Arbeitsgericht Gießen

Urteil vom - Az: 4 Ca 624/05

Zu den Arbeitnehmerrechten beim gesetzlich vollzogenen Betriebsübergang

Mithilfe eines im Jahr 2005 erlassenen Gesetzes sollten die Universitätskliniken Marburg und Gießen zunächst zusammengefasst und daraufhin privatisiert werden. Neuer Arbeitgeber für die in den Kliniken beschäftigten Arbeitnehmer sollte zuerst die neu geschaffene Anstalt des öffentlichen Rechts und später ein privater Betreiber werden.
Die Landesregierung verzichtete bei der Verabschiedung des Gesetzes darauf, den Arbeitnehmern ein Widerspruchsrecht einzuräumen, das ihnen bei einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang beispielsweise zugestanden hätte.

Das Arbeitsgericht erachtete den gesetzlichen Betriebsübergang als rechtmäßig, insbesondere sei der Eingriff in die Berufsfreiheit der klagenden Arbeitnehmerin, welche dadurch einen neuen Arbeitgeber erhielt, zugunsten des Gemeinwohl gerechtfertigt.
Letztendlich erklärte das Bundesverfassungsgericht den Übergang jedoch für verfassungswidrig, da es der Arbeitnehmerin nicht zumutbar sei widerspruchslos einen neuen Arbeitgeber zugeordnet zu bekommen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 13.595,05 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem beklagten Land (im folgenden Beklagter zu 1) am 01. Juli 2006 auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.    

Die klagende Partei ist seit dem 01. Oktober 2000 als Arbeiter bei dem Beklagten zu 1) am Klinikum der J.-L.-Universität beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) Anwendung. Die monatliche Bruttovergütung beträgt 1.942,15 EUR.

Mit Wirkung zum 01. Januar 2001 wurde das Universitätsklinikum G. als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Nach § 22 Abs. 1 des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken (UniKlinG) verblieben die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten des bisherigen Universitätsklinikums, soweit sie vor dem 01. Januar 2001 begründet wurden, bei dem Beklagten zu 1) und die Beschäftigten galten als zur Universität versetzt. Das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei fiel unter diese Vorschrift. Nach § 4 des UniKlinG haftet der Beklagte zu 1) für Verbindlichkeiten des Universitätsklinikums neben diesem unbeschränkt, wenn und soweit die Befriedigung aus dem  Vermögen des Universitätsklinikums nicht erlangt werden konnte.

Im Jahr 2004 beschloss der Beklagte zu 1), aufgrund eines Gesamtkonzeptes für die drei hessischen Universitätskliniken das Universitätsklinikum der J.-L.-Universität G. und das Universitätsklinikum der P.-Universität M. zu fusionieren und zu privatisieren, um die wirtschaftliche Situation der beiden Kliniken G. und M. nachhaltig zu verbessern und damit die wissenschaftliche Exzellenz in der klinischen Medizin und die Leistungsfähigkeit in der Krankenversorgung zu stärken. Das Krankenversorgungsbudget des Universitätsklinikums G. hatte für 2004 einen Bilanzverlust von 9,8 Mio. Euro und benötigte bauliche Investitionen in Höhe von etwa 200 Mio. Euro, um baulich und klinisch den aktuell gebotenen Stand zu erreichen.  

Mit dem Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums G. und M. (UK-Gesetz) vom 16. Juni 2005 legte der Beklagte zu 1) das Universitätsklinikum G. und das Universitätsklinikum M. zusammen und errichtete das Universitätsklinikum G. und M. als eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.

