Arbeitsgericht Frankfurt

Urteil vom - Az: 1 Ga 63/11

Aussperrung nach Streikende; unzulässige Gruppenbildung

Eine Abwehraussperrung ist unverhältnismäßig und rechtswidrig, wenn dabei nur diejenigen Arbeitnehmer ausgesperrt werden, welche sich am Streik beteiligt haben, wobei für die Dauer des Streiks die Hälfte der Arbeitnehmer gar nicht zum Dienst eingeteilt war und die Aussperrung 48 Stunden über das Streikende hinausgeht.
Weil vorliegend nur 40 von 80 beschäftigten Lokomotivführern während der Streikdauer zum Dienst eingeteilt war und der Arbeitgeber daher gar nicht feststellen konnte wer sich aktiv am Streik beteiligt, stellte es eine unzulässige Gruppenbildung dar, wenn der Arbeitgeber die 13 Arbeitnehmer, die ihren Dienst verweigerten, aussperrt.
Eine Abwehraussperrung über das Streikende hinaus ist jedoch grundsätzlich zulässig.

Tenor

Die Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, Mitglieder der Verfügungsklägerin bis 4. April 2011, 02.00 Uhr, auszusperren.

Der Verfügungsklägerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu € 50.000,00 angedroht.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 50.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin wendet sich gegen Aussperrungen ihrer Mitglieder durch die Verfügungsbeklagte im Rahmen einer laufenden Tarifauseinandersetzung.

Die Verfügungsklägerin organisiert als Gewerkschaft vor allem die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, die den Beruf eines Lokomotivführers ausüben, ganz gleich, in welchen Branchen, Bereichen und Unternehmen und in welcher Rechtsform sie beschäftigt sind. Darüber hinaus organisiert sie die Zugbegleiter und sonstige Arbeitnehmer, die in Eisenbahnverkehrsunternehmen beschäftigt sind.

Die Verfügungsbeklagte mit Sitz in S betreibt Schienenpersonennahverkehr überwiegend im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Gesellschafter sind zu 70 % die ... I und zu 30 % die Nahverkehr .... Die Verfügungsbeklagte beschäftigt insgesamt rund 80 Lokomotivführer.

Die Verfügungsklägerin führt derzeit einen Arbeitskampf zur Durchsetzung von tariflichen Zielen zur Verwirklichung von einheitlichen Arbeitsbedingungen von Lokführern - die Rede ist dabei vom Abschluss eines einheitlichen Bundesrahmen-Lokomotivführertarifvertrages (BuRa-LfTV) - bei den im Eisenbahnverkehr tätigen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Zusammenhang rief die Verfügungsklägerin ihre bei der Verfügungsbeklagten beschäftigten Mitglieder und alle nicht organisierten Lokomotivführer bei der Verfügungsbeklagten zu einem Streik von Donnerstag, 31. März 2011, 3.00 Uhr, bis Samstag, 2. April 2011, 2.00 Uhr, auf. Die Verfügungsbeklagte ihrerseits wandte sich an die 13 Lokomotivführer, die am Donnerstag, 31. März 2011, in der Zeit von 3.00 Uhr bis 16.00 Uhr trotz Einteilung im Dienstplan ohne weitere Erklärung nicht die Arbeit antraten oder sogar ausdrücklich ihre Streikteilnahme erklärten, mit jeweils folgendem Schreiben:

"Abwehraussperrung

Sehr geehrter Herr ...,

die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) führt derzeit einen Streik in unserem Unternehmen durch. Zur Abwehr dieser Maßnahme werden Sie hiermit bis Montag, den 04.04.2011, 02.00 Uhr ausgesperrt.

Ich weise Sie darauf hin, dass Ihr Arbeitsverhältnis während der Dauer der Aussperrung suspendiert ist und Sie daher

- nicht arbeiten dürfen,

- keine Vergütung erhalten und

- das Betriebsgelände nicht betreten dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Geschäftsführer."

Weitere Lokomotivführer blieben in der Zeit von Donnerstag, 31. März 2011, 16.00 Uhr, bis zum Streikende am Samstag, 2. April 2011, 2.00 Uhr trotz Einteilung im Dienstplan und ohne weitere Erklärung oder sogar mit ausdrücklicher Erklärung ihrer Streikteilnahme nicht der Arbeit fern. Insgesamt waren in der Zeit des Streiks von Donnerstag, 31. März 2011, 3.00 Uhr, bis Samstag, 2. April 2011, 2.00 Uhr, von den insgesamt rund 80 bei der Verfügungsbeklagten tätigen Lokomotivführern insgesamt rund 40 Lokomotivführer zu Diensten eingeteilt.

