Arbeitsgericht Frankfurt

Urteil vom - Az: 24 Ca 1697/10

Kündigung wegen privater Nutzung des Diensthandys; Abmahnungserfordernis; Prognoseprinzip

Eine umfangreiche private Nutzung des Diensthandys (hier: 16.000 SMS über zwei Jahre) stellt zwar eine Pflichtverletzung dar, die eine Kündigung grundsätzlich rechtfertigt. Es ist jedoch eine vorherige Abmahnung erforderlich, wenn der Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens nicht die Gefährdung seines Arbeitsverhältnisses befürchten muss. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die entstandenen Telefonrechnungen beanstandungslos begleicht.
Die Entscheidung wurde in der Berufungsinstanz bestätigt.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung vom 4. März 2010 noch durch die Kündigung vom 9. März 2010 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Hubwagenfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 10.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Kündigungen sowie um einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Gesellschaft innerhalb des ..., die an verschiedenen Flughäfen ... betreibt.

Der im Jahr geborene, verheiratete Kläger, der gegenüber einem Kinder unterhaltspflichtig ist, ist seit dem bei der Beklagten beschäftigt. Für seine Tätigkeit als Hubwagenfahrer erhält er eine Bruttovergütung in Höhe von ca. Euro 7.500,-- pro Quartal.

Im Bereich Transport werden den Mitarbeitern Mobiltelefone für die Kommunikation mit der Einsatzzentrale und den sonstigen innerbetrieblichen Ansprechpartnern zur Verfügung gestellt. Die Mobiltelefone laufen über den Anbieter und verfügen über eine aufgespielte Java-Applikation, über die die Mitarbeiter ihre Aufträge erhalten und bestätigen können. Auf der Abrechnung von wird diese dienstliche Nutzung als Intranet ausgewiesen. Im Zusammenhang mit dem Wechsel des Mobilfunk-Anbieters im Jahr 2006 erhielt der Kläger ein Anschreiben, in dem es u. a. wie folgt heißt:

"Auch bei den neuen -Handys können Sie wieder zwischen einer rein dienstlichen Nutzung und der Möglichkeit das Handy auch privat zu nutzen wählen. (...) Zu Ihrem Vorteil haben sich die Gesprächskosten für Sie aber erheblich reduziert. Einen Auszug der Tarife finden sie als Anlage."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Anschreibens und der beigefügten Tarifübersicht wird auf die zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 102 - 103 d. A.).

Bei der Ausgabe eines neuen Mobiltelefons im Jahr 2009 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung, die u. a. folgenden Hinweis enthält (Bl. 25 d. A.):

"Die o. g. Telefon-Nr ist nur für die dienstliche Verwendung vorgesehen. Für private Gespräche ist die private ...-Pin-Nr. zu verwenden."

Mit der Überlassung des Mobiltelefons wurde den Mitarbeitern angeboten, das Handy über eine sog. ...-Funktion auch privat zu nutzen. Sofern sich der Mitarbeiter für diese Funktion entscheidet, erhält er eine private Rufnummer und eine Pin-Nummer, über die er das Firmenhandy privat nutzen kann und für diese Nutzung eine private Telefonrechnung erhält. Der Kläger entschied sich für die Nutzung der ...-Funktion. Im Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 nutzte der Kläger das ihm überlassene Diensthandy im Dienstmodus für die Versendung von privaten SMS und MMS, für die Entgegennahme von Auslandstelefonate und zum Surfen im Internet. Ende 2009/Anfang 2010 überprüfte die Beklagte die Telefonrechnungen sämtlicher Mitarbeiter im Bereich Transport. Am 16. Februar 2010 wurde der Kläger vorläufig vom Dienst suspendiert. Zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 2010 eine Anhörung des Klägers zu dem aus ihrer Sicht bestehenden Verdacht eingeleitet, dass der Kläger im Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 über das von der Beklagten überlassene Mobiltelefon private SMS verschickt und private Auslandstelefonate geführt habe (Bl. 21 - 22 d. A.). Der spätere Prozessbevollmächtigte erklärte in einem Schreiben vom 22. Februar 2010, dass im Zusammenhang mit einer etwaigen privaten Verwendung des Diensttelefons keine finanzielle Schädigung der Beklagten beabsichtigt gewesen sei. Die Beklagte hörte sodann unter dem Datum des 25. Februar 2010 den Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung an (Bl. 15 - 59 d. A.). Unter dem Datum des 26. Februar 2010 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zu den beabsichtigten Kündigungen. Mit Schreiben vom 04. März 2010 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos (Bl. 3 d. A.). Am 09. März 2010 sprach die Beklagte hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. September 2010 aus (Bl. 8 d. A.).

