Arbeitsgericht Frankfurt a. M.

Urteil vom - Az: 7 Ca 7285/06

Fristlose Kündigung eines Heimleiters wegen Homosexualität und Suche nach "Sexdates"

(1.) Berührt außerdienstliches Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht berechtigt, seine Missbilligung über ihm bekannt gewordene Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung zu äußern. Dies gilt umso mehr, wenn diese Umstände dem Intimbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind. Der Arbeitgeber ist durch den Arbeitsvertrag nicht zum „Sittenwächter über die in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer berufen". Dies gilt auch für sog. Tendenzbetriebe (hier: ein kirchennaher Verein).

(2.) Auch in einem (katholisch) kirchennahen Verein stellt Homosexualität keinen Kündigungsgrund dar. Unabhängig von der Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist die sexuelle Orientierung eines Mitarbeiters Teil dessen grundrechtlich geschützter Privat- und Intimsphäre und damit von keiner Relevanz für das Arbeitsverhältnis.
Darüber hinaus besagt auch der „Katechismus der Katholischen Kirche", dass man sich „hüten solle, sie (die Homosexuellen) in irgendeiner Weise zurückzusetzen".

(3.) Eine vertragliche Pflicht, monogam zu leben, würde die grundrechtlich geschützte Privat- und Intimsphäre des Arbeitnehmers in unzulässigerweise verletzen. Die Kündigung eines Arbeitnehmers kann daher auch nicht auf dessen außervertragliches promiskuitives Verhalten (hier: Suche nach "Sexdates" in einem entsprechenden Online-Portal) gestützt werden.

(4.) Auch stellt die Verabredung eines Wohnheimleiters (u.a. von Jugendlichen und jungen Erwachsenen) mit einem ihm unterstellten Mitarbeiter, welche über ein Online-Portal u.a. für "Sexdates" vereinbart wird, keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass der angestellte Wohnheimleiter für seine arbeitsvertragliche Tätigkeit ungeeignet ist.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 09.10.2006 nicht aufgelöst wurde.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 17.919.84 (in Worten: Siebzehntausendneunhundertneunzehn und 84/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 2.986,64 (in Worten: Zweitausendneunhundertsechsundachtzig und 64/100 Euro) brutto seitdem 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007 und seit dem 01.04.2007, jeweils abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.113,00 (in Worten: Eintausendeinhundertdreizehn Euro) netto pro Monat zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 2.438,85 (in Worten: Zweitausendvierhundertachtunddreißig und 85/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Pro zentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 2.115,54 (in Worten: Zweitausendein hundertfünfzehn und 54/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2006 zu zahlen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 89 % und der Kläger zu 11 %.

6. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 24.756,15 festgesetzt.

7. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie über Annahmeverzugslohn- und weitere Zahlungsansprüche.

Zwischen den Parteien fand bereits ein Rechtsstreit (7 Ca 7239/06) im Hinblick auf eine Kündigung vom 06.10.2006 statt. Die Klage wurde jedoch vom Kläger zurück genommen, nachdem der Beklagte erklärte, dass er aus der Kündigung keine weiteren Rechte mehr herleitet.

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein (VR beim Amtsgericht Frankfurt am Main) und stellt nach seiner Satzung (siehe Bl. 88-91 d.A.), in der zuletzt am 13.09.1995 geänderten und derzeit gültigen Fassung, die „oberste Verwaltung der in der Diözese bestehenden örtlichen  " dar (§ 1 Abs. 1 der Satzung). Sitz des Beklagten ist Frankfurt am Main (§ 1 Abs. 2 der Satzung). Zweck des Beklagten ist die „Förderung der religiösen, jugendpflegerischen, volksbildenden und beruflichen Erziehungs- und Bildungstätigkeit sowie mildtätiger Aufgaben" (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Der Satzungszweck des Beklagten wird verwirklicht insbesondere durch „[...] Förderung der Jugend- und Erwachsenenarbeit und -bildung sowie der Jugend und Altenpflege auf kirchlicher und gesellschaftspolitischer Grundlage" (§ 2 Abs. 1 Satz 2, lit. b.) der Satzung).

Der Kläger ist am .19 geboren und ledig. Er ist seit über 25 Jahren bei verschiedenen Organisationen des Kolpingwerkes beschäftigt, zuletzt als Sozialpädagoge bei dem Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 04.01.1996 (Bl. 22-23, 66 d.A.) seit dem 01.04.1996. Nach § 4 des Arbeitsvertrages haben die Parteien „stets dessen eingedenk zu sein, dass ein Arbeitsverhältnis im kirchlichem Raum von der Natur der Sache her ein eigenes Gepräge hat". Gemäß § 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages regelt sich das Arbeitsverhältnis nach der Arbeitsvertragsordnung (AVO) der Diözese in ihrer jeweils gültigen Fassung. Entsprechend einer gesonderten Vereinbarung erfolgte die Abstellung des Klägers an den Frankfurt am Main e.V. Dort war der Kläger auch von Anfang an als Leiter des Jugendwohnheims im. Frankfurt tätig. Die Tätigkeiten des Klägers im Einzelnen ergeben sich aus einem von ihm selbst erstellten Tätigkeitsbericht vom 28.10.2005, auf den insofern Bezug genommen wird (Bl. 45-48, 62-65 d.A.). Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag in der Betreuung und Begleitung der Jugendlichen und der jungen Erwachsenen in der Einrichtung. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zuletzt € 2.986,64 bei sechs Arbeitstagen pro Woche. Die Gehaltszahlung erfolgt zum ersten Tag im Kalendermonat im voraus. Der Beklagte hat bisher vorbehaltlos ein Weihnachtsgeld in Höhe von € 2.438,85 brutto gezahlt, das stets am ersten Tag im Dezember eines Kalenderjahres fällig wird.

