Arbeitsgericht Frankfurt

Urteil vom - Az: 7 Ca 10063/07

Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug

Begeht eine Arbeitnehmerin einen Arbeitszeitbetrug, indem sie 45 Minuten lang von der Arbeit fernbleibt und dennoch die Arbeitszeit aufschreibt, so rechtfertigt dieses Verhalten eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber. Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich. Auch eine mehr als 6-jährige Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmerin steht der Kündigung nicht entgegen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 3.600,00 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Beklagte tritt im Geschäftsverkehr u.a. mit der Firma ... auf und bietet verschiedene Dienstleistungen am Flughafen F. Früher trat sie auch unter der Firma ... auf.

Laut eines rückdatierten Arbeitsvertrages ist die Klägerin bei der Beklagten zumindest seit dem 01.02.2001 als "Flughafen Service Assistant" beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt rund € 1.200,00.

Unter dem 27.08.2007 verfasste die Beklagte eine Abmahnung gegenüber der Klägerin wegen eine Falschangabe von einer halben Stunde Arbeitszeit in dem Arbeitsstundennachweis für den Monat August 2007 (Bl. 34, 55 d.A.). Die Klägerin bestreitet insofern, dass ihr diese Abmahnung ausgehändigt worden sei (Bl. 93 d.A.).

Die Klägerin war bis September 2007 im Bereich der VIP-Lounge, vor allem bei ..., tätig. Ab 14.11.2007 sollte die Klägerin eine Tätigkeit im Bereich der Flugsicherheit wahrnehmen.

In einem "ärztlichem Attest" der die Klägerin behandelnden Ärztin, Frau Dr. ..., vom 23.11.2007 wurde der Klägerin attestiert, dass sie an Migräne mit Aura sowie an einem HWS- bzw. LWS-Syndrom leide (Bl. 20 d.A.). Die Beklagte erhielt dieses Attest am gleichen Tag..

Für den 29.11.2007 wurde die Klägerin sodann für zwei Schichten eingeteilt. Die erste Schicht (AC 1) von 11:30 bis 15:30 Uhr sollte Flugzeugbewachung sein. Die zweite Schicht (AZ 2) von 16:30 bis 19:30 Uhr sollte "..." beim Schalter der ... sein.

Die erste Schicht von 11:30 bis 15:30 Uhr ließ die Klägerin ausfallen. Sie behauptet in diesem Zusammenhang, dass sie die Bewachungstätigkeit unter Hinweis auf das ärztliche Attest von Frau ... nicht ausüben dürfe.

Die Klägerin begann aber die zweite Schicht, wobei sie behauptet, dass sie diese Schicht sogar schon um 16:00 Uhr begonnen habe. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Klägerin die gesamte Schicht anwesend und gearbeitet hat. Auf dem von der Klägerin handschriftlich ausgefüllten und unterschriebenen "Arbeitsstundennachweis" für den Monat November 2007 ist für den 29.11.2007 eine 3,5-Stunden-Schicht von 16:00 bis 19:30 Uhr angegeben (Bl. 19, 39, 62 d.A.).

Mit Schreiben vom 05.12.2007, der Klägerin am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis "fristlos mit sofortiger Wirkung" (Bl. 21-22, 37-38 d.A.).

Seit 01.02.2008 steht die Klägerin in einem neuen Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin behauptet, dass die Zeugin ..., eine Kollegin, sie am 29.11.2007 um 18:00 Uhr neben dem Gepäckband bei "..." gesehen habe. Ferner sei dabei auch die Zeugin, Frau ..., anwesend gewesen.

Unter Rücknahme des allg. Feststellungsantrages beantragt die Klägerin,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.12.2007 aufgelöst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin am 29.11.2007 im Zeitraum von 17:45 bis 19:15 Uhr nicht an ihrem Arbeitsplatz gewesen sei. Dies könne die Zeugin, ..., bestätigen, die nämlich die Klägerin an diesem Tag in ihre Tätigkeit für ... einweisen sollte. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin angesichts der unzutreffenden Angaben in dem "Arbeitsstundennachweis" einen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Sie weist darauf hin, dass die Zeugin, Frau ..., die für den Rollstuhl-Service am Flughafen zuständig sei, nur für wenige Minuten am "..."-Schalter gewesen sei.

Die Klage ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 27.12.2007 per Telefax ein und wurde der Beklagten am 16.01.2008 (Bl. 24 d.A.) zugestellt. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2008 Beweis durch Vernehmung der Zeugin ... erhoben. Hinsichtlich des Gegenstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 118 ff. d.A.) Bezug genommen. Die ebenfalls geladene Zeugin, Frau ..., kam zwar nicht, aber mit Schreiben vom 12.08.2008, dessen urkundlicher Verwertung beide Parteivertreter zustimmten, äußerte sich die Zeugin zum Beweisthema. Insofern wird auf Bl. 117 d.A. Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.

I. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG für die Kündigungsschutzklage gegeben. Der allg. Gerichtsstand der Beklagten (§ 12 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.n. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag liegt vor, da es der Klägerin unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 13 Abs. 3, 4, 7 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen.

II. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet, da die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit der außerordentlichen Kündigung vom 09.08.2007 zu Recht gemäß § 626 BGB wegen eines Arbeitszeitbetruges, wodurch das Vertrauen in die Klägerin zerstört wurde, gekündigt hat.

