Arbeitsgericht Kassel

Urteil vom - Az: 3 Ca 168/04

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes; Gemeinsamer Betrieb

Das Kündigungsschutzgesetz ist auf Betriebe anwendbar, in denen die erforderliche Anzahl an Arbeitnehmern besteht; in gemeinsamen Betrieben werden die Arbeitnehmer zusammengezählt. Ein gemeinsamer Betrieb liegt vor, wenn von mehreren Unternehmen bzw. verschiedenen Rechtsträgern im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einheitlicher Leitungsmacht und räumlich zusammenhängend arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden. Es muss ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden sein, dessen Einheitlichkeit aus den tatsächlichen Umständen abgeleitet werden kann und der die Gesamtheit der für die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel lenkt. Personenidentität in der Geschäftsführung kann allenfalls ein Indiz für das Bestehen eines einheitlichen Leitungsapparates ein.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Kassel wurde in der Berufungsinstanz durch das Landesarbeitsgericht Hessen bestätigt.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.100,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der 49-jährige Kläger ist seit 01. Juni 1995 bei der Beklagten als Verkaufsleiter im Innendienst tätig. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt beträgt 3.700,00 Euro.

Die Beklagte betreibt einen Handel mit Baugeräten (insbesondere Spezialgeräte für den Gerüstbau) und ist darüber hinaus im Bereich Immobilienverwaltung sowie allgemeine Verwaltungsdienstleistung tätig. Das operative Geschäft der Beklagten wird seit Ende 2002 fast ausschließlich vom Geschäftsführer der Beklagten, ... geführt. Die Geschäftsführerin ... ist nur noch wenige Stunden pro Woche bei der Beklagten tätig.

Im Betrieb der Beklagten sind neben dem vollzeitbeschäftigten Kläger noch ein gewerblicher Mitarbeiter in Vollzeit sowie eine Raumpflegerin mit nicht mehr als 20 Stunden pro Woche beschäftigt. Eine darüber hinaus im Betrieb der Beklagten tätige Sekretärin ist Mitarbeiterin einer Zeitarbeitsfirma.

Die Geschäftsführer der Beklagten üben die Funktion der Geschäftsführer auch in der Firma ... und der Firma ... aus. In beiden Betrieben werden keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt.

Weiterhin existiert die Firma "..." (im Folgenden: Firma ...), Geschäftssitz ..., ..., deren Inhaberin die Geschäftsführerin der Beklagten, ... ist. Gegenstand der Firma ... ist der Betrieb einer Sportstätte für Federballspiel. Bei der Firma ... sind 12 Arbeitnehmer in Teilzeit (Nicht mehr als 20 Std. pro Woche) beschäftigt. Frau ... obliegt die Weisungsbefugnis gegenüber den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern. Der Geschäftsführer der Beklagten, ..., erteilte gegenüber den bei der Firma ... angestellten Arbeitnehmern keine Weisungen.

Der Kläger war für die Firma ... (auf deren Betriebsgelände) ebenfalls tätig, wobei der Umfang der Tätigkeit im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist. Unstreitig ist insoweit lediglich, dass der Kläger folgende Tätigkeiten ausführte: Vorbereitung monatlicher Gehaltsabrechnungen der Arbeitnehmer der Firma ... durch Überprüfung von Stundenzetteln, Versendung von Rundschreiben für Hobbyspieler, ca. 1 - 2 mal pro Woche Nachzählen der Tageseinnahmen und Einzahlung bei der Bank, Prüfung von Rechnungen/Warenlieferungen der Firma ... (ca. 6 - 8 pro Monat), Entgegennahme von Telefonaten und Spielterminen außerhalb der Öffnungszeiten der Firma ....

Die Arbeitsverträge der bei der Firma ... tätigen 12 Arbeitnehmer wurden direkt zwischen der Firma ... und den Arbeitnehmern geschlossen. Die Buchhaltung und Lohnabrechnung der Firma ... erfolgte getrennt von der Buchhaltung und Lohnabrechnung der Beklagten jeweils durch eine Drittfirma.

