Arbeitsgericht Frankfurt

Beschluss vom - Az: 12 BV 666/08

Anfechtung der Ab-/Neuwahl des Betriebsratsvorsitzenden sowie dessen Stellvertreters

1. Die erforderliche Rechtssicherheit gebietet es, die Rechtsfolge der Nichtigkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden oder seines Stellvertreters ebenso wie bei der Wahl des Betriebsrates selbst auf besonders krasse Fälle von Gesetzesverstößen zu beschränken, bei denen nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt, im übrigen aber in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG nur die fristgebundene Anfechtung beim Arbeitsgericht zuzulassen mit der Folge, dass der fehlerhaft gewählte Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter bis zur Rechtskraft der die Wahl für unwirksam erklärenden gerichtlichen Entscheidung im Amt bleibt. Diese Erwägungen gelten auch für die gesonderte Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters.
2. Aus der Tagesordnung muss sich die Ab- und Neuwahl des Betriebsratsvorsitzenden sowie dessen Stellvertreter ergeben. Zulässig ist die Darstellung der Ab-/Neuwahl als mögliche Option zur Problemlösung (hier: wegen Diskrepanzen zwischen Vorsitzendem und Stellverteter), wobei darauf hingewiesen wird über das weitere Vorgehen abstimmen zu wollen.

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Abwahl sowie einer Neuwahl des/der Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters/seiner Stellvertreterin.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 3)) ist ein Unternehmen der Pharmabranche mit drei Standorten in Deutschland. Ihre Zentrale befindet sich in ./.. Dort ist ein 15-köpfiger Betriebsrat (Beteiligter zu 2)) gewählt. Dessen Vorsitzender war der Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 4) war stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.

Nachdem es zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreterin zu Spannungen gekommen war, suchte man innerhalb des Betriebsratsgremiums nach Möglichkeiten des Spannungsabbaus. Nachdem man bereits in der 53. Betriebsratssitzung am 14. August 2008, auf deren Protokoll (Bl. 52 ff. d. A.) Bezug genommen wird, über verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert hatte, beschloss der Betriebsrat an diesem Tage eine Tagesordnung für die nächste Sitzung am 4. September 2008. Auszugsweise heißt es darin wie folgt:

Top      Thema Ergebnisse

...                             

12        Beratung und Abstimmung über Abhilfen zum Spannungsabbau zwischen dem 1. und 2. Vorsitzenden.                   

            In der 53. BR-Sitzung wurden vier Lösungsansätze definiert:               

             1.) Neuanfang mit dem "3-Monatsmodell"         

             2.) Wechselrolle (1-2;2-1)            

             3.) So belassen mit Neuanfang                

             4.) Neuwahl 1. und 2. Vorsitzender        

                                

            Beratung und Abstimmung über weiteres Vorgehen und den Wahlmodus                   

13        Vorschlag-1 zur Verbesserung der Zusammenarbeit:

 Die nächsten drei Monate gelten als Probezeit für die Zusammenarbeit zwischen 1. und 2. Vorsitz. Danach erfolgt eine Abstimmung ob ein Wechsel zwischen 1. und 2. Vorsitz stattfinden soll.              

                                

            Abstimmung wird geheim durchgeführt              

14        Vorschlag-2 zur Verbesserung der Zusammenarbeit:

 Der Betriebsrat beschließt einen Wechsel zwischen dem ersten und stellvertretenden Betriebsratsvorsitz und hebt damit die Beschlüsse vom 4.05.2005 (TOP 4) und 16.3.2006 (TOP 10) auf.                 

                                

             1) M. F. wird als Vorsitzende gemäß § 26 BetrVG gewählt. Abstimmung wird geheim durchgeführt.         

             2) M. W. wird als stellvertretender Vorsitzender gemäß § 26 gewählt. Abstimmung wird geheim durchgeführt          

15        Vorschlag-3 zur Verbesserung der Zusammenarbeit:

 Erster und zweiter Vorsitz bleiben bestehen und machen einen Neuanfang in der Zusammenarbeit.

