Arbeitsgericht Frankfurt

Beschluss vom - Az: 12 BV 184/09

Anfechtung einer Betriebsratswahl; Vorliegen eines Betriebsteils bei zentraler Leitung

1. Ficht der Arbeitgeber die Betriebsratswahl in einem -seiner Meinung nach- unselbständigen Betriebsteil an, wobei er sich auf die Verkennung des Betriebsbegriffs beruft, so muss er auch die Betriebsratswahlen in den übrigen Betriebsteilen anfechten oder -sofern gerade keine Wahlen stattfinden- erklären dies zukünftig zu tun (Unzulässigkeit der "isolierten Wahlanfechtung").
2. Ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens liegt vor, sofern der Betriebsbegriff bei der Durchführung der Wahl verkannt wurde.
3. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt. (Hier: Vorliegen eines Betriebsteils, trotz zentraler, geschäftsbereichsbezogener Leitung)

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 1) ist ein Bereich Marketing und Consulting der IT-Branche tätiges Unternehmen mit 109 Mitarbeitern. Der Sitz der Beteiligten zu 1) ist in München. Sie ist eine Tochtergesellschaft der ./.. und gehört damit einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe mit derzeit ca. 4.000 Mitarbeitern an. Die beiden Geschäftsführer der Beteiligten zu 1), Herr ./. und Herr ./., üben ihre Geschäftsführertätigkeit vom Hauptsitz der ./. in Stamford, USA, aus. Die Beteiligte zu 1) verfügt in Deutschland über vier Standorte (Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg). An jedem der Standorte besteht derzeit ein Betriebsrat. Seit 14. Juli 2005 besteht auch ein Gesamtbetriebsrat, der sich aus vier Mitgliedern zusammensetzt.

Der Beteiligte zu 2) ist der am Standort Frankfurt gebildete Betriebsrat.

Am Standort Frankfurt der Beteiligten zu 1) sind derzeit 33 Mitarbeiter beschäftigt. Am 2. Mai 2005 war dort erstmals ein Betriebsrat gewählt worden, der sich aus drei Mitgliedern und einem Ersatzmitglied zusammensetzte. Nachdem zum 1. Juli 2005 ein Betriebsratsmitglied das Unternehmen verlassen hatte und sodann zum 30. September 2008 ein weiteres Betriebsratsmitglied aus dem Unternehmen ausgeschieden war, war die Mitgliederzahl des Betriebsrates unter die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzahl von drei Mitgliedern gesunken, weshalb Neuwahlen eingeleitet wurden, die am 6. März 2009 stattfanden. Der neu gewählte Betriebsrat setzt sich aus drei Mitgliedern, Herrn ./., Herrn ./. sowie Herrn ./., sowie drei Ersatzmitgliedern zusammen. Auf die Wahlniederschrift vom 6. März 2009 (Bl. 47 d. A.) wird Bezug genommen. Mit E-Mail vom gleichen Tage, der als Anhang die Wahlniederschrift beigefügt war, teilte der Wahlvorstand der Belegschaft und der Beteiligten zu 1) das Wahlergebnis mit. Zudem hing das Ergebnis der Wahl seit 6. März 2009 am Schwarzen Brett am Standort Frankfurt aus. In Frankfurt existieren angemietete Büroräume für die dortigen Mitarbeiter.

Bei der Beteiligten zu 1) erfolgt die Leitung der Mitarbeiter in personellen Angelegenheiten nicht Standort-, sondern geschäftsbereichsbezogen. An keinem der Standorte in Deutschland besteht eine Leitung, die die wesentlichen Entscheidungen in personellen Angelegenheiten für alle dort beschäftigten Mitarbeiter trifft. Es liegt vielmehr eine weltweite Matrixorganisation mit geschäftsbereichsbezogenen Organisations- und Hierarchiestrukturen vor, die unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen und betrieblichen Strukturen in den einzelnen Ländern operiert.

Bei der Beteiligten zu 1) existieren im Wesentlichen vier Geschäftsbereiche (sog. „Business Units"): Consulting, Sales, Research und Gartner Executive Programms ("EXP").