Die Arbeitsvertragsordnung (AVO) für die Beschäftigten im kirchlichen Dienst in der Diözese enthält keine Bezugnahme auf die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der katholischen (Erz-)Bischöfe vom 22.09.1993. Nach § 36 Abs. 5 AVO liegt ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB vor, wenn sich der Arbeitnehmer „eines groben Verstoßes gegen kirchliche Grundsätze schuldig gemacht hat". Nach § 36 Abs. 6 AVO sollen Kündigungen die Ausnahme bilden, wobei „Gründe und Umstände, die hierzu führen können, gewissenhaft zu prüfen" sind.

Anfang des Jahres 2006 - die näheren Umstände sind im Einzelnen zwischen den Parteien streitig - erfuhr der Beklagte von der Homosexualität des Klägers.

Auf der Internet-Website www.gayromeo.com, einem Chat- und Date-Portal für Homosexuelle ab 18 Jahren, das von der Planet Romeo B.V. betrieben wird, hat der Kläger sich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt unter dem Nutzernamen (= Username) „ " angemeldet und ein Nutzer- bzw. Suchprofil angegeben (Bl. 14-15, 67 d.A.). Die verschiedenen Kategorien dieses Nutzer- bzw. Suchprofils werden von dem Internet-Portal vorgegeben. Die rund 36 Kategorien umfassen sowohl persönliche als auch intime Daten (z.B. Wohnort, Größe, Gewicht, Typ, Sprache, Hobbys. Interessen, aber auch detaillierte Angaben zu sexuellen Vorlieben einschließlich einer Beschreibung des Geschlechtsteils). Folgende Eintragungen des Klägers in die Rubriken auf www.gayromeo.com sind hervorzuheben:

Beziehung: „Ich habe einen Partner"

Suche: „Sexdate, Freunde (User zwischen 18 und 28)"

Beruf: Keine Angabe

Religion: Keine Angabe

Der Kläger stellte ferner noch ein Bild von sich neben dem Nutzer- bzw. Suchprofil ein, auf dem er zumindest mit nacktem Oberkörper abgebildet ist, wobei er vor sich eine Gitarre hält (Bl. 16 d.A.).

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob das Abrufen von Nutzer- bzw. Suchprofilen auf www.gayromeo.com eine vorherige Anmeldung bei dem Betreiber des Portals bedürfe, so dass es sich um eine geschlossene Benutzergruppe handeln würde, oder ob grundsätzlich jeder Internet-Nutzer, der auf die Webseite www.gayromeo.com gelangt, in den Nutzerprofilen suchen könne.

Ein 22-jähriger früherer Lehrling des Kolpinghauses und mittlerweile dort als Aushilfe Beschäftigter, Herr , der ebenfalls homosexuell ist, hat auch auf www.gayromeo.com ein Nutzer- bzw. Suchprofil eingerichtet. Allerdings hat er kein Bild von sich eingestellt. Der Kläger hat über das Portal www.gayromeo.com Kontakt zu Herrn ' - unter dessen Username - aufgenommen verbunden mit der Anfrage, ob ein Treffen vereinbart werden könne. Herr ' erkannte anhand des Fotos, dass die entsprechende Anfrage vom Kläger stammte. Herr, hat sich nicht mit dem Kläger verabredet und hat das Ganze vielmehr seinen Arbeitskollegen erzählt. Er teilte dies auch einer nicht namentlich genannten Mitarbeiterin des Beklagten, die an der Rezeption des . arbeitet, mit. Diese Mitarbeiterin loggte sich sodann mit den Nutzerdaten von Herrn www.gayromeo.com ein und verabredete sich mit dem Kläger für Sonntag, den 03.09.2006 in der Bar „Maurice". Die Mitarbeiterin sagte dann - unter dem Nutzernamen von Herrn handelnd - das Treffen ab und erzählte hiervon verschiedenen Mitarbeiterin des Beklagten.

Anfang Oktober 2006 erhielt der Kläger, wie üblich, den sich aus seinem Bruttogehalt ergebenden Nettobetrag vom Beklagten im voraus ausbezahlt.

Am 05.10.2006 sprach dann die zuvor erwähnte Mitarbeiterin des Beklagten dessen Geschäftsführer, Herrn an und teilte ihm mit, dass sie darüber informiert worden sei, dass der Kläger im Internet sexuelle Kontakte zu Männern im Alter von 18-28 Jahre suchen würde.

Anschließend hat Herr das Nutzer- und Suchprofil des Klägers auf www.gayromeo.com gefunden und hiervon Ausdrucke erstellt, wobei es weiterhin zwischen den Parteien streitig ist, ob www.gayromeo.com ein öffentlich zugängliches Portal ist.

Es ist des Weiteren zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger zu seinem Eintrag aufwww.gayromeo.com am 06.10.2006 vom Beklagten angehört wurde oder ob lediglich ein Kündigungsgespräch geführt worden sei.

Mit Schreiben vom 09.10.2006 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos (Bl. 24 d.A.). Wann der Kläger die Kündigung erhalten ist, ist nicht aktenkundig. Unstreitig ist jedoch, dass dem Kläger die streitgegenständliche Kündigungserklärung zugegangen ist. Der Kläger löschte das Nutzer- bzw. Suchprofil auf www.gayromeo.com kurze Zeit nach dem Erhalt der Kündigung.

Seit dem 01.11.2006 erhält der Kläger ein monatliches Arbeitslosengeld i.H.v. €1.113,00 netto.