Gegen diese Kündigungen wehrt sich der Kläger mit seiner am 08. März 2010 bzw. 17. März 2010 (Klageerweiterung) bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 19. bzw. 29. April 2010 zugestellten Kündigungsschutzklage. Er ist der Ansicht, dass die Kündigungen der Beklagten unwirksam seien, da weder ein wichtiger Grund für die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein verhaltensbedingter Grund für die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Zwar habe er das Diensthandy für die Verwendung von SMS und MMS und zum Surfen im Internet auch zu privaten Zwecken genutzt. Jedoch sei er davon ausgegangen, dass beide Nutzungsmöglichkeiten in die von ihm unterstellte Flatrate-Vereinbarung der Beklagten einbezogen gewesen seien und keine zusätzlichen Kosten verursachen würden. Hinsichtlich der zwei im August angenommenen kurzen Auslandstelefonate habe der Kläger irrig angenommen, dass er sich nicht im Dienstmodus befinde. Auch habe er nie die Absicht gehabt, die Beklagte finanziell zu schädigen oder sie zu täuschen. Vielmehr hätte die Beklagte jederzeit durch einfachen Blick in die monatlichen Abrechnungen feststellen können, ob und welche Kosten durch die Nutzung des Klägers entstehen. Dem von dem Kläger unterschriebenen Ausgabeprotokoll aus dem Jahr 2009 lasse sich kein ausdrückliches Nutzungsverbot für das Versenden privater SMS entnehmen. Berücksichtige man ferner, dass in anderen Betrieben der Beklagten die Funktion für das private Verschicken von SMS gesperrt sei und das Verhalten des Klägers von der Beklagten monatelang nicht beanstandet worden sei, so habe der Kläger davon ausgehen können, dass sein Verhalten von der Beklagten geduldet werde. Zudem datiere das vom Kläger unterzeichnete Ausgabeprotokoll vom 19. Oktober 2009. Eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung könne somit - wenn überhaupt - erst ab diesem Zeitpunkt begangen worden sein. Ohne Vorlage der Einzelverbindungsnachweise für die SMS sei es ihm weiterhin nicht möglich, substantiierter zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Zudem seien die Kündigungen schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte offensichtlich die private Nutzung des Firmenhandys uneinheitlich sanktioniere. So habe die Beklagte in zehn namentlich benannten Fällen von ihrer ursprünglichen Kündigungsabsicht wieder Abstand genommen und in 26 weiteren Fällen lediglich Abmahnungen ausgesprochen. Das Ergebnis der Interessenabwägung führe ebenfalls dazu, dass das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses überwiege. So werde der Kläger bereits seit neun Jahren bei der Beklagten beanstandungsfrei beschäftigt und sei einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Schließlich rügt der Kläger, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe und der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Im Hinblick darauf, dass die Telefonrechnungen monatlich erstellt werden und die Beklagten behaupte, dass die gerügten Nutzungsformen ihrer Ansicht nach dienstlich nicht erforderlich seien, sei es unglaubhaft, dass der Beklagten die von dem Kläger verursachten Kosten nicht früher aufgefallen seien.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung vom 4. März 2010 noch durch die Kündigung vom 9. März 2010 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Hubwagenfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sie zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen sei, weil der dringende Verdacht bestehe, dass der Kläger im Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 über sein dienstliches Mobilfunktelefon u. a. über 16.000 SMS versendet, Auslandstelefonate geführt sowie im Internet gesurft habe. Dadurch habe er der Beklagten einen Schaden von über Euro 2.597,-- zugefügt. Der vorgenannte Verdacht sei entstanden, als die Beklagte im Vorfeld zu einer Revision festgestellt habe, dass die Handyrechnungen im Bereich Transport ausgesprochen hoch seien. Die Beklagte habe daraufhin die Telefonabrechnungen der Mitarbeiter