Am Standort Frankfurt sind Mitarbeiter aller Business Units beschäftigt. Von den 33 Mitarbeitern des Standortes gehören fünf der Business Unit Consulting, 18 der Business Unit Sales, vier der Business Unit Research, vier der Business Unit EXP, ein Mitarbeiter dem Bereich Strategic Technology Group und ein Mitarbeiter dem Bereich Client Relationship an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33 ff. d. A. Bezug genommen.

Über die personellen Angelegenheiten (Einstellungen, Kündigungen, disziplinarische Weisungen und disziplinarische Maßnahmen wie die Erteilung von Abmahnungen) der fünf Mitarbeiter der Business Unit Consulting entscheiden Herr ./., Group Vice President des Bereichs Human Ressources , International, mit Sitz in England sowie der Leiter der Business Unit Consulting, Herr./. (Group Vice President Consulting) bzw. ihm untergeordnet Herr ./. (Managing Vice President Consulting). Herr ./. sitzt in Schweden, Herr ./. in Belgien.

Über die personellen Angelegenheiten der 14 Mitarbeiter der Business Unit Sales entscheiden Herr A... M. sowie Herr ./. (Country Manager Sales und Leiter der Business Unit Sales). Herr G. ist arbeitsvertraglich dem Standort Düsseldorf zugewiesen. Streitig ist, ob auch den Herrn ./. untergeordneten Area Managern eine gewisse Verantwortlichkeit in personellen Angelegenheiten zukommt.

Über die personellen Angelegenheiten der vier Mitarbeiter der Business Unit Research entscheiden Herr M. sowie Herr S. (Senior Vice President und globaler Leiter der Business Unit Research). Herr S. sitzt in den USA.

Über die personellen Angelegenheiten der vier Mitarbeiter der Business Unit EXP entscheiden Herr M. sowie Herr P. (Vice President Service Delivery und Leiter der Business Unit EXP). Herr P. ist arbeitsvertraglich dem Standort Düsseldorf zugewiesen.

Für Herrn H. als Systemadministrator ist Herr M. zuständig, der am Standort Mailand sitzt. Für die Mitarbeiterin des Bereichs Client Relationship ist Frau D. zuständig. Sie sitzt in den Niederlanden.

Keiner der Leiter der jeweiligen Business Unit ist an Entscheidungen beteiligt, die eine andere Business Unit betreffen. Sie können jeweils nur über personelle Angelegenheiten mit entscheiden, die ihre eigene Business Unit betreffen. Teilweise geschieht dies (wie überwiegend im Falle von Abmahnungen und Einstellungen) in der Weise, dass der Leiter der jeweiligen Business Unit eine Maßnahme in personeller Hinsicht für notwendig erachtet und diesbezüglich mit der Human Ressources Abteilung bzw. Herrn M. Rücksprache hält. Gegebenfalls wird außerdem der Bereich Corporate Legal involviert. Dabei regt der jeweilige Leiter der Business Unit eine Entscheidung in personeller Hinsicht an. Das „Ob" und das „Wie" der Maßnahme wird sodann zwischen Herrn M. und dem jeweiligen Leiter der Business Unit diskutiert und gemeinsam entschieden.

Teilweise entscheidet über das „Ob" einer personellen Maßname aber auch allein die Geschäftsleitung in den USA und diskutiert anschließend das „Wie" mit Herrn M. und dem jeweiligen Leiter der Business Unit, so etwa, wenn es um den Abbau von Arbeitsplätzen geht. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 37 d. A. Bezug genommen.

Die wesentlichen Entscheidungen in sozialen Angelegenheiten werden teilweise für sämtliche Mitarbeiter aller Standorte und teilweise wiederum geschäftsbereichsbezogen getroffen.

Der jeweilige Leiter einer Business Unit entscheidet dabei über Urlaubsfragen von Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, die seine Business Unit betreffen wie die Aufstellung von Urlaubsplänen und die Festlegung von Urlaubszeitpunkten.

Fragen zum Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie zur Lage und Dauer der Arbeitszeit stellen sich nicht. Bei der Beteiligten zu 1) gilt unternehmensweit Vertrauensarbeitszeit, die von der Geschäftsleitung eingeführt wurde.

