amt des Betriebsratsvorsitzenden zur Verfügung stehe. Einzelgespräche des vormaligen Vorsitzenden des Beteiligten zu 1. sowie des stellvertretenden Vorsitzenden mit den übrigen Betriebsratsmitgliedern führten zu keinem Ergebnis. Nach der Betriebsratswahl im Jahr 2010 formierte sich das neu gewählte Gremium, das sich zu diesem Zeitpunkt noch im Selbstfindungsprozess befand, da die personelle Besetzung des Amtes des Betriebsratsvorsitzenden weiterhin ungeklärt war. Mit E-Mail vom 18.03.2010 teilte der Mitarbeiter der Beteiligten zu 2. Herrn K1. mit, dass der Arbeitgeber einen dreitätigen externen Workshop des Betriebsrats für überdimensioniert halte, dass es nicht in Ordnung sei, dass der Betriebsrat ohne explizite Zustimmung der Geschäftsleitung bereits vor dem 12.03.2010 alle organisatorischen Vorbereitungen für den Workshop, wie die Buchung des Hotel (Kosten 2.304,00 €) und der Trainerin (2.940,00 €) durchgeführt habe. Stattdessen schlug Herr W1. dem Betriebsrat vor, die Veranstaltung intern mit einer Trainerin durchzuführen. In weiteren E-Mail vom 22.03.2010 an Herrn K1. stellte Herr W1. klar, dass die Arbeitgeberin die Kosten für die Trainerin, nicht jedoch die Kosten für Übernachtung, Verpflegung, Reise, die durch externe Veranstaltung entstehen, übernehme (vgl. Blatt 13 d. GA). Am 19.03.2010, 9:10 Uhr fand eine Sitzung des Gremiums des Beteiligen zu 1. statt, an der die Mitglieder J1. J2., R1. K1., G1. H2., K3. M3. und H3. G3. teilnahmen. Das Gremium fasste den einstimmigen Beschluss, den Beschluss vom 21.01.2010, eine auswärtige Klausurtagung des Betriebsrats in der Zeit vom 23.03.22010 bis 25.03.2010 durchzuführen. Der Beteiligte zu 1. setzte den Beschluss vom 19.03.2010 um und führte die Klausurtagung in der Zeit vom 23.03.2010 bis 25.03.2010 im Hotel C4. in H1. durch. Nach der Klausurtagung machten die Betriebsratsmitglieder sowie die Betriebsratsassistentin, Frau H5. F5. auf den bei der Beteiligten zu 2. üblichen Reisekostenformularen die Hotelkosten in Höhe von 172,70 € pro Person geltend. Weiterhin machte die Betriebsratsmitglieder K5., W6., K1. und M3. Reisekosten in Höhe von jeweils 38,08 € (119 km x 0,32 €), Frau E4. Reisekosten in Höhe von 18,00 € (60 km x 0,30 €) geltend. Nachdem die Beteiligte zu 2. endgültig die Übernahme der Kosten für das Hotel sowie Fahrtkosten ablehnte, fasste der Beteiligte zu 1. am 13.04.2010 den Beschluss, die Kosten für die Betriebsratsklausur einzuklagen.

Der Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass die Beteiligte zu 2. rechtlich verpflichtet sei, die Hotelkosten, soweit die Fahrtkosten für seine Mitglieder sowie für die Assistentin zu übernehmen. Die Verpflichtung zur Kostenfreistellung ergebe sich aus §§ 37, 40 BetrVG. Die Notwendigkeit der Schulungsmaßnahme ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber diese selbst nicht infrage stelle. Sie ergebe sich bereits daraus, dass der Arbeitgeber die Kosten für die Trainerin/die Moderatorin übernommen habe. Die Kosten seien auch erforderliche Kosten, da die Durchführung als Firmenschulung nicht zumutbar gewesen sei. Der Vorschlag der Beteiligte zu 2., die Klausur im Hause selbst durchzuführen, sei für den Beteiligten zu 1. nicht akzeptabel gewesen, da es um Personalentscheidungen des Betriebsrats gegangen sei, die nur mit entsprechender Distanz zum Arbeitsumfeld entwickelt und erarbeitet werden können. Eine Klausurtagung in den Firmenräumlichkeiten des Arbeitgebers sei auch deshalb nicht akzeptabel gewesen, da eine störungsfreie Tagung nicht möglich sei. Zur Vermeidung von Störungen von außen sei es nach Auffassung des Gremiums gruppendynamisch erforderlich, den Prozess der Selbstfindung des Gremiums durch eine abgeschottete Tagung in externen Räumen durchzuführen. Die Räumlichkeiten im Betrieb seien für die Klausurtagung des Betriebsrats ungeeignet gewesen, da das Betriebsratsbüro, der Betriebsratsbesprechungsraum nicht schalldicht und einsehbar sei. Man könne in diesem Raum nur mit sehr gemäßigter Stimme sprechen, wenn es um sensible Themen gehe. Im angrenzenden Flur könne man jedes Wort verstehen, wenn man in gesteigerter Lautstärke diskutiere. Für das emotionale Thema Zusammenarbeit des Betriebsrats und die daraus resultierenden personellen Entscheidungen sei dies eine denkbare schlechte Voraussetzung.