Dem Kläger standen für das Jahr 2006 noch 17 verbleibende Urlaubstage zu.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam und diskriminierend sei. Ihm sei lediglich aufgrund seiner Homosexualität gekündigt worden. Ferner würde die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der katholischen (Erz-)Bischöfe vom 22.09.1993 vorliegend keine Anwendung finden. Des Weiteren ist er der Ansicht, dass er mit seinem Nutzer- und Suchprofil auf www.gayromeo.com keine arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten, insbesondere Loyalitätspflichten, verletzt habe, da es sich allein um außerdienstliches Verhalten handele. Ferner könne ein etwaiges nachträgliches Verhalten des Klägers die Kündigung des Beklagten vom 09.10.2006 nicht rechtfertigen. Die Zahlungsansprüche seien schließlich aufgrund Annahmeverzugs des Beklagten gegeben. Beim Urlaubsabgeltungsanspruch sei zu berücksichtigen, dass sich aus dem Gehalt des Klägers für 13 Wochen ein Tagessatz i.H.v. € 124,44 brutto ergebe.

Der Kläger beantragt nach einer Teilklagerücknahme zuletzt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 09.10.2006 nicht aufgelöst wurde;

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 17.919,84 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 2.986,64 seit dem 01.11.2006, seit dem 01.12.2006, seit dem 01.01.2007, seit dem 01.02.2007, seit dem 01.03.2007 und seit dem 01.04.2007, jeweils abzüglich erhaltenen Arbeitslosenentgelts in Höhe von € 1.113,00 netto im Monat zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere € 2.438,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 01.12.2006 zu zahlen;

4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere € 2.115,54 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Der Beklagte behauptet, dass Kündigungsgrund nicht die Homosexualität des Klägers sei. Diese sei kein Problem, wie auch der ungetrübte Verlauf des Arbeitsverhältnisses seit Anfang des Jahres 2006 zeige. Allerdings ist der Beklagte der Ansicht, dass sich der Kläger auf der Internet-Seite www.gayromeo.com in nicht hinnehmbarer Weise in der Öffentlichkeit beschrieben habe. Diese Darstellung, einschließlich der sexuellen Vorlieben, widerspräche der katholischen Glaubens- und Sittenlehre, so dass der Kläger gegen die Regelungen in §§ 4 und 5 des Arbeitsvertrages verstoßen habe. Der Beklagte ist ferner der Ansicht, dass diese Darstellung gegen die Loyalitätspflichten aus Art. 4 und 5 der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der katholischen (Erz-)Bischöfe vom 22.09.1993 verstoßen würde. Aufgrund seiner erzieherischen Tätigkeit sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers unmöglich, da die Glaubwürdigkeit des Beklagten als kirchliche Einrichtung gefährdet sei. So sei es nicht hinnehmbar, dass Jugendliche unter 18 Jahren oder junge Erwachsene über 18 Jahren von einer katholischen Einrichtung im Sinne des katholischen Gedankengutes erzogen werden sollen, dessen Leiter sexuelle Kontakte aus einer bestehenden, festen Partnerschaft suche. Des Weiteren habe die Darstellung des Klägers auf www.gayromeo.com zu einem Autoritätsverlust des Klägers als Wohnheimleiter geführt, da er sich mit seiner Suchanfrage im Ergebnis selbst bei den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die beim Beklagten im Wohnheim wohnen, angeboten habe. Der Beklagte sieht insofern die Gefahr, dass der Kläger auch sexuelle Kontakte zu Heimbewohnern unter 18 Jahren auf Dauer suchen würde. Des Weiteren sei es für den Beklagten nicht hinnehmbar, dass sich der Kläger mit einem Bewohner des verabredet habe. Ferner werde die fristlose Kündigung darauf gestützt, dass der Kläger zum Gütetermin und nach dem Gütetermin „in Zusammenarbeit mit Schwulenverbänden eine Kampagne gegenüber dem j und dem ' ;, insbesondere dem Vorsitzenden des -. Herrn ., gestartet" (siehe Bl. 42, 59 d.A.) habe, womit eine „Pressekampagne" gemeint ist. die dazu geführt habe, dass sich Herr „übelste Beschimpfungen durch E-Mails über sich ergehen lassen" musste (Bl. 43, 60 d.A.). Schließlich behauptet der Beklagte, dass viele Mitarbeiter im in Frankfurt zwischenzeitlich bekundet hätten, dass es für sie nicht vorstellbar sei, dass der Kläger an seinen Arbeitsplatz zurückkehre, da sie keine Möglichkeit für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger sähen.

Die Klage ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 13.10.2006 per Telefax ein und wurde dem Beklagten am 25.10.2006 (Bl. 6 d.A. der Akte im Verfahren 7 Ca 7239/06) zugestellt. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I. Die Klage ist zunächst zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG für die Kündigungsschutzklage und für die sonstigen Klageansprüche gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a.) ArbGG gegeben. Der Sitz des Beklagten (§§ 12, 17 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.n. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag liegt vor, da es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 13 Abs. 3, 4, 7 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen. Die vorliegende objektive Klagehäufung ist ebenfalls gemäß §§ 260, 495 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässig, da sämtliche Ansprüche im Urteilsverfahren verfolgt werden.

II. Die Kündigungsschutzklage (Klageantrag zu Ziff. 1.) ist begründet, da der Beklagte mit der Kündigung vom 09.10.2006 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst hat.

