Arbeitsgericht Kassel

Urteil vom - Az: 8 Ca 499/05

Anspruch auf Zeugnisberichtigung; Anforderungen an ein "Sehr gut"

Der Arbeitnehmer hat gem. §109 GewO Anspruch auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Ist er mit dem erteilten Zeugnis nicht einverstanden, kann er von dem Arbeitgeber gerichtlich dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Hierzu hat der Arbeitnehmer die erforderlichen Tatsachen vorzutragen. Fordert er eine "sehr gute" Gesamtbewertung ein, muss sein Vortrag nicht nur erkennen lassen, dass er sich nichts hat zu schulden kommen lassen, nicht kritisiert worden ist und dazu auch keinen Anlass gegeben, sowie keine deutlichen Schwächen gezeigt hat. Vielmehr erfordert die Reklamierung einer solchen Bestbewertung eine kontinuierlich oder jedenfalls überwiegend zu beobachtende, nicht mehr steigerungsfähige Bestleistung, an der der Arbeitgeber trotz seines Beurteilungsspielraums nicht mehr vorbeigehen kann.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.300,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses.

Der Kläger war bei dem Beklagten in der Zeit vom 01. September 1998 bis 30. September 2005 als Bestattungsgehilfe tätig. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug zuletzt 2.300,00 EUR. Unter dem 20. Oktober 2005 erteilte der Beklagte dann dem Kläger ein Abschlusszeugnis. Nachdem die Parteien im Gütetermin vom 28. November 2005 vor der Kammer 8 des Arbeitsgerichts Kassel einen - wenn auch widerruflichen - Vergleich über die Korrektur des Arbeitszeugnisses geschlossen hatten, erteilte der Beklagte hinsichtlich der vergleichsweise zugestandenen Korrekturen ein neues Abschlusszeugnis.

In diesem Zeugnis heißt es unter anderem:

"Herr hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit erledigt."

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Zeugnisses wird auf Blatt 36 d. A. verwiesen.

Der Kläger wendet sich nunmehr noch gegen diese Gesamtbenotung. Er behauptet, dass er während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung sehr gute Leistungen erbracht habe. Er habe vollkommen beanstandungsfrei gearbeitet. Der Kläger hat diesbezüglich "Bescheinigungen" von ehemaligen Mitarbeitern des Beklagten vorgelegt, aus denen nach seiner Ansicht ersichtlich sei, dass ihm sehr gute Arbeitsleistungen zu bescheinigen seien. Er ist der Ansicht, dass es Aufgabe des Arbeitgebers sei, ein Gesamtbild des Arbeitnehmers zu entwerfen, d. h. insbesondere Zeiten geringerer Leistungen bzw. einzelner Fehler unberücksichtigt zu lassen, wenn sie dem Arbeitsverhältnis nicht insgesamt das Gepräge gegeben hätten. Es komme entscheidend auf das Gesamtbild des Klägers an, welches er bei dem Beklagten abgegeben habe.

Er beantragt daher:

Das von der Beklagten unter dem 30. September 2005 erteilte Zeugnis wird Zug um Zug gegen Rücknahme dieses erteilten Zeugnisses wie folgt berichtigt:

Vorletzter Absatz Satz 1: Herr hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt an, dass die Arbeitsleistungen des Klägers keineswegs vollkommen beanstandungsfrei gewesen wären. Es habe in der Vergangenheit wiederholt Ermahnungen und auch Abmahnungen für den Kläger gegeben. Diesbezüglich wird verwiesen auf die zur Akte gereichten Abmahnungen (Bl. 37 ff. d. A.). Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten "Bescheinigungen" der ehemaligen Mitarbeiter des Beklagten ist dieser der Ansicht, dass dadurch das Leistungsverhalten des Klägers über die gesamte Dauer seiner Beschäftigung bei dem Beklagten nicht beurteilt werden könne. Dies insbesondere deswegen, weil der aufgeführte Zeuge lediglich von September 2002 bis Mai 2004, sowie der Zeuge S. lediglich vom 01. September bis 15. Oktober 1998 bei dem Beklagten tätig gewesen sei, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitgegenstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03. Mai 2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Antrag des Klägers auf Zeugnisberichtigung richtet sich auf ein Zeugnis, dass dem bereits erteilten Zeugnis vom 30. September 2005 mit einer Ausnahme wörtlich entsprechen soll. Die Gesamtbeurteilung der Leistung soll lauten: "... stets zu unserer vollsten Zufriedenheit". Der Kläger erstrebt damit ein Zeugnis, dass ihn als einen "überdurchschnittlichen" Mitarbeiter ausweist.