Das UK-Gesetz lautet auszugsweise wie folgt:

 „ § 3

 

(1) Die bisher in der Krankenversorgung und Verwaltung der Universitätskliniken G. und M. tätigen nicht wissenschaftlichen Beschäftigten im Arbeits- oder Auszubildendenverhältnis zum Land Hessen werden mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes von der J.-L.-Universität G. und der P.-Universität M. zum Universitätsklinikum G. und M. versetzt und in den Anstaltsdienst übergeleitet. Die Beschäftigten im Anstaltsdienst der Universitätskliniken G. und M. werden mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes Beschäftigte des Universitätsklinikums G. und M..  Das Universitätsklinikum G. und M. tritt in die Rechte und Pflichten der Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse der in Satz 1 und 2 genannten Arbeitnehmer ein. ...

§ 5

Die Landesregierung ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung die nach Maßgabe diese Gesetzes errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Namen „Universitätsklinikum G. und M.“ nach ihrer rechtswirksamen Errichtung nach Maßgabe der §§ 301 bis 304 des Umwandlungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210, 1995 I S. 428), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juni 2003 (BGBl. I S. 838, 842), in der jeweils geltenden Fassung, durch Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, deren persönlich haftende Gesellschafterin eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, umzuwandeln. Der erste Teil des fünften Buches des Umwandlungsgesetzes findet auf diesen Formwechsel keine Anwendung. Die nach Satz 1 zu erlassende Rechtsverordnung regelt die nähere Ausgestaltung des Formwechsels im Hinblick auf die Firma, das Stamm- bzw. Grundkapital sowie den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung der Kapitalgesellschaft.“

Die klagende Partei wurde mit Schreiben des Universitätsklinikums G. und M. vom 12. Juli 2005 darüber informiert, dass ihr Arbeitsverhältnis auf das Universitätsklinikum G. und M. übergeleitet worden sei und mit diesem fortbestehe. Die klagende Partei widersprach mit Schreiben vom 29. September 2005 an das Universitätsklinikum G. und M. dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Sie arbeitet nach wie vor auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz.  

Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken u.a. Vorschriften vom 15. Dezember 2005 (GVBl. I S. 843) wurde mit Wirkung vom 01. Januar 2006  § 25a UniKlinG eingefügt, nach dem auf ein Universitätsklinikum in privater Rechtsform das UniKlinG nur eingeschränkt gilt. Ausgenommen von der Anwendbarkeit ist u.a. auch § 4 UniKlinG.

Mit Wirkung zum 02. Januar 2006 wurde das Universitätsklinikum G. und M. durch die Verordnung zur Umwandlung des Universitätsklinikums G. und M. in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom 01. Dezember 2005 (UK-UmwVO) in die Beklagte zu 2) formumgewandelt.

Der Beklagte zu 1) hat 95% der Geschäftsanteile an der Beklagten zu 2) an die R.um AG verkauft. Der Kaufvertrag ist am 01. Februar 2006 wirksam geworden. Die R.um AG wird an den Standorten M. und G. zusammen 367 Mio. Euro investieren. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis zum 31. Dezember 2010 ausgeschlossen. Der Beklagte zu 1) wird 100 Mio. Euro, dies entspricht weitgehend dem Kaufpreis, in eine Stiftung einbringen, die die Hochschulmedizin der Universitäten G. und M. unterstützt. In der mit dem Kaufvertrag in Verbindung stehenden Neufassung des Gesellschaftsvertrages vom 13. Dezember 2005  hat sich der Beklagte zu 1) diverse Zustimmungs- und Informationsrechte vorbehalten. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz des Beklagten zu 1) vom 25. April 2006, dort S. 7 (Bl. 32 d. A.) verwiesen.  § 14 des Gesellschaftsvertrages lautet auszugsweise:

 „§ 14 Einziehung von Geschäftsanteilen

(1) Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist zulässig.