 Abstimmung wird geheim durchgeführt              

16        Vorschlag-4 zur Verbesserung der Zusammenarbeit:

 Der Betriebsrat beschließt die Neuwahlen des/der Betriebsratsvorsitzenden und der Stellvertretung gem. § 26 und hebt damit die Beschlüsse vom 4.05.2005 (TOP 4) und 16.03.2006 (TOP 10) auf.                   

            Abstimmung wird geheim durchgeführt.             

            Je nach Abstimmungsergebnis gegebenenfalls:               

             1) Abstimmung Personen- oder Listenwahl        

             2) Vorschläge für die/den Vorsitzenden und Durchführung der geheimen Wahl         

             3) Vorschläge für die/den stellvertretenden Vorsitzenden und Durchführung der geheimen Wahl                

            ...                

Auf den Inhalt der Tagesordnung im Übrigen (Bl. 17 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Die Betriebsratsmitglieder wurden unter Beifügung dieser Tagesordnung zur Betriebsratssitzung am 4. September 2008 geladen.

Ausweislich des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 4. September 2008, auf dessen Inhalt im Einzelnen (Bl. 20 ff. d. A.) Bezug genommen wird, stellte sich der Ablauf der Sitzung zu den Tagesordnungspunkten 12 bis 16 wie folgt dar:

 

Top      Thema Ergebnisse

12        ...         ...

                        Auf den Wahlzetteln ist "Option 1" bis "Option 4" angegeben. Jeder soll die Option ankreuzen, die er möchte.

                        Es soll eine geheime Wahl stattfinden.

                                

                        Abstimmung: 15/0/0 Es wird geheim eine der Optionen 1-4 gewählt.

                        Auszählung der Stimmzettel:

                         1) 4

                         2) -

                         3) 1

                         4) 10

                        Weiter mit TOP 16

13        ...         entfällt

                                

14        ...         entfällt

                                

15        ...         entfällt

                                

16        ...         Der BR-Vorsitzende M. W. weist darauf hin, dass die Wahl unter TOP 16 anfechtbar ist.

                        Diskussion, ob dieser Punkt auf eine neue Sitzung gelegt werden soll.

                        Abstimmung: 5/3/7 Damit wird heute abgestimmt.

                                

                        BR beschließt: 1) Abwahl des 1. Vorsitzenden

                         2) Abwahl der stellv. Vorsitzenden

                         3) Wahl des 1. Vorsitzenden

                         4) Wahl des stellv. Vorsitzenden

                                

                        Abstimmung 8/1/5 ohne H. A.

                        Damit werden die Punkte 1-4 in der Reihenfolge abgehandelt.

                                

                        Auszählung der Stimmzettel:

                                

                        Abwahl des 1. Vorsitzenden: Ja: 10, Nein: 5

                        Abwahl der stellv. Vorsitzenden: Ja: 12, Nein: 3

                                

                        Es folgen die Wahlen. Als Wahlleiter fungiert ./..

                        Vorschläge zum 1. Vorsitzenden:

                        P. E.; M. F.; M. W.; D. M.

                        Es stellen sich der Wahl:

                         1) P. E.: 5

                         2) M. W.: 10

                        M. F. nimmt die Wahl an.

                                

                        Vorschläge zum stellv. Vorsitzenden:

                        K. R.; D. P.; P. E.; M. W..

                        Es stellen sich der Wahl:

                         2) D. P.: 9

                         3) P. E.: 6

                        D. P. nimmt die Wahl an.

17        ...         ...

Mit seiner am 18. September 2008 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift macht der Beteiligte zu 1) die Unwirksamkeit der Abwahl und Neuwahl des/der Betriebsratsvorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden geltend. Im Anhörungstermin am 17. Februar 2009 hat er die Anträge erweitert und begehrt nunmehr auch die Feststellung der Nichtigkeit dieser Wahlen.