1. Die Kündigungserklärung des Beklagten vom 09.10.2006 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB.

2. Der Kläger hat auch die Drei-Wochen-Frist des §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 3 KSchG gewahrt, da er im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung vom 09.10.2006 fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, die bei Gericht am 13.10.2006 eingegangen ist und dem Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.

3. Eine etwaige Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich nicht aus § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG. Da das AGG am 18.08.2006 in Kraft ge treten ist, könnte das AGG grundsätzlich Anwendung auf die vorliegende Fallkonstellation wegen einer möglichen Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner sexuellen Identität (siehe § 1 AGG) finden. Letztlich kann aber die Anwendbarkeit des AGG, vor allem angesichts der umstrittenen Fragestellung, ob die Regelung in § 2 Abs. 4 AGG im Hinblick auf Kündigungen abschließend und gemeinschaftsrechtskonform ist, dahinstehen, da vorliegend weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteilung des Klägers i.S.v. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG schlüssig dargelegt wurde, so dass die Beweislastumkehr nach § 22 AGG vorliegend auch nicht eingreift. Der Kläger hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass der Beklagte anders als im vorliegenden Fall gehandelt hätte, wenn ein heterosexueller Mitarbeiter des Beklagten ein vergleichbares Nutzer- bzw. Suchprofil auf einem Chat und Dating-Portal im Internet eingestellt hätte. Selbst wenn also das AGG vorliegend - trotz § 2 Abs. 4 AGG - Anwendung fände, hätte dies auf die Wirksamkeit der Kündigung mangels eines Vergleichsmaßstabs, der für eine Annahme einer Benachteiligung erforderlich ist, keine Auswirkungen.

4. Vorliegend ist aber kein Kündigungsgrund gegeben, denn der Kläger hat mit seinem streitgegenständlichen Verhalten keine arbeitsvertraglichen oder sonstigen (Neben-) Pflichten oder etwaige Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt.

a) In diesem Zusammenhang kann es zunächst dahinstehen, ob der Beklagte seiner Verpflichtung nach § 36 Abs. 6 AVO, wonach bei Kündigungen diejenigen „Gründe und Umstände, die hierzu führen können, gewissenhaft zu prüfen" sind, nachgekommen ist, da die Verletzung dieser Verpflichtung jedenfalls nicht sanktioniert ist und angesichts des unbestimmten Begriffs „gewissenhaft" auch kaum sanktionierbar ist.

b) Für die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Klägers ist ferner die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der katholischen (Erz-)Bischöfe vom 22.09.1993 (nachfolgend:„GrO"), in Kraft getreten am 01.01.1994, nicht heranzuziehen, so dass die darin enthaltenen Loyalitätsverpflichtungen, die die katholische Kirche aufgrund ihres grundgesetzlich garantierten Selbstbestimmungsrechtes (Art. 140 GG i.V.m Art. 137 Abs. 3 WRV) unter Beachtung der Schranken der für alle geltenden Gesetze festgelegt hat, nicht zur Anwendung gelangen. Vorliegend ist der Beklagte weder vom Geltungsbereich dieser Grundordnung (siehe § 2 GrO) erfasst, noch wurde diese Grundordnung von den auf das Arbeitverhältnis anwendbaren Regelungen in Bezug genommen, sodass sie auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch keine Anwendung findet. Vorliegend ist kein kirchliches Arbeitsverhältnis gegeben, denn der Kläger ist nicht Arbeitnehmer der (katholischen) Amtskirche, sondern eines eingetragenen Vereins (e.V.) gemäß den Regelungen des BGB. Der Beklagte ist als eingetragener Verein nicht vom Geltungsbereich der Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV erfasst, da er nicht Teil der Amtskirche ist. Aber auch aus Art. 2 Abs. 2 GrO kann deren Geltung vorliegend nicht hergeleitet werden, da die Amtskirche die Verbindlichkeit ihrer Grundordnung nur innerhalb der Grenzen des Selbstverwaltungsrechts regeln kann. Der Beklagte ist aber nicht von diesem Selbstverwaltungsrecht erfasst. Der Beklagte hat sich auch aufgrund seiner Vereinssatzung nicht derart in den Bereich der (katholischen) Amtskirche hineinbegeben, dass der Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 GrO gegeben wäre. Auch eine sonstige Inbezugnahme der Grundordnung ergibt sich weder aus dem Arbeitsvertrag zwischen den Parteien noch aufgrund der Arbeitsvertragsordnung (AVO) für die Beschäftigten im kirchlichen Dienst in der Diözese. Somit sind vorliegend keine kirchenspezifischen Loyalitätsverpflichtungen, die sich aus der GrO ergeben könnten, im vorliegenden Fall zu berücksichtigen.

c) Vorliegend ist kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB i.V.m. § 36 Abs. 5 AVO gegeben, der zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

aa) Für einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Dieser Sachverhalt muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektiv vorliegen. Ist hiernach ein Sachverhalt an sich geeignet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die fristlose Kündigung die ultima ratio für den Kündigungsberechtigten war, d.h. mildere Mittel unzumutbar waren (siehe Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 7. Aufl., München, 2007, § 626 BGB, Rz. 34, 44, 62).