(2) Die Einziehung der Geschäftsanteile an der Gesellschaft, die nicht unmittelbar oder mittelbar vom Land Hessen gehalten werden, ist ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung, bei dem allein das Land Hessen stimmberechtigt ist, zulässig, wenn

1. über das Vermögen eines Gesellschafters, seines unmittelbaren oder mittelbaren Mehrheitsgesellschafters oder der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet und nicht innerhalb von zwei Monaten, spätestens bis zur Verwertung des Geschäftsanteils eingestellt wird,

2. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, seines unmittelbaren oder mittelbaren Mehrheitsgesellschafters oder der Gesellschaft mangels Masse abgelehnt wird,

3. ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das vermögen eines Gesellschafters durch diesen Gesellschafter, seines unmittelbaren oder mittelbaren Mehrheitsgesellschafters durch diesen Gesellschafter oder der Gesellschaft durch die Gesellschaft gestellt wurde,

4. ein Gesellschafter oder dessen unmittelbarer oder mittelbarer Mehrheitsgesellschafter oder die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig im Sinne der Insolvenzordnung sind und sämtliche Insolvenzgründe bis zur Beschlussfassung über die Einziehung nicht beseitigt sind,

5. ein Geschäftsanteil oder Teilgeschäftsanteil eines Gesellschafters an der Gesellschaft gepfändet oder auf sonstige Weise in diesem vollstreckt wird und die Pfändung oder sonstige Vollstreckungsmaßnahme nicht innerhalb von zwei Monaten, spätestens aber bis zur Verwertung des Geschäftsanteils oder des Teilgeschäftsanteils aufgehoben wird oder nicht innerhalb von zwei Monaten andere Maßnahmen ergriffen werden, die eine Verwertung des Geschäftsanteils oder Teilgeschäftsanteils abwenden,

6. wenn wesentliche Bestandteile des Vermögens der Gesellschaft gepfändet oder auf sonstige Weise in diese vollstreckt wird und die Pfändung oder sonstige Vollstreckungsmaßnahme nicht innerhalb von zwei Monaten, spätestens aber bis zur Verwertung der Vermögensgegenstände aufgehoben wird oder nicht innerhalb von zwei Monaten andere Maßnahmen ergriffen werden, die eine Verwertung der Vermögensgegenstände abwenden.“

Die Beklagte zu 2) hat mit der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) unter dem 26./31. Januar 2006 eine Beteiligungsvereinbarung geschlossen, in der sich die VBL die fristlose Kündigung für den Fall vorbehalten hat, dass der Beklagte zu 1) im Fall der Insolvenz der Beklagten zu 2) von seinem Recht auf Einziehung der Gesellschaftsanteile keinen Gebrauch macht. Der Beklagte zu 1) hat sich mit Erklärung vom 22. Dezember 2005 (Bl. 47-50 d. A.) gegenüber der VBL dazu verpflichtet, im Fall der Insolvenz der Beklagten zu 2) von seinem Recht zur Einziehung der Geschäftsanteile Gebrauch zu machen.

Die klagende Partei ist der Auffassung, die Überleitung des Arbeitsverhältnisses durch das UK-Gesetz sei wegen Verstoßes gegen übergeordnetes Bundesrecht bzw. wegen Verstoßes gegen Tarifnormen  unwirksam. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses hätte jedenfalls der Zustimmung der klagenden Partei bedurft, die weder eingeholt noch erteilt worden sei. Hilfsweise macht die klagende Partei geltend, dass die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses durch die formumgewandelte Beklagte zu 2) eine so grundlegende strukturelle Veränderung des Arbeitsverhältnisses darstelle, dass sie ohne Zustimmung der klagenden Partei eine unzumutbare Verletzung ihrer Arbeitsvertrags- und Berufsfreiheit darstelle.   