Mit Schreiben vom 29. März 2004, welches dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 2004.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Betriebsbedingte Gründe zur Kündigung lägen nicht vor. Das Kündigungsschutzgesetz finde für den Kläger Anwendung, da zum Betrieb der Beklagten noch weitere Betriebe gehörten, so dass von einem einheitlichen Betrieb auszugehen sei.

Der Kläger behauptet, nicht nur für die Beklagte und die Firma ... tätig gewesen zu sein, sondern auch für die ... und die .... Der Umfang der Tätigkeit des Klägers habe sich zu 70 % auf die Tätigkeit bei der Beklagten und zu 30 % auf die Tätigkeit bei der Firma ... erstreckt. Insbesondere sei der Kläger bei der Firma ... zuständig gewesen für Personaleinstellung und -einteilung, Erstellung von Dienstplänen, Vorbereitung von Gehaltsabrechnungen, Führung von monatlichen Mitarbeiterbesprechungen mit anschließenden Berichten an Frau ..., Erstellen und Versenden von Rundschreiben nach Vorgabe des Mitarbeiters der Firma ..., Herrn ..., Beratung von Mitgliedern (insbesondere auch Betriebssportgruppen), Prüfung und Klärung von offenstehenden Positionen, Arbeiten im Zusammenhang von Neuverträgen/Kündigungen, Erstellen von Monatsstatistiken und Materialdisposition.

Der Kläger beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 29. März 3004 zum 30. Juni 2004 beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 30. Juni 2004 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Verkaufsleiter im Innendienst weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da die Beklagte nicht mehr als fünf Arbeitnehmer i. S. d. § 23 I 2 KSchG beschäftige. Von einem gemeinsamen Betrieb könne nicht ausgegangen werden. Der gesamten Tätigkeit des Klägers im Betrieb der Firma ... liege eine vertragliche Vereinbarung vom 19. Oktober 2000 zwischen der Beklagten und der Firma ... über die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt zugrunde. Der Kläger habe die von ihm ausgeübten Tätigkeiten ausschließlich im Rahmen dieser Vereinbarung ausgeführt. Zudem habe der zeitliche Aufwand für die Betätigung des Klägers bei der Firma ... lediglich ca. 8 - 10 Stunden pro Monat betragen.

Die Beklagte stützt die Kündigung hilfsweise auf betriebsbedingte Gründe. Hierzu behauptete sie, es sei ein Umsatzrückgang von ca. 34 % eingetreten, so dass das Kerngeschäft künftig vom Geschäftsführer ... und dem gewerblichen Mitarbeiter alleine bearbeitet werden sollte. Sie ist der Ansicht, eine Verpflichtung zur Suche nach einer freien Stelle in einem anderen Betrieb (insbesondere der Firma ... habe nicht bestanden. Eine Sozialauswahl habe mangels Vergleichbarkeit des Klägers mit anderen Arbeitnehmern nicht stattfinden können.

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass ein Dienstvertrag zwischen der Beklagten und der Firma ... bestehe. Es seien auch keine diesbezüglichen Zahlungen an die Firma ... geleistet worden, da der Kläger an die Firma ... keine Dienstleistungsabrechnungen erstellt habe (wobei unstreitig ist, dass der Kläger solche Abrechnungen nicht vorgenommen hat).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bezüglich des Klageantrags zu 1. zulässig, aber nicht begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29. März 2004 wirksam zum 30. Juni 2004 beendet worden.

Insbesondere galt bezüglich des Arbeitsverhältnisses des Klägers der Grundsatz der Kündigungsfreiheit.

Dem Kläger konnte der allgemeine Kündigungsschutz des § 11 II KSchG nicht zugute kommen, da der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nicht eröffnet war.