im Bereich Transport überprüft, deren Telefonrechnung im Jahr 2009 zumindest einmal einen Betrag von mehr als Euro 50,-- aufgewiesen hätte. Diese sehr aufwendige Tätigkeit habe sich auf 65 Mitarbeiter und den Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 erstreckt. Das jeweilige Prüfungsergebnis sei im Rahmen einer tabellarischen Übersicht zusammengefasst worden (Bl. 24 d. A.). Dieser könne man für die Person des Klägers entnehmen, dass er in dem dringenden Verdacht stehe, Kosten in Höhe von gut Euro 2.597,-- verursacht zu haben, in dem er im Zeitraum April 2008 bis Januar 2010 über sein dienstliches Mobilfunktelefon über 16.000 SMS versendet, Auslandstelefonate geführt, im Internet gesurft und MMS zu privaten Zwecken verschickt habe. Von den SMS habe er lediglich ca. 1.700 Stück in das von der Beklagten genutzte versendet. Bei den übrigen über 15.000 SMS scheide ein dienstlicher Bezug damit aus. Selbst im August 2008, in dem der Kläger durchgehend dienstfrei gehabt habe, habe er 15 SMS über die Dienstnummer seines Firmenhandys versendet. Da diese Nutzungsformen im Rahmen der dienstlichen Nutzung nicht erforderlich seien, müsse es sich insoweit um eine private Nutzung gehandelt haben. Diese sei nicht zuletzt ausweislich des Hinweises und der Tarifübersicht, den der Kläger im Zusammenhang mit dem Wechsel des Mobilfunkanbieters im 2. Halbjahr 2006 erhalten habe, ausdrücklich verboten gewesen. Einen entsprechenden Hinweis habe der Kläger auch im Jahr 2009 erhalten, als er das Ausgabeprotokoll der Beklagten unterschrieben habe. Der Kläger könne den bestehenden Verdacht auch nicht dadurch entkräften, dass er auf die fehlenden Einzelverbindungsnachweise für die SMS oder den Glauben an eine Flatrate verweise. Einzelverbindungsnachweise für SMS könne der Mobilfunkbetreiber im Nachhinein nicht mehr erstellen. Zudem ergebe sich bereits aus der übersandten Tarifübersicht, dass das Versenden von SMS mit Kosten verbunden sei. Die Beklagte habe die private Nutzung des Mobiltelefons auch nicht geduldet, sondern von Anfang klar gestellt, dass eine Privatnutzung des Firmenhandys ausschließlich über die ...-Funktion zulässig sei. Weiterhin sei sämtlichen Mitarbeitern gekündigt worden, denen ein vergleichbares Fehlverhalten wie dem Kläger vorgeworfen werde. Kein Mitarbeiter mit vergleichbaren Kosten und regelmäßiger Nutzung sei lediglich abgemahnt worden. Bei ihrer Entscheidung habe die Beklagte nach Umfang und Intensität der Nutzung sowie den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls unterschieden. Ferner sei im vorliegenden Fall eine Abmahnung entbehrlich gewesen, weil der Kläger in Anbetracht seiner privaten Nutzung nicht habe erwarten können, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter diesen Umständen fortsetzen werde. Zudem sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien unwiederbringlich zerstört, so dass eine Abmahnung bereits aus diesem Grund entbehrlich sei. Die Kündigung sei innerhalb der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden. Die letzte Telefonrechnung für den Monat Januar 2010 habe die Beklagte erst nach dem 07. Februar 2010 erhalten. Die allein kündigungsberechtigte Personalleiterin der Beklagten habe am 15. Februar 2010 erstmals Kenntnis von den Auffälligkeiten in den Abrechnungen für das Firmenhandy des Klägers erhalten. Sodann habe die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen angehört. Da dessen Frist für eine abschließende Stellungnahme erst am 22. Februar 2010 abgelaufen sei, habe die Arbeitgeberin die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, den von ihnen eingereichten Unterlagen, ihren Rechtsausführungen und Beweisangeboten wird ergänzend auf den Akteninhalt und die Sitzungsniederschriften vom 24. September 2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04. März 2010 noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09. März 2010 aufgelöst worden. Infolgedessen ist der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Hubwagenfahrer weiterzubeschäftigen.