Die klagende Partei beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen dem Beklagten zu 1) und der klagenden Partei begründete Arbeitsvertragsverhältnis durch § 3 Abs. 1 des „Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums G. und M.“ vom 16. Juni 2005, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I, 2005, S. 432, nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsvertragsverhältnis der klagenden Partei unverändert mit dem Beklagten zu 1) fortbesteht;

3. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, die klagende Partei zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen,

hilfsweise

4. festzustellen, dass das Arbeitsvertragsverhältnis der klagenden Partei im Falle der auf Grundlage von § 5 des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums G. und M. vom 16. Juni 2005 durch Rechtsverordnung die Rechtsform wechselnden Privatisierung des Universitätsklinikums G. und M. nicht ohne Zustimmung der klagenden Partei mit dem Universitätsklinikum in privater Rechtsform weitergeführt wird,

weiter hilfsweise

5. festzustellen, dass im Falle der rechtsformwechselnden Privatisierung des Universitätsklinikums G. und M. durch Rechtsverordnung auf Grundlage von § 5 des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums G. und M. vom 16. Juni 2005 bei Nichterteilung der Zustimmung der klagenden Partei zur Fortsetzung des Arbeitsvertragsverhältnisses mit dem Universitätsklinikum in privater Rechtsform der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, in das Arbeitsvertragsverhältnis des Universitätsklinikums G. und M. (Anstalt des öffentlichen Rechts) mit der klagenden Partei wieder einzutreten und diese zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, aufgrund des hohen Investitionsrückstandes des  Universitätsklinikums G. sei die Alternative zur Privatisierung als wirtschaftlich tragfähige Lösung auf längere Sicht nur die Schließung des Hochschulmedizinstandorts G. gewesen, die einschneidende Folgen für die Forschung und Lehre sowie für die Krankenversorgung bedeutet hätte.

Die Beklagten sind der Auffassung, das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei sei auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Der Beklagte zu 1) habe sich umfassende Informations- und Aufsichtsrechte gesichert, die weit über die üblichen Rechte eines Minderheitengesellschafters hinausgingen. Der Verlust der bisherigen Gewährträgerschaft sei voll umfänglich dadurch ausgeglichen, dass der Beklagte zu 1) sich für den Insolvenzfall verpflichtet habe, die an die R. AG veräußerten Geschäftsanteile wieder einzuziehen und Alleingesellschafter der Beklagten zu 2) zu werden. Übte der Beklagte zu 1) sein Einziehungsrecht nicht aus, würde infolge einer dann möglichen fristlosen Kündigung der VBL eine Gegenwertzahlung in Höhe von 380 Mio. Euro fällig, weshalb dies praktisch ausscheide.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die klagende Partei steht nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) ist gem. § 3 Abs. 1 UK-Gesetz vom 16. Juni 2005 in Verbindung mit der UK-UmwVO Arbeitgeberin der klagenden Partei geworden, ohne dass die klagende Partei ein Widerspruchsrecht hatte oder es dazu einer Zustimmung der klagenden Partei bedurft hätte.

§ 3 UK-Gesetz bestimmt, dass mit seinem In-Kraft-Treten zum 01. Juli 2005 das Universitätsklinikum G. und M. in die Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse der bisher in der Krankenversorgung und Verwaltung der Universitätskliniken G. und M. tätigen nicht wissenschaftlichen Beschäftigten eintritt. Die klagende Partei war als Arbeiter im Bereich des Universitätsklinikums G. davon erfasst.

Der von der klagenden Partei erklärte Widerspruch entfaltet keine Rechtsfolgen, da § 3 UK-Gesetz kein Widerspruchsrecht für die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer vorsieht.

Ein Widerspruchsrecht ergibt sich auch nicht aus § 613a BGB. Eine direkte Anwendung scheidet bereits mangels einer ausdrücklichen Regelung in § 3 UK-Gesetz aus.   

Eine analoge Anwendung des § 613a BGB ist ebenso ausgeschlossen.  Eine Gesetzes- oder Rechtsanalogie kommt dann zur Anwendung, wenn eine planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Der Beklagte zu 1) hat in dem UK-Gesetz die Überleitung der Arbeitsverhältnisse abschließend geregelt und den betroffenen Beschäftigten kein Widerspruchsrecht eingeräumt. Darüber hinaus ist der Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund des UK-Gesetzes nicht vergleichbar mit einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um einen gesetzlich geregelten rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang handelt. Voraussetzung hierfür wäre, dass der tragende Grund für den gesetzlich angeordneten Betriebsübergang ein Rechtsgeschäft wäre (vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 2001 - 8 AZR 336/00 - NJW 2001, 2571).