Nach § 23 I 2 KSchG finden die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung für Betriebe, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig werden. Im Betrieb der Beklagten waren nach Maßgabe des § 23 I 2 KSchG lediglich 2,5 Arbeitnehmer beschäftigt, nämlich der Kläger selbst, eine Vollzeitkraft sowie eine Teilzeitkraft (Raumpflegerin), die aufgrund der Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden pro Woche gem. § 23 I 4 KSchG lediglich mit 0,5 zu berücksichtigen war. Die ebenfalls im Betrieb beschäftigte Sekretärin zählt als Mitarbeiterin einer Zeitarbeitsfirma nicht zum Kreis der "in der Regel im Betrieb Beschäftigten" i. S. d. § 23 I 2 KSchG.

Das Kündigungsschutzgesetz ist auch nicht deshalb anwendbar, weil die Beklagte und die Firma ... einen gemeinsamen Betrieb bilden und deshalb die in beiden Betrieben Beschäftigten bei der Ermittlung der nach § 23 I 2 KSchG maßgebenden Arbeitnehmerzahl zusammenzurechnen sind.

Ein gemeinsamer Betrieb mit der Folge der Anwendbarkeit des KSchG liegt vor, wenn von mehreren Unternehmen bzw. verschiedenen Rechtsträgern im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einheitlicher Leitungsmacht und räumlich zusammenhängend arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden (BAG v. 23.03.1984, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 4; BAG v. 12.06.1985, AP KSchG § 23 Nr. 6). Es muss ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden sein, dessen Einheitlichkeit aus den tatsächlichen Umständen abgeleitet werden kann und der die Gesamtheit der für die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel lenkt (BAG a.a.O.). Die Darlegungslast für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes trägt insofern nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer (BAG a.a.O.).

Der Kläger hat nicht genügend Umstände dargelegt, die für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes sprechen.

Zu den für eine gemeinsame Arbeitsorganisation sprechenden Umständen gehört die gemeinsame räumliche Unterbringung. Die Betriebsstätten der Beklagten und der Firma ... sind jedoch räumlich voneinander entfernt (... bzw. ...). Die räumliche Trennung der Betriebsstätten allein schließt zwar das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes nicht aus. Es müssen dann an die Darlegung der übrigen für eine betriebsübergreifende Leitungsmacht zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke sprechende Umstände erhöhte Anforderungen gestellt werden (BAG v. 18.01.1990 NZA 1990, 977). Diesen Anforderungen hat der Vortrag des Klägers nicht genügt.

Eine personelle Verknüpfung ist nicht in ausreichendem Maße dargetan. Insofern hätte es in personeller Hinsicht für das Vorliegen einer einheitlichen Leitungsmacht jedenfalls einer gemeinsamen innerbetrieblichen Entscheidungsfindung und deren Umsetzung bedurft (BAG v. 24.01.1996 NZA 1996, 1110).

Allein daraus, dass die Geschäftsführerin der Beklagten zugleich Inhaberin der Firma ... ist, lässt sich die personelle Verknüpfung nicht ableiten, Personenidentität in der Geschäftsführung kann allenfalls ein Indiz für das Bestehen eines einheitlichen Leitungsapparates ein; entscheidend ist aber letztlich die tatsächlich vorhandene Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten (BAG v. 11.02.2004 NZA 2004, 618). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsführerin der Beklagten ... im Betrieb der Beklagten kaum noch tätig war, stattdessen leitete der Geschäftsführer ... überwiegend die Geschäfte. Es ist auch unstreitig, dass der Geschäftsführer ... nicht auch die Geschäfte der Firma ... leitete, sondern dass insofern ... alleinverantwortlich war (zu der vom Kläger durchgeführten Tätigkeit bei der Firma ..., siehe unten). Zudem ist unstreitig, dass die jeweiligen Weisungen gegenüber den Arbeitnehmern im Betrieb der Beklagten ganz überwiegend vom Geschäftsführer ... ausgingen, während in der Firma ... das Direktionsrecht über die Arbeitnehmer der Firma ... allein von ... ausgeübt wurde. Insofern besteht bereits aus personellen Gründen eine klare Trennung der Betriebe, auch wenn ... formell in beiden Firmen Arbeitgeberbefugnisse inne hatte.