Über sämtliche Entgeltfragen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG entscheidet die Geschäftsleitung in den USA. Das unternehmensweit geltende Entlohnungssystem wurde von der Geschäftsleitung eingeführt. Diese entscheidet auch über die Auszahlung und Verteilung von Boni und Provisionen.

Ansprech- und Verhandlungspartnerin der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrates ist die am Standort München als Legal & Contracts Managerin tätige Frau J.. Sie agiert diesen gegenüber stellvertretend für die beiden Geschäftsführen. Sie vermittelt zwischen Herrn M., Herrn Sch. und den Betriebsräten bzw. dem Gesamtbetriebsrat.

Ein fachliches Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern der Business Unit Consulting (vier am Standort Frankfurt, 11 am Standort München, sechs am Standort Düsseldorf, zwei am Standort Hamburg und zwei in Home-Offices beschäftigte Mitarbeiter) üben der Leiter Business Unit Consulting Herr E. bzw. Herr Gr. unabhängig von der Standortzugehörigkeit der Mitarbeiter aus.

Seit 5. Mai 2009 gibt es am Standort Frankfurt in Bereich Consulting einen sogenannten Councelor , den Betriebsratsvorsitzenden Herrn Sch., der zukünftig Herrn E. bzw. Herrn Gr. zumindest bei der Ausübung des fachlichen Weisungsrechts unterstützen soll. Der genaue Umfang seiner Befugnisse ist zwischen den Beteiligten streitig.

Innerhalb der Business Unit Sales sind dem Leiter der Business Unit, Herrn G., vier Area Manager und ein Teamleiter unterstellt, die direkt an ihn berichten und gegenüber denen Herr G. ein fachliches Weisungsrecht ausübt. Die Area Manager und der Teamleiter sind die fachlichen Leiter der anderen Mitarbeiter der Business Unit Sales und üben ein fachliches Weisungsrecht aus. Jedem Area Manager und dem Teamleiter ist ein konkretes Mitarbeiterteam zugeteilt, das er fachlich betreut. Von den vier Area Managern sind zwei (Herr P. und Herr R.) am Standort Frankfurt tätig. Dem Team von Herrn P. gehören vier am Standort Frankfurt beschäftigte Mitarbeiter der Business Unit Sales an. Darüber hinaus gehören diesem Team zwei am Standort München beschäftigte Mitarbeiter an. Dem Team von Herrn R. gehören sieben am Standort Frankfurt beschäftigte Mitarbeiter der Business Unit Sales an, darüber hinaus zwei am Standort München und zwei am Standort Düsseldorf beschäftigte Mitarbeiter. Weitere zwei am Standort Frankfurt beschäftigte Mitarbeiter sind dem Team von Herrn L. (Standort München) zugeordnet, ein weiterer Mitarbeiter dem des Teamleiters Herrn K., der im Home Office tätig ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gestaltung des fachlichen Weisungsrechts wird auf Bl. 41 ff. d. A. Bezug genommen. Die am Standort Frankfurt tätigen zwei Area Manger erstellen innerhalb ihres jeweiligen Teams auch Mitarbeiterbeurteilungen und die Bewertung von Mitarbeiterentwicklungen in Abstimmung mit Herrn G..

Mit ihrer am 19. März 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift macht die Beteiligte zu 1) die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 6. März 2009 geltend.

Sie ist der Auffassung, die Betriebratswahl am Standort Frankfurt sei wegen Verkennung des Betriebsbegriffs unwirksam. Der Standort Frankfurt erfülle weder die Voraussetzungen eines selbständigen Betriebes im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG noch eines qualifizierten Betriebsteils im Sinne von § 4 Abs. 1 BetrVG. Vielmehr sei er als unselbständiger Betriebsteil anzusehen und daher nicht betriebsratsfähig. Ein selbständiger Betrieb liege nicht vor, da in der Betriebsstätte gerade nicht die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten ausgeübt würden. Aber auch ein selbständiger Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BetrVG sei nicht gegeben. Da unstreitig am Standort Frankfurt Mitarbeiter aller Geschäftsbereiche tätig sind, sei er nicht nach Aufgabenbereich und Organisation selbständig im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, denn der innerhalb der Betriebsstätte verfolgte Zweck hebe sich fachlich nicht von dem Zweck des Gesamtbetriebes ab. Es handele sich ferner nicht um einen weit vom Hauptbetrieb entfernten Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da hierfür ungeachtet der Entfernung vom Hauptbetrieb ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit erforderlich sei, was voraussetze, dass in der organisatorischen Einheit eine den Einsatz aller dort beschäftigter Mitarbeiter bestimmende Leitung institutionalisiert sei, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübe.