Die Anordnung des Überganges der Arbeitsverhältnisse in § 3 UK-Gesetz verstößt nicht gegen Tarifrecht. Entgegen der Auffassung der klagenden Partei liegt kein Verstoß gegen § 12 BAT vor. Der Begriff der Versetzung in § 3 Abs. 1 Satz 1 UK-Gesetz entspricht nicht dem der tariflichen Versetzung des § 12 BAT. Aus § 3 Absatz 1 Satz 3 UK-Gesetz geht eindeutig hervor, dass das Universitätsklinikum G. und M. ohne eine irgendwie geartete Versetzungsanordnung in die Arbeitgeberstellung eintritt. Für die Anwendbarkeit des § 12 BAT bleibt damit gerade deshalb kein Raum, da durch den Arbeitgeberwechsel keine Versetzung im tarifrechtlichen Sinne vorliegt.

Die Anordnung des Überganges der Arbeitsverhältnisse in § 3 UK-Gesetz verstößt nicht gegen höherrangiges einfaches Bundesrecht.

Ein Verbot der Überleitung von Arbeitsverhältnissen durch einen Landesgesetzgeber ist nicht existent und weder § 415 Absatz 1 Satz 1 BGB noch § 613 Satz 2 BGB stehen einem gesetzlich angeordneten Übergang der Arbeitsverhältnisse durch § 3 UK-Gesetz entgegen,  (vgl. BAG, Urteil vom 02. März 2006 - 8 AZR 124/05 - ArbuR 2006, 19 und juris).

In der Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts liegt kein Verstoß gegen § 613a Absatz 6 BGB. § 613 a Absatz 1 Satz 1 BGB setzt den Übergang eines Betriebes durch Rechtsgeschäft voraus. Nach herrschender Meinung, der sich die Kammer anschließt, erfüllen Betriebsübergänge, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes vollzogen werden, diese Voraussetzung nicht (vgl. BAG vom 02. März 2006, aaO.). Gem. § 1 Absatz 1 und Absatz 3 UK-Gesetz in Verbindung mit § 3 Abs. 1 UK-Gesetz ist das als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts neu errichtete Universitätsklinikum G. und M. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ohne weitere rechtsgeschäftliche Übertragungsakte  in die Rechtsstellung des Beklagten zu 1) eingetreten. Hieran ändert auch die in § 5 UK-Gesetz geregelte Ermächtigung nichts, durch Rechtsverordnung das Universitätsklinikum G. und M. durch Formwechsel umzuwandeln. Die   Überleitung der Arbeitsverhältnisse erfolgt allein durch Gesetz.

Die Überleitung der Arbeitsverhältnisse und die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht.

§ 3 UK-Gesetz ist formell wirksam. Dem Beklagten zu 1) steht die Gesetzgebungsbefugnis für die gesetzliche Überleitung von mit ihm geschlossenen Arbeitsverhältnissen zu. Gem. Art. 70 Grundgesetz (GG) haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zustehen. Zwar verfügt der Bund nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG über die Rahmenkompetenz hinsichtlich der Rechtsverhältnisse im öffentlichen Dienst der Länder stehender Personen und nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG über das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung im Arbeitsrecht. Jedoch hat er von dieser Kompetenz nur im Hinblick auf rechtsgeschäftliche Übergänge nach § 613a BGB Gebrauch gemacht (vgl. BAG, Urteil vom 08. Mai 2001 - 9 AZR 95/00 - NZA 2001, 1200).

Es liegt kein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG der klagenden Partei vor.