Der Beteiligte zu 1), der nach wie vor Mitglied des Betriebsrates ist, ist der Auffassung, die durchgeführten Wahlen seien anfechtbar und sogar nichtig. Aus dem vorgesehenen Tagesordnungspunkt 12 ergebe sich, dass in der Sitzung vom 4. September 2008 lediglich eine Beratung darüber habe stattfinden sollen, ob die Neuwahl des 1. und 2. Vorsitzenden die zutreffende Option sei. Die Neuwahl selbst habe aber an diesem Tag nach der Tagesordnung nicht stattfinden sollen. Dies werde daraus deutlich, dass es unter Ziffer 12 der Tagesordnung heißt "Beratung und Abstimmung über weiteres Vorgehen und den Wahlmodus". Eine Diskussion über den Wahlmodus wäre nach Ansicht des Beteiligten zu 1) unsinnig gewesen, wenn am 4. September 2008 bereits hätte gewählt werden sollen. Man habe sich ausweislich der in der vorangegangenen Betriebsratssitzung verabschiedeten Tagesordnung allein über das weitere Vorgehen und den Wahlmodus verständigen wollen. Eine darüber hinausgehende Wahl des 1. und 2. Vorsitzenden und eine Abwahl des bislang 1. Vorsitzenden seien danach nicht vorgesehen gewesen. Dies ergebe sich auch aus einer Zusammenschau der Tagesordnungspunkte 12 bis 16. Nur zu einer Beratung und Abstimmung über Abhilfen zum Spannungsabbau sei geladen worden.

Zudem korreliere die verabschiedete Tagesordnung nicht mit dem am 4. September 2008 dann tatsächlich durchgeführten "Programm". Es sei zu mehreren gravierenden Fehlern gekommen, die dazu führten, dass die Wahl nicht im Einklang mit dem Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere dessen § 26, stehe und nichtig sei. Zunächst befinde sich auf der Tagesordnung unter TOP 12 auch das Thema "Beratung und Abstimmung über weiteres Vorgehen und den Wahlmodus". Ausweislich des Protokolls habe hierüber aber keine Beratung und Abstimmung stattgefunden. Da das Protokoll lediglich nach der Abstimmung über die Ziffern 1 bis 4 des TOP 12 die Ausführung "weiter mit TOP 16" enthalte, seien die Ziffern 13, 14 und 15 gesetzwidrig nicht abgearbeitet worden, obwohl sie ausweislich der Tagesordnung abzuarbeiten gewesen seien. Die vom Betriebsrat vorgesehene Vorgehensweise, dass nämlich insgesamt vier Vorschläge in der Sitzung zur Debatte gestellt werden sollten, sei schlichtweg unterschlagen worden. Dies stelle ein "putschartiges Vorgehen" dar, das nicht im Einklang mit dem Demokratieprinzip des Betriebsverfassungsgesetzes bezüglich der Wahlen des Vorsitzenden stehe. Die Rechte des Betriebsrates seien bewusst und gewollt verkürzt worden, indem man eine von diesem vorgesehene Tagesordnung ohne äußere Not verkürzt habe.

Des Weiteren hätten die Bedenken des Betriebsratsvorsitzenden hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Wahl, die dieser unstreitig bereits in der Sitzung am 4. September 2008 äußerte, nicht einfach beiseite geschoben werden dürfen. Wiederum "putschartig" sei sodann darüber abgestimmt und es abgelehnt worden, diesen Punkt (die Neuwahl) auf eine neue Sitzung zu legen.

Durch Ignorieren des Umstandes, dass in TOP 12 auch eine Abstimmung über den "Wahlmodus" vorgesehen gewesen sei, sei § 26 BetrVG erneut verletzt worden. Es sei mit dieser Vorschrift nicht in Einklang zu bringen, eine direkte Wahl ohne vorherige Bestimmung des Wahlmodus durchzuführen.

