Arbeitsgericht Frankfurt

Urteil vom - Az: 3 Ca 1957/09

Bonuszahlung; Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen Negativgeschäft

Wird dem Arbeitnehmer eine Bonuszahlung für den Fall versprochen, dass das Arbeitsverhältnis über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus fortbesteht, so spricht dies gegen einen ertragsabhängigen Bonus. Auch der Umstand, dass die Zahlung in Ansehung der Wertschätzung des Arbeitnehmers erfolge, spricht gegen eine Ertragsabhängigkeit der Bonuszahlung. Eine Ertragsabhängigkeit ist bei einem bereits zu diesem Zeitpunkt prognostizierten negativen Ergebnis von minus € 2.9 Milliarden ohnehin nur schwer vorstellbar. Der Anspruch auf die zugesicherte Bonuszahlung entfällt daher nicht wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§313 BGB).
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zu Tage getretenen und dem anderen Teil auch erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Umständen aufbaut. Voraussetzung für den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist, dass diese Umstände oder wesentlichen Vorstellungen sich als falsch herausstellen.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, 1.500.000,00 EUR (in Worten: Eine Million Fünfhunderttausend 00/100 EURO) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Februar 2009 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Der Streitwert wird auf 1.500.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche.

Der Kläger war vom 30. März 2006 bis 31. Januar 2009 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als ... beschäftigt. Die Einzelheiten regelt ein Dienstvertrag. In diesem Vertrag ist u. a. unter

2 b) "variable Vergütung" geregelt:

"Eine variable Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage der ... sowie in Erwartung weiterer engagierter Tätigkeit individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgesetzt wird. ..."

Im Übrigen wird auf den Vertrag (Bl. 54 ff d. A.) Bezug genommen.

Im Hinblick auf die sich abzeichnende Verschmelzung von ... und ... haben die Parteien des Arbeitsvertrages ab Sommer 2008 Gespräche über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt.

Unter dem 18. November 2008 (Bl. 103 d.A.) erhielt der Kläger folgendes Schreiben:

"Sehr geehrter Herr

wir beziehen uns auf die mit Ihnen geführten Gespräche und bestätigen Ihnen, dass wir Ihnen bereits jetzt für das Kalenderjahr 2008 eine variable Vergütung / Bonuszahlung gemäß Ziff. 2 b) Ihres Dienstvertrages in Verbindung mit Ziff. 3.1 b) Ihres Secondmentvertrages vom 10.05. und 17.05.07 in Höhe von mindestens € 3.000.000,00 brutto zusagen. Aus dieser garantierten variablen Vergütung können keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden. Die Auszahlung dieser garantierten variablen Vergütung / Bonuszahlung nehmen wir mit Vertragsende zum Beendigungszeitpunkt vor, soweit Sie sich zum Closing 1 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Hiervon ausgenommen ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen bzw. Gründen, die Sie nicht zu vertreten haben. ... Bitte beachten Sie, dass diese Garantie eine besondere Wertschätzung der Bank Ihrer Person ist und Sie deshalb Stillschweigen gegenüber Dritten zu wahren haben. Wir setzen weiterhin auf Ihr Engagement und Ihre Leistung"

In einem Schreiben vom gleichen Tag haben die Parteien ebenfalls die Eckpunkte für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgelegt (Bl 61.d.A.).

Bereits im November 2008 prognostizierte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein negatives operatives Ergebnis in Höhe von 2,9 Milliarden EURO.

Unter dem 22. Dezember 2008 / 12. Januar 2009 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. In diesem Aufhebungsvertrag wird u. a. folgendes vereinbart:

"Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet aus betriebsbedingten Gründen auf Veranlassung der Bank mit dem Mehrheitserwerb der ... durch die ... (sog. Closing Transaktion Schritt 1). ....

Für das Kalenderjahr 2008 erhält der Mitarbeiter einen Bonus gemäß des Bonusgarantieschreibens vom 30.11.2008 in Höhe von € 3.000.000,00 (in Worten: drei Millionen EURO) brutto. ....

Die Parteien sind sich einig, dass mit diesen Regelungen unter Ziff. 2 die Vergütungsansprüche des Mitarbeiters abschließend geregelt sind. ....

3. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die ... an den Mitarbeiter eine bereits jetzt entstandene und damit vererbbare Abfindung unter entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, § 24, § 34 EStG in Höhe von € 1.500.000,00 (in Worden eine Million fünfhunderttausend) brutto. Der sich ergebende Nettobetrag wird dem Mitarbeiter Anfang Februar 2009 ausgezahlt. Mit Blick auf die Aufgabe seines Wohnsitzes in Deutschland erfolgt die Auszahlung der Abfindung auf eine vom Mitarbeiter der ... bis zum ersten Arbeitstag des Abrechnungsmonates zu benennende Bankverbindung. Die Versteuerung der Abfindung erfolgt nach den zum Zeitpunkt der Auszahlung jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen. Die anfallenden Steuern sind vom Mitarbeiter zu tragen. ....