Sie behauptet, das fachliche Weisungsrecht im Bereich Sales bestehe in erster Linie formell, da die Sales Mitarbeiter sehr selbständig und eigenverantwortlich arbeiteten.

Über eine eigene Entscheidungsgewalt in personellen Angelegenheiten verfügten die Area Manager im Bereich Sales nicht. Auch hätten sie keine Disziplinargewalt, allenfalls könne es vorkommen, dass sie ein Fehlverhalten eines Mitarbeiters aufdeckten und eine disziplinarische Weisung oder Maßnahme vorschlügen.

Ebenso werde der Councelor im Bereich Consulting lediglich eine unterstützende Rolle einnehmen und über keinerlei Entscheidungsgewalt verfügen. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrages der Beteiligten zu 1) wird auf Bl. 129 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, die Wahlanfechtung sei entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2) auch zulässig. Die Gefahr eines betriebsratslosen Zustandes für eine gewisse Dauer sei nach der Konzeption des § 19 BetrVG hinzunehmen. Gerade in der vorliegenden Konstellation drohe, wenn man die Wahlanfechtung für unzulässig halten wolle, ein dauerhaft betriebsverfassungswidriger Zustand. Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen Argumentation wird auf Bl. 169 ff. d. A. Bezug genommen.

Am Standort München fand am 26. Juni 2009 ebenfalls eine Neuwahl des Betriebsrates statt, nachdem die Mitgliederzahl des dortigen Betriebsrates unter die vorgeschriebene Zahl von drei Mitgliedern gesunken war. Diese Wahl hat die Beteiligte zu 1) mit Antragschrift vom 1. Juli 2009 beim Arbeitsgericht München (Az. 33 BV 246/09) angefochten.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

die Betriebsratswahl vom 06. März 2009 am Standort Frankfurt am Main für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 2) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Wahlanfechtung sei unzulässig, weil die Folge einer erfolgreichen Anfechtung der Wahl sein könne, dass der Standort Frankfurt auf längere Zeit ohne Arbeitnehmervertretung bleibe. Denn gleichzeitige Neuwahlen mit den anderen Standorten seien frühestens mit dem übernächsten regulären Wahlturnus zu erzielen, also im Jahr 2014. Bis dahin gebe es an den einzelnen Standorten völlig verschiedene Zeitpunkte für Neuwahlen und damit auch für eventuelle Wahlanfechtungsverfahren, deren Ausgang jeweils zudem für die anderen Verfahren nicht bindend sei. Wegen der Einzelheiten seines diesbezüglichen Vorbringens wird auf Bl. 88 f. und Bl. 141 ff. d. A. Bezug genommen.

Zudem sei der Antrag auch unbegründet. Der Standort Frankfurt sei jedenfalls als selbständiger Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu qualifizieren. Das erforderliche Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit sei gegeben, denn Frankfurt sei nicht führungslos. Der Beteiligte zu 2) verweist insoweit insbesondere auf den Geschäftsbereich Sales, bei dem es sich um den Schlüsselbereich handele und wo es unstreitig zwei in Frankfurt angesiedelte Area Manager mit fachlichen Weisungsrechten gegenüber einer größeren Anzahl Mitarbeiter am Standort Frankfurt gibt.

Er behauptet, das Weisungsrecht der Area Manager beschränke sich zudem nicht auf fachliche Aspekte, sondern erstrecke sich auch auf Verantwortlichkeiten in personellen Belangen wie Einstellungen („ownership of recruitment of new associates"), wie sich auf dem sogenannten Role Profile für die Area Manager (Bl. 90 d. A.) ergebe.

Unrichtig sei auch, dass der Councelor im Bereich Consulting lediglich eine unterstützende, untergeordnete Rolle einnehmen werde. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens des Beteiligten zu 2) wird auf Bf. 85 f. und Bl. 144 f. d. A. Bezug genommen.