bb) Gemessen an diesen Vorgaben besteht bereits kein an sich wichtiger Grund (1. Stufe) i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB i.V.m. § 36 Abs. 5 AVO, der eine fristlose Kündigung des Klägers rechtfertigen könnte. Dies ergibt sich daraus, dass außerdienstliches Verhalten eines Arbeitnehmers nur dann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, wenn durch dieses Verhalten das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 11. Aufl., München, 2004, § 125, Rz. 76). Der Beklagte ist als Arbeitgeber insofern darlegungs- und beweisbelastet. Einen derart konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis hat er jedoch nicht substantiiert dargelegt. Berührt nämlich außerdienstliches Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht berechtigt, seine Missbilligung über ihm bekannt gewordene Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung zu äußern. Dies gilt umso mehr, wenn diese Umstände dem Intimbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind. Der Arbeitgeber ist durch den Arbeitsvertrag nicht zum „Sittenwächter über die in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer berufen" {BAG, Urt. v. 23.06.1994 - 2 AZR 671/93, AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung). Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass der Beklagte bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf kirchlicher Grundlage (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2, lit. b.) der Satzung) einen Tendenzbetrieb darstellt, auf den der allg. und besondere Kündigungsschutz zwar Anwendung findet, der aber grundsätzlich kündigungsberechtigt ist, wenn außerdienstliches Verhalten eines Arbeitnehmers nachhaltig der Tendenz des Arbeitgebers zuwiderläuft. Denn auch hier ist die Ausgestaltung des privaten Lebensbereichs der Einflusssphäre des Arbeitgebers entzogen, soweit sich das private Verhalten nicht auf den betrieblichen Bereich aus wirkt oder dort zu Störungen führt (siehe Stahlhacke/PreisA/ossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., München, 2005, § 22, Rz. 696). Ferner hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass die Eignung des Klägers für die Stelle als Leiter des Wohnheims des in Frankfurt etwaig entfallen wäre.

(1) Zunächst kann die Homosexualität des Klägers als solche die Kündigung vom 09.10.2006 nicht rechtfertigen. Die sexuelle Orientierung bzw. sexuelle Identität des Klägers gehört zur grundgesetzlich geschützten Privat- und Intimsphäre (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und ist für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit ohne Relevanz, so dass sie eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. v. Hoyningen-Huene-Linck, KSchR, 14. Aufl., München, 2007, § 1, Rz. 637). Soweit vorliegend über § 36 Abs. 5 AVO die Einhaltung „kirchlicher Grundsätze" zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem „Katechismus der Katholischen Kirche" sogar, dass man sich „hüten solle, sie (die Homosexuellen) in irgendeiner Weise zurückzusetzen" (vgl. Kania, in: Küttner, Personalbuch 2007, 7. Aufl., München, Stichwort: „Kirchenarbeitsrecht, Rz. 9 unter Bezugnahme auf LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1993 - 11 Sa 39/93. NZA 1994, 416, 418; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, Frankfurt, 2002, S. 221). Zwar ist der „Katechismus der Katholischen Kirche" keine abschließende Aussage. Es handelt sich aber um eine Grundorientierung (vgl. Abschn. Nr. 4 der Apostolischen Konstitution „Fidei Depositum" zur Veröffentlichung des „Katechismus der Katholischen Kirche"), die deshalb nicht nur als Appell an die Gläubigen der katholischen Kirche oder an außenstehende Dritte verstanden werden kann, sondern die sich gleichermaßen auch an karitative Untergliederungen der katholischen Kirche, wie den Beklagten, richtet. Somit ist auch nach den Grundsätzen der katholischen Kirche die Kündigung eines Homosexuellen allein aufgrund seiner sexuellen Orientierung nicht zulässig und rechtswidrig.

(2) Des Weiteren vermag das vom Kläger unter www.gayromeo.com eingestellte Nutzer- und Suchprofil die Kündigung vom 09.10.2006 nicht zu rechtfertigen. Auch dieses Profil stellt keinen wichtigen Grund dar, der den Beklagten zur Kündigung berechtigen würde. Zunächst ist hervorzuheben, dass die Einstellung des Nutzer- und Suchprofils auf www.gayromeo.com durch den Kläger zu dessen Privat- und Intimsphäre gehört und ausschließlich sein außerdienstliches Verhalten betrifft. Der Kläger hat in dem Nutzer- und Suchprofil keinen Bezug zu seinem Arbeitgeber geschweige denn zu seiner religiösen Überzeugung hergestellt. So hat er in den Kategorien „Beruf und „Religion" bewusst nichts eingetragen. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, schlüssig darzulegen, aus welchen Gründen dieses Nutzer- und Suchprofil gemäß § 36 Abs. 5 AVO einen groben Verstoß gegen kirchliche Grundsätze darstellen soll, da in dem Verhalten des Klägers kein Bezug auf das Arbeitsverhältnis gegeben ist. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten annähme, dass grundsätzlich jeder Nutzer des Internet auf www.gayromeo.com den Kläger hätte finden können und insofern keine geschlossene Benutzergruppe vorläge, was allerdings zwischen den Parteien umstritten ist, würde nicht der Kläger, sondern derjenige, der den Kläger (gezielt) sucht, und damit ein Dritter den Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellen. Soweit der Beklagte der Ansicht ist, der Kläger habe sich in nicht hinnehmbarer Weise - einschließlich der Beschreibung seines Geschlechtsteils - dargestellt, ist nicht zu erkennen, gegen welche arbeitsvertraglichen Pflichten der Kläger verstoßen haben soll. Selbst wenn es entsprechende Regelungen aufgrund kirchlicher Grundsätze gäbe, die vorliegend aufgrund der Tätigkeit als Wohnheimleiter erforderlich wären und insofern Anwendung auf das Arbeitsverhältnis fänden, oder wenn man berücksichtigt, dass der Beklagte als Tendenzträger anzusehen ist (siehe § 4 des Arbeitsvertrages vom 04.01.1996), würden entsprechende Verpflichtungen des Klägers, gegen die er sodann mit seinem Nutzer- und Suchprofil auf www.gayromeo.com verstoßen haben würde, seine Grundrechte in unzulässiger Weise einschränken und damit verletzten. Die grundgesetzlich geschützte Privat- und Intimsphäre (Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Klägers ist, soweit es außerdienstliches Verhalten anbelangt, höher anzusehen als etwaige Rechte des Beklagten darauf, dass dessen Mitarbeiter die von ihm vertretene Tendenz im Privatleben verfolgen. Hinzu kommt, dass der Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt hat, gegen welche Tendenz des Beklagten bzw. gegen welche kirchlichen Grundsätze verstoßen haben soll. Pauschale Behauptungen ersetzen insofern keinen substantiierten Sachvortrag, so dass der Beklagte insofern der ihm obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen ist.

