Arbeitsgericht Frankfurt

Urteil vom - Az: 12 Ca 8341/11

Streikaufruf - Gewerkschaft haftet nicht für Schäden Dritter

(1.) Eine Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erfordert einen unmittelbaren Eingriff in dem Sinne, dass der Eingriff sich irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft. Er muss seiner objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein. Auch muss ihm eine Schadensgefahr eigen sein, die über eine Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen.
(2.) Die Existenz des Vollkostendeckungsprinzips führt nicht dazu, dass dieses als alleiniges Kriterium zur Beurteilung der Betriebsbezogenheit des Eingriffs heranzuziehen wäre.
(3.) Der Grad der persönlichen oder wirtschaftlichen Betroffenheit eines Drittunternehmens ist allein bedeutend für die Eingriffsintensität. Er ist hingegen nicht dazu geeignet, um zwischen mittelbaren oder unmittelbaren Eingriffen zu differenzieren.
(4.) Es stellt mithin eine sozialübliche Behinderung dar, wenn durch die Bestreikung eines Flughafenbetreibers (hier: durch Fluglotsen) bzw. bereits durch den vorgehenden Streikaufruf mittelbar auch die Fluggesellschaften in Mitleidenschaft gezogen werden.
(5.) Für Schadensersatzansprüche, die auf § 823 Abs. 1 BGB beruhen, ist zu prüfen, ob die äquivalent und adäquat kausal herbeigeführten Verletzungsfolgen, für die Ersatz begehrt wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen (hier: nur hilfsweise).
Bei den klagenden Fluggesellschaften handelt es sich nicht um von dem Schutzzweck der Normen des MTV und des VTV Nr. 5 erfasste Dritte. Die relative Friedenspflicht erfasst die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder, nicht aber den Betrieb der Fluggesellschaften.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben die Klägerin zu 1.) zu 52 %, die Klägerin zu 2.) zu 47 % und die Klägerin zu 3.) zu 1 % zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten haben die Klägerinnen selbst zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.752.152,55 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzforderungen wegen Streikaufrufen der beklagten Gewerkschaft, die sich an die tariflich beschäftigten Mitarbeiter der X GmbH richteten.

Bei der Klägerin zu 1. handelt es sich um die Obergesellschaft des A-Konzerns mit Sitz in Köln. Die Klägerin zu 2. ist die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft. Bei der Klägerin zu 3. handelt es sich um eine Niedrigflugpreisgesellschaft, die über 1.300 Strecken in 27 Ländern bedient.

Der beklagte Verein ist eine Gewerkschaft mit Sitz in Frankfurt am Main, deren Organisationsbereich alle Betriebe und Unternehmen umfasst, in welchen die Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft oder auf dem Boden zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Verkehrs erfolgt oder mit dieser Aufgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende planerische, informatorische, technische und qualifizierende Unterstützungsleistungen erbracht werden.

Bei X GmbH (im Folgenden: X) handelt es sich um ein zum 1. Januar 1993 privatisiertes Unternehmen, dessen Eigentümer zu 100% der Bund ist und das mit Ausnahme der Platzkontrolle an militärischen Flugplätzen und Regionalflughäfen bundesweit exklusiv die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum und an den deutschen internationalen Verkehrsflughäfen wahrnimmt. In ihrem Unternehmen werden ua. ca. 2.313 Fluglotsen und 290 Flugdatenbearbeiter beschäftigt. Für die X galt zuletzt nach § 32 Abs. 4 LuftVG aF. das sog. „Vollkostendeckungsprinzip“, nach dem die anfallenden Kosten durch Gebühren zu decken sind, welche die Fluggesellschaften zu entrichten haben.

Seit dem 11. Februar 2011 führten der Beklagte und die X Tarifverhandlungen über den Eingruppierungstarifvertrag 2007 für die bei der X GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 25. April 2007 in der Fassung vom 13. Januar 2011 (im Folgenden: „ETV 2007“) und den Vergütungstarifvertrag Nr. 5 für die bei der X GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 13. Januar 2011 (im Folgenden: „VTV Nr. 5“). Mit Schreiben vom 4. April 2011 (Anlage K 3 des Anlagenbandes I) kündigte der Beklagte den ETV 2007 fristgerecht zum 31. Mai 2011. Mit einem weiteren Schreiben vom 4. April 2011 (Anlage K 5 des Anlagenbandes I) kündigte der Beklagte ua. auch den VTV Nr. 5 fristgerecht zum 31. Mai 2011.

Am 7. April 2011 übersandte der Beklagte der X den vollständigen Entwurf eines Eingruppierungstarifvertrages 2010, der später durch den Entwurf eines Eingruppierungstarifvertrages 2011 (im Folgenden: „ETV-E“) aktualisiert wurde. Der ETV-E, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Anlage K 7 des Anlagenbandes I verwiesen wird, enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:

 „...

§ 2

Ein- und Höhergruppierung

 (1) Die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt in die Vergütungsgruppe (Gruppe und Band) der nach § 4 höherwertig ausgeübten Tätigkeiten, soweit sie nicht nur vorübergehend ausgeübt werden. Als vorübergehend im Sinne von Satz 1 gilt eine Zeitspanne von maximal 6 Monaten.

(2) ...

(3) ...

 (4) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen, wegen Elternzeit, Mutterschutz oder anerkannter Pflegezeiten oder aus anderen Gründen, die sie nicht selbst zu vertreten haben, ihre EBG neu erwerben müssen, behalten ihre bisherige Eingruppierung und Stufe.

...

§ 3

Karriereplanung

(1) ...

 (2) Eine Stelle ist grundsätzlich mit der Bewerberin oder dem Bewerber zu besetzen, der die tariflich festgelegten Merkmale wie Qualifikation, Berufserfahrung, Kenntnisse und Fähigkeiten erfüllt und den entsprechenden Grad der Verantwortung zum Zeitpunkt der Einstellung oder Versetzung übernehmen kann.

(3) Steht eine geeignete Bewerberin oder ein geeigneter Bewerber nicht zur Verfügung, kann eine Bewerberin oder ein Bewerber ausgewählt werden, der die geforderten Merkmale nach Absolvierung entsprechender Entwicklungsmaßnahmen und Qualifikationen sowie dem Erwerb erforderlicher Berufserfahrung ausfüllen kann.

...

§ 4

Vergütungsgruppen

(1) ...

(2) ...

 (3) Die Vergütungsgruppen werden wie folgt gebildet:

...

Gruppe 7

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Tätigkeiten der Gruppe 6 wahrnehmen, die ein darüber hinausgehendes Maß an Erfahrung oder Selbständigkeit erfordern und entsprechende Verantwortung beinhalten, z.B.:

...

Band C:

Senior-Flugdatenspezialist mit Berechtigung (FDS) für mindestens eine Fluginformationsregion (FIR), nach mindestens fünfzehn Jahren FDB mit EBG, davon die letzten vier Jahre mit Ausbilderberechtigung oder unter Wahrnehmung von Sonderaufgaben

...

Gruppe 8

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Tätigkeiten wahrnehmen, welche ein hohes Maß an Selbständigkeit und Verantwortung beinhalten oder wesentlich erweiterte und vertiefte Fachkenntnisse erfordern, z.B.:

Band A:

...

- Chefsekretär (Geschäftsführung und Führungsebene 1) nach 15 Berufsjahren, davon zehn Jahre im Sekretariat oder in Assistenz

...

Gruppe 9

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Tätigkeiten der Gruppe 8 wahrnehmen, welche ein besonders hohes Maß an Erfahrung und zusätzlichen Fachkenntnissen erfordern und entsprechende Verantwortung beinhalten, z.B.:

Band A:

...

- Junior-Referent bzw. Junior-Ingenieurin oder Junior-Ingenieur mit mindestens dreijähriger Ausbildung und nach 20 Berufsjahren und Vollzeitfachausbildung (zweijährig)

oder mit abgeschlossenem Bachelorstudium und nach zehn Berufsjahren

oder mit abgeschlossenem Diplom-/Masterstudium und nach acht Berufsjahren

...“

Mit Schreiben vom 20. April 2011, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage B3 des Anlagenbandes II verwiesen wird, rügte die X gegenüber dem Beklagten, dass der ETV-E wegen Verstoß gegen höherrangiges Recht in Teilen rechtswidrig sei.

Mit Schreiben vom 21. April 2011, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Anlage K 7a des Anlagenbandes I verwiesen wird, wandte sich der Beklagte wie folgt an die X:

 „...

nachstehend möchten wir Ihnen die D-seitigen Forderungen zur Vergütungsrunde 2011 übermitteln:

- Erhöhung der Tabellenentgelte des VTV, VTV-A und der vergütungswirksamen Leistungen des ZTV ab dem 1. Juni 2011 für eine Laufzeit von 12 Monaten um 6,5% linear.

...

- Rückwirkende Berücksichtigung der festen persönlichen Zulagen bei der Berechnung der Einmalzahlung aus dem Vergütungsabschluss vom 28.12.2010.

...“

Im Rahmen der Verhandlungsrunde vom 5. Mai 2011 überreichte die X dem Beklagten einen eigenen, überarbeiteten Entwurf für einen Eingruppierungstarifvertrag, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage B 5 des Anlagenbandes II verwiesen wird.