1.) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 04. März 2010 nicht aufgelöst worden, da die Kündigung insoweit unverhältnismäßig ist.

a.) Die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung ist zu überprüfen, da die Kündigungsschutzklage des Klägers innerhalb der dreiwöchigen Präklusionsfrist der §§ 13 Abs. 1 S. 2, 4 Satz 1, 7 KSchG i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bei Gericht eingegangen ist. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 08. März 2010 ein und wurde der Beklagten am 19. März 2010 zugestellt. Insoweit ist es ausreichend, wenn die Kündigungsschutzanträge - wie im vorliegenden Fall - fristgemäß beim Arbeitsgericht eingeht und der Beklagten demnächst zugestellt wird (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 167 ZPO).

b.) Jedoch ist das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04. März 2010 aufgelöst worden da, da diese unverhältnismäßig ist.

aa.) Eine außerordentliche Kündigung kommt nach § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Rechtsprechung konkretisiert den wichtigen Grund bei § 626 BGB durch eine abgestufte Prüfung (BAG Urteil vom 10. Dezember 2009, Az: 2 AZR 534/08, NZA 2010, 698-701, LAG Hessen Urteil vom 29. Oktober 2003, Az: 6 Sa 1113/02, NZA-RR 2004, 131-132). Es wird zunächst geprüft, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, die "an sich" - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls - geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG Urteil vom 15. November 1984, Az: 2 AZR 613/83, NZA 1985, 661-663). In einem zweiten Schritt ist im Rahmen der Interessenabwägung zu untersuchen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, also das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegt (BAG Urteil vom 28. Januar 2010, Az: 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010, 461-464, BAG, Urteil vom 17. März 1988, Az: 2 AZR 576/87, NZA 1989, 261-264, BAG, Urteil vom 02. März 1989, Az: 2 AZR 280/88, NZA 1989, NZA 1989, 755-756). Dabei ist zu beachten, dass die außerordentliche Kündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als schärfste Sanktion im Arbeitsvertragsrecht nur als letzte Möglichkeit angewandt werden darf, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft sind (LAG Hessen Urteil vom 10. Dezember 2003, Az: 2 Sa 781/03, zitiert nach juris). Zu diesen milderen Mitteln gehören neben der ordentlichen Kündigung auch eine Abmahnung, Versetzung und Änderungskündigung (LAG Köln Urteil vom 15. November 2005, Az: 9 Sa 487/05, AE 2007, 137-138). Grundsätzlich hat dabei derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat (BAG Urteil vom 14. September 1994, Az: 2 AZR 164/94, NZA 1995, 269-272, BAG Urteil vom 19. Dezember 1991, Az: 2 AZR 367/9, zitiert nach juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann dabei nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG Urteil vom 06. November 2003, Az: 2 AZR 631/02, NZA 2004, 919-921). Entscheidend ist insoweit, ob die vom Arbeitgeber zur Begründung des Verdachts vorgetragenen Tatsachen einerseits den Verdacht rechtfertigen (Rechtsfrage, Schlüssigkeit des Vortrags) und, falls ja, ob sie tatsächlich zutreffen (Tatsachenfrage, Beweiserhebung und Beweiswürdigung), vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 2005, Az: 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056-1059).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04. März 2010 unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unverhältnismäßig wäre.