Gleiches gilt im Übrigen, soweit der Beklagte einwendet, dass der Kläger ausgehend von seinen Einträgen in den Kategorien „Beziehung" und „Suche" aus einer bestehenden Partnerschaft heraus Sexdates sowie Freunde (User zwischen 18 und 28) sucht. Zunächst ist es vorliegend nicht bekannt, aber auch letztlich unerheblich, ob der Kläger tatsächlich im Zeitpunkt der Kündigung in einer bestehenden Partnerschaft lebte. Der Kläger legt mit seinen Einträgen im Nutzer- und Suchprofil auf www.gayromeo.com zwar ein promiskuitives Verhalten nahe, das aber wiederum als außerdienstliches Verhalten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist. Auch wenn die katholische Kirche auf Monogamie oder gar auf ein Zölibat ausgerichtet ist, hat der Beklagte nicht dargelegt, inwieweit das angedeutete Verhalten des Klägers Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben soll. Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis ist aber keine Regelung oder kein einschlägiger kirchlicher Grundsatz zu erkennen, der den Kläger, der nicht verheiratet ist, dazu zwingen würde, monogam und damit nicht promiskuitiv zu leben. Selbst wenn es entsprechende Regelungen aufgrund kirchlicher Grundsätze gäbe, die vorliegend aufgrund der Tätigkeit des Klägers als Wohnheimleiter erforderlich wären und insofern Anwendung auf das Arbeitsverhältnis fänden, oder wenn man berücksichtigt, dass der Beklagte als Tendenzträger anzusehen ist (siehe § 4 des Arbeitsvertrages vom 04.01.1996), würden entsprechende Verpflichtungen des Klägers dessen Grundrechte unzulässig einschränken und damit verletzten. Die grundgesetzlich geschützte Privat- und Intimsphäre (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Klägers wäre auch insofern vorrangig.

(3) Auch die Behauptung des Beklagten, dass der Kläger durch sein Nutzer und Suchprofil auf www.gayromeo.com seine Autorität als Wohnheimleiter eingebüßt hätte, vermag die Kündigung vom 09.10.2006 nicht zu begründen. Soweit der Beklagte in der Güteverhandlung vom 24.11.2006 sogar auf eine etwaige Erpressbarkeit des Klägers hingewiesen hat, vermag dies erst recht zu überzeugen. Spätestens seit der sog. Kießling-Affäre aus dem Jahre 1983 sollte es eine überholte Vorstellung sein, dass öffentlich bekannte oder bekannt gemachte Homosexualität - selbst wenn die Veröffentlichung über das Internet erfolgt - zu einer Erpressbarkeit des Betroffenen führt. Die Autorität des Klägers als Wohnheimleiter dürfte im Übrigen auf seiner langjährigen Tätigkeit für den Beklagten, seinem Fachwissen und seinem Verhalten gegenüber den ihm unterstellten Mitarbeitern, den Bewohnern und dem Beklagten beruhen. Da dem Kläger insofern nichts vorzuwerfen ist - zumindest hat der Beklagte insofern nichts Gegenteiliges behauptet - gibt es keinen für die Kammer nachvollziehbaren Grund, die Autorität des Klägers aufgrund seines privaten Nutzer- und Suchprofils auf www.gayromeo.com anzuzweifeln.

 (4) Auch die vom Beklagten behauptete Gefahr, dass der Kläger sexuelle Kontakte zu Jugendlichen, d.h. zu Personen unter 18 Jahren sucht, die im Wohnheim wohnen und insofern „unter dem Schutz" des Beklagten stehen, vermag die Kündigung vom 09.10.2006 nicht zu rechtfertigen. Zunächst hat der Kläger in seinem Nutzer- und Suchprofil deutlich hervorgehoben, dass er „User zwischen 18 und 28 Jahren" sucht. Er hält sich somit insbesondere an die Vorgaben, die das in der Bundesrepublik Deutschland geltende (Sexual-)Strafrecht setzt. Ferner sucht er nicht nur „Sexdates", sondern auch „Freundschaften". Etwaige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger es während seiner langjährigen Tätigkeit zu sexuellen Distanzverletzungen gegenüber einzelnen Mitarbeitern oder Wohnheimbewohnern hat kommen lassen oder dass diese zu befürchten oder gar kurz bevorstünden, sind vom Beklagten nicht ansatzweise vorgetragen. Es ist auch nicht verständlich, wie der Beklagte darauf kommt, dass homosexuelle Mitarbeiter grundsätzlich dazu neigen würden, sexuelle Beziehungen zu Personen unter 18 Jahren knüpfen zu wollen. Die Kammer kann sich insofern nicht des Eindrucks erwehren, dass es bei der streitgegenständlichen Kündigung weniger um die Frage der realen Gefährdung der Bewohner und Mitarbeiter des Beklagten geht, als vielmehr um reine Einstellungsfragen. Menschen, die - insbesondere, was ihre Sexualität angeht - von dem abweichen, was gesellschaftlich allgemein als „normal" akzeptiert wird, wird häufig unterstellt, sie würden sich auch in ihrem sonstigen Verhalten nicht an die von der Gesellschaft vorgegebenen, sich im Übrigen stets im Fluss befindlichen Regeln halten. Deutlich wird dies unter anderem an den Vorurteilen, die lange Zeit und teilweise auch heute noch gegenüber homosexuellen Männern bestanden haben bzw. noch bestehen. Homosexuellen Männern wurde und wird häufig unterstellt, dass sie zu sexuellen Übergriffen neigen, und deshalb insbesondere die Betreuung minderjähriger Jungen durch homosexuelle Männer äußerst problematisch sei. Hingegen wird die Betreuung minderjähriger Mädchen durch heterosexuelle Männer und erst recht die Betreuung minderjähriger Jungen durch heterosexuelle Frauen allgemein akzeptiert (so ArbG Berlin, Urt. v. 07.07.1999 - 36 Ca 30545/98. NZA-RR 2000, 244, 245). Diese Vorurteile und Unterstellungen beruhen aber weder auf einer validen Tatsachengrundlage noch können sie für eine Kündigung herangezogen werden. Zusammenfassend ist somit eine Gefährdung Dritter, insbesondere von Personen unter 18 Jahren, durch den Kläger nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Die bloße Befürchtung des Beklagten oder gar die behauptete abstrakte Gefahr reichen insofern für eine (fristlose) Kündigung des Klägers nicht aus.