Sollte der Mitarbeiter bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Ziff. 1 dieses Vertrages einen Arbeitsvertrag mit einer Gesellschaft des ... oder des ... abschließen, entfallen sämtliche Ansprüche aus diesem Aufhebungsvertrag.

... Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass nach Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung beiderseits keinerlei Ansprüche - mit Ausnahme eventuell bestehender Konto- und Kreditverbindlichkeiten gegen die - mehr aus dem Dienstverhältnis - insbesondere wegen Urlaub, Group Equity Incentive planen, Vergütung und variable Gratifikation - und seiner Beendigung bestehen und auch keine Tatsachen gegeben sind, aus denen solche Ansprüche abgeleitet werden können."

Auf den Vertrag im Übrigen (Bl. 12 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Im Januar 2009 wurden die € 3.000.000,00 Bonus gemäß Vertrag an den Kläger gezahlt.

Eine Auszahlung der € 1.500.000,00 Abfindung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte nicht.

Unter dem 18. Februar 2009 wandten die Vorstände ... und ... an die Mitarbeiter. In diesem Schreiben heißt es u. a.:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

für ein Unternehmen gilt der gleiche Grundsatz, den auch jeder Einzelne von Ihnen privat beherzigen wird und den ich am letzten Donnerstag in der Öffentlichkeit bereits klar angesprochen habe: Man kann nur das ausgeben, was man eingenommen hat. Anders gesagt: Wo Verluste erwirtschaftet werden, kann auch nichts verteilt werden. ... Vor diesem Hintergrund haben wir uns im Vorstand der neuen ... mit den Bonuszahlungen für das Jahr 2008 auseinandergesetzt. Nach intensiver Diskussion haben der Vorstand der und der Vorstand der ... eine mögliche einheitliche Regelung für ... und ... und deren Töchter beschlossen. Es wird für 2008 keinerlei Bonuszahlungen geben. Dies gilt ausdrücklich für alle Vorstände, alle Führungskräfte und alle Mitarbeiter der ... im In- und Ausland und für alle hundertprozentigen Töchter, also auch für die ... und die Investmentbank ....

Dies bedeutet im Einzelnen: ...

In beiden Häusern bezahlen wir den Mitarbeitern die vertraglich zugesicherten Leistungen.

Für Mitarbeiter, die keine individualvertraglichen Zusagen haben, bedeutet dies zusammengefasst: ..."

Auf das Schreiben (Bl. 63 ff. d. A.) wird verwiesen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm die € 1.500.000,00 Abfindung gemäß Vereinbarung zustehen. Die Auszahlung könne von Seiten der Beklagten nicht verweigert werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, € 1.500.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12. Februar 2009 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie zur Aufrechnung der Abfindung mit dem zu Unrecht gezahlten Bonus berechtigt sei.

Die Geschäftsgrundlage hinsichtlich der negativen Prognose habe sich dergestalt geändert, dass ein Festhalten der Beklagten an dem Vertrag unzumutbar sei. Es habe sich herausgestellt, dass sich der tatsächlich negative Ergebnisbetrag zuletzt auf eine Summe von 6,2 Milliarden EURO belaufe. Von daher sei die Beklagte zur Anpassung des Vertrages über die Geschäftsgrundlage berechtigt. Eine entsprechende Geltendmachung des Klägers sei nicht möglich. Die Verschlechterung der Ertragslage, die Entwicklung der Kernkapitalquote und auch der öffentliche Druck könnten nicht ohne Einfluss auf die entsprechende Bonuszahlung sein.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß der Aufhebungsvereinbarung vom 22. Dezember 2008 und 12. Januar 2009 auf Zahlung einer Abfindung von € 1.500.000,00. Die Beklagte hat sich rechtswirksam hierzu verpflichtet. Ferner hat sie sich wirksam zur Zahlung des Vergütungsbetrages von € 3.000.000,00 verpflichtet.

Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Anpassung des Vertrages vom 22. Dezember 2008 / 12. Januar 2009 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu verlangen. Da eine Anpassung nicht in Betracht kommt, steht der Beklagten gegen die Abfindungsforderung des Klägers keine aufrechenbare Gegenforderung zu.

Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zu Tage getretenen und dem anderen Teil auch erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Umständen aufbaut (vgl. Palandt-Heinrichs, § 313 BGB, Anm. 4 ff.). Voraussetzung ist, dass diese Umstände zur Grundlage des Vertrags geworden sind oder wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen. In beiden Varianten des § 313 Abs. 1 bzw. § 313 Abs. 2 BGB würde über die Geschäftsgrundlage eine entsprechende Anpassung möglich sein.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist nicht erkennbar, dass die Ertragslage der Bank Geschäftsgrundlage für den Aufhebungsvertrag und die Vereinbarung der € 3.000.000,00 variable Vergütung geworden ist.

Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 18. November 2008, der Nichtaufnahme einer Reviewklausel sowie dem bereits zu diesem Zeitpunkt prognostizierten negativen operativen Ergebnis.

Im Schreiben vom 18. November 2008 wird als einzige Voraussetzung für die Auszahlung der variablen Vergütung in Höhe von € 3.000.000,00 der Verbleib des Klägers bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem sog. "Closing 1" im ungekündigten Arbeitsverhältnis aufgestellt.

Auch der Umstand, dass in dem Schreiben vom 18. November 2008 ausgeführt ist, dass die Zahlung in Ansehung der Wertschätzung des Klägers erfolge, spricht gegen eine Ertragsabhängigkeit der Bonuszahlung. Eine Ertragsabhängigkeit ist bei einem bereits zu diesem Zeitpunkt prognostizierten negativen Ergebnis von minus € 2.9 Milliarden ohnehin nur schwer vorstellbar.

Dass die Ertragslage nicht Geschäftsgrundlage wurde, ergibt sich auch aus folgenden Erwägungen:

Der Kläger konnte unbestrittenermaßen vortragen, dass im Dezember 2008 in den Bonusbriefen an andere Mitarbeiter der Investmentbank sog. MAC-(Materialadverse Eventclause ) Klauseln enthalten waren.

Danach sind die dort versprochenen Bonuszahlen erfolgt "unter dem Vorbehalt eines Reviews für den Fall, dass im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 weitere wesentliche negative Abweichungen in Ertrag und Ergebnis vom DKIB zum Forecast für die Monate November und Dezember 2008 festgestellt werden, d. h., die Ergebnissituation in DKIB sich in diesem Zeitraum wesentlich verschlechtert".

Die Aufnahme dieses Vorbehalts zeigt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten durchaus mit eventuellen Entwicklungsschwankungen rechnete.

Der Aufhebungsvertrag mit dem Kläger wurde eine Woche später ohne eine derartige Reviewklausel unterzeichnet.

Aus dem Umstand, dass man dem Kläger eine entsprechende Zusagegarantie ohne einen Vorbehalt erteilte, folgt nun im Umkehrschluss, dass es sich bei der Zahlung an den Kläger um eine Bleibeprämie und gerade nicht um eine ertragsabhängige Bonuszahlung handelte.

Dass für die Zahlung einer variablen Vergütung nicht nur die Ertragslage allein der Bank maßgeblich ist ergibt sich bereits aus dem Arbeitsvertrag.

Dort heißt es unter 2 b) variable Vergütung, dass diese unter "Berücksichtigung der Ertragslage der Dresdner Bank sowie in Erwartung weiterer engagierter Tätigkeit individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgesetzt wird."

Demnach war bereits im Arbeitsvertrag geregelt, dass Bonuszahlungen in Erwartung der Erbringung bestimmter Arbeitsleistungen des Klägers erfolgten. Dies wurde auch im Schreiben vom 18. November 2008 zum Ausdruck gebracht, in dem ausdrücklich ausgeführt wurde:

"Wir setzen weiterhin auf Ihr Engagement und Ihre Leistung."

Dass die Beklagte nun zum Zeitpunkt November 2008 nicht die Ertragslage, sondern allenfalls den Verbleib des Klägers und damit die Erwartung seiner Arbeitsleistung für eine bestimmte Zeitspanne zum Gegenstand der Höhe der Sonderzahlung gemacht hat, steht einer Anpassung des Vertrages - auch bei Verschlechterung der Zahlen - entgegen. Da eine Anpassung der Geschäftsgrundlage ausscheidet, kommt auch eine Aufrechnung der Abfindung mit den bereits erfolgten Bonuszahlungen nicht in Betracht.

Der Zinsanspruch ergibt sich dem Grunde und der Höhe nach aus dem Zahlungsverzug durch die Beklagte (§§ 286 ff. BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Streitwert ist im Urteil festzusetzen und entspricht der Höhe des geltend gemachten Betrages (§ 3 ZPO).

 



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