Weiterhin meint der Beteiligte zu 2), es sei eine Korrektur des von der Rechtsprechung entwickelten Betriebsbegriffes dahingehend geboten, dass nicht allein auf das Vorliegen eines vom Arbeitgeber geschaffenen Leitungsapparates abgestellt werde, sondern stärker das Erfordernis der Belegschaftsnähe des Betriebsrates in den Mittelpunkt gerückt werde. Denn das Betriebsverfassungsgesetz bezwecke eine möglichst ortsnahe und dadurch effektive Mitarbeitervertretung. Stellte man maßgeblich auf eine bestehende Leitungsmacht vor Ort ab, könne die Konsequenz sein, dass in global tätigen Unternehmen, in denen die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne im Ausland angesiedelt seien, überhaupt kein Betriebsrat mehr zu wählen wäre. Gerade auf Strukturen wie bei der Beteiligten zu 1) passe der herkömmliche Betriebsbegriff daher nicht.

Schließlich ist der Beteiligte zu 2) der Auffassung, die Beteiligte zu 1) verhalte sich widersprüchlich, indem sie die vorliegende Wahl anfechte. Er behauptet, anlässlich der Betriebsratswahl im Jahr 2005 habe die Bildung örtlicher Betriebsratsstrukturen auch dem Wunsch der Beteiligten zu 1) entsprochen. Der damalige Wahlvorstand habe die Option der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates mit der damaligen Prokuristin Frau P. diskutiert, die sich klar für die Wahl eines örtlichen Betriebsrates ausgesprochen habe. Frau P. habe den Vorschlag des damaligen Wahlvorstandes, alternativ einen unternehmensweiten Betriebsrat zu wählen, definitiv abgelehnt mit dem Hinweis, der Betriebsrat solle sehen, ob er einen lokalen Betriebsrat überhaupt hinbekäme.

Unstreitig wurden die damaligen Betriebsratswahlen nicht angefochten. Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, die Beteiligte zu 1) habe damit aktiv an der Begründung der jetzigen Betriebsratsstrukturen mitgewirkt, woran sie sich festhalten lassen müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Beteiligten zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die formellen Voraussetzungen eines Wahlanfechtungsverfahrens sind erfüllt.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die Beteiligte zu 1) als Arbeitgeberin anfechtungsberechtigt. Die Anfechtung der Betriebsratswahl erfolgte auch innerhalb der Frist von zwei Wochen vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Mit ihrer am 19. März 2009 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift wahrte die Beteiligte zu 1) diese Frist, nachdem das Wahlergebnis am 6. März 2009 bekannt gegeben worden war.

Die Wahlanfechtung ist auch nicht als „isolierte Wahlanfechtung" unzulässig. Da die Beteiligte zu 1) die Wahlanfechtung darauf stützt, der Standort Frankfurt sei lediglich ein unselbständiger Betriebsteil und sie, wie ihr Prozessbevollmächtigter auf Nachfrage im Anhörungstermin vor der Kammer erklärte, davon ausgeht, sämtliche Standorte der Beteiligten zu 1) bildeten einen einheitlichen Betrieb, darf sie sich zwar nicht auf eine isolierte Anfechtung der Wahl nur eines der Betriebsräte an den verschiedenen Standorten beschränken. Denn durch die Möglichkeit der Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG soll der Weg frei gemacht werden für eine neue, nunmehr den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Betriebsratswahl. Dieses Ziel lässt sich bei einer auf einen Standort beschränkten Anfechtung nicht erreichen, sondern nur durch gerichtliche Annullierung der Wahl sämtlicher Betriebsräte, damit die Mitarbeiter nunmehr einen neuen, für den gesamten Betrieb einheitlich zuständigen Betriebsrat wählen können (BAG v. 7.12.1988 - 7 ABR 10/88, AP Nr. 15 zu § 19 BetrVG 1972). Deshalb muss der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Wahl aller Betriebsräte anfechten. Beschränkt er sich auf die Anfechtung der Wahl nur eines Betriebsrates, so ist diese Anfechtung unzulässig (BAG v. 7.12.1988, aaO; BAG v. 31.5.2000 - 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).