Am 9. Juni 2011 brach die Verhandlungskommission des Beklagten die Verhandlungen ab und teilte der X mit, dass sie ihrer Tarifkommission die Feststellung des Scheiterns der Verhandlung empfehlen werde. Am 15. Juni 2011 beriet die Tarifkommission des Beklagten und erklärte offiziell das Scheitern der Tarifverhandlungen mit der X. Der Bundesvorstand des Beklagten entschied am 16. Juni 2011, seine Mitglieder zur Urabstimmung aufzurufen. Mit Schreiben vom 28. Juni 2011, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage B4 des Anlagenbandes II verwiesen wird, teilte der Beklagte der X ua. mit, dass sie als Voraussetzung für weitere Verhandlungen die Verknüpfung zwischen der möglichen Erfüllung der Vergütungsforderung und der Kapazitätsfrage fallen lassen müsste. Mit weiterem Schreiben vom 28. Juni 2011, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Anlage K 24 des Anlagenbandes I verwiesen wird, wandte sich der Beklagte wegen der Einleitung zur Urabstimmung wie folgt an seine Mitglieder:

 „...

Gegenstand der Urabstimmung sind die Forderungen der D zum Eingruppierungstarifvertrag (ETV), den Vergütungstarifverträgen (VTV, VTVA) und zum Zulagentarifvertrag (ZTV), welche zeitgleich zum 31. Mai 2011 gekündigt worden waren, was zugleich bedeutet, dass seitdem die Friedenspflicht abgelaufen ist.

...“

Die Urabstimmung endete am 29. Juli 2011. Nach Auszählung der Stimmen gab der Beklagte am 1. August 2011 bekannt, dass bei einer Wahlbeteiligung von 92,12 % der Mitglieder 95,80 % für einen unbefristeten Streik gestimmt hätten. Am Dienstag, den 2. August 2011, 16h00 wandte sich der Bundesvorstand des Beklagten ausweislich Anlage K 26 des Anlagenbandes I auszugsweise mit folgendem Streikaufruf an seine Mitglieder:

 „...

Die D fordert ALLE tariflich beschäftigten Mitarbeiter der X an sämtlichen Standorten auf, am Donnerstag, den 04. August 2011, in der Zeit von 06:00 bis 12:00 Uhr für 6 Stunden die Arbeit niederzulegen.

Ausnehmen von diesem Streikaufruf wird die D zum einen die Flugsicherungsakademie der X in La. ... sowie die Niederlassung in Ma. ...

Die D wird genügend Personal zur Erledigung aller Flüge zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um die von der D einseitig garantierten Notdienste zu leisten.

...“

Zugleich kündigte der Beklagte die Streikmaßnahmen gegenüber der X ausweislich der Anlage K 27 des Anlagenbandes I auszugsweise wie folgt an:

 „...

Der Arbeitskampf dient der Durchsetzung der Ihnen bekannten Forderungen zum VTV und ETV, die wir der X mit unserem Schreiben vom 21.04.2011 (VTV) sowie mit Mail-Schreiben vom 05.04.2011 und ergänzender Mail vom 12.05.2011 unter Hinweis auf den Verhandlungsstand (ETV) mitgeteilt haben.

...“

Mit Schriftsatz vom 3. August 2011 beantragte die X bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 22 Ga 134/11 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten im Hauptantrag untersagt werden sollte, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer der X zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben der X durchzuführen, um seine Streikforderungen zum Eingruppierungstarifvertrag 2011 und zum Vergütungstarifvertrag durchzusetzen. Mit Urteil vom 3. August 2011 gab das Arbeitsgericht Frankfurt am Main dem Antrag statt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 237 ff. d. A. 22 Ga 134/11 verwiesen. In ihrer Berufungsschrift vom selben Tag, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 242 ff. d. A. 22 Ga 134/11 (9 SaGa 1128/11) verwiesen wird, teilte der Beklagte Folgendes mit:

 „...

In seiner erstinstanzlichen Entscheidung hat das Arbeitsgericht den Erlass der von der Verfügungsklägerin mit der Begründung abgelehnt, ihre Forderung, den gekündigten § 2 Abs. 1 ETV 2007 um den Satz zu ergänzen:

 „Als vorübergehend im Sine von Satz 1 gilt eine Zeitspanne von maximal 6 Monaten.“

sei rechtswidrig wegen Verstoßes gegen die Friedenspflicht im Hinblick auf den ungekündigten MTV, dort § 19. Die Rechtswidrigkeit dieser Forderung mache den zur Durchsetzung - auch - dieses Zieles angedrohten Arbeitskampf ebenfalls rechtswidrig. Auf die übrigen von der Verfügungsklägerin beanstandeten Forderungen hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung nicht gestützt.

Die Verfügungsbeklagte hat erklärt, sowohl diese Forderung als auch die vom Gericht erster Instanz nicht beanstandete Forderung einer

 „Rückwirkende(n) (Klammerzusatz durch den Bearbeiter) Berücksichtigung der festen persönlichen Zulage bei der Berechnung der Einmalzahlung aus dem Vergütungsabschluss vom 28. Dezember 2010.“

gegenüber der Verfügungsklägerin zurückzunehmen und im Zusammenhang mit den angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen nicht mehr weiterzuverfolgen.

...“

Am Abend des 3. August 2011 erklärte der Beklagte, dass er die für den frühen Morgen des 4. August 2011 angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen abgesagt habe. Die X nahm in der Folge den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der mündlichen Verhandlung bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht zurück.

Am Montag, dem 8. August 2011 wandte sich der Bundesvorstand des Beklagten ausweislich Anlage K 31 des Anlagenbandes I auszugsweise mit folgendem Streikaufruf an seine Mitglieder:

 „...

Die D fordert ALLE tariflich beschäftigten Mitarbeiter der X an sämtlichen Standorten auf, am

Dienstag, den 09. August 2011, in der Zeit von 06.00 bis 12.00 Uhr für 6 Stunden die Arbeit niederzulegen. Ausgenommen von diesem Aufruf sind die Flugsicherungsakademie, sowie der Standort Maastricht.

...“

Zugleich kündigte der Beklagte die Streikmaßnahmen gegenüber der X ausweislich der Anlage K 30 des Anlagenbandes I auszugsweise wie folgt an:

 „...

Der Arbeitskampf dient der Durchsetzung der Ihnen bekannten Forderungen zum VTV und ETV, die wir der X mit unserem Schreiben vom 21.04.2011 (VTV) sowie mit Mail-Schreiben vom 05.04.2011 und ergänzender Mail vom 12.05.2011 unter Hinweis auf den Verhandlungsstand (ETV) mitgeteilt haben. Wie bereits im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem LAG Frankfurt vom 03.08.2011, 9 SaGa 1128/11 schriftlich mitgeteilt, werden die in dem Gesamtpaket enthaltenen Forderungen nach einer Ergänzung des § 2 Abs. 1 ETV 2007 um den Satz

 „Als vorübergehend im Sinne von Satz 1 gilt eine Zeitspanne von maximal 6 Monaten.“

sowie die Forderung nach einer rückwirkenden Berücksichtigung der Einmalzahlung bei der Berechnung der Einmalzahlung aus dem Vergütungsabschluss vom 28.12.2010 nicht aufrecht erhalten. Sie sind somit nicht mehr Gegenstand des Tarifkonflikts und des angekündigten Arbeitskampfs.

...“

Mit Schriftsatz vom 8. August 2011 beantragte die X bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 22 Ga 138/11 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten untersagt werden sollte, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer der X zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Betrieben der X durchzuführen, um seine Streikforderungen zum Eingruppierungstarifvertrag 2011 und zum Vergütungstarifvertrag nach Maßgabe des Schreibens vom 8. August 2011 durchzusetzen. In der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2011 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu Protokoll, dass der Beklagte die Forderung gemäß seines Entwurfs zu § 2 Abs. 4 Entgelttarifvertrag, nämlich dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen wegen Elternzeit, Mutterschutz oder anerkannter Pflegezeiten oder aus anderen Gründen, die sie nicht selbst zu vertreten haben, ihre Einsatzberechtigung neu erwerben müssen, ihre bisherige Eingruppierung und Stufe behalten sollen, unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes nicht länger aufrecht halte und nicht zum Gegenstand eines Arbeitskampfes machen werde.

Mit Urteil vom 8. August 2011 wies das Arbeitsgericht Frankfurt am Main den Antrag zurück. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 209 ff. d. A. 22 Ga 138/11 verwiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 8. August 2011 zurück. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf Bl. 240 ff. d. A. 22 Ga 138/11 (9 SaGa 1147/11) verwiesen.

Nach der Verkündung des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. August 2011 rief die X die Schlichtung an, die auf Grund der Regelungen in ihrer Schiedsvereinbarung mit dem Beklagten vom 21. Dezember 2005 bis zum 31. August 2011 andauerte. Während dieser Zeit bestand Friedenspflicht. Nachdem die Schlichtung zunächst scheiterte und sich der Beklagte am 10. Oktober 2011 erneut für Arbeitskampfmaßnahmen aussprach, kam es am 12. Oktober 2011 nach Durchführung eines weiteren Vermittlungsgesprächs zu einer Einigung der Tarifparteien.