Zwar ist der Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass umfangreiche, unerlaubt geführte Privattelefonate auf Kosten des Arbeitgebers nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen, weil der Arbeitnehmer dadurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten und die Vermögensinteressen seines Arbeitgebers erheblich verletzt (BAG Urteil vom 04. März 2004, Az: 2 AZR 147/03, NZA 2004, 717-719, BAG Urteil vom 27. November 2003, Az: 2 AZR 692/02, zitiert nach juris, BAG Urteil vom 05. Dezember 2002, Az: 2 AZR 478/01, AP Nr. 63 zu § 123 BGB). Dieses gilt nicht nur, wenn ein Arbeitgeber jegliche Privatnutzung der dienstlichen Telefonanlage verboten hat, sondern auch, wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung des Diensthandys nicht generell untersagt und der Arbeitnehmer den erlaubten Umfang der Privatnutzung überschreitet (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 07. April 2009, Az: 13 Sa 1166/08, zitiert nach juris, LAG Hamm, Urteil vom 30. Mai 2005, Az: 8 (17) Sa 1773/04, zitiert nach juris; LAG Hessen Urteil vom 25. November 2004, Az: 5 Sa 1299/04, zitiert nach juris). Ebenso kann es einen Kündigungsgrund darstellen, wenn die Privatnutzung des dienstlichen Telefons nur unter der Bedingung erlaubt war, dass der Arbeitnehmer seine Privatgespräche durch Eingabe einer persönlichen PIN-Nummer kennzeichnet (LAG Hamm, Urteil vom 26. Juni 2009, Az: 13 Sa 120/09, zitiert nach juris; LAG Hamm, Urteil vom 28. November 2008, Az: 10 Sa 1921/07, zitiert nach juris, LAG Hamm, Urteil vom 15. Februar 2007, Az: 17 Sa 1543/06, zitiert nach juris). Dabei kann eine außerordentliche Kündigung unter Umständen sogar ohne den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung zulässig sein (BAG Urteil vom 04. März 2004, Az: 2 AZR 147/03, NZA 2004, 717-719).

Auch ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass der Kläger die ihm obliegenden Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis dadurch verletzt hat, dass er im Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 in erheblichem Umfang SMS und MMS ohne dienstliche Veranlassung über sein Diensthandy verschickt, Auslandstelefonat im Dienstmodus seines Handys geführt sowie im Internet gesurft hat.

Ferner hat die Beklagte hinreichende objektive Umstände dafür vorgetragen, dass der Kläger sein Diensthandy in Kenntnis der betrieblichen Regelungen privat genutzt hat. Unerheblich ist insoweit weiterhin, dass das vom Kläger unterschriebene Ausgabeprotokoll erst vom Oktober 2009 datiert. Alleine aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall eine ...-Nummer beantragt hatte, folgt, dass ihm der Unterschied zwischen der privaten und betrieblichen Nutzung des Handys hinreichend klar war und er wusste, dass eine Privatnutzung des Firmenhandys nur bei Verwendung der ...-Nummer zulässig war. Auch ist nicht ersichtlich, warum die ...-Nummer lediglich für Telefonate gelten sollte. Eine derartige Annahme kann der Arbeitnehmer auch nicht mit der im Ausgabeprotokoll verwendeten Formulierung begründen. Selbst wenn in dem zweiten Satz der dortigen Belehrung nur von privaten "Gesprächen" gesprochen wird, wird durch das Zusammenspiel beider Sätze deutlich, dass die private ...-Pin-Nr. nicht nur für Telefonate, sondern für jegliche private Nutzung des Diensthandys zu verwenden ist.