Weiterhin sei dem Sitzungsprotokoll nicht zu entnehmen, ob Kandidaten für den Vorsitz aus den Reihen des Betriebsrats benannt wurden bzw. ob hierzu aufgefordert worden sei. Dies sei allerdings zwingend erforderlich, da nach § 26 BetrVG die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden den Rechtsgedanken der Wahlordnung (Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes) entsprechen müsse. Eine Protokollierung, die Vorschläge aus dem Plenum nicht vermerke bzw. nicht vermerke, dass von dort keine Vorschläge gekommen seien, genüge nicht den demokratischen Prinzipien, die an das Wahlverfahren nach § 26 BetrVG zu stellen seien.

Die Abwahl des Vorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden sei schließlich nichtig, weil eine solche Abwahl ausweislich der Tagesordnung nicht vorgesehen gewesen sei, denn in der Tagesordnung sei ausschließlich von einer Neuwahl die Rede. Zu einer Abwahl sei daher nicht ordnungsgemäß geladen worden. Eine Ergänzung der Tagesordnung sei nicht möglich gewesen, da unstreitig in der Sitzung am 4. September 2008 nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend waren.

Der Beteiligte zu 1) beantragt zuletzt,

1. festzustellen, dass die Abwahl von Herrn M. W. als Vorsitzender des Betriebsrats sowie von Frau M. F. als stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung vom 4. September 2008 unwirksam und nichtig ist.

2. Festzustellen, dass die Wahl von Frau M. F. zur Vorsitzenden des Betriebsrats und von Frau D. P. zur stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung vom 4. September 2008 unwirksam und nichtig ist.

Die Beteiligten zu 2), 4) und 5) beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe seien nicht gegeben. Insbesondere sei der Tagesordnung hinreichend deutlich zu entnehmen, dass es zu einer Neuwahl kommen konnte. Eine Beschränkung der Tagesordnung auf etwaige "Wahlmodi" lasse sich nicht ansatzweise aus dieser erkennen. Unter Tagesordnungspunkt 12 habe entschieden werden sollen, nach welcher der dort genannten vier Alternativen weiter verfahren werden sollte. Deswegen sei eben u. a. als Tagesordnungspunkt 16 auch die Neuwahl des 1. und 2. Vorsitzenden vorgesehen gewesen - für den Fall, dass der Betriebsrat sich unter TOP 12 für diese Variante entscheiden sollte. Da der Betriebsrat sich unstreitig hierfür entschied, hätten die Tagesordnungspunkte 13 bis 15 nicht mehr bearbeitet werden müssen, da es auf diese nicht mehr angekommen sei.

Auch sonstige Fehler der Wahl seien nicht gegeben. Insbesondere sei durchaus aus dem Protokoll ersichtlich, dass sich mehrere Kandidaten aus den Reihen des Betriebsrats sowohl für die Wahl des Vorsitzenden als auch für die Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden zur Verfügung gestellt hätten. Zudem sei in der in der Tagesordnung enthaltenen Formulierung "Neuwahl" eine eventuelle Abwahl des bisherigen Amtsinhabers je nach Wahlausgang ohnehin enthalten.

Ergänzend wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die Anträge sind zulässig, aber unbegründet.

Die am 4. September 2008 erfolgte Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreterin sowie die am selben Tag durchgeführte Neuwahl sind weder anfechtbar noch nichtig.