Auf die X findet der Manteltarifvertrag für die bei der X GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 19. November 2004 in der Fassung vom 6. Mai 2010 (im Folgenden; „MTV“) Anwendung, der auszugsweise die folgenden Regelungen enthält:

 „...

§ 1

Geltungsbereich

(1) ...

(2) ...

(3) ...

80

(4) Dieser Tarifvertrag gilt mit den vereinbarten Sonderregelungen.

...

§ 18

Vergütung

 (1) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Anspruch auf Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag (VTV) und ggf. nach dem Zulagentarifvertrag (ZTV). Die Vergütung besteht aus dem Grundbetrag nach dem VTV und ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem ZTV.

...

§ 19

Vertretungszulage

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen eine höherwertige Tätigkeit vorübergehend zur Vertretung wegen Urlaub oder Krankheit oder aus anderen betrieblichen Gründen übertragen wurde, haben ab der fünften Woche Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der bisherigen Vergütung (§ 18 (1) Satz 2) und der Vergütung, welche sie in der höheren Vergütungsgruppe hätten. Nach 24 Monaten haben sie Anspruch auf Höhergruppierung.

...

§ 29

Ausgleichszulage bei Arbeitsunfall

 (1) Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infolge eines Unfalles, den sie bei der X in Ausübung oder infolge ihrer Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten haben, nicht mehr voll leistungsfähig und werden sie deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt, so erhalten sie eine Ausgleichszulage in Höhe der jeweiligen Differenz zwischen ihrer bisherigen und der niedrigeren Vergütung (§ 18 (1) Satz 2).

...“

Die Sonderregelungen 2010 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den operativen FS-Diensten vom 6. Mai 2010 in der Fassung vom 19. Januar 2011 (im Folgenden: „SR FS-Dienste“), wegen deren Einzelheiten im Übrigen auf die Anlage K 19 des Anlagenbandes I verwiesen wird, enthalten auszugsweise die folgenden Regelungen:

 „...

§ 31

Verlust der Tauglichkeit

 (5) Sofern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorübergehend untauglich, aber in einer anderen Tätigkeit arbeitsfähig sind, kann die X ihnen vorübergehend eine andere zumutbare Tätigkeit zuweisen.

...“

Der Tarifvertrag über den Ausgleich des dauernden Verlusts der Tauglichkeit gemäß FISichPersAusV für die bei der X GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 19. November 2004 (im Folgenden: „Loss of Licence TV Lotsen), wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 20 des Anlagenbandes I verwiesen wird, enthält auszugsweise die folgende Regelungen:

 „...

§ 2

Grundsatz der Umschulung und des anderweitigen Einsatzes bei

der X

...

 (3) Sollte die tariflich vorgesehene Vergütung für den Arbeitsplatz gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 niedriger sein als die Vergütung, die der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter zum Zeitpunkt des dauernden Verlustes der Tauglichkeit zustand, so wird diese höhere Vergütung (Euro- Betrag) so lange gezahlt, bis die Vergütung für den übernommen Arbeitsplatz diesen Betrag übersteigt.

...“

Der Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der X GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 21. August 2009 (im Folgenden: „VersTV“), wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 21 des Anlagenbandes I verwiesen wird, enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:

 „...

§ 4

Versorgungsfähiges Einkommen

 (1) Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich aus den Grundbeträgen nach dem maßgebenden Vergütungstarifvertrag (VTV), aus ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem maßgebenden Zulagentarifvertrag (ZTV) und aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem maßgebenden VTV in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten.

...“

Der VTV Nr. 5, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Anlage K 4 des Anlagenbandes I verwiesen wird, enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:

 „...

§ 2

Einmalzahlungen

 (1) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am 1. November 2010 in einem Arbeitsverhältnis zur X standen, erhalten für das Geschäftsjahr 2010 eine Einmalzahlung als kaufmännisch auf volle Euro gerundeten Bruttobetrag ohne Versorgungswirksamkeit nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze.

...“

Die Einmalzahlung nach § 2 Abs. 1 VTV Nr. 5 zahlte die X ihren Mitarbeitern mit dem Gehaltslauf für den Monat Januar 2011.

Die Klägerinnen behaupten, ihnen seien infolge der Streikaufrufe des Beklagten vom 2. und 8. August 2011 Schäden in Höhe von € 1.684.492,86 (Klägerin zu 1.), € 1.516.868,83 (Klägerin zu 2.) und € 43.790,86 (Klägerin zu 3.) entstanden. Diese hätten insbesondere daraus resultiert, dass zahlreiche Kunden auf Grund der Streikankündigungen bereits getätigte Buchungen storniert bzw. Neubuchungen unterlassen hätten. Die Schäden resultierten auch daraus, dass Flüge hätten verschoben werden müssen oder sich verspätet hätten sowie daraus, dass sie in Vorbereitung auf die angekündigten Arbeitsniederlegung zahlreiche zeit- und personalintensive Maßnahmen wie zB. die Erarbeitung und Abstimmung von Aktions- und Notstandsplänen, die Bereitstellung von Informationen und die Benachrichtigung (potentiell) betroffener Passagiere hätten ergreifen müssen. Die X habe nicht stets den Willen gehabt, bei einem zu ihren Ungunsten ausgehenden einstweiligen Verfügungsverfahren die Schlichtung anzurufen. Mangels einer solchen Absicht hätten sie hiervon auch keinerlei Kenntnis haben können.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Streikaufrufe des Beklagten vom 2. und 8. August 2011 seien rechtswidrig gewesen, weil sie rechtswidrige Streikforderungen gegenüber der X zum Gegenstand gehabt und gegen die Friedenspflicht verstoßen hätten. Außerdem hätten sie auf partielle Betriebsblockaden zu ihren Lasten abgezielt. Der jeweilige Anspruch ergebe sich aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. § 31 BGB bzw. aus § 831 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Daneben habe der Beklagte die aus §§ 19, 29 Abs. 1 MTV resultierende Friedenspflicht und damit Vertragspflichten gegenüber der X verletzt. Die Anwendungsbereiche des § 2 Abs. 1 ETV-E und des § 19 MTV entsprächen sich. Da der ETV 2007 keine eigenständige Regelung des Begriffs „vorübergehend“ enthalte, habe zwingend auf die Regelung des MTV zurückgegriffen werden müssen. Selbst wenn man die Auffassung vertreten wolle, dass § 19 MTV ausschließlich Vertretungsfälle umfasse, so führte dies zu keinem anderen Ergebnis. § 2 Abs. 1 ETV-E beträfe ausweislich seines weit formulierten Wortlautes ebenfalls Vertretungsfälle. Selbst wenn man davon ausginge, dass § 19 MTV ausschließlich Vertretungsfälle erfasse und § 2 Abs. 1 ETV-E alle sonstigen Fälle der vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit, so wäre die Streikforderung „Höhergruppierung“ dennoch rechtswidrig. Denn in diesem Fall läge ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Streikforderung „Erhalt Eingruppierung“ in § 2 Abs. 4 ETV-E verletze die Friedenspflicht aus § 29 Abs. 1 MTV und zudem aus § 2 Abs. 3 Loss of Licence TV Lotsen. Mitarbeiter, die eine anderweitige Tätigkeit ausgeübt hätten, weil sie ihre Einsatzberechtigung verloren hätten und diese gegebenenfalls neu erwerben müssten, seien bislang in den Anwendungsbereich des § 29 MTV oder des § 2 Abs. 3 Loss of Licence TV Lotsen gefallen. Im Falle der Durchsetzung der Tarifforderung des Beklagten wäre dies nicht mehr der Fall gewesen. Dementsprechend bestehe ein innerer Zusammenhang zwischen den in Friedenspflicht befindlichen Tarifregelungen und der Streikforderung. Da die Friedenspflicht aus dem zwischen dem Beklagten und der X geschlossenen MTV Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfalte, stehe ihnen auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter zu. Art. 9 Abs. 3 GG stehe der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz nicht entgegen, weil davon nur rechtmäßige Arbeitskämpfe geschützt würden. Die Rechtswidrigkeit der Streikankündigung vom 2. August 2011 ergebe sich daraus, dass die Streikforderung „qualitative Besetzungsregeln“ wegen Verstoßes gegen Grundrechte und das Verbot der Altersdiskriminierung rechtswidrig gewesen sei, die Streikforderung „Höhergruppierung“ ebenso wie die Streikforderung „Erhalt Eingruppierung“ Friedenspflichten verletzte und die Streikforderung „Einmalzahlung 2010“ gegen das Verbot der echten Rückwirkung verstieße. Die Rechtswidrigkeit des Streikaufrufs vom 8. August 2011 folge aus der Rechtswidrigkeit der Streikforderung „qualitative Besetzungsregeln“ und der Friedenspflichtverletzung durch die Streikforderung „Erhalt Eingruppierung“. § 3 Abs. 2 ETV-E beinhalte qualitative Besetzungsregeln, die aus mehreren Gründen verfassungs- und rechtswidrig seien. Unter der Geltung des § 3 Abs. 2 ETV hätte die X - vorbehaltlich der Ausnahmevorschrift in § 3 Abs. 3 ETV-E - zahlreiche Stellen mit Bewerbern besetzen müssen, die eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens 15 oder sogar 20 Berufsjahren hätten aufweisen müssen, obwohl eine solche Berufserfahrung offensichtlich nicht erforderlich sei. Stellen im nicht-operativen Bereich hätte die X ausschließlich mit Bewerbern besetzen müssen, die über (langjährige) Berufserfahrung im operativen Bereich verfügten, obwohl dies nach den betrieblichen Erfahrungen nicht erforderlich sei. Leitungsfunktionen hätte die X mit Bewerbern besetzen müssen, die neben einem Studium über langjährige Berufserfahrungen, teilweise im operativen Bereich hätten verfügen müssen, obwohl dies nach den betrieblichen Erfahrungen nicht erforderlich sei. Die von dem Beklagten intendierte Besetzungsregel in § 3 Abs. 2 ETV-E verstoße gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG intendierte Unternehmerfreiheit der X, da sie deren Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Besetzung einer Stelle ohne sachlichen Grund in starkem Maße eingeschränkt hätte. Zudem verstoße § 3 Abs. 2 ETV-E gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Bewerber und als Betriebsnorm gegen die negative Koalitionsfreiheit von Bewerbern und Mitarbeitern, die nicht Gewerkschaftsmitglieder seien. Obwohl die nicht bei dem Beklagten organisierten Bewerber und Mitarbeiter sich bewusst dazu entschlossen hätten, der Gewerkschaft fernzubleiben, hätten sie sich bei der Stellenbesetzung an den festgelegten Anforderungen messen lassen müssen, ohne dass ein sachlicher Grund bestünde. Die geforderte qualitative Besetzungsregel verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Außerdem läge ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in §§ 1, 10 AGG vor. Die qualitative Besetzungsregel verletze das Diskriminierungs- und das Beschränkungsverbot in § 45 AEUV. Das Erfordernis, bislang mit Berechtigungen nach der FlSichPersAusV gearbeitet zu haben, hätten Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten selbst dann nicht erfüllen können, wenn sie von der dortigen Flugsicherungsorganisation gekommen wären. Schließlich liege ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG vor. Die Mitarbeiter der X im operativen Flugsicherungsbereich nähmen ein öffentliches Amt iSd. Art. 33 Abs. 2 GG wahr. Da die Anzahl der absolvierten Berufsjahre mit den qualitativen Besetzungsregeln maßgeblich sein solle, sei ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG gegeben. Die Streikforderung „Einmalzahlung 2010“, mit der nachträglich auch die in den Einzelarbeitsverträgen der Mitarbeiter der X geregelten festen persönlichen Zulagen bei der Berechnung der Einmalzahlung aus § 2 Abs. 1 VTV Nr. 5 berücksichtigt werden sollen, die bereits im Januar 2011 zur Auszahlung gelangt sei, stelle einen Verstoß gegen das Verbot der echten Rückwirkung dar. Die Tarifforderung des Beklagten habe nachträglich in abschließend tarifvertraglich geregelte und bereits abgeschlossene Tatbestände eingreifen sollen. Die rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen stellten einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Dem Beklagten sei auch bekannt, dass dem bestreikten Arbeitgeber, der X, auf Grund des gesetzlich angeordneten Vollkostendeckungsprinzips keine eigenen wirtschaftlichen Schäden aus einem Arbeitskampf drohten. Bei Arbeitskampfmaßnahmen wie den Streikaufrufen vom 2. und 8. August 2011 liege es daher zweifellos in der Willensrichtung des Beklagten, die Gewerbebetriebe der Fluggesellschaften, die auf die Leistungen der Flugsicherung im Streikzeitraum angewiesen seien, unmittelbar zu beeinträchtigen oder sogar vollständig „lahmzulegen“. Es handele sich daher um unmittelbare und gezielt gegen ihre Betriebe gerichtete Eingriffe. Die Klägerinnen seien, damit ihre Gewerbebetriebe funktionierten, auf die Dienstleistungen der X angewiesen. Sie könnten sich - anders als die Allgemeinheit, die auf andere Verkehrsmittel ausweichen könne - diesem Monopol nicht entziehen. Die X habe keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Streikforderungen gehabt. Die Rücknahme der Streikforderungen „Höhergruppierung“ und Einmalzahlung 2010“ in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 22 Ga 134/11 lasse die Rechtswidrigkeit nicht entfallen.