Bereits mit Schriftsatz vom 1. April 2011, bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen am gleichen Tage und der Verfügungsbeklagten zugestellt noch am 1. April 2011 (Bl. 43 d. A.), hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt.

Sie ist der Ansicht, es liege eine offensichtlich rechtswidrige Aussperrung vor, da diese offensichtlich unverhältnismäßig sei. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass sich bei den vom Arbeitskampf der Verfügungsklägerin betroffenen Unternehmen insgesamt mehr als 50 % der dort insgesamt beschäftigten Lokomotivführer im Arbeitskampf befänden. Weiterhin ergebe sich die Unverhältnismäßigkeit aus der zeitlichen Dauer der Aussperrung, die deutlich über die Dauer der Arbeitskampfmaßnahme der Verfügungsklägerin hinausginge. Auch liege eine selektive Aussperrung vor, da, so die Behauptung der Verfügungsklägerin, neben ihrem Mitglied ... ausschließlich Mitglieder von ihr ausgesperrt worden seien. Letztlich ist die Verfügungsklägerin der Ansicht, für einen unternehmensbezogenen Arbeitskampf sei eine Aussperrungsbefugnis nicht notwendig und erforderlich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsschrift vom 1. April 2011 nebst Anlagen (Bl. 21 bis 40 d. A.) verwiesen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, es zu unterlassen, Mitglieder der Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit der laufenden Tarifauseinandersetzung auszusperren;

hilfsweise,

Mitglieder der Verfügungsklägerin bis 4.4.2011, 2:00 Uhr und im Anschluss an beendete Arbeitsniederlegungen auszusperren;

hilfsweise,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen des laufenden Arbeitskampfes der Verfügungsklägerin nur die Arbeitnehmer auszusperren, die zuvor durch Nichterbringung der Arbeitsleistung an einem Streik teilgenommen haben.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die Verfügungsklägerin führe eine rechtswidrige Streikmaßnahme durch. Demgegenüber sei die Aussperrungsmaßnahme der Verfügungsbeklagten nicht unverhältnismäßig. Hierzu behauptet die Verfügungsbeklagte, die Dauer der Aussperrung überschreite die Dauer des Streiks nur um eine Stunde und sie sperre nur die Lokomotivführer aus, die dem Streikaufruf gefolgt seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragserwiderung vom 1. April 2011 (Bl. 46 und 59 d. A.) verwiesen.

Die Akten mit der von der Verfügungsklägerin bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 16 AR 15/11 hinterlegten Schutzschrift vom 14. Februar 2011 waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Im Übrigen wird ergänzend auf die Sitzungsniederschrift vom 2. April 2011 (Bl. 52 und 53 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das angerufene Arbeitsgericht Frankfurt am Main ist örtlich zuständig. Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist gemäß § 32 ZPO das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist dabei der Ort, in dem die unerlaubte Handlung begangen wurde, als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 32 Rn. 16). Danach ist auch Frankfurt am Main Begehungsort iSd. § 32 ZPO, da die Verfügungsklägerin hier ihren Sitz hat. Die durch die Aussperrung auch ihrer Mitglieder von der Verfügungsklägerin angenommene Verletzung ihrer gemäß Art. 9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsspezifischen Betätigung wirkt, wie bereits die 12. Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main (Beschlüsse vom 30. Juli 2007 - 12 Ga 144/07, vom 30. Juli 2007 - 12 Ga 148/07) zutreffend festgestellt hat, gerade auch am Sitz der Verfügungsklägerin (vgl. auch ArbG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. November 2010 - 10 Ca 6462/10). Mit Anrufung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main hat die Verfügungsklägerin von dem ihr nach § 35 ZPO zustehenden Wahlrecht unter mehreren Gerichtsständen danach in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

A.

Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet. Es fehlt der erforderliche Verfügungsgrund. Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls zulässig und zum Teil begründet. Soweit sich die Verfügungsklägerin gegen die Aussperrung ihrer Mitglieder durch die Verfügungsbeklagte bis 4. April 2011, 2.00 Uhr, wendet, liegen Unterlassungsanspruch und Verfügungsgrund vor. Hingegen kann die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten nicht generell Unterlassung von Aussperrungen ihrer Mitglieder im Anschluss an beendete Arbeitsniederlegungen verlangen. Der weitere Hilfsantrag ist nicht zur Entscheidung des Gerichts angefallen. Dieses Entscheidungsergebnis beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO):

I.