Eine Wahl/Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters ist auf ihre Rechtmäßigkeit hin gerichtlich überprüfbar (BAG v. 13.11.1991 - 7 ABR 8/91, AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG 1972; Fitting, 23. Auflage 2006, § 26 BetrVG Rn. 45 m. w. N.). Eine besondere Rechtsfolgenregelung bei Verstößen gegen Wahlvorschriften enthält das Gesetz nur in § 19 BetrVG für die Betriebsratswahl selbst, die binnen einer Frist von zwei Wochen seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht angefochten werden kann. Das bedeutet, dass auch ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt, sondern sich auf die Wahl nur auswirkt, wenn diese fristgerecht von einem nach § 19 Abs. 2 BetrVG Anfechtungsberechtigten gerichtlich angefochten wird. Aber auch im Falle einer erfolgreichen Wahlanfechtung bleibt der Betriebsrat bis zur Rechtskraft der die Wahl für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt; die gerichtliche Entscheidung hat rechtsgestaltenden Charakter und wirkt nur für die Zukunft (BAG v. 13.3.1991 - 7 ABR 5/90 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 29). Diese gesetzliche Rechtsfolgenregelung dient der Rechtssicherheit. Mit der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung und Bedeutung des Betriebsrates wäre es unvereinbar, wenn die Gültigkeit seiner Wahl immer wieder in Zweifel gezogen werden könnte und es längere Zeit ungewiss bliebe, ob der Betriebsrat überhaupt rechtmäßig amtiert. Deshalb nimmt es der Gesetzgeber im Interesse einer funktionierenden Betriebsverfassung hin, dass auch der unter Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften gewählte Betriebsrat endgültig im Amt bleibt, wenn die Wahl nicht rechtzeitig angefochten wird, und dass er bei erfolgreicher Anfechtung sein Amt erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung verliert. Angesichts der Sonderregelung des § 19 BetrVG kann die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, die jederzeit von jedermann geltend gemacht werden könnte, nur bei so schwerwiegenden offensichtlichen Gesetzesverstößen angenommen werden, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt. Zugunsten eines aus solchen Wahlen hervorgegangenen Betriebsrates ist ein Vertrauensschutz nicht geboten; vielmehr ist die Wahl von vornherein ungültig, so dass die Gewählten nicht die Rechtsstellung von Betriebsratsmitgliedern erlangen (BAG v. 27.4.1976 - 1 AZR 482/75 - AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972 m. w. N.).

Das Fehlen einer entsprechenden Anfechtungsregelung für betriebsratsinterne Wahlen kann nicht bedeuten, dass ein Gesetzesverstoß bei solchen Wahlen stets und ohne weiteres die Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben müsste. Gerade die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters, um die es hier geht, sind Organisationsakte, die die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates erst herstellen. Der Betriebsratsvorsitzende oder im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter beruft die Sitzungen des Betriebsrats ein, setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung, er hat die Betriebsratsmitglieder zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden (§ 29 Abs. 2 BetrVG); er vertritt den Betriebsrat im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse und ist zur Entgegennahme der dem Betriebsrat gegenüber abzugebenden Erklärungen berechtigt (§ 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Wäre die Wahl des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters bei einem Verstoß gegen Wahlvorschriften ohne weiteres von Anfang an nichtig, so könnte ein fehlerhaft gewählter Vorsitzender keine Betriebsratssitzung einberufen, keine Tagesordnung festsetzen und keine Betriebsratssitzung leiten. Die Arbeit des Betriebsrates wäre in einem solchen Falle weitgehend lahmgelegt. Bei Zweifeln darüber, ob die Wahl unter Verstoß gegen Wahlvorschriften erfolgt ist und ob das Wahlergebnis durch den Verstoß beeinflusst werden konnte, bliebe bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Schwebe, ob der Gewählte überhaupt berechtigt war, Vorsitzendenfunktionen auszuüben, und ob die Beschlüsse, die der Betriebsrat in den von ihm unter Festsetzung der Tagesordnung einberufenen Sitzungen gefasst hat, wirksam sind oder nicht. Ein solcher Schwebezustand, der unter Umständen lange andauern könnte, weil die gerichtliche Geltendmachung der Nichtigkeit nicht an Fristen gebunden ist, wäre mit einer funktionierenden Betriebsverfassung unvereinbar. Die hier erforderliche Rechtssicherheit gebietet es deshalb, die Rechtsfolge der Nichtigkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden oder seines Stellvertreters ebenso wie bei der Wahl des Betriebsrates selbst auf besonders krasse Fälle von Gesetzesverstößen zu beschränken, bei denen nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt, im übrigen aber in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG nur die fristgebundene Anfechtung beim Arbeitsgericht zuzulassen mit der Folge, dass der fehlerhaft gewählte Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter bis zur Rechtskraft der die Wahl für unwirksam erklärenden gerichtlichen Entscheidung im Amt bleibt. Diese Erwägungen gelten auch für die hier ebenfalls in Frage stehende gesonderte Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters. Auch insofern entstünde ein nicht hinzunehmender Schwebezustand, sofern Zweifel darüber bestehen, ob die Abwahl unter Verletzung wesentlicher Vorschriften erfolgt ist.