Für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Streikankündigung, wie sie vorliegend im Raum stehe, komme es ausschließlich auf die Streikforderungen an, wie sie zum Zeitpunkt der Ankündigung bestünden. Die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes sei auch dann zu bejahen, wenn es sich bei der Friedenspflicht verletzenden oder aus sonstigen Gründen rechtswidrigen Forderung nicht um eine Hauptforderung handele. Zum Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität und der Schadenshöhe komme § 287 ZPO zur Anwendung, mit der Folge, dass zur Darlegung und Beweisführung ein eingeschränktes Maß an Substantiierung genüge.

Die Klägerin zu 1. beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie € 1.684.492,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Streikaufrufe des Beklagten vom 2. und 8. August 2011 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.

Die Klägerin zu 2. beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie € 1.516.868,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Streikaufrufe des Beklagten vom 2. und 8. August 2011 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.

Die Klägerin zu 3. beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie € 43.790,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Streikaufrufe des Beklagten vom 2. und 8. August 2011 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, es sei die X gewesen, welche die Tarifverhandlungen über die gekündigten Tarifverträge VTV und ETV bewusst mit der Verhandlung über offensichtlich friedenspflichtgebundene Sachverhalte verknüpft habe, indem es ihr insbesondere um eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten zur Kompensierung des nachhaltigen Personalengpasses in der Flugverkehrskontrolle gegangen sei. Den Klägerinnen sei zum Zeitpunkt seiner jeweiligen Arbeitskampfankündigung bekannt gewesen, dass es zu der angekündigten Arbeitsniederlegung unter keinen Umständen kommen würde, da die X auf jeden Fall die Schlichtung anrufen würde. Die X habe die Einschränkung der Flugsicherungsdienste durch Arbeitskampf durch eine „Notice to Airmen“ nicht unverzüglich nach der jeweiligen Arbeitskampfankündigung veröffentlicht. Die „Notice to Airmen“ seien jeweils zum Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung in den einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main, dh. jeweils ca. zwölf Stunden vor dem geplanten Beginn des Arbeitskampfes noch nicht veröffentlicht gewesen. Die Klägerinnen hätten keine kostenträchtigen Vorkehrungen getroffen, da ihnen jeweils bewusst gewesen sei, dass es zu den Arbeitskampfmaßnahmen selbst nicht kommen würde.