1. Die Kündigungserklärung der Beklagten vom 05.12.2007 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB.

2. Die Klägerin hat auch die Drei-Wochen-Frist des §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 3 KSchG gewahrt, da sie im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, die bei Gericht am 27.12.2007 eingegangen ist und der Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.

3. Vorliegend ist auch ein Kündigungsgrund gegeben, denn das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grunds i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist erfüllt.

a) Für einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Dieser Sachverhalt muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektiv vorliegen. Ist hiernach ein Sachverhalt an sich geeignet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die fristlose Kündigung die ultima ratio für den Kündigungsberechtigten war, d.h. mildere Mittel unzumutbar waren (siehe Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 8. Aufl., München, 2008, § 626 BGB, Rz. 34, 44, 62 ).

b) Gemessen an diesen Vorgaben besteht zunächst bereits an sich ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB. Arbeitszeitbetrug stellt nach ständiger Rechtsprechung des BAG grundsätzlich einen wichtigen Grund dar, der zur fristlosen Kündigung berechtigt. Vorliegend ist ein Arbeitszeitbetrug gegeben, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) fest, dass die Klägerin am 29.11.2007 jedenfalls im Zeitraum von rund 17:45 bis 18:30 Uhr nicht am Arbeitsplatz bei "..." anwesend war. Gleichwohl hat sie, was unstreitig ist, auf dem einschlägigen Arbeitsstundennachweis für November 2007 angegeben, dass sie die volle Schicht (AZ 2) gearbeitet habe, so dass sie auch die entspr. Vergütung hierfür von der Beklagten erhalten hat. Die Beklagte hat zunächst aufgrund des Schreibens der Zeugin ... vom 12.08.2008, das trotz Zeugenladung und Nichterscheinen der Zeugin ... im Kammertermin, aufgrund des Einverständnisses beider Parteien im Rahmen des Urkundsbeweises verwertet werden kann (siehe Greger, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., Köln, 2007, § 377 ZPO, Rz. 11 ) den ihr obliegenden Beweis geführt, dass die Klägerin im Zeitraum von 17:45 Uhr bis 18:30 Uhr nicht am Arbeitsplatz bei "..." gewesen ist. Jedenfalls für diesen Zeitraum decken sich die Behauptung der Beklagten (17:45 Uhr bis 19:15 Uhr) und die schriftlichen Ausführungen der Zeugin (17:15 Uhr bis 18:30 Uhr). Einwände gegen die inhaltliche Richtigkeit der schriftlichen Ausführungen der Zeugin, die im Übrigen nicht mehr für die Beklagte tätig ist, sind nicht zu erkennen. Die Klägerin ihrerseits konnte insbesondere den Gegenbeweis nicht führen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Aussage der Zeugin ... überhaupt ergiebig ist, da sie zu dem relevanten Zeitraum nicht sagen kann, da sie ausweislich ihrer Aussage die Klägerin am 29.11.2007 nur einmal gesehen hat und dies lediglich gegen 17:30 Uhr. Selbst wenn die Aussage als ergiebig angesehen würde, kann sie weder den Urkundsbeweis erschüttern noch den Gegenbeweis führen, denn die Zeugin ... hat die Klägerin lediglich in einem drei- bis fünfminütigen Zeitraum gegen 17:30 Uhr gesehen. Eine Aussage zum Zeitraum von 17:45 Uhr bis 18:30 Uhr ist hingegen nicht vorhanden. Die Klägerin ist somit beweisfällig geblieben. Damit steht fest, dass die Klägerin einen nicht unerheblichen Arbeitszeitbetrug begangen hat, indem sie aufgrund ihrer unzutreffenden Angaben in dem Arbeitsstundenachweis für November 2007 Vergütung für mindestens eine 3 / 4 Stunde erhalten hat, ohne tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht zu haben.

c) Auch bei einer Interessenabwägung stellt sich der Verdacht gegenüber dem Kläger als dringend und damit als wichtiger Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Kein Arbeitgeber muss es hinnehmen, dass bei der Erfassung der Arbeitszeit manipuliert wird, da diese Zeiterfassung, selbst wenn es wegen eines Zeitraums von "lediglich" einer 3 / 4 Stunde nicht um einen großen Schaden handelt, unmittelbar Grundlage der Gehaltsabrechnung dient. Die Beklagte ist insofern auf die Redlichkeit ihrer Mitarbeiter und deren Angaben angewiesen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin die insofern einschlägige Abmahnung vom 23.08.2007 überhaupt erhalten hat, was zwischen den Parteien streitig ist. Zugunsten der Klägerin sprechende Gründe sind vorliegend nicht zu erkennen. Weder ihr Alter noch die Dauer der Beschäftigung können der fristlosen Tatkündigung im Ergebnis entgegen gehalten werden, da sie mit dem betrügerischen Verhalten der Klägerin nicht in Zusammenhang stehen. Insbesondere von einer langjährigen Arbeitnehmerin ist kein betrügerisches Verhalten in dem hier vorliegenden Ausmaß zu erwarten.

4. Vorliegend ist auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB mit der Kündigung vom 05.12.2007 eingehalten.

III. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin, da sie unterlegen ist, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf € 3.600,00 (= 3 x Bruttomonatsgehalt i.H.v. € 1.200,00) festzusetzen.

V. Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß §§ 64 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 lit. a.) ArbGG zu. Die ohnehin gegebene Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. c.) ArbGG bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.

VI. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite.

 



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