Der Hauptantrag der Verfügungsklägerin ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Hauptantrag ist jedoch nicht begründet. Es fehlt jedenfalls an dem erforderlichen Verfügungsgrund, um im summarischen Verfahren die begehrte einstweilige Verfügung zu erhalten. Die Verfügungsklägerin verlangt eine vollständige Erfüllung ihres vermeintlichen Anspruchs auf Unterlassung von Aussperrungen durch die Verfügungsbeklagte. Eine derartige Leistungsverfügung ist jedoch nur zulässig zur Sicherung unabweisbarer Gefahren und eines sonst erheblich gefährdeten Rechtsfriedens (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Juni 1984 - 5 SaGa 677/84, NZA 1984, S. 128 ff.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr würde die Kammer durch den Erlass der einstweiligen Verfügung - über die Befriedung des vermeintlichen Anspruchs hinaus - unmittelbar in die Verhandlungsparität der Tarifvertragsparteien eingreifen; es ist den Gerichten allerdings verwehrt, einseitig das Verhandlungsgleichgewicht der Sozialpartner zu verschieben (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Juni 1984 - 5 SaGa 677/84, a. a. O.).

II.

Der erste Hilfsantrag der Verfügungsklägerin ist ebenfalls zulässig. Auch er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Weiter liegt das erforderliche Rechtsschutzinteresse vor, denn die Verfügungsklägerin hat auf das Bestreiten mit Nichtwissen durch die Verfügungsbeklagte unwidersprochen (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 138 Abs. 3 ZPO) behauptet, der Empfänger des Schreibens der Verfügungsbeklagten vom 31. März 2011 (Bl. 32 d. A.), ... sei Mitglied der Verfügungsklägerin.

Der erste Hilfsantrag ist jedoch nur zum Teil begründet. Die Aussperrung von Mitgliedern der Verfügungsklägerin bis 4. April 2011, 2.00 Uhr, ist der Verfügungsbeklagten zu untersagen, da diese unverhältnismäßig und damit rechtswidrig ist. Hingegen fehlt es für die Untersagung von Aussperrungen von Mitgliedern der Verfügungsklägerin im Anschluss an beendete Arbeitsniederlegungen am erforderlichen Verfügungsanspruch. Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass Aussperrungen, die noch im Anschluss an beendete Arbeitsniederlegungen fortdauern, generell rechtswidrig sind. Im Einzelnen:

1. Eine Aussperrung von Mitglieder kann zum Schutz der Koalitionsausübung (§ 823 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile auf Antrag einer Gewerkschaft dann untersagt werden, wenn - wie im Falle des Streiks - deren Rechtswidrigkeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann (für den Streik: LAG Hessen, Urteil vom 17. September 2008 - 9 SaGa 1442/08, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 81, Rz. 35). Dies ist vorliegend der Fall.