Eine solche unzulässige isolierte Anfechtung nur einer Betriebsratswahl liegt hier nicht vor. Zu berücksichtigen ist insofern, dass es sich bei der Wahl vom 6. März 209 am Standort Frankfurt nicht um eine turnusmäßige Wahl gemäß § 13 Abs. 1 BetrVG, sondern um eine außerhalb des Turnus gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG stattfindende Wahl handelte, die erfolgte, weil die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken war. Es war dem Arbeitgeber daher gar nicht möglich, auch an den anderen Standorten gleichzeitig die Betriebsratswahlen anzufechten, weil solche aktuell nicht stattfanden. Ausreichend in einer solchen Situation muss sein, dass der Arbeitgeber ankündigt, die nächsten an anderen Standorten stattfindenden Wahlen ebenfalls anfechten zu wollen und er dies sodann auch tut. Damit kann dann ggf. ein einheitlicher Betriebsrat gewählt werden. Eine dem Sinn des Wahlanfechtungsverfahrens widersprechende Rechtsfolge tritt dann nicht ein, jedenfalls nicht in einem zeitlichen Umfange, der sich vermeiden ließe, ohne dem Arbeitgeber die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Wahlanfechtung, wenn er von einem Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften in Form der Verkennung des Betriebsbegriffes ausgeht, zu nehmen. Da die Beteiligte zu 1) vorliegend die zwischenzeitlich erfolgte Wahl des Betriebsrats in München ebenfalls angefochten hat und angekündigt hat, dies auch bei den im nächsten Frühjahr anstehenden Wahlen in Düsseldorf und Hamburg tun zu wollen, liegt eine unzulässige isolierte Wahlanfechtung nicht vor.

B. Die am Standort Frankfurt am Main am 6. März 2009 durchgeführte Betriebsratswahl verstößt nicht im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren. Ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens liegt vor, sofern der Betriebsbegriff bei der Durchführung der Wahl verkannt wurde (BAG 19.11.2003 - 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972; Fitting, 23. Auflage, § 19 BetrVG Rn. 22 m.w.N.).

Der Betriebsbegriff wurde vorliegend indes nicht verkannt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei dem Standort Frankfurt der Beklagten um einen selbständigen Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd. BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (BAG v. 29. Mai 1991 - 7 ABR 54/90, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 5; BAG v. 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13; BAG v. 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15; BAG v. 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18). Ein Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt (BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - aaO). Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im. Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt.

Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt dagegen ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 29. Mai 1991 - 7 ABR 54/90, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 5; BAG v. 20. Juni 1995 -7 ABR 59/94, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 8; BAG v. 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13; BAG v. 21. Juli 2004 -7 ABR 57/03 und BAG v. 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05). Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb.

Unstreitig ist vorliegend, dass bei der Beteiligten zu 1) die Leitung der Mitarbeiter in personellen Angelegenheiten nicht Standort-, sondern allein geschäftsbereichsbezogen erfolgt; ferner, dass an keinem der Standorte innerhalb Deutschlands eine Leitung besteht, die die wesentlichen Entscheidungen in personellen Angelegenheiten trifft. Es besteht vielmehr eine weltweite Matrixorganisation mit geschäftsbereichsbezogenen Organisations- und Hierarchiestufen, die unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen und betrieblichen Strukturen in den einzelnen Ländern operiert. Die Entscheidungen werden dabei je nach Business Unit von ganz unterschiedlichen Personen getroffen, die überwiegend im Ausland tätig und (wohl) teilweise gar nicht bei der Beklagten selbst beschäftigt sind. Auch in sozialen Angelegenheiten werden unstreitig die Entscheidungen teilweise für die Mitarbeiter aller Standorte durch die Geschäftsleitung und teilweise geschäftsbereichsbezogen getroffen. Dies führt dazu, dass es einen einheitlichen Leitungsapparat, der in der organisatorischen Einheit am Standort Frankfurt alle wesentlichen Entscheidungen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten trifft, vor Ort nicht gibt. Der Standort Frankfurt ist daher nicht als Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG anzusehen.