Zwar stellt § 3 UK-Gesetz einen Eingriff in das Grundrecht der klagenden Partei auf freie Arbeitsplatzwahl dar. Dies ergibt sich daraus, dass unmittelbar durch die gesetzliche Regelung das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei  auf einen neuen Arbeitgeber übergeht und die klagende Partei ihr Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten zu 1) verliert. In Folge des fehlenden Widerspruchsrechts kann die klagende Partei einen Übergang nur durch Ausspruch einer Kündigung verhindern.

Jedoch ist dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zählen zu den Schutzgütern des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG die freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl, wobei zu der freien Arbeitsplatzwahl bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners samt den dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere der Zutritt zum Arbeitsmarkt zählt. Das Grundrecht garantiert den Schutz gegen staatliche Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken, insbesondere die Hinderung des Einzelnen durch den Staat am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes, den Zwang zur Annahme eines bestimmten oder  Aufgabe eines Arbeitsplatzes (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 -  BVerfGE 84, 133). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der sich die Kammer anschließt, betreffen Regelungen zum Übergang eines Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Arbeitgeber den Schutzbereich der durch Art. 12 Absatz 1 GG geschützten Arbeitsplatzfreiheit und zwar unabhängig davon, ob eine Gewährträgerhaftung eines Landes für Verbindlichkeiten des neuen Arbeitgebers besteht oder nicht.  Jedoch kann eine bestehende Gewährträgerhaftung bei der anzustellenden Güterabwägung im Hinblick auf die Ermittlung der Schwere des Eingriffs bedeutsam sein (vgl. BAG vom 02. März 2006, aaO).   

Maßgeblich für die Rechtfertigung eines gesetzlichen Eingriffs in das Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl ist, ob dieser sich wie eine objektive Zulassungsschranke auswirkt oder einer Regelung der Berufsausübungsfreiheit unter Aufrechterhaltung der Arbeitsverhältnisse gleichkommt. Im ersten Fall kann sich eine Rechtfertigung nur aus der Sicherung zwingender Gründe des Gemeinwohls ergeben, während im zweiten Fall der Eingriff verfassungsgemäß ist, wenn er durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig ist (vgl. insgesamt BVerfG, Urteil vom 09. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BverfGE 111, 10).

§ 3 UK-Gesetz steht einer Berufsausübungsregelung gleich. Das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei bleibt mit Ausnahme der (juristischen) Person des Arbeitgebers unverändert bestehen. Wie sich aus dem Vortrag des Beklagten zu 1) ergibt, sind sowohl die Überleitung der Arbeitsverhältnisse als auch die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechtes durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.    

Der Zusammenschluss der Universitätskliniken G. und M. sowie die daraus resultierende Privatisierung dient dazu, die Klinikstandorte zu erhalten und zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Sofern die klagende Partei meint, es handele sich hierbei um eine nicht nachprüfbare Behauptung bzw. Wertung, vermag dies nicht zu überzeugen. Unstreitig ist, dass aufgrund der finanziellen Situation des Universitätsklinikums G. akuter Handlungsbedarf bestand, um einer Verschlechterung der Hochschulmedizin und der Krankenversorgung entgegenzuwirken. Die von dem Beklagten zu 1) getroffenen Regelungen wie dem Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen und der Absicherung für den Insolvenzfall belegen, dass eine Sicherung und nicht eine Verschlechterung der Arbeitsplätze von dem Beklagten zu 1) gewollt ist. Unbestritten ist auch die Bedeutung des Universitätsklinikums G. für die Hochschulmedizin und die Krankenversorgung in der Region. Selbst wenn die von dem Beklagten zu 1) als Alternative zur Privatisierung angeführte Schließung des Universitätsklinikums G. nicht unmittelbar bevorstand, so muss doch berücksichtigt werden, dass diese Möglichkeit  ohne die Privatisierung langfristig jedenfalls in Betracht gekommen wäre.