Eine darüber hinausgehende einheitliche innerbetriebliche Entscheidungsfindung und deren Umsetzung ist nicht ersichtlich.

Eine solche kann sich insbesondere auch nicht aus einer organisatorischen Verknüpfung beider Betriebe ergeben. Denn bereits aus den unterschiedlichen Geschäftszwecken beider Betriebe (Gerüstbauhandel/Verwaltungstätigkeit einerseits, Betrieb einer Sportstätte für Federball andererseits) ergeben sich mit Ausnahme der Durchführung von Verwaltungstätigkeit keine Berührungspunkte. Auch eine gemeinsame Lohnbuchhaltung oder ein gemeinsames Sekretariat bestehen nicht. Die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer wurden jeweils mit dem für sie zuständigen Arbeitgeber geschlossen und ging nicht nur von einem einzigen Betrieb aus. Soweit die Beklagte Verwaltungstätigkeiten in der Firma ... unter Benutzung deren Betriebsmittel ausgeübt hat, so lag dieser Tätigkeit ein Dienstvertrag zwischen beiden Firmen zugrunde. Zwar hat der Kläger mit Nichtwissen gem. § 138 IV ZPO bestritten, dass ein solcher Vertrag existiert. Das ursprünglich zulässige Bestreiten mit Nichtwissen ist allerdings durch die zwischenzeitlich erfolgte Vorlage des Vertrages durch die Beklagte unzulässig geworden, da der Vertrag nun Gegenstand eigener Wahrnehmung des Klägers ist. Daher ist das Vorhandensein eines Dienstvertrages nunmehr zwischen den Parteien unstreitig. Lag aber ein Dienstvertrag zwischen beiden Betrieben über die Durchführung von Verwaltungstätigkeit bei der Firma ... vor, so spricht dies dafür, dass zwar eine unternehmerische Zusammenarbeit vorlag. Daraus ergibt sich aber nicht automatisch das Vorhandensein einer einheitlichen Leitungsmacht. Denn der Vertrag regelt lediglich die Ausführung bestimmter, in den Zuständigkeitsbereich der Firma ... fallenden Verwaltungstätigkeiten durch die Beklagte, ohne aber ein gemeinsames Führungskonzept beider Betriebe zu begründen. Der Vertrag zwischen beiden Betrieben sollte dazu führen, dass die Firma ... ihre eigenen arbeitstechnischen Zwecke weiter verfolgen konnte, während die Beklagte hierzu durch den Einsatz des Klägers im Betrieb der Firma ... nur Hilfe leistete und dadurch wiederum ihre eigenen arbeitstechnischen Zwecke verfolgte. Darüber hinaus hätte es des Abschlusses eine solchen Vertrages erst gar nicht bedurft, wenn eine einheitliche Leitungsmacht vorhanden gewesen wäre, denn dann hätte die Beklagte allein aufgrund ihrer Leitungsmacht Verwaltungsarbeiten im Betrieb der Firma ... durchführen können. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zudem anerkannt, dass eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit (sogar auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen) ohnehin nicht für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes ausreicht, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, dass sich mehrere Betriebe zu einer gemeinsamen Führung des Betriebes rechtlich verbunden haben (BAG v. 24.01.1996 NZA 1996, 1110; BAG v. 18.01.1990.977). Dass eine gemeinsame Führung des Betriebes nicht vorliegt, wurde bereits dargelegt. Insofern ist es für die Frage des Bestehens eines gemeinsamen Betriebes auch unerheblich, dass der Kläger Tätigkeiten im Betrieb der Firma ... ausgeführt hat. Dementsprechend kam es auch nicht darauf an, um welche Tätigkeiten es sich dabei im Einzelnen gehandelt hat.