Allerdings stellt er eine betriebsratsfähige Einheit als räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt liegender Betriebsteil gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dar. Dabei ist der Standort München der Beteiligten zu 1) als Hauptbetrieb anzusehen, von dem der Standort Frankfurt räumlich weit entfernt ist. Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG ist der Betrieb, in dem Leitungsfunktionen des Arbeitgebers für den Betriebsteil wahrgenommen werden. Dies entspricht dem Grundsatz, dass Mitbestimmung dort ausgeübt werden soll, wo die mitbestimmungsrelevanten unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden (vgl. etwa BAG 9. Dezember 1992 -7 ABR 15/92).

In München hat die Beteiligte zu 1) ihren Sitz. Hier ist damit auch die Geschäftsführung der GmbH angesiedelt, unabhängig davon, ob die Geschäftsführer sich tatsächlich regelmäßig in den USA aufhalten. Durch die Geschäftsleitung werden letztlich auch wesentliche Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten ausgeübt. Die Beteiligte zu 1) selbst trägt vor, dass wesentliche Einscheidungen in sozialen Angelegenheiten wie die erfolgte Einführung der Vertrauensarbeitszeit von der Geschäftsleitung getroffen wurden, ferner, dass sämtliche Entscheidungen hinsichtlich Entgeltfragen die Geschäftsleitung trifft. Auch hinsichtlich der personellen Angelegenheiten entscheidet über das „Ob" wesentlicher Maßnahmen wie etwa den Abbau von Arbeitsplätzen teilweise allein die Geschäftsleitung sowie über weitere wesentliche Maßnahmen wie den Ausspruch (betriebsbedingter) Kündigungen mitunter der Geschäftsführer Herr Sch. gemeinsam mit dem Leiter der Business Unit und Herrn M.. Dafür, dass der Standort München als Hauptbetrieb anzusehen ist, spricht zusätzlich, dass Frau J., die stellvertretend für die beiden Geschäftsführer Ansprech- und Verhandlungspartnerin der Betriebsräte ist, ebenfalls in München tätig ist. In München ist damit deutschlandweit die größte Entscheidungsnähe hinsichtlich der mitbestimmungsrelevanten unternehmerischen Entscheidungen gegeben.

Von diesem Hauptbetrieb ist der Standort der Beteiligten zu 1) in Frankfurt räumlich weit entfernt. Betriebsteile sind iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist (BAG v. 24. Februar 1976 - 1 ABR 62/75, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 2; BAG v. 17. Februar 1983 - 6 ABR 64/81, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 4, BAG v. 14. Januar 2004 -7 ABR 26/03). Der Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, den Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine effektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des Hauptbetriebs von dem Betriebsteil die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden können (BAG v. 21. Juni 1995 - 2 AZR 783/94; BAG v. 14. Januar 2004 - 7 ABR 26/03 -, aaO) oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb gelangen können. Maßgeblich ist sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrats aus Sicht der Arbeitnehmer wie auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat. Eine Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs allein nach Entfernungskilometern kommt daher nicht in Betracht. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller für die Erreichbarkeit des Hauptbetriebs in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen (BAG 23. September 1982 - 6 ABR 42/81, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 3; BAG v. 14. Januar 2004 - 7 ABR 26/03 - aaO). Insoweit ist auf die Erreichbarkeit des Hauptbetriebes mit dem PKW oder aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln abzustellen (vgl. BAG v. 7.5.2008 - 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328). Gerichtsbekannt ist mit dem PKW von Frankfurt nach München eine Fahrzeit von mindestens drei Stunden notwendig. Mit der Bahn ist ein ähnlicher Zeitaufwand vonnöten. Aber auch mit dem Flugzeug unter Berücksichtigung der jeweiligen Wege von und zum Flughafen sowie der Zeit, die man sich vor dem Abflug am Flughafen einfinden muss, ist ein Zeitaufwand von nicht weniger als zwei Stunden notwendig. Aufgrund dieser Umstände kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine ordnungsgemäße Betreuung der Mitarbeiter am Standort Frankfurt durch den Betriebsrat eines Hauptbetriebes in München gewährleistet ist. Ob der Betriebsrat in München per Post, Telefon oder mittels moderner Kommunikationsmittel erreichbar ist, ist für die Beurteilung der räumlich weiten Entfernung vom Hauptbetrieb unerheblich. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG stellt allein auf die räumliche Entfernung ab. Dadurch soll eine jederzeitige persönliche Erreichbarkeit des Betriebsrates für die Arbeitnehmer und der Arbeitnehmer für den Betriebsrat gewährleistet sein (BAG v. 7.5.2008, aaO).