Auch stellen die gesetzliche Anordnung der Überleitung der Arbeitsverhältnisse als auch die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechtes keine unverhältnismäßige Regelung dar. Sie ist geeignet, den Bestand und die Funktionsfähigkeit des Universitätsklinikums G. zu erhalten. Ihre Erforderlichkeit ergibt sich daraus, dass die Privatisierung - wie auch die klagende Partei selbst angibt - ohne den gesetzlich angeordneten Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht zustande gekommen wäre. Bei Einräumung eines Widerspruchsrecht und der denkbaren Möglichkeit, dass ein Großteil der Beschäftigten dem Übergang zunächst widersprochen hätte, wäre der Klinikumsbetrieb weitgehend zum Erliegen gekommen.

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist ebenso gewahrt. Eine Abwägung zwischen dem Gemeinschaftsgut, dem die Regelung des § 3 UK-Gesetz dient, mit der Schwere des Eingriffs führt zu dem Ergebnis, dass sie angemessen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Schutzwürdigkeit der von einem Beschäftigten einmal getroffenen Wahl des konkreten Vertragspartners insbesondere auch darin liegt, dass er im zum selben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnis unter Umständen weniger mit einer Veränderung bzw. Verschlechterung der Arbeitsbedingungen rechnen muss. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass die Gefahr besteht, dass der neue Arbeitgeber als Schuldner gegebenenfalls weniger potent als der frühere Arbeitgeber ist. Dafür, dass  die Arbeitsbedingungen der klagenden Partei sich verschlechtert hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor. Aus dem Hinweis der klagenden Partei auf eine drohende Verschlechterung wegen Ankündigungen der R. AG im Hinblick auf vorzunehmende Einsparungen lässt sich mangels konkreter Anhaltspunkte, insbesondere auf die Situation am Universitätsklinikum G., keine Verschlechterung und einen etwa daraus resultierenden intensiven Eingriff in die Grundrechtsposition der klagenden Partei ableiten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. Dezember 2010 ausgeschlossen sind. Auch die Nichtgeltung des Hessischen Gleichstellungsgesetz bei der Beklagten zu 2) sowie die Problematik, bei einer Bewerbung auf eine Stelle des öffentlichen Dienstes nicht mehr als interner Bewerber / interne Bewerberin zu gelten, stellt keinen konkreten wesentlichen Nachteil dar.

Letztlich steht der klagenden Partei ein im Wesentlichen gleich potenter Schuldner gegenüber. Zwar ist die Insolvenz der nunmehr privaten Beklagten zu 2) nicht wie bei dem Beklagten zu 1) ausgeschlossen. Jedoch hat der Beklagte zu 1) den Fall der Insolvenz der Beklagten zu 2) dadurch abgesichert, dass er für diesen Fall das Einziehungsrecht der Gesellschaftsanteile inne hat und gegenüber der VBL auch verpflichtet ist, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Die Rechtstellung des Beklagten zu 1) ist damit seiner früheren Gewährträgerschaft nachgebildet.

Letztlich verstößt die gesetzlich angeordnete Überleitung der Arbeitsverhältnisse sowie die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts auch nicht gegen Europäisches Recht. Nach der Rechtsprechung des BAG ist zum einen die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG nicht auf gesetzlich angeordnete Betriebsübergänge anwendbar und zum anderen ergibt sich daraus auch kein europäisches Grundrecht auf Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses.

Auch die Hilfsanträge der klagenden Partei sind unbegründet. Wie oben bereits dargelegt, ist gem. § 3 Abs. 1 UK-Gesetz vom 16. Juni 2005 in Verbindung mit der UK-UmwVO das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei auf die Beklagte zu 2) übergegangen, ohne dass die klagende Partei ein Widerspruchsrecht hatte oder es dazu einer Zustimmung der klagenden Partei bedurft hätte.

Als unterliegende Partei hat die klagende Partei die Kosten des Rechtsstreits gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.v.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht gem. § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG für den Feststellungsantrag zu 1 auf der dreifachen Bruttomonatsvergütung. Für die weiteren Feststellungsanträge und die Hilfsanträge wurde je eine weitere Bruttomonatsvergütung in Ansatz gebracht.  



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