Arbeitsgericht Kassel

Urteil vom - Az: 5 Ca 536/05

Arbeitnehmerhaftung bei Falschbetankung des Dienstwagens

Betankt der Arbeitnehmer einen Dienstwagen mit Benzin anstatt mit Diesel, so stellt dies regelmäßig eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Wird jedoch an der jeweiligen Tanksäule das Benzin unter der Bezeichnung "Ultimate" und der Dieselkraftstoff unter "Ultimate Superdiesel" geführt, so stellt die Falschbetankung -wegen "verwechslungsträchtiger" Bezeichnung- nur normale Fahrlässigkeit dar.
Im vorliegenden Fall ging der tankende Arbeitnehmer davon aus, dass es sich bei "Ultimate" um einen preisgünstigeren Dieselkraftstoff handelt.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 350,08 EUR (in Worten: Dreihundertfünfzig und 08/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 350,08 € festgesetzt.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Von einer Darstellung wird gemäß den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages in Höhe von 350,08 € netto nebst Zinsen.

1. Der Klageanspruch rechtfertigt sich in Höhe eines Teilbetrages von 188,08 € netto aus § 670 BGB. Der Arbeitnehmer hat gegenüber dem Arbeitgeber nach § 670 BGB Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, die der Arbeitnehmer den Umständen nach für erforderlich halten durfte, die nicht im ausschließlichen Eigeninteresse des Arbeitnehmers erfolgt sind und die nicht mit der Vergütung abgegolten sind.

Der Kläger hat vorliegend Aufwendungen in Höhe von 188,08 € netto getätigt für das Abschleppen des dienstlichen Pkw durch die Firma Autohaus .... Diese Aufwendungen sind nicht im ausschließlichen Eigeninteresse des Klägers zur Befreiung von einer eigenen Verbindlichkeit getätigt worden. Dem Kläger stand vielmehr gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit der Beauftragung des Abschleppdienstes ein Freistellungsanspruch zu. Zwar hat der Kläger durch die Falschbetankung des ihm überlassenen Dienstwagens mit Benzinkraftstoff statt Dieselkraftstoff die ihm gegenüber der Beklagten obliegende arbeitsvertragliche Sorgfaltspflicht, Schäden von dem ihm überlassenen Eigentum der Beklagten abzuwenden, verletzt. Diese vom Kläger begangene Sorgfaltspflichtverletzung führt jedoch im Verhältnis zur Beklagten nicht zu einer Haftung des Klägers für den aus der Sorgfaltspflichtverletzung entstandenen Schaden. Zugunsten des Klägers ist durch § 7 der Dienstwagenrichtlinie vom 08. März 1994 in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Haftungsmaßstab dahingehend abgeändert worden, dass eine Haftung des Klägers wegen von ihm verursachten Schäden am überlassenen Dienstfahrzeug nur bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlichen Verhalten in Betracht kommt. Vorliegend fehlt es an einem derartigen Verschuldensgrad im Zusammenhang mit dem schadenstiftenden Ereignis des Betankens des Pkw mit Normalbenzin statt mit Diesel durch den Kläger. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den eingetretenen Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, sind von der Beklagten, die insoweit die volle Darlegungs- und Beweislast trägt, weder vorgetragen, noch sind derartige Anhaltspunkte sonst ersichtlich. Das sorgfaltswidrige Verhalten des Klägers kann auch nicht als grob fahrlässig bewertet werden. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer also das missachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten muss (vgl. BAG 28. Mai 1960 - 2 AZR 548/59, AP Nr. 19 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Dafür genügt, dass vorwerfbar schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden. Für das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit sind sowohl objektive als auch subjektive Umstände zu beachten. Es muss sich auch subjektiv schlechthin um eine unentschuldbare Pflichtverletzung handeln, die das gewöhnliche, nach § 276 BGB bestimmte Maß erheblich übersteigt (vgl. BAG 23. März 1983 - 7 AZR 391/79, AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Das Verschulden des Arbeitnehmers liegt dem gegenüber zwischen schwerer Schuld und leichtester Fahrlässigkeit wenn der Arbeitnehmer ohne Vorwurf besonderer Schwere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat (normale Fahrlässigkeit, vgl. § 276 Abs. 1 S. 1 S. 2 BGB). Ausgehend von diesen Grundsätzen kann das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Falschbetankung des dienstlichen PKW allenfalls als fahrlässig, nicht jedoch als grob fahrlässig angesehen werden. Grundsätzlich ist zwar zutreffend, dass die Rechtsprechung verschiedentlich die Betankung von dienstlichen Pkw durch Arbeitnehmer mit falschem Kraftstoff als grob fahrlässige Pflichtverletzung angesehen hat. Abzustellen ist hier jedoch auf die Besonderheit des Einzelfalles. Der Kläger hat nicht eindeutig und unmissverständlich bezeichnete Zapfhähne verwechselt. Der Kläger hat vielmehr einen ausschließlich mit "Ultimate" bezeichneten neuartigen Kraftstoff, der an der gleichen Zapfsäule wie ein mit "Ultimate Superdiesel" bezeichneter Kraftstoff angeboten wurde aufgrund des Namensbestandteils "Ultimate" für Dieselkraftstoff einer niedrigeren Preisklasse gehalten. In der irrtümlichen Annahme des Klägers, bei dem neuartigen Kraftstoff "Ultimate" handele es sich wegen der Verwendung des Produktnamens "Ultimate" auch als Namensbestandteil für Dieselkraftstoff um eben solchen, kann allenfalls die Nichtbeachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch den Kläger ohne den Vorwurf besonderer Schwere gesehen werden. Der Kläger hat vorliegend nicht trotz offensichtlicher Möglichkeit des richtigen Verhaltens das falsche getan, sondern in einer unklaren Situation, die durch eine verwechslungsträchtige Produktbezeichnung durch den Kraftstoffhersteller zumindest erheblich mit begünstigt wurde, falsche Schlussfolgerungen bzw. Überlegungen angestellt. Gegen eine offensichtliche Möglichkeit der Wahl der richtigen Verhaltensweise für den Kläger spricht nicht zuletzt, dass unbestrittenermaßen an der vom Kläger aufgesuchten Tankstelle kurz zuvor allein vier Kunden in vergleichbarer Weise ihren mit Dieselkraftstoff betriebenen Pkw falsch betankt haben.

2. Der Klageanspruch ist des weiteren begründet, soweit der Kläger die Zahlung einbehaltenen Restlohnes in Höhe von 162,00 € netto geltend macht. Die Beklagt war nicht berechtigt, den Betrag von 162,00 € netto entsprechend der schriftlichen Ankündigung gemäß Schreiben vom 28. Oktober 2005 von der nächsten Gehaltszahlung an den Kläger wegen der von der Beklagten bezahlten Instandsetzungsmaßnahme am dienstlichen Pkw des Klägers in Abzug zu bringen. Entsprechend den obigen Ausführungen fehlt es an einem grob fahrlässigen Verhalten des Klägers als Voraussetzung für die Haftung des Klägers für den von ihm verursachten Schaden entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen.

3. Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich nach den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

II. Die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes ist in Höhe der geltend gemachten Forderung festgesetzt.

IV. Gründe, die dafür sprechen könnten, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.



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