bb.) Trotz dieser eindeutigen, kündigungsrelevanten Pflichtverletzung ist die Kündigung der Beklagten vom 04. März 2010 unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile in Ermangelung einer aktuellen Abmahnung unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gilt für eine verhaltensbedingte Kündigung das sog. Prognoseprinzip (BAG Urteil vom 23. Juni 2009, Az: 2 AZR 103/08, NZA 2009, 1198-1202). Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken, sog. negative Prognose (BAG Urteil vom 23. Juni 2009, Az: 2 AZR 103/08, zitiert nach juris, BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922-925, BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980-985). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Die Abmahnung dient somit der Objektivierung der negativen Prognose (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009, Az. 2 AZR 103/08, NZA 2009, 1198-1202, BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922-925, BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980-985) und ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, vgl. § 314 Abs. 2 BGB (BAG Urteil vom 23. Oktober 2008, Az: 2 AZR 483/07, NZA-RR 2009, 362-368). Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG Urteil vom 18. Mai 1994, Az: 2 AZR 626/93, NZA 1995, 65-67) oder wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG Urteil vom 1. Juli 1999, Az: 2 AZR 676/98, NZA 1999, 1270-1273). Selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Eigentums- und Vermögensdelikte kann es danach Fälle geben, in denen eine Abmahnung nicht ohne Weiteres entbehrlich erscheint. Dies gilt etwa, wenn dem Arbeitnehmer zwar die Verbotswidrigkeit seines Verhaltens hinreichend klar ist, er aber Grund zu der Annahme haben durfte, der Arbeitgeber würde dieses nicht als ein so erhebliches Fehlverhalten werten, dass dadurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel stünde (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009, Az. 2 AZR 103/08, NZA 2009, 1198-1202).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt dazu, dass es dem Kläger auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht ohne weiteres erkennbar war, dass sein Verhalten den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden könnte. Obwohl der hiesigen Telefonnutzung keine betriebliche Regelung zugrunde lag, bei der dem Arbeitnehmer der Umfang der erlaubten Privatnutzung nicht klar ersichtlich sein konnte, weil diese in einem "angemessenen" und damit auslegungsfähigen Ausmaß gestattet war, hat das unbeanstandete Gewährenlassen der Beklagten bei dem Kläger zu einer Abschwächung des Unrechtsbewusstsein geführt. So hat die Beklagte über einen Zeitraum von fast zwei Jahren jeden Monat eine Telefonrechnung über die Nutzung des Diensthandys durch den Kläger erhalten, der durch einen einfachen Blick zu entnehmen ist, in welchem Ausmaß der Kläger SMS verschickt hat. Trotz dieser verfügbaren und einfachen Kontrollmöglichkeiten hat sich die Beklagte im Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 keinen Überblick über das Nutzungsverhalten des Klägers verschafft. In Anbetracht dessen musste sich beim Kläger der Eindruck verstärken, dass das Verschicken von SMS und MMS, das Führen von Auslandstelefonaten sowie das Surfen im Internet von der Beklagten wenn nicht geduldet, so aber zumindest für sie nicht von besonderem Interesse ist - sei es, weil dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen, sei es, weil diese als nicht erheblich angesehen werden. In Anbetracht dessen hätte die Beklagte dem Kläger zunächst durch Ausspruch einer Abmahnung verdeutlichen müssen, dass das bislang nicht beanstandete Verhalten als vertragswidrig angesehen wird und im Wiederholungsfall zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen kann.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die vorliegende Pflichtverletzung des Klägers den Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses berührt. Denn wenn die Beklagte ihren Arbeitnehmern durch die private Nutzungsmöglichkeit des Diensthandys eine Vergünstigung einräumt, diese aber von der Verwendung der privaten ...-Pin Nummer abhängig macht, missbraucht ein Arbeitnehmer, der in Kenntnis dieser Regelungen seine Privatnutzung nicht durch Eingabe seiner Geheimnummer kennzeichnet, das in ihn gesetzte Vertrauen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei Störungen im Vertrauensbereich jedenfalls dann vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG Urteil vom 04. Juni 1997, Az: 2 AZR 526/96, NJW 1998, 554-557). Im vorliegenden Fall gehört die Nutzung des Diensthandys zum steuerbaren Verhalten eines Arbeitnehmers. Auch kann das Vertrauen in den Arbeitnehmer wiederhergestellt werden, da der Kläger bereits vor Ausspruch der ersten Kündigung angeboten hatte, den entstandenen Schaden zu ersetzen und damit zum Ausdruck gebracht hatte, dass er das Unrecht seines Handelns eingesehen hat. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die Beklagte in anderen Betrieben nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers sehr wohl in der Lage ist, die Nutzungsmöglichkeiten des Handys technisch einzuschränken. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum der Beklagten eine derartige Nutzungsbeschränkung jetzt nicht mehr möglich sein soll.