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verurteilen, an die Betriebsratsmitglieder I5. K5., A5. G5., C4. E4., B6. S6., G7. W6., R1. K1., J1. J2., E7. W7., T8. S8., K3. M3. und G1. H2. und die Betriebsratssekretärin/Teamassistentin H5. F5. Übernachtungskosten, Tagungspauschale und Frühstückskosten gemäß der Hotelrechnung des Hotel C4., H.-Straße ..., H1. vom 25.03.2010 in Höhe von jeweils 172,70 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2010 zu zahlen;

2. die Antragsgegnerin zu verurteilen, an die Betriebsratsmitglieder I5. K5., G7. W6., R1. K1. und K3. M3. Fahrtkostenerstattung in Höhe von 38,08 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2010 zu zahlen;

3. die Antragsgegnerin zu verurteilen, an das Betriebsratsmitglied C4. E4. Fahrkostenerstattung in Höhe von 18,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2010 zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Die Beteiligte zu 2. bestreitet mit Nichtwissen, dass ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss vorliege, vom 23.03.201 bis 25.03.2010 eine Klausurtagung durchzuführen, an der die in der Antragsschrift benannten Mitglieder des Beteiligten zu 1. sowie die Betriebsratsassistentin teilnehmen sollten. Dem Vortrag des Beteiligten zu 1. sei nicht zu entnehmen, weshalb die Klausurtagung zum Selbstfindungsprozess erforderlich gewesen sei, mit der Folge, dass die Arbeitgeberin hierfür die Koste zu tragen habe. Der Beteiligte zu 1. berufe sich auf § 37 BetrVG ohne konkret vorzutragen, welche Kenntnisse im Rahmen des Selbstfindungsprozesses vermittelt worden wären, die für die Betriebsratstätigkeit erforderlich seien. Unabhängig davon, dass der Selbstfindungsprozess eine erforderliche Schulung im Sinne von § 37 Abs.6 BetrVG darstelle, hätte der Selbstfindungsprozess durchaus in den Firmenräumlichkeiten stattfinden können. Die Durchführung des Selbstfindungsprozesses in einem auswärtigen Hotel ist weder erforderlich noch verhältnismäßig.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten, den von ihnen eingereichten Unterlagen und ihren Rechtsausführungen wird ergänzend auf den Akteninhalt und die Sitzungsniederschrift vom 31. Januar 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

Die gestellten Anträge des Beteiligten zu 1. sind im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren statthaft.

Der Betriebsrat ist befugt, im eigenen Namen Erstattungsansprüche von Betriebsratsmitgliedern im Beschlussverfahren geltend zu machen, mit dem Ziel der Zahlung der betreffenden Geldschuld an diese Mitglieder, nicht an sich selbst (BAG, 10.06.1975 - 1 ABR 140/73 - AP Nr. 1 zu § 73 BetrVG BAG, 27.03.1979 - AP Nr. 7 zu 80 ArbGG 1953; BAG, Beschluss vom 15.01.1992 - 7 ABR 23/90 - AP 41 zu § 40 BetrVG; BAG, Beschluss 28.06.1995 - 7 ABR 47/94 - AP 47 zu § 40 BetrVG).

Die angestellten Anträge sind jedoch unbegründet.

Die Beteiligte zu 2. ist nicht verpflichtet, die Hotelkosten und Reisekosten der in der Antragsschrift näher bezeichneten Personen zu übernehmen.

1. Eine Kostenübernahmeverpflichtung der Beteiligten zu 2. ergibt sich nicht aus § 37 VI BetrVG, § 40 BetrVG für die Klausurtagung vom 23.03.2010 bis 25.03.2010 im Hotel C4. in H1. Bei der Klausurtagung vom 23.03.2010 bis 25.03.2010 handelt es sich nicht um eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG. Die rechtliche Anerkennung als Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. BetrVG setzt voraus, dass im Rahmen der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt werden, die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger /Linsenmeier, Kommentar zum BetrVG, 23. Auflage zu § 37 BetrVG Rz. 141). Dem Vortrag des Beteiligten zu 1. ist nicht zu entnehmen, dass solche Kenntnisse anlässlich der Klausurtagung vermittelt worden sind. Das Gegenteil ergibt sich aus dem Vortrag des Beteiligten zu 1. Gegenstand der Klausurtagung war nicht die Wissvermittlung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG. Gegenstand der Klausurtagung war die Erarbeitung eines personellen und sachlichen Konzeptes der Betriebsratsarbeit der neuen Wahlperiode. Gegenstand der Klausurtagung war insbesondere die Lösung der ungelösten Personalfrage des Vorsitzenden und seiner Freistellung von der Arbeitsverpflichtung, die die Beteiligten ohne Vermittlung eines externen Moderators nicht lösen konnten.

2. Die Beteiligte zu 2. ist auch nicht gemäß § 40 Ab. 1 BetrVG verpflichtet, die Kosten für die Hotelübernachtung sowie für die Fahrtkosten zu übernehmen. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Aufwendungen gehören auch Reisekosten, die dem Betriebratsmitglied im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit entstehen.

Die Kostentragungspflicht besteht aber nur für notwendige Kosten. Bei den geltend gemachten Kosten für die Klausurtagung in Form von Hotelkosten und Fahrtkosten handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht um notwendige Kosten im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG, da es den Betriebratsmitgliedern möglich und zumutbar war die verlängerte Betriebsratssitzung in Form einer Klausurtagung in den von der Beteiligten zu 2. zur Verfügung gestellten Firmenräumlichkeiten durchzuführen. Die Tatsache, dass die Beteiligte zu 2. die Kosten für den Moderator in von 2.940,00 € übernommen hat, lässt keine rechtlichen Schlüsse zu, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten um notwendige Reisekosten handelt. Das erkennende Gericht kann es deshalb auch dahin gestellt sein lassen, ob die Beteiligte zu 2. aus freien Stücken im Wege der Kulanz oder aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung sich veranlasst sah die zunächst abgelehnten Kosten für den Moderator nachträglich zu übernehmen.



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