Vorliegend ist die zweiwöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gewahrt. Die am 4. September 2008 erfolgte Abwahl und Neuwahl des/der Betriebsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreterin hat der Beteiligte zu 1) mit am 18. September 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz angefochten.

Der Beteiligte zu 1) ist als Betriebsratsmitglied auch anfechtungsbefugt. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind zur Anfechtung einer Betriebsratswahl mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber berechtigt. Bei einer betriebsratsinternen Wahl muss an die Stelle der Anfechtungsbefugnis von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern die Anfechtungsbefugnis eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes treten. Die Mindestzahl von drei Wahlberechtigten kann auf betriebsratsinterne Wahlen nicht übertragen werden. Wenn das Gesetz die Wahlanfechtungsbefugnis des einzelnen Wahlberechtigten bei Betriebsratswahlen daran knüpft, dass außer ihm noch mindestens zwei weitere wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl anfechten, so soll dieses Erfordernis sicherstellen, dass die Wahlanfechtung des einzelnen Arbeitnehmers wirklich ernst zu nehmen ist und der Fortbestand des gewählten Betriebsrats nicht durch eine querulatorische Wahlanfechtung unnötig in der Schwebe gehalten wird. Die Gefahr einer querulatorischen Wahlanfechtung ist bei der Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen durch Mitglieder des Betriebsrates weitaus geringer, so dass hier die Wahlanfechtung durch ein Betriebsratsmitglied genügen muss. Das ist aber auch deswegen geboten, weil sonst bei kleineren Betriebsräten eine Wahlanfechtung durch eine überstimmte Minderheit von Betriebsratsmitgliedern gar nicht möglich wäre (BAG v. 13.11.1991, aaO).

In entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 1 BetrVG kann auch die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters nur dann wirksam angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Nicht jeder Verstoß, sondern nur ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften berechtigt demnach zur Anfechtung. Als wesentlich sind solche Vorschriften anzusehen, die tragende Grundsätze der Betriebsratswahl bzw. der Wahl des Vorsitzenden enthalten. Hierzu zählen grundsätzlich die zwingenden Regelungen, während bloße Ordnungsvorschriften oder Sollbestimmungen die Anfechtung der Wahl im Allgemeinen nicht rechtfertigen (Fitting, 23. Auflage 2006, § 19 BetrVG Rn. 10 m. w. N.).

Ein solcher Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren ist vorliegend nicht gegeben.

Gemäß § 26 Abs. 1 BetrVG wählt der Betriebsrat aus seiner Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. Nähere Wahlvorschriften bestehen nicht. Mangels ausdrücklicher Vorschriften ist auch eine mündliche Stimmabgabe, unter Umständen sogar eine Wahl durch Zuruf ausreichend, sofern diese Stimmabgabe eine einwandfreie Feststellung des Wahlergebnisses gestattet (Fitting, 23. Auflage 2006, § 26 BetrVG Rn. 9 m. w. N.). Die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters sind gesondert, also in je einem Wahlgang vorzunehmen. Gewählt ist, wer jeweils die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Im Einzelnen kann der Betriebsrat den Wahlmodus unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze selbst festlegen (Fitting, 23. Auflage 2006, § 26 BetrVG Rn. 12 m. w. N.). Da das Gesetz für die Wahl keine qualifizierte Mehrheit fordert, ist gewählt, wer im jeweiligen Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.

Eine für eine ordnungsgemäße Wahl erforderliche wesentliche Verfahrensvoraussetzung ist in jedem Falle die ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder und die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats bei der Wahl (Fitting, 23. Auflage 2006, § 26 Rn. 46).