Ist der Arbeitnehmer mit dem erteilten Zeugnis nicht einverstanden, kann er von dem Arbeitgeber gerichtlich dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Mit einer solchen Klage macht er weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend und keinen dem Gesetz fremden Berichtigungsanspruch. Denn der Zeugnisanspruch richtet sich auf ein inhaltlich "wahres" Zeugnis; das umfasst auch die Schlussnote. Auch diese muss "wahr" sein (vgl. BAG, 14.10.2003, NZA 2004, 843 m. w. N.). Auch bei einem solchen Berichtigungsprozess, mit dem der Arbeitnehmer eine überdurchschnittliche Beurteilung erstrebt, verbleibt es bei der allgemeinen Regel, dass der Arbeitnehmer als derjenige, der einen Anspruch auf eine konkrete Zeugnisformulierung geltend macht, die hierfür erforderlichen Tatsachen vorzutragen hat. Denn § 109 GewO begründet keinen Anspruch auf ein "gutes" oder "sehr gutes" Zeugnis, sondern lediglich auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen (ErfKomm., § 109 GewO, Rd-Nr. 156 m. w. N.). Fordert der Arbeitnehmer eine "sehr gute" Gesamtbewertung ein, muss sein Vortrag nicht nur erkennen lassen, dass er sich nichts hat zu schulden kommen lassen, nicht kritisiert worden ist und dazu auch keinen Anlass gegeben, sowie keine deutlichen Schwächen gezeigt hat. Vielmehr erfordert die Reklamierung einer solchen Bestbewertung eine kontinuierlich oder jedenfalls überwiegend zu beobachtende, nicht mehr steigerungsfähige Bestleistung, an der der Arbeitgeber trotz seines Beurteilungsspielraums nicht mehr vorbeigehen kann (LAG Frankfurt, 06.09.1991, LAGE BGB § 630 Nr. 14). Zu berücksichtigen ist jedoch in jedem Falle, dass jede Beurteilung von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Sie wird zwangsläufig von den Erfahrungen des Arbeitgebers geprägt, die er mit der Leistung einzelner Arbeitnehmer gewonnen hat. Ein Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers ist somit unerlässlich; folgerichtig ist der gerichtliche Prüfungsmaßstab entsprechend eingeschränkt (vgl. BAG, a. a. O.).

Im konkreten Fall hat der Kläger keine Tatsachen vorgetragen, die dazu führen, dass von einer "sehr guten" oder "guten" Gesamtbewertung ausgegangen werden muss.

Sein Vortrag lässt gerade nicht erkennen, dass er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, nicht kritisiert worden sei und dazu auch keinen Anlass gegeben habe. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist unschlüssig und beschränkt sich auf die bloße Angabe der Behauptung, dass er während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung sehr gute Leistungen erbracht habe. Konkreten Vortrag hinsichtlich erbrachter Arbeitsleistungen und deren vorzunehmender Bewertung lässt der Kläger jedoch vermissen. Die diesbezüglich zur Akte gereichten "Bescheinigungen" der ehemaligen Mitarbeiter des Beklagten vermögen einen solchen Vortrag nicht zu ersetzen bzw. begründen keine "sehr guten" Leistungen, aber auch keine "guten" Leistungen des Klägers. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass diese Mitarbeiter nicht während der gesamten Beschäftigungszeit des Klägers bei dem Beklagten beschäftigt waren, zum anderen waren es ebenfalls Arbeitnehmer des Beklagten. Eine Zeugniserteilung sowie die diesbezüglich vorzunehmende Beurteilung eines Arbeitnehmers obliegt jedoch dem Arbeitgeber. Desweiteren ist diesen "Bescheinigungen" aus Sicht der Kammer allenfalls zu entnehmen, dass von einer "durchschnittlichen" Leistung des Kläger auszugehen ist. Anhaltspunkte für eine überdurchschnittliche Leistung sind nicht vorhanden. Eine etwaige Zeugenvernehmung dieser Mitarbeiter des Beklagten hätte insoweit auch zu einer unzulässigen Ausforschung des Sachverhaltes geführt.

Wird dem Arbeitnehmer bescheinigt, er habe "stets zu unserer Zufriedenheit" gearbeitet, wird das der Note "befriedigend", teils einer Zwischennote "voll befriedigend" zugerechnet oder auch als "gutes befriedigend" oder "gehobenes befriedigend" verstanden (vgl. BAG, a. a. O., m. w. N.). Eine solche Bewertung ist aus den o.g. Gründen auch im Fall des Klägers gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG, wobei der Kläger als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gem. den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 3 ZPO, wobei ein Bruttomonatsgehalt anzusetzen ist.

 



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