(5) Auch das zwar geplante und dann abgesagte Treffen zwischen dem Kläger und Herrn am 03.09.2006 kann die Kündigung - unabhängig von der Frage der Wahrung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB - nicht rechtfertigen. Zum einen wusste der Kläger nicht, dass es sich bei dem Nutzer, mit dem er über www.gayromeo.com in Kontakt getreten ist, um Herrn ' und damit um einen ihm unterstellten Mitarbeiter ging. Zum anderen wurde die Verabredung gerade durch die namentlich nicht näher bezeichnete Mitarbeiterin des Beklagten -wenngleich ohne dessen Wissen - getroffen. Die Mitarbeiterin hat den Kläger als eine Art agent provocateur dazu aufgefordert, sich mit ihr - unter den Usernamen von Herrn handelnd - zu treffen, um sich mit dem Kläger einen Scherz zu erlauben und um über die Ereignisse im Kollegenkreis zu berichten. Damit war das geplante und dann auch abgesagte Treffen nicht ernst gemeint und kann damit nicht Grundlage für eine Kündigung sein. Hätte sich die Mitarbeiterin nicht beim Kläger gemeldet, wäre es nicht zu der Verabredung gekommen. Selbst wenn sich aber der Kläger und Herr außerdienstlich getroffen hätten, wäre immer noch keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers gegeben, zumal es reine Spekulation wäre, ob es bei bzw. nach einem entsprechenden Treffen zu sexuellen Kontakten - zwischen Volljährigen - gekommen wäre. Auch hier ist nicht zu erkennen, welche Auswirkungen das außerdienstliche Verhalten des Klägers auf das Arbeitsverhältnis haben soll.

 (6) Soweit der Beklagte behauptet, dass der Kläger eine „Pressekampagne" zusammen mit Schwulenverbänden zum Gütetermin bzw. nach dem Gütetermin gestartet habe, entbehren diese Behauptungen zum einen eines schlüssigen Tatsachenvortrages und zum anderen würde es sich dabei um ein Verhalten des Klägers handeln, das nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung erfolgt wäre. Ein derartiges, nachträgliches Verhalten kann die am 09.10.2006 ausgesprochene Kündigung des Beklagten jedoch nicht rechtfertigen.

(7) Soweit der Beklagte schließlich behauptet, dass viele Mitarbeiter im zwischenzeitlich bekundet hätten, dass es für sie nicht vorstellbar sei, dass der Kläger an seinen Arbeitsplatz zurückkehre, da sie keine Möglichkeit für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger sähen, kann dies die Kündigung vom 09.10.2006 ebenfalls nicht rechtfertigen. Es würde sich dann um eine sog. Druckkündigung handeln, bei der nach der ständigen Rechtsprechung des BAG vom Arbeitgeber zunächst erwartet würde, dass er sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellt. Der diesbezügliche Sachvortrag des Beklagten ist unzureichend und unsubstantiiert und lässt vor allem vermissen, aus welchen Gründen das Nutzer- und Suchprofil des Klägers auf www.gayromeo.com, das die wenigsten der nicht näher genannten Mitarbeiter gesehen haben dürften, weil der Kläger es kurz nach der Kündigung aus dem Internet genommen hat, dazu führen soll, dass nach einer Tätigkeit von über 11 Jahren für den Beklagten die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit entfallen sein soll.