Beides war vorliegend gegeben. Der Betriebsrat war bei Durchführung der Abwahl sowie der Neuwahl am 4. September 2008 beschlussfähig. Beschlussfähigkeit ist gemäß § 33 Abs. 2 BetrVG gegeben, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder des Betriebsrats an der Beschlussfassung teilnimmt. An der Beschlussfassung hinsichtlich Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden sowie der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden nahmen jeweils 14, an der Beschlussfassung hinsichtlich der Neuwahl jeweils 15 Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder teil und damit mehr als die Hälfte der Mitglieder des Betriebsrats. Die Betriebsratsmitglieder waren auch ordnungsgemäß zur Sitzung am 4. September 2008 gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG geladen worden. Dass es eine rechtzeitige Ladung gab, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Diese Ladung erfolgte auch durch den Beteiligten zu 1) unter gleichzeitiger Übersendung der Tagesordnung.

Ein Verstoß gegen eine wesentliche Verfahrensvorschrift ergibt sich auch nicht daraus, dass auf der Tagesordnung die Ab- und Neuwahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters in der Sitzung am 4. September 2008 nicht vorgesehen gewesen wäre, weshalb eine wirksame Beschlussfassung über diese Punkte nicht möglich gewesen wäre.

Die vorherige Mitteilung der Tagesordnung soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Nur bei Kenntnis der Tagesordnung hat ein verhindertes Betriebsratsmitglied die Möglichkeit, seine Betriebsratskollegen schon vorher über seine Auffassung zu unterrichten und sie zu überzeugen. Außerdem eröffnet die vorherige Bekanntgabe der Tagesordnung dem Betriebsratsmitglied die Möglichkeit zu prüfen, ob es eine bestimmte Terminskollision zugunsten der Betriebsratssitzung oder zugunsten des anderen Termins löst (BAG v. 28.10.1992 - 7 ABR 14/92, AP Nr. 4 zu § 29 BetrVG 1972; BAG v. 24.5.2006 - 7 ABR 201/05, AP Nr. 6 zu § 29 BetrVG 1972).

Diesen Grundsätzen über Sinn und Zweck der Tagesordnung wird die Tagesordnung der Sitzung vom 4. September 2008 hinsichtlich der Neuwahl in noch ausreichender Weise gerecht.

Die Neuwahl des 1. und 2. Vorsitzenden war gemäß TOP 16 der Tagesordnung für den 4. September 2008 vorgesehen. Es existierte mithin ein eigenständiger Tagesordnungspunkt hinsichtlich der Neuwahl. Für die Betriebsratsmitglieder war daher in hinreichend deutlicher Weise aus der Tagesordnung erkennbar, dass es im Rahmen der Sitzung zu einer Neuwahl kommen konnte. Gemäß TOP 12 sollten verschiedene Optionen zum Abbau bestehender Spannungen zwischen dem Vorsitzenden und der Stellvertreterin beraten und hierüber abgestimmt werden. Dort ist ausdrücklich nicht nur von einer diesbezüglichen Beratung, sondern auch von einer Abstimmung die Rede. Dies sieht auch der Beteiligte zu 1). Es sollte im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes eine Entscheidung darüber getroffen werden, in welcher Weise zum Zwecke des Spannungsabbaus weiter verfahren werden sollte. Die vier Möglichkeiten, die insofern nach Auffassung des Betriebsrats in Betracht kamen, waren unter TOP 12 als Ziffern 1) bis 4) aufgelistet. Sodann finden sich diese Möglichkeiten nochmals als eigenständige Tagesordnungspunkte 13 bis 16. Die jeweils weiter notwendigen Schritte, je nachdem für welche Möglichkeit man sich unter TOP 12 entschied, waren aufgeführt. Eine solche Aufnahme der Optionen als eigenständige Tagesordnungspunkte und insbesondere auch der Neuwahl mit mehreren Unterpunkten, die regeln, worüber zu entscheiden ist, macht nur Sinn, wenn die Neuwahl - für den Fall, dass dies die Option sein sollte, für die sich das Gremium unter TOP 12 mehrheitlich entschied - noch in