Der Beklagte ist der Auffassung, § 3 ETV-E sei nicht rechtswidrig. Nichts habe die X danach davon abgehalten, über die tariflichen Merkmale hinaus weitere Anforderungen aufzunehmen. Ziel seiner in § 3 Abs. 3 ETV-E verkörperten Tarifforderung sei es gewesen, zum einen mittels der Festlegung einer Mindestberufserfahrung sicherzustellen, dass insbesondere Inhaber einer Leitungsfunktion ihrer Führungsaufgabe hätten gerecht werden können. Zum anderen habe insbesondere an den Schnittstellen zwischen der operativen Flugsicherungsarbeit und der Sacharbeit sichergestellt werden können, dass die im administrativen Bereich tätigen Mitarbeiter zuvor Erfahrungen in der Flugverkehrskontrolle gesammelt hätten, um diese in ihrem jeweiligen Bereich nutzbar zu machen. Die Klägerinnen griffen letztlich nicht die Rechtmäßigkeit einer Forderung wie § 3 Abs. 2 ETV-E an sich an, sondern deren Zweckmäßigkeit in Bezug auf die Höhe der Forderung, also den Grad der Berufserfahrung. Die Frage der Angemessenheit betreffe die Höhe der Forderungen und entziehe sich wegen des Verbots der Tarifzensur der Beurteilung durch das Gericht. Die streitgegenständliche Forderung zur Einmalzahlung habe sich auf eine Einmalzahlung im Rahmen des VTV Nr. 6 bezogen, der sich an den VTV Nr. 5 habe anschließen sollen. Im Hinblick auf die Forderung „Höhergruppierung“ sei zu beachten, dass § 19 MTV keinesfalls den Begriff „vorübergehend“ im Sinne des § 2 Abs. 1 ETV 2007 definiere. Auch die Forderung „Erhalt Eingruppierung“ verstoße nicht gegen die Friedenspflicht. § 29 Abs. 1 MTV regele den Fall der Herabgruppierung wegen Leistungsminderung. Das sei ein anderer Fall als derjenige der Herabgruppierung wegen Verlusts einer öffentlichen Erlaubnis. In diesem Fall bestehe die Leistungsfähigkeit fort oder sei wieder erworben worden, sonst könne es nicht zu einem Neuerwerb der Einsatzberechtigung kommen. Der Loss of License TV Lotsen treffe offensichtlich lediglich eine Folgenregelung für den Fall der dauerhaften Untauglichkeit und enthalte für diese Fälle eine Versorgungsregelung. Es sei auch zu beachten, dass sich die Forderungen zu „qualitativen Besetzungsregeln“, „Höhergruppierung“ und „Erhalt Eingruppierung“ - mit zum Teil abgewandelten Wortlaut - in den nach Durchführung der Schlichtung abgeschlossenen Tarifverträgen wiederfänden. Im Hinblick auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen könne es auf die Streikforderungen zu „Höhergruppierung“ und „Einmalzahlung“ schon deshalb nicht ankommen, weil diese noch vor Beginn jeglicher Arbeitskampfmaßnahmen zurückgenommen worden seien. Bei den Streikforderungen „Höhergruppierung“, „Einmalzahlung“ und „Erhalt Eingruppierung“ handele es sich im Verhältnis zum Forderungspaket insgesamt um - aus Sicht der Tarifvertragsparteien - randständige und mithin vernachlässigbare Forderungen. Die Forderungen des Beklagten zu „Höhergruppierungen“ und zum „Erhalt Einmalzahlung“ seien von Beginn an Gegenstand der Tarifverhandlungen zu ETV und VTV gewesen. Dem gegenüber habe die X die Forderung der „Kapazitätserhöhung“ aufgestellt. Die X habe die Tarifforderungen des Beklagten im Rahmen der Verhandlungen nicht nur nicht gerügt, sondern sie sich zu Eigen gemacht und erklärt, dass sie sie grundsätzlich - wenn auch in geringerem Maß - zu erfüllen bereit sei. Die X habe mithin gegenüber dem Beklagten auch konkludent deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht diesen Forderungen eine Friedenspflicht aus einer anderen Regelung nicht entgegenstehe. Ein Anspruch der Klägerinnen aus unerlaubter Handlung scheitere bereits mangels betriebsbezogenen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb an der erforderlichen Rechtsgutsverletzung sowie der haftungsbegründenden Kausalität. Die Streikankündigungen vom 2. und 8. August 2011 seien nicht rechtswidrig gewesen. Darüber hinaus fehle es an einem Verschulden und einem zurechenbaren Schaden. Ziel und Stoßrichtung des Streikaufrufs sei die Druckausübung auf die X gewesen. Wie jedes andere Unternehmen auch habe die X für den Fall eines Streiks selbst wirtschaftliche Schäden hinzunehmen. Es möge sein, dass sie diesen Schaden über zukünftige Gebührenerhöhungen zu kompensieren vermöge oder dies jedenfalls versuche. Dies gelte aber für jedes ökonomisch denkende und handelnde privatwirtschaftliche Unternehmen. Unabhängig davon, ob das Vollkostendeckungsprinzip Anwendung finde, könne der Beklagte nichts anderes tun, als die X mit Streik zu bedrohen. Die Besonderheit im vorliegenden Fall liege im Übrigen darin, dass die Ankündigung eines Arbeitskampfes als vermeintlicher Eingriff zu beurteilen sei. Als rein vorbereitende Maßnahme vor dem eigentlichen Arbeitskampf bezwecke diese - anders als der Arbeitskampf selbst - gerade nicht die Schädigung des Gegenübers. Es bestünden auch keine Ansprüche aus § 280 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter. Dritte, die nicht selbst Mitglied einer tarifvertragsschließenden Partei seien, könnten sich nicht auf die Friedenspflicht berufen.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die auf Schadensersatz gerichteten Leistungsanträge der Klägerinnen zu 1. bis 3. sind unbegründet, weil die Streikaufrufe vom 2. und 8. August 2011 keinen Eingriff in ihren Betrieb, sondern in den der X darstellen. Es fehlt auch an der haftungsbegründenden Kausalität. Denn die Klägerinnen fallen nicht unter den Schutzzweck der verletzten Normen. Es bestehen auch keine Ansprüche wegen der Verletzung des MTV als Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter. Der MTV ist keiner dahingehenden ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich. Im Übrigen können sie ihre Ansprüche nicht auf § 826 BGB stützen. Selbst die Klägerinnen behaupten nicht, dass in den Streikaufrufen des Beklagten ihnen gegenüber eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegt. Die Feststellungsanträge sind in Ermangelung eines Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Im Einzelnen:

I.

Den Klägerinnen zu 1. bis 3. stehen keine Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu. Sie können von dem Beklagten weder wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB noch wegen der Verletzung des MTV als Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter Schadensersatz verlangen. Für eine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB sind weder Anhaltspunkte vorgetragen noch ersichtlich.

1. Der Beklagte hat durch seine Streikaufrufe vom 2. und 8. August 2011 nicht das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, weil hierin kein betriebsbezogener Eingriff liegt. Es fehlt im Übrigen aber auch an der haftungsbegründenden Kausalität. Die Klägerinnen fallen nicht unter den Schutzzweck der verletzten Normen.

a) Entgegen der womöglich von den Klägerinnen vertretenen Auffassung besteht zunächst kein im Deliktsrecht angelegter Automatismus, nach dem die Rechtswidrigkeit eines Streikaufrufs zur Verpflichtung zum Schadensersatz gegenüber neben dem Arbeitgeber stehenden Dritten führt. Bei der Prüfung der Frage, ob der Beklagte den Klägerinnen Schadensersatz zu leisten hat, ist - wie im Rahmen aller in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte - zunächst die Rechtsgutsverletzung einschließlich der haftungsbegründenden Kausalität zu prüfen. Schließlich bedarf es bei der Verletzung eines Rahmenrechts wie dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der positiven Feststellung der Rechtswidrigkeit. Erst im Anschluss hieran stellt sich die Frage des Verschuldens und der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden. Anders als in der hier zu beurteilenden Konstellation liegt bei dem Schadensersatzanspruch eines Arbeitgebers, dessen Betrieb rechtswidrig bestreikt wird, der betriebsbezogene Eingriff gerade nicht auf der Hand. In dem Fall des Arbeitgebers, der einem rechtswidrigen Streik ausgesetzt ist, können Rechtsgutsverletzung und Kausalität unproblematisch bejaht werden, weil es gerade das Wesen des Streiks darstellt, den bestreikten Arbeitgeber durch den Entzug der benötigten Arbeitskraft vorübergehend an der Weiterführung des Betriebes zu hindern und ihm damit wirtschaftliche Nachteile zuzufügen (vgl. zum Streikbegriff BAG 22. März 1994 - 1 AZR 622/93 - AP GG Art. 9 Nr. 130 Arbeitskampf). Hier verhält es sich jedoch anders: Bei den Klägerinnen handelt es sich gerade nicht um den sozialen Gegenspieler des Beklagten, sondern um Dritte. Die etwaige Rechtswidrigkeit der Streikaufrufe vom 2. und 8. August 2011, die als Arbeitskampfmittel bereits Teil des Arbeitskampfes sind (vgl. zu Arbeitskampf und Streikaufruf BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - AP TVG § 1 Nr. 2 Sozialplan), führt nicht dazu, dass das Vorliegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb der Klägerinnen nicht gesondert festzustellen wäre.

b) Nach § 823 Abs. 1 BGB ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Zu den sonstigen Rechten iSd. § 823 Abs. 1 BGB gehört auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt, gewährt. Das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb wird durch § 823 Abs. 1 BGB nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt. Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben (zuletzt BGH 15. Mai 2012 - VI ZR 117/11 - WM 2012, 1249 ff. mwN.). Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer vor allem die grundrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten zu berücksichtigenden Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben (BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - AP GG Art. 9 Nr. 137; BGH 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10 - NJW 2011, 2204 ff.).

aa) Danach liegt in den Streikaufrufen vom 2. und 8. August 2011 kein unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerinnen. Es fehlt an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs.

 (1) Der von der Rechtsprechung erarbeitete Deliktsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs darf nicht in einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausufern, die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwider laufen würde. Deshalb bedarf es für eine sachgerechte Eingrenzung des Haftungstatbestandes des Erfordernisses eines unmittelbaren Eingriffs in dem Sinne, dass der Eingriff sich irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (BGH 10. Dezember 2002 - VI ZR 171/02 - NJW 2003, 1040 f.). Er muss seiner objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein. Auch muss ihm eine Schadensgefahr eigen sein, die über eine Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - AP GG Art. 9 Nr. 174 Arbeitskampf; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - AP GG Art. 9 Nr. 137 mwN.).

 (2) Nach den vorstehenden Maßstäben liegt kein betriebsbezogener Eingriff in den Streikaufrufen des Beklagten vom 2. und 8. August 2011.

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen führt das bei der zu bestreikenden X zu diesem Zeitpunkt geltende Vollkostendeckungsprinzip nicht zu der Annahme, dass ein unmittelbar gegen die Fluggesellschaften gerichteter Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegt. Nach dem Dafürhalten der Kammer ist der Rückschluss alles andere als zwingend, dass es auf Grund der bei der X ausbleibenden wirtschaftlichen Schäden zweifellos in der Willensrichtung des Beklagten gelegen habe, die Gewerbebetriebe der Fluggesellschaften, die auf die Leistungen der Flugsicherung im Streikzeitraum angewiesen seien, unmittelbar zu beeinträchtigen oder sogar vollständig „lahmzulegen“. Der Umstand, dass die Klägerinnen - anders als die Allgemeinheit, die auf öffentliche oder private Verkehrsmittel zurückgreifen kann - zum Funktionieren ihrer Gewerbebetriebe auf die Dienstleistungen der X angewiesen sind, vermag die Betriebsbezogenheit der Streikaufrufe als Verletzungshandlungen nicht zu begründen.