Zunächst folgt das angerufene Gericht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Aussperrungen nicht schlechthin unzulässig sind, sondern als Kampfmittel der Arbeitgeber im Arbeitskampf unter bestimmten Voraussetzungen aus Gründen der Parität im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verfügbar bleiben müssen (grundlegend: Großer Senat des BAG, Beschluss vom 21. April 1971 - GS 1/68, AP Nr. 43 Art. 9 GG Arbeitskampf; siehe auch: BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 - 1 BVR 779/85, AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Die Rechtmäßigkeit einer Aussperrung ist dabei insbesondere nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Unter diesem Aspekt erweist sich die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene Aussperrung von Mitgliedern der Verfügungsklägerin bis zum 4. April 2011, 2.00 Uhr, als unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die Unverhältnismäßigkeit der Aussperrung ergibt sich unter Berücksichtigung der Auswahl der ausgesperrten Lokomotivführer durch die Verfügungsbeklagte und deren Entscheidung, die Aussperrung über die Zeiten des Streiks bis Montag, 4. April 2011, 2.00 Uhr fortzuführen. Zunächst hat die Verfügungsklägerin auf das Bestreiten der Verfügungsbeklagten allerdings nicht den Nachweis führen können, die Verfügungsbeklagte habe nur Mitglieder der Verfügungsklägerin ausgesperrt. Doch hat sich die Verfügungsbeklagte einer anderen Form der unzulässigen Selektivaussperrung bedient. Zwar können grundsätzlich auch partielle, selektive Aussperrungen zulässig sein. Der Arbeitgeber ist bei seiner Gruppenbildung allerdings an rechtliche Vorgaben wie das allgemeine Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, den Gleichbehandlungsgrundsatz und nicht zuletzt an Art. 9 Abs. 3 GG gebunden (Otto, Arbeitskampf und Schlichtungsrecht, 2006, § 10 Rz. 81). In dem sich die Verfügungsbeklagte vorliegend bei der Aussperrung auf die 13 Lokomotivführer beschränkt hat, die sich aktiv am Streik beteiligt haben, und die Aussperrungsmaßnahme über das Streikende am Samstag, 2. April 2011, 2.00 Uhr, hinaus bis Montag, 4. April 2011, 2.00 Uhr, angeordnet hat, liegt für die Kammer ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor (vgl. auch Anmerkung von Thüsing zu LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1996 - 3 Sa 893/96, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 65). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass von den insgesamt rund 80 bei der Verfügungsbeklagten beschäftigten Lokomotivführern sich überhaupt nur rund vierzig Lokomotivführer aktiv am Streik beteiligen konnten. Die übrigen Lokomotivführer der Verfügungsbeklagten waren von Donnerstag, 31. März 2011, 3.00 Uhr, bis Samstag, 2. April 2011, 2.00 Uhr, überhaupt nicht zu Diensten bei der Verfügungsbeklagten eingeteilt, so dass die Verfügungsbeklagte deren Bereitschaft zur ggf. aktiven Streikteilnahme erst gar nicht feststellen konnte. Für die Kammer werden damit die 13 über das Streikende hinaus bis Montag, 2. April 2011, 2.00 Uhr, ausgesperrten Lokomotivführer durch die Verfügungsbeklagte in unzulässiger Weise gegenüber ihren nicht ausgesperrten Kolleginnen und Kollegen ungleich behandelt. Eine Rechtfertigung dieser Differenzierung ist nicht ersichtlich und von der Verfügungsbeklagten sind Gründe hierfür auch nicht dargetan. Die Aussperrung dieser Gruppe über das Ende des Streiks bis Montag, 2. April 2011, 2.00 Uhr, erscheint vielmehr als Ahndung der bereits beendeten Streikteilnahme; es fehlen die zur rechtlichen Zulässigkeit auf jeden Fall erforderlichen sachlichen, ausschließlich kampftaktisch motivierten Gründe (Siehe BPSU-AKR, 3. Aufl. 2010, Rn. 337).

Ob, wie die Verfügungsbeklagte meint, die Verfügungsklägerin bei ihr eine rechtswidrige Streikmaßnahme durchgeführt habe, hat die Kammer nicht entscheiden müssen. Selbst in diesem Fall bliebe die Aussperrung der Verfügungsbeklagte bis zum 4. April 2011, 2.00 Uhr, aus den vorgenannten Gründen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich die Verfügungsbeklagte gegen eine etwaig unrechtmäßige Streikmaßnahme der Verfügungsklägerin mit einer rechtswidrigen Aussperrung wehren können müsste. Ungeachtet dessen erscheint es rechtlich äußerst problematisch, ob bei Vorliegen eines rechtswidrigen Streiks die Abwehraussperrung überhaupt mangels Erforderlichkeit ein rechtlich zulässiges Kampfmittel sein kann (ablehnend: ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 244 f.).

2. Hingegen steht der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte kein Anspruch auf "generelle" Untersagung von Aussperrungen ihrer Mitglieder im Anschluss an beendete Arbeitsniederlegungen zu. Die erkennende Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Dauer der Aussperrung durchaus die Dauer des Streiks um einiges überschreiten darf (BAG, Urteil vom 11. August 1982 - 1 AZR 103/92, NZA 1993, S. 39 ff, Rz. 37).

3. Ein Verfügungsgrund liegt vor, §§ 935, 940 ZPO; 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Die einstweilige Verfügung ist, soweit das Gericht sie erlassen hat, zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin geboten. Der sich für die Verfügungsklägerin angesichts der Rechtswidrigkeit der Aussperrungsmaßnahme im Hinblick auf ihre Mitglieder ergebende Verstoß gegen die nach § 9 Abs. 3 Satz 2 GG geschützte Koalitionsfreiheit ist nicht hinzunehmen.

4. Das Ordnungsgeld ist bis zu der im Tenor genannten Höhe anzudrohen, §§ 890 Abs. 2 ZPO, 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

III.

Aufgrund der jedenfalls teilweisen Stattgabe des zunächst hilfsweise zum Hauptantrag gestellten Antrages ist die prozessuale Bedingung für den weiteren Hilfsantrag der Verfügungsklägerin nicht eingetreten, so dass die Kammer mangels Rechtshängigkeit hierüber nicht hat entscheiden müssen.

B.

Die Kosten des Verfahrens hat das Gericht unter Berücksichtigung des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens der Parteien gegeneinander aufgehoben, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO; 61 Abs. 1 ArbGG.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt auf der nächsten Seite.

 



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