Weiterhin ist eine Abmahnung auch nicht im Hinblick auf die Schwere des Pflichtverstoßes entbehrlich. Zwar ist auch das Gericht der Auffassung, dass der Kläger das ihm überlassene Diensthandy in einem besonders schweren Umfang privat genutzt und damit die ihm obliegenden Nebenpflichten nachhaltig verletzt hat. Dennoch setzt eine Überschreitung des erlaubten Nutzungsumfanges von einem Mobiltelefon nicht die gleiche kriminelle Energie voraus wie ein Diebstahl oder eine Unterschlagung (vgl. insoweit auch LAG Hamm, Urteil vom 15. Februar 2007, Az. 17 Sa 1543/06, zitiert nach juris). Im Gegensatz zu Eigentums- und Vermögensdelikten erfolgt die private Nutzung eines Handys nicht heimlich, sondern ist am Ende des Monats durch einen Blick in die Telefonrechnung feststellbar. Der betreffende Nutzer muss somit jederzeit damit rechnen, dass sein Verhalten entdeckt wird. Derartige Pflichtverletzungen sind daher viel einfacher festzustellen als Eigentums- und Vermögensdelikte, die in der Regel erst durch aufwendige Taschenkontrollen oder Inventuren an das Tageslicht kommen. Dieses gilt insbesondere dann, wenn die Beklagte wie im vorliegenden Fall zahlreiche Telefonrechnungen mit Beträgen von mehr als Euro 200,-- (April 2008, Juni 2008, Juli 2009, Januar 2009, November 2009) oder knapp darunter (Dezember 2008) offensichtlich hinnimmt, ohne den Hintergrund dieser Kosten aufzuklären, obwohl sie andererseits der Ansicht ist, dass das Verschicken von SMS dienstlich nicht erforderlich sei. Zwar rechtfertigt dieses Verhalten der Beklagten nicht die erhebliche Pflichtverletzung des Klägers, entbindet die Beklagte auf der anderen Seite jedoch nicht von dem Erfordernis einer Abmahnung.

2.) Aus den oben genannten Gründen ist das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 09. März 2010 beendet worden. Diese Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da sie in Ermangelung einer Abmahnung ebenfalls unverhältnismäßig ist.

a.) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz von seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich her Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Zum einen war der Kläger bei Zugang der Kündigung bereits mehr als sechs Monate für die Beklagte tätig. Zum anderen beschäftigte die Beklagte bei Zugang der Kündigung mehr als fünf Vollzeitarbeitnehmer.

b.) Der Kläger hat seine Klageerweiterung gegen die Kündigung vom 09. März 2010 gem. § 4 S. 1 KSchG auch innerhalb der vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist erhoben. Die Klageerweiterung des Klägers ging am 17. März 2010 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein und wurde der Beklagten am 29. März 2010 zugestellt. Insoweit ist es ausreichend, wenn die Klageschrift - wie im vorliegenden Fall - fristgemäß beim Arbeitsgericht eingeht und der Beklagten demnächst zugestellt wird (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 167 ZPO).

c.) Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922-925, BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 21/05, NZA 2006, 917-923, BAG Urteil vom 11. Dezember 2003, Az: 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784-788). Dabei gilt für eine verhaltensbedingte Kündigung das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken, sog. negative Prognose (BAG Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922-925, BAG Urteil vom 12. Januar 2006, Az: 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980-985). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus.

Aus den oben dargelegten Gründen hätte die Beklagte den Kläger damit vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung ebenfalls abmahnen müssen.

3.) Ist das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 04. März 2010 noch durch die Kündigung vom 09. März 2010 aufgelöst worden, so ist der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Hubwagenfahrer weiterzubeschäftigen.

Dieser Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 242 BGB und Art. 1, 2 GG. Danach überwiegt nach einem erstinstanzlichen Obsiegen im Kündigungsschutzprozess, wie hier ausgeurteilt, grundsätzlich das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung (BAG, GS vom 27.02.1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Im vorliegenden Fall hat der Kläger ein erstinstanzlich obsiegendes Urteil im Kündigungsrechtsstreit erstritten. Gewichtige Interessen, die gegen eine Nichtbeschäftigung des Klägers sprechen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Der Gefahr eines etwaigen erneuten missbräuchlichen Verwendung kann die Beklagte wie in der Vergangenheit oder in anderen Betrieben auch durch eine technische Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten und der monatlichen Kontrolle der Telefonrechnungen begegnen (vgl. insoweit auch LAG Hessen, Urteil vom 28. Juni 2010, Az: 16 SaGa 811/10, zitiert nach juris).

4.) Als in dem Rechtsstreit unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 42 Abs. 4 S. 1 GKG i. V. m. §§ 3, 5 ZPO festzusetzen. Für die Antrag zu 1.) sind 3 Bruttomonatsgehälter und für den Antrag zu 2.) ein weiteres Bruttomonatsgehalt anzusetzen.



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