Das Vollkostendeckungsprinzip kann schon deshalb nicht zur Bestimmung der Willensrichtung des Beklagten herangezogen werden, weil es nicht zu seiner Disposition steht. Es handelt sich um eine Vorgabe des Gesetzgebers, dem es erkennbar darum ging, den dauerhaften Bestand der X wegen der Bedeutung der von ihr ua. für die zivile Luftfahrt erbrachten Leistungen zur Gewährleistung der Flugsicherheit zu garantieren. Die Existenz des Vollkostendeckungsprinzips führt nicht dazu, dass dieses als alleiniges Kriterium zur Beurteilung der Betriebsbezogenheit des Eingriffs heranzuziehen wäre. Die objektive Stoßrichtung des Eingriffs ist vielmehr anhand aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Das Vollkostendeckungsprinzip ist weder Ursache noch Grund eines von dem Beklagten angekündigten Streiks. Das Vollkostendeckungsprinzip hat nicht zur Folge, dass sich nicht mehr X und der Beklagte als soziale Gegenspieler gegenüberstünden. Die X blieb während der Streikaufrufe jederzeit Adressat der Tarifforderungen des Beklagten und hätte diese auch erfüllen können. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Streikaufrufs waren die Standorte der X und damit deren Betriebe Ziel der Arbeitsniederlegungen und nicht die der Klägerinnen. Der Umstand, dass auch die Betriebe der Fluggesellschaften durch einen Streik in Mitleidenschaft gezogen worden wären, mag dem Beklagten nicht ungelegen gekommen sein. Denn hierdurch wäre der Adressat seiner Tarifforderungen, die X, möglicherweise auch dem Druck der Klägerinnen ausgesetzt worden. Dies führt indes nicht zu der Annahme, es sei dem Beklagten gerade um die Einbeziehung der Klägerinnen gegangen. Es gehört zum Wesen des Streiks, dass hiervon auch Dritte, nämlich diejenigen, die sich der Leistung des bestreikten Arbeitgebers bedienen, mittelbar betroffen sein können. Dies stellt keine Besonderheit der Tarifkonflikte in den Betrieben der X dar, sondern ist mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen beispielsweise auch in den Betrieben der Metallindustrie zu beobachten, wenn Zulieferbetriebe bestreikt werden und die Fertigung der Automobilhersteller, die „just-in-time“ produzieren, gestoppt wird. Es handelt sich mithin um eine durchaus sozialübliche Behinderung im Rahmen eines Streiks.

Die Klägerinnen versuchen, die Unmittelbarkeit des Eingriffs letztlich allein mit ihrem wirtschaftlichen Grad der Betroffenheit zu begründen: Zum einen wegen der Abhängigkeit von der exklusiven Leistung der X und zum anderen wegen der auf Grund des Vollkostendeckungsprinzips ausbleibenden wirtschaftlichen Schäden im bestreikten Betrieb. Der Grad der persönlichen oder wirtschaftlichen Betroffenheit eines Drittunternehmens ist allein bedeutend für die Eingriffsintensität. Er ist hingegen nicht dazu geeignet, um zwischen mittelbaren oder unmittelbaren Eingriffen zu differenzieren. Der Beklagte kann hier sein Streikrecht nur ausüben, indem er die X bestreikt. Es ist für ihn schlechterdings unmöglich, auf die Exklusivität der im Verhältnis der X zu den Fluggesellschaften gebotenen Leistungen Einfluss zu nehmen. Das Vorliegen etwaiger rechtswidriger Streikforderungen gegenüber dem sozialen Gegenspieler führt hier ebenfalls nicht zur Annahme eines unmittelbaren Eingriffs. Die Frage der Unmittelbarkeit des Eingriffs auf der Tatbestandsebene ist von der Frage der Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Eingriffs, die erst im Anschluss an die positive Feststellung der Unmittelbarkeit zu klären ist, zu trennen.

 (3) Diesem Ergebnis steht auch nicht die von den Klägerinnen angezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum „Fluglotsenstreik“ (BGH 16. Juni 1977 - III ZR 179/75 - AP GG Art. 9 Nr. 53 Arbeitskampf) entgegen. Sie enthält keine abweichenden Rechtssätze, weil dem vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Fall ein anderer Sachverhalt zu Grunde lag. Zum Zeitpunkt der Entscheidung waren die Flugleiter noch Beamte. In dem Tatbestand des Urteils heißt es, es sei ihr Ziel gewesen, die Bundesregierung unter Druck zu setzen, um ihren standespolitischen Forderungen nachzugeben. Viele Flugleiter hätten sich vom 31. Mai bis 23. November 1973 zu bestimmten Tagen krank gemeldet oder hätten ihre Arbeitsleistung über einen längeren Zeitraum herabgesetzt, wodurch der zivile Luftverkehr erheblich gestört worden sei. In den Entscheidungsgründe führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Besonderheit der Aktion darin bestanden hätte, dass sie grundsätzlich gegen Unbeteiligte geführt worden sei, die ihrerseits nicht in der Lage gewesen seien, die standespolitischen Forderungen der Flugleiter zu erfüllen. Anders als bei einem Streik in der Wirtschaft habe sich die streikähnliche Aktion nicht gegen ein Betriebspotential ihres Dienstherrn, sondern unmittelbar gegen die wirtschaftliche Organisation von Dritten, deren unternehmerische Tätigkeit funktionell mit der Amtstätigkeit der Flugleiter eng verbunden und von ihr abhängig war. Es habe ganz wesentlich in der Willensrichtung der Flugleiter gelegen, diese (bestimmten) Unternehmen in ihrer betrieblichen Abhängigkeit von der Flugsicherung zu beeinträchtigen, um die Bundesregierung wegen der bei diesen Dritten eintretenden Schadensfolgen ihren Forderungen gefügig zu machen. Danach weist der vom Bundesgerichtshof entschiedene Rechtsstreit erhebliche Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Sachverhalt auf. Hier steht zwischen den Parteien gerade in Streit, ob die angekündigten Streiks (auch) gegen die Fluggesellschaften gerichtet waren. Der Streikaufruf des Beklagten galt hier aber nicht den Klägerinnen, sondern mit der X seinem sozialen Gegenspieler. Es kann - wie bereits ausgeführt - vorliegend damit nicht unterstellt werden, der angekündigte Streik habe sich unmittelbar gegen die wirtschaftliche Organisation eines Dritten gerichtet. Eigentümer der X ist zwar der Bund, gleichwohl handelt es sich seit dem 1. Januar 1993 um eine juristische Person des Privatrechts. Diese hat hoheitliche Aufgaben zu erfüllen, nimmt aber am Wirtschaftsverkehr teil wie jedes andere Unternehmen, das eine exklusive und für die hierauf angewiesenen Unternehmen eine zum Zeitpunkt des Streiks unverzichtbare Leistung erbringt. Anders als zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, zu der ein Streikrecht der Beamten verneint wurde, ist es seit der Privatisierung der X sehr wohl möglich, dass sich X und Beklagter, in dem ihre operativen Mitarbeiter organisiert sind, als soziale Gegenspieler gegenüberstehen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt können sich - ebenfalls im Unterschied zu den Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs - mit dem Flugreisegeschäft befasste Unternehmen nicht mehr auf das stets ungestörte Funktionieren der Flugsicherung einrichten.

bb) Selbst wenn man von einem betriebsbezogenen Eingriff ausgehen wollte, so würde zwischen dem Streikaufruf und der von den Klägerinnen behaupteten Rechtsgutsverletzung, also dem Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb keine Kausalität bestehen. Denn die Klägerinnen fallen nicht unter den Schutzzweck der durch die rechtswidrigen Tarifforderungen des Beklagten verletzten Normen.

 (1) Die Forderungen des Beklagten zum Erhalt „Eingruppierung“, zur „Höhergruppierung“ und zur „Einmalzahlung 2010“ waren rechtswidrig. Bei den Forderungen zu den „qualitativen Besetzungsregeln“ handelt es sich hingegen um zulässige Tarifinhalte, die auch Gegenstand einer Streikforderung sein können. Eine gerichtliche Kontrolle des Übermaßes von Streikforderungen findet grundsätzlich nicht statt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele geführt werden. Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie. Zugleich bedeutet dies, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - AP TVG § 1 Nr. 2 Sozialplan; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - AP GG Art. 9 Nr. 162 Arbeitskampf). Aus einem bestehenden Tarifvertrag ergibt sich für die Tarifvertragsparteien eine beiderseitige Friedenspflicht. Sie braucht nicht besonders vereinbart zu werden, sondern wohnt dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung wesensmäßig inne. Jede Tarifvertragspartei trifft die vertragliche Pflicht, keine Arbeitskämpfe gegen den Tarifvertrag zu führen und auch die Anstiftung ihrer Mitglieder zu einem solchen Arbeitskampf zu unterlassen. Die tariflich geregelte Materie soll während der Laufzeit des Tarifvertrages kollektiven Auseinandersetzungen entzogen sein. Das mit dem Tarifvertrag unmittelbar verbundene Kampfverbot bezieht sich daher nur auf die in dem betreffenden Tarifvertrag geregelten Gegenstände. Die relative Friedenspflicht untersagt lediglich einen Arbeitskampf, der sich gegen den Bestand des Tarifvertrages oder gegen einzelne seiner Bestimmungen richtet, der also seine Beseitigung oder Abänderung anstrebt (BAG 21. Dezember 1982 - 1 AZR 411/80 - AP GG Art. 9 Nr. 76 Arbeitskampf). Die sachliche Reichweite der Friedenspflicht ist, falls nicht ausnahmsweise ausdrückliche Bestimmungen existieren, durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist festzustellen, welche Sachverhalte die Tarifvertragsparteien normativ regeln und der Friedenspflicht unterstellen wollten (Däubler/Reinfelder Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 15 Rn. 14 mwN.). Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollen, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - AP GG Art. 9 Nr. 162 Arbeitskampf).