Der Standort Frankfurt verfügt auch über das nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für das Vorliegen eines selbständigen Betriebsteils im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erforderliche Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit, wenn in der organisatorischen Einheit wenigstens eine Person mit Leitungsmacht vorhanden ist, die überhaupt Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 19.2.2002 - 1 ABR 26/01, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; BAG v. 28.6.1995 - 7 ABR 59/94, AP Nr. 8 zu § 4 BetrVG 1972; BAG v. 29.5.1991 - 7 ABR 54/90, AP Nr. 5 zu § 4 BetrVG 1972).

Zumindest zwei solche Personen mit Leitungsmacht, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausüben, sind in der organisatorischen Einheit am Standort Frankfurt vorhanden, nämlich die beiden Area Manager im Bereich Sales, Herr P. und Herr R.. Beide sind am Standort Frankfurt tätig und erteilen fachliche Weisungen gegenüber insgesamt 11 Mitarbeitern des Standortes Frankfurt. Damit üben sie Weisungsrechte des Arbeitgebers aus. Dass die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Sales, denen gegenüber die Area Manager fachliche Weisungsbefugnis haben, nach der Behauptung der Beteiligten zu 1) sehr selbständig und eigenverantwortlich arbeiten und das Weisungsrecht daher mehr „formell" besteht, ist unschädlich. Denn zumindest die Befugnis zur Erteilung von Weisungen besteht und damit die erforderliche Nähe zu Entscheidungen des Arbeitgebers (vgl. BAG v. 19.2.2002, aaO).

Nicht erforderlich ist ferner, dass sich die vorhandene Leitungsmacht vor Ort auf alle Mitarbeiter der organisatorischen Einheit oder ausschließlich auf diese Einheit bezieht. Dies kann jedenfalls bei einer vom Arbeitgeber gewählten Organisationsstruktur, bei der, wie vorliegend, an keinem Standort eine einheitliche Leitung gerade für den Standort besteht, sondern die Leitungsbefugnisse allein geschäftsbereichsbezogen ausgeübt werden, nicht gefordert werden. Denn eine gewisse organisatorische Selbständigkeit der jeweiligen Einheit ist durch die bestehenden Weisungsrechte vor Ort gegeben. Gleichzeitig aber kann nur so der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zum Ausdruck gekommenen Zielvorstellung des Betriebsverfassungsgesetzes, eine möglichst ortsnahe und effektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu gewährleisten (vgl. hierzu BAG v.3.12.1985, AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972), hinreichend Rechnung getragen werden. Gerade in Unternehmen, bei denen die Zuständigkeiten in personellen und sozialen Angelegenheiten arbeitgeberseitig geschäftsbereichsbezogen organisiert sind und sich daher an keinem Ort eine organisatorische Einheit mit allein auf diese bezogener Leitungsmacht findet, wären bei anderer Einschätzung trotz räumlich ganz erheblicher Entfernung und ggf. sehr speziellen Themen der jeweiligen Arbeitnehmerschaft vor Ort Betriebsräte nicht mehr zu bilden; bei rein geschäftsbereichsbezogener Organisation könnte sich sogar die Frage stellen, ob überhaupt auch nur ein einziger Betrieb im Sinne des BetrVG besteht, in dem ein Betriebsrat zu bilden wäre. Da sich ein solches Ergebnis mit den Zielsetzungen des Betriebsverfassungsgesetzes nur schwer vereinbaren lässt, dürfen jedenfalls bei Vorliegen solcher arbeitgeberseitiger Organisationsstrukturen die Anforderungen an das Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit einer Einheit nicht überspannt werden. Ausreichend ist in diesem Fall, dass überhaupt Weisungsrechte des Arbeitsgebers innerhalb der organisatorischen Einheit ausgeübt werden.



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