d) Auch soweit die fristlose Kündigung des Beklagten vom 09.10.2006 entsprechend § 140 BGB in eine fristgemäße, ordentliche Kündigung umgedeutet wird, ist vorliegend kein Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG gegeben. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. So sind weder Verhaltens- noch personenbedingte Gründe gegeben, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten. Weder hat der Kläger mit seinem außerdienstlichen Verhalten vertragliche (Neben-)Pflichten oder sonstige Loyalitätspflichten verletzt hat noch ist hierdurch seine Eignung als Wohnheimleiter des Beklagten entfallen. Soweit das BAG in einer früheren Entscheidung {BAG, Urt. v. 30.06.1983 - 2 AZR 524/81, NJW 1984. 1917 ff. = AP Nr. 15 zu Art. 140 GG) die im außerdienstlichen Bereich ausgeübte homosexuelle Praxis eines Diakonie-Mitarbeiters - nach dessen vorheriger Abmahnung (kritisch zum Erfordernis einer Abmahnung in diesem Zusammenhang: v. Hoyningen-Huene-Linck, KSchR, 14. Aufl., München, 2007, § 1, Rz. 637) - als außerdienstliches Fehlverhalten, das einen Vertragverstoß darstellt, und damit als Kündigungsgrund angesehen hat, muss diese Entscheidung zum einen in den damaligen Zeitkontext eingeordnet werden, da die Beurteilung der Homosexualität und ihrer Ausdrucksformen seitdem eine erhebliche Veränderung erfahren hat. Zum anderen würde nach Auffassung der Kammer, wie bereits dargestellt, mit einem entsprechenden arbeitsvertraglichen Verbot, ggfls. gestützt auf „kirchliche Grundsätze", die grundrechtlich geschützte Privat- und Intimsphäre (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Klägers in unzulässiger Weise verletzt werden.

III. Dem Kläger stehen ferner die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung des Annahmeverzugslohns für die Monate November 2006 bis April 2007 gemäß §§ 615, 293 ff. BGB i.H.v. insgesamt sechsmal € 2.986,64 (= € 17.919,84) brutto zu. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers ist am 1. des jeweiligen Kalendermonats fällig, und der Beklagte hat die Arbeitsleistung des Klägers trotz Angebots während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht angenommen. Er befindet sich somit in Annahmeverzug. Von dem Annahmeverzugslohn für den genannten Zeitraum sind als anderweitiger Verdienst des Klägers die erhaltenen Bezüge (= Arbeitslosengeld) von der Bundesagentur für Arbeit i.H.v. € 1.113,00 netto seit dem 01.11.2006 in Abzug zu bringen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB in der beantragten Höhe.

IV. Dem Kläger steht des Weiteren der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 gemäß §§615, 293 ff. BGB i.H.v. € 2.438,85 brutto zu. Der Beklagte hat sich weder gegen den Grund noch die Höhe des Weihnachtsgeldanspruchs des Klägers gewandt und damit die tatsächlichen Grundlagen des Weihnachtsgeldanspruchs unstreitig gestellt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Da der Beklagte das Weihnachtsgeld dem Kläger nicht zum 01.12.2006 ausgezahlt hat, bestehen sowohl der Hauptanspruch als auch der Zinsanspruch gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB in der beantragten Höhe.

V. Dem Kläger steht schließlich der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Abgeltung der ihm für das Jahr 2006 verbliebenen Urlaubstage gemäß § 7 Abs. 4 BUrIG i.H.v. € 2.115,54 brutto zu. Der Beklagte hat die 17 verbliebenen Urlaubstage des Klägers unstreitig gestellt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Unabhängig von einer etwaigen Übertragung des Urlaubsanspruchs des Klägers in das Jahr 2007 hat der Beklagte durch die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses dem Kläger die Inanspruchnahme des Urlaubs im Jahre 2006 bzw. im etwaigen Übertragungszeitrum vereitelt, so dass der Urlaub gemäß § 7 Abs. 4 BUrIG abzugelten ist. Die Höhe des Tagessatzes berechnet sich anhand der Regelung des § 11 Abs. 1 BUrIG. Vorliegend ergibt sich aus dem 13-Wochen-Verdienst des Klägers von € 9.706,58 (= 3,25 Monate x €2.986,64 pro Monat) ein Tagessatz bei einer 6-Tage-Woche i.H.v. € 124,44, d.h. zusammen € 2.115,54. Der Zinsanspruch ergibt sich gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB in der beantragten Höhe ab dem 31.12.2006, da ab diesem Zeitpunkt der Urlaubsabgeltungsanspruch fällig geworden ist.

VI. Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger zu 11% und der Beklagte zu 89%, da sie jeweils teilunterlegen sind, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick auf die zuletzt gestellten Klageanträge, die zusammen mit € 24.756,15 zu bewerten sind (siehe unten), obsiegt der Kläger vollumfänglich. Allerdings hat er den ursprünglich auch klageweise geltend gemachten Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, der mit einem Bruttomonatsgehalt i.H.v. € 2.986,64 zu bewerten ist, zurückgenommen. Da die Teilklagerücknahme nicht mehr kostenprivilegiert ist, ist die Kostenverteilung ausgehend vom Gebührenstreitwert nach § 63 GKG vorzunehmen. Dieser Wert beträgt vorliegend € 27.742.79, wovon der Kläger mit einem Betrag i.H.v. € 24.756,15 (= 89%) obsiegt, während er sich mit dem Restbetrag mittels der Klagerücknahme in die Position des Unterlegenen begeben hat. Dementsprechend ist die Kostentragungslast zwischen den Parteien zu verteilen.

VII. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf §61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf € 24.756,15 (= 3 x Bruttomonatsgehalt i.H.v. € 2.986,64 brutto + € 17.919,84 brutto - 6 x € 1.113,00 netto + € 2.438,85 brutto + € 2.115,54 brutto) festzusetzen. Dies entspricht für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttomonatsgehältern des Klägers. Die übrigen Zahlungsansprüche werden entsprechend ihres jeweiligen Wertes addiert.

VIII. Die Entscheidung über die Berufungszulassung beruht auf § 64 Abs. 3, Abs. 2 lit. a.) ArbGG. Vorliegend ist die Berufung nicht gesondert zuzulassen, da keine Berufungsgründe vorliegen. Die Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. b.) und lit. c.) ArbGG bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Berufungszulassung ist gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.

IX. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite.



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