 (α) Die Forderung des Beklagten zum Erhalt „Eingruppierung“ in § 2 Abs. 4 ETV verstieß gegen die relative Friedenspflicht, da sie auch Regelungsgegenstände in § 29 Abs. 1 MTV umfasste.

Nach § 2 Abs. 4 ETV-E behalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen, wegen Elternzeit, Mutterschutz oder anerkannter Pflegezeiten oder aus anderen Gründen, die sie nicht selbst zu vertreten haben, ihre Einsatzberechtigungsgruppe neu erwerben müssen, ihre bisherige Eingruppierung und Stufe. Nach § 29 Abs. 1 MTV erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Ausgleichszulage in Höhe der jeweiligen Differenz zwischen ihrer bisherigen und der niedrigeren Vergütung (§ 18 Abs. 1 Satz 2 MTV), wenn sie infolge eines Unfalles, den sie bei der X in Ausübung oder infolge ihrer Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten haben, nicht mehr voll leistungsfähig sind und deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt werden.

§ 2 Abs. 4 ETV-E und § 29 Abs. 1 MTV überschneiden sich in ihrem Regelungsgegenständen. § 29 Abs. 1 MTV enthält eine Regelung für Mitarbeiter, die in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt werden, nachdem es zu einem Verlust ihrer Leistungsfähigkeit gekommen ist. Ursächlich für den Verlust der vollen Leistungsfähigkeit muss für den Erhalt der dort geregelten Ausgleichszulage ein Arbeitsunfall sein, an dem sie weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit trifft. § 2 Abs. 4 ETV-E trifft eine Regelung zur Vergütung von Mitarbeitern, die ihre Einsatzberechtigungsgruppe neu erwerben müssen, nachdem sie diese ua. aus gesundheitlichen Gründen verloren haben. Nach § 2 Abs. 4 ETV-E bleibt den Betroffenen in diesem Fall ihre bisherige Eingruppierung und Stufe erhalten. Die in § 2 Abs. 4 ETV-E neben den gesundheitlichen Gründen beispielhafte Aufzählung von Elternzeit, Mutterschutz oder anderer Pflegezeiten könnte dafür sprechen, dass es dem Beklagten mit dieser Bestimmung darum gegangen ist, die Eingruppierung bei nicht dauerhaftem Verlust der Einsatzberechtigungsgruppe zu regeln. Das Zusammenspiel von § 29 Abs. 1 und § 31 MTV sowie der Sonderregelung für die Fluglotsen in § 2 Abs. 3 Loss of License-TV Lotsen verdeutlicht jedoch, dass auch von § 29 Abs. 1 MTV Fälle erfasst werden, in denen der Mitarbeiter seine volle Leistungsfähigkeit gerade nicht dauerhaft verloren hat. Denn nicht jeder Arbeitsunfall muss zum dauernden Verlust der Tauglichkeit führen. Hat ein Mitarbeiter, der die gesundheitlichen Folgen seines Arbeitsunfalls überwunden hat, aber auf Grund des Zeitablaufs auch seine Einsatzberechtigungsgruppe verloren, so fiele er sowohl in den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 4 ETV-E als auch in den von § 29 Abs. 1 MTV.

 (β) Auch die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 ETV-E zur „Höhergruppierung“ verletzte die relative Friedenspflicht aus dem MTV.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ETV-E, der § 2 ETV 2007 entspricht, erfolgt die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Vergütungsgruppe (Gruppe und Band) der nach § 4 höherwertig ausgeübten Tätigkeiten, soweit sie nicht nur vorübergehend ausgeübt werden. Als vorübergehend im Sinne von Satz 1 gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ETV-E eine Zeitspanne von maximal 6 Monaten. § 19 Satz 1 MTV bestimmt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen eine höherwertige Tätigkeit vorübergehend zur Vertretung wegen Urlaub oder Krankheit oder aus anderen betrieblichen Gründen übertragen wurde, ab der fünften Woche Anspruch haben auf Zahlung einer persönlichen Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der bisherigen Vergütung (§ 18 Abs. 1 Satz 2 MTV) und der Vergütung, welche sie in der höheren Vergütungsgruppe hätten. Nach 24 Monaten haben sie Anspruch auf Höhergruppierung, § 19 Satz 2 MTV.

Danach überschneiden sich auch die Regelungsgegenstände in § 2 Abs. 1 ETV-E und § 19 MTV. § 2 Abs. 1 ETV 2007 enthielt keine eigene Definition des Begriffs „vorübergehend“. Diese enthält § 19 Satz 2 MTV. Die Regelung in § 19 MTV ist erkennbar umfassend, denn sie stellt nicht nur auf eine Vertretung wegen Urlaub oder Krankheit ab, sondern auch auf andere betriebliche Gründe. Eine Stellenvertretung iSv. Satz 1 liegt danach nicht mehr vor, wenn diese 24 Monate übersteigt. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann § 2 Abs. 1 ETV 2007 in keiner Weise entnommen werden, dass diese Vorschrift nur Fälle regelt, in denen es um eine neu geschaffene Stelle oder um eine Stelle ohne festen Stelleninhaber geht. Der Wortlaut der Vorschrift steht dieser Auslegung entgegen. Maßgeblich für die Definition des Begriffs „vorübergehend“ war im Rahmen von § 2 ETV 2007 allein § 19 Satz 2 MTV.

 (γ) Die Forderung des Beklagten zur „Einmalzahlung 2010“ verstößt ebenfalls gegen die relative Friedenspflicht. § 2 Abs. 1 VTV Nr. 5 regelt diese Einmalzahlung bereits.

Ausweislich des Schreibens vom 21. April 2011 verlangte der Beklagte von der X die rückwirkende Berücksichtigung der festen persönlichen Zulagen bei der Berechnung der Einmalzahlung aus dem Vergütungsabschluss vom 28. Dezember 2010. Das Schreiben hat der Beklagte auch zum Gegenstand seiner Streikankündigung vom 2. August 2011 gegenüber der X gemacht. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Formulierung weder missverständlich, weil untechnisch noch ist sie einer dahingehenden Auslegung zugänglich, dass eine neue Einmalzahlung Streikforderung sein sollte, bei der lediglich die in der Vergangenheit liegenden Berechnungsgrundlagen herangezogen werden sollten. Dem steht schon der klare und unzweideutige Wortlaut der Schreiben vom 21. April und vom 2. August 2011 entgegen. Diese Forderung verstieß nach Auffassung der Kammer ebenfalls gegen die relative Friedenspflicht, weil § 2 Abs. 1 VTV Nr. 5 die Voraussetzungen und Höhe der Einmalzahlung bereits umfassend regelt. Die Tarifvertragsparteien haben für diesen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt eine abschließende Regelung gefunden. Ein erneuter Tarifkonflikt um die Frage der in der Vergangenheit liegenden Einmalzahlung 2010 war damit ausgeschlossen. Eine rückwirkende Änderung konnte nur durch beide Tarifvertragsparteien einvernehmlich erzielt werden (vgl. BAG 11. Oktober 2006 - 4 AZR 522/05 - AiB 2007, 418 ff.).

 (ō) Bei der Forderung zu den „qualitativen Besetzungsregeln“ in § 3 Abs. 2 ETV-E iVm. § 4 Abs. 3 ETV-E handelt es sich um zulässige Tarifinhalte, die auch Gegenstand einer Streikforderung sein können. Eine gerichtliche Kontrolle des Übermaßes von Streikforderungen findet grundsätzlich nicht statt (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94; HessLAG 9. August 2011 - 9 SaGa 1147/11 - nv.).

Damit war jedenfalls der Streikaufruf des Beklagten vom 2. August 2011 rechtswidrig.

 (2) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet der Schädiger jedoch nicht für alle im naturwissenschaftlichen Sinn (conditio sine qua non) durch das schadensbegründende Ereignis verursachten Folgen (äquivalente Kausalität); die Verantwortlichkeit des Schädigers ist vielmehr, um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu verhindern, durch weitere Zurechnungskriterien einzuschränken. Als solche sind die Adäquanz des Kausalverlaufs sowie der Schutzzweck der Norm anerkannt (BGH 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 - NJW 2005, 1420 ff.; BGH 11. November 1999 - III ZR 98/99 - NJW 2000, 947 f.). Auch für Schadensersatzansprüche, die auf § 823 Abs. 1 BGB beruhen, ist zu prüfen, ob die äquivalent und adäquat kausal herbeigeführten Verletzungsfolgen, für die Ersatz begeht wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen, ob sich also Gefahren verwirklicht haben, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (BGH 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11 - NJW-Spezial 2012, 522; BGH 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11 - NJW 2012, 2024 ff.; BGH 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88 - NJW 1989, 2616 ff.).

 (3) Die von den Klägerinnen geltend gemachten Schäden können dem Beklagten unter Anwendung vorstehender Grundsätze auch bei Annahme rechtswidriger Streikforderungen nicht unter Wertungsgesichtspunkten zugerechnet werden.