Eine gemeinsame Nutzung der technischen und immateriellen Mittel durch die Arbeitnehmer beider Firmen hat der Kläger (mit Ausnahme der von ihm ausgeübten Tätigkeit für die Firma ...) bereits nicht vorgetragen. Eine gemeinsame Nutzung materieller Betriebsmittel durch die übrigen Arbeitnehmer scheidet auch bereits wegen der räumlichen Entfernung der Betriebsstätten aus. Soweit eine gemeinsame Nutzung der materiellen Betriebsmittel durch den Kläger zur Durchführung der Verwaltungsarbeiten der Firma ... vorliegt, so erfolgte diese Nutzung zum einen nur in geringem Umfang und zum anderen beruhte die Tätigkeit auf dem Dienstvertrag zwischen beiden Firmen. Wie bereits dargelegt, erfolgte diese gemeinsame Nutzung nicht zur Verfolgung gemeinsamer arbeitstechnischer Zwecke, sondern zum Erreichen der arbeitstechnischen Ziele der Firma ..., während die Beklagte weiterhin eigene arbeitstechnische Zwecke verfolgte.

Auch aus der gesetzlichen Vermutung des § 1 II BetrVG ergibt sich kein anderes Ergebnis bezüglich der Frage des Vorliegend eines gemeinsamen Betriebes.

Nach § 1 II Nr. 1 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen dann vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den unternehmen gemeinsam eingesetzt werden.

Zum einen ist bereits fraglich, ob diese Vermutung, die für das Betriebsverfassungsgesetz gelten soll und zu dem Zweck geschaffen wurde, Betriebsräten und Wahlvorständen den in der Praxis oft schwierigen Nachweis einer Führungsvereinbarung zu ersparen, überhaupt im Kündigungsschutzrecht Anwendung finden kann.

Diese Frage kann aber dahin stehen, da der Vermutungstatbestand ohnehin nicht eingreift. Denn es erfolgte weder eine gemeinsame Nutzung der Betriebsmittel noch fand ein Austausch der Arbeitnehmer statt. Soweit der Kläger in der Firma ... tätig wurde und dort auch vereinzelt deren Betriebsmittel genutzt hat, so kann durch einen einzigen Arbeitnehmer sicherlich nicht die Vermutung des § 1 II BetrVG ausgelöst werden. Im Übrigen wäre die Vermutung des gemeinsamen Betriebes aufgrund oben genannter Gründe widerlegt, da es an einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einheitlicher Leitungsmacht fehlt.

Ob jedenfalls die Firmen ... sowie ... zusammen mit dem Betrieb der Beklagten einen gemeinsamen Betrieb im o. g. Sinne darstellen, kann dahin stehen. Denn beide Firmen beschäftigen keine eigenen Arbeitnehmer, so dass von vornherein eine Erhöhung der Zahl der regelmäßig Beschäftigten i. S. d. § 23 I 2 KSchG nicht in Betracht komme.

Da aufgrund der Nichteröffnung des betrieblichen Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes der Kläger keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 II KSchG genießen konnte, kam es auch nicht mehr darauf an, ob dringende betriebliche Gründe i. S. d. § 1 II KSchG die Kündigung bedingt haben.

Die Kündigungsfrist ist gewahrt. Sie beträgt drei Monate zum Ende des Kalendermonats. Denn aufgrund der Beschäftigungsdauer des Klägers von mehr als acht Jahren steht dem Kläger die verlängerte Kündigungsfrist des § 626 II Nr. 3 BGB zu. Da die Kündigung vom 29. März 2004 stammte, ist eine Kündigung zum 30. Juni 2004 nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 2. geltend macht, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände als durch die Kündigung vom 29. März 2004 beendet worden ist, so ist dieser Antrag bereits unzulässig. Denn bezüglich dieses Klageantrags fehlt es schon am hierfür erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO), da der Kläger nicht bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass konkret noch andere Beendigungstatbestände außer der Kündigung vom 29. März 2004 im Raume stehen.

Eine Auslegung des Klageantrags zu 3. (Antrag auf Weiterbeschäftigung) ergibt, dass dieser Antrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. gestellt sein sollte (unechter Hilfsantrag). Da der Klageantrag zu 1. keinen Erfolg hatte, musste über den Klageantrag zu 3. somit nicht mehr entschieden werden.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 46 II ArbGG, 91 ZPO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 46 II ArbGG, 61 I, 12 VII ArbGG.



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