Die rechtswidrigen Streikforderungen verstießen die Bestimmungen des MTV und des VTV Nr. 5, die der Beklagte mit der X für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der X abgeschlossen hat. Bei den klagenden Fluggesellschaften handelt es sich nicht um von dem Schutzzweck der Normen des MTV und des VTV Nr. 5 erfasste Dritte. Die relative Friedenspflicht erfasst die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder (BAG 31. Oktober 1958 - 1 AZR 632/57 - BB 1959, 115). Sie dient dem Schutz des Tarifvertrages als einer Friedensordnung für den durch ihn gegenständlich erfassten und geregelten Bereich des Arbeitslebens (BAG 21. Dezember 1982 - 1 AZR 411/80 - AP GG Art. 9 Nr. 76 Arbeitskampf). Zu dem von MTV und VTV Nr. 5 gegenständlich erfassten und geregelten Bereich des Arbeitslebens zählt aber nicht der Flugbetrieb der Klägerinnen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass beide Tarifvertragsparteien einen übereinstimmenden dahingehenden Willen hatten, alle oder bestimmte Fluggesellschaften, die Flüge von den Standorten der X aus bedienen, an der relativen Friedenspflicht von MTV und VTV Nr. 5 teilhaben zu lassen.

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerinnen unterstellen würde, dass die qualitativen Besetzungsregeln in § 3 Abs. 2 ETV-E iVm. § 4 Abs. 3 ETV-E gegen die von ihnen aufgeführten Gesetzesvorschriften verstoßen würden, könnten ihre Schäden dem Beklagten nicht unter Wertungsgesichtspunkten zugerechnet werden. Denn auch Art. 45 AEUV, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG und §§ 1, 10 AGG dienen nicht dem Schutz der Klägerinnen vor rechtswidrigen Streikankündigungen, sondern kämen im vorliegenden Fall allenfalls den benachteiligten Bewerbern oder Mitarbeitern der X zu Gute. Die Klägerinnen sind nicht berechtigt, Vertrags- oder Gesetzesverstöße gegenüber Dritten durch Schadensersatzforderungen gegenüber dem Beklagten zu ahnden.

2. Den Klägerinnen steht auch kein Anspruch gegen den Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB iVm. dem MTV/VTV Nr. 5 als Verträge mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter zu. Dies folgt schon daraus, dass die Schutzpflichten in MTV und VTV Nr. 5 nicht lückenhaft sind. Weder MTV noch VTV können - wie unter 1 b bb (3) ausgeführt - ergänzend dahingehend ausgelegt werden, dass sich die ihnen immanente Friedenspflicht auch auf die Klägerinnen erstrecken sollte.

a) Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter kommen zum Tragen, wenn der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten, aber auch Hauptleistungspflichten, einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann (BGH 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11 - WM 2012, 1359 ff.; BGH 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - WM 2004, 1869 ff.). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierzu beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Ihr liegt zugrunde, dass der Vertragsschuldner die Leistung nach dem Vertrag so zu erbringen hat, dass bestimmbare Dritte nicht geschädigt werden. Das hat zur Folge, dass einem einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung ein eigener Ersatzanspruch als sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch gegen den Schuldner zusteht (BGH 20. April 2004 - X ZR 250/02 - NJW 2004, 3035 ff.). Der Bundesgerichtshof hat bei der Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Person in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen ist, vielfach darauf abgestellt, ob das Wohl und Wehe dieser Person dem Vertragspartner der schutzpflichtigen Partei anvertraut war (BGH 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11 - WM 2012, 1359 ff.; BGH 2. November 1983 - IVa ZR 20/82 - NJW 1984, 355 f.). Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass damit die rechtlichen Grenzen für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages abschließend bezeichnet werden sollten; vielmehr sollte lediglich die Frage entschieden werden, unter welchen Voraussetzungen allein aufgrund der objektiven Interessenlage - also ohne einen konkreten Anhaltspunkt in ausdrücklichen Parteierklärungen oder im sonstigen Parteiverhalten - die stillschweigende Vereinbarung einer Schutzpflicht für Dritte anzunehmen ist (BGH 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11 - WM 2012, 1359 ff.). Ebenso können die Vertragspartner, wenn es ihnen nicht um das Wohl und Wehe eines Dritten geht oder gehen muss, diesen Dritten ausdrücklich oder stillschweigend in den Schutzbereich ihres Vertrages einbeziehen (BGH 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11 - WM 2012, 1359 ff.; BGH 19. März 1986 - IVa ZR 127/84 - NJW-RR 1986, 1307).

b) Unter Anwendung vorstehender Grundsätze kommt eine Einbeziehung der Klägerinnen in den Schutzbereich des MTV und des VTV Nr. 5 weder unter dem Gesichtspunkt des „Wohl und Wehe“ noch ausdrücklich oder stillschweigend in Betracht. Ungeachtet dessen kommt eine Übertragung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter schon deshalb nicht in Betracht, weil es anders als in den Konstellationen, für die das Rechtsinstitut entwickelt wurde, an einer Lücke im deliktischen Rechtsschutz fehlt. Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten nicht etwa unzureichende Ansprüche aus Delikt wegen § 831 BGB, sondern überhaupt keine.

aa) MTV und VTV Nr. 5 begründen eine relative Friedenspflicht des Beklagten gegenüber der X. Zu dem hiervon gegenständlich erfassten und geregelten Bereich des Arbeitslebens zählt nicht der Flugbetrieb der Klägerinnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerinnen auf die Flugsicherungsleistungen der X angewiesen sind. Die X ist nicht mehr für das „Wohl und Wehe“ der Fluggesellschaften verantwortlich als jedes andere Unternehmen, dass gegenüber seinen Kunden eine für diese zum Streikzeitpunkt unverzicht- bare Leistung erbringt. Dies führt nicht zu einem besonderen Näheverhältnis.

bb) Dass eine ausdrückliche Vereinbarung einer Schutzpflicht vorliegt, behaupten auch die Klägerinnen nicht. Für eine stillschweigende Vereinbarung einer Schutzpflicht ihnen gegenüber und damit auch allen anderen Fluggesellschaften, die an den bestreikten Standorten tätig sind, bestehen entgegen der Auffassung der Klägerinnen keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere der Beklagte hatte keine Veranlassung seine Haftung ohne Not gegenüber Dritten uferlos auszuweiten. Dies war sowohl der X erkennbar als auch ohne Weiteres den Klägerinnen.

3. Die Klägerinnen können ihre Schadensersatzansprüche auch nicht auf § 826 BGB stützen. Es ist weder von ihnen vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in den Streikaufrufen vom 2. und 8. August 2011 eine gegen sie gerichtete sittenwidrige vorsätzliche Schädigung liegt.

4. Da die Ansprüche der Klägerinnen schon dem Grunde nach nicht gegeben sind, bedarf es keiner Ausführungen zur Höhe der geltend gemachten Forderungen.

II.

Die Feststellungsanträge der Klägerinnen zu 1. bis 3. sind unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

1. Das nach § 256 ZPO für Feststellungsklagen erforderliche Feststellungsinteresse ist nicht gegeben. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann ua. Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens vorliegen. Es ist von Amts wegen zu prüfen (vgl. BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4).

a) Das besondere Feststellungsinteresse ist bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden grundsätzlich dann gegeben, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich sind, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind. Es muss allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bestehen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 249/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4). Das bedeutet, dass ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO wegen eines erst künftig aus einem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadens angenommen werden kann, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - AP SGB VII § 104 Nr. 6 mwN.).

b) Nach den vorstehenden Maßstäben ist ein Feststeilungsinteresse der Klägerinnen nicht gegeben. Die Streikaufrufe als schadensstiftende Ereignisse lagen zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht nur mehr als 4 Monate zurück, der aus Sicht der Klägerinnen anspruchsbegründende Sachverhalt befand sich auch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Fortentwicklung: Die Klägerinnen sind ausweislich ihrer Leistungsanträge in der Lage ihre Schäden zu kategorisieren und zu beziffern. Dass über die mit den Leistungsklagen geltend gemachten Schäden hinaus in Zukunft noch weitere Schäden wahrscheinlich sind, ist nicht ersichtlich. Dementsprechend erschöpft sich der Vortrag der Klägerinnen auch darin, zu behaupten, es lägen verlässliche Hinweise darauf vor, dass infolge der Streikankündigungen noch weitere Schäden entstehen würden. Um welche Hinweise es sich hierbei handelt und worauf sich die Anhaltspunkte für eine Vertiefung oder Erweiterung der Schäden stützen, tragen sie nicht vor. In Ermangelung eines solchen Vortrages kann aber nicht zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass mit Spätschäden zu rechnen ist.

2. Selbst wenn man die Zulässigkeit der Feststellungsanträge bejahen wollte, so wären diese unbegründet. Wegen deren Erfolglosigkeit in der Sache wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter I. verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 100 Abs. 2 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

Bei der Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes werden die Zahlungsanträge jeweils in Höhe der Klageforderungen, die Feststellungsanträge der Klägerinnen zu 1. und zu 2. jeweils in Höhe von € 250.000,00 und der Feststellungsantrag der Klägerin zu 3. in Höhe von € 7.000,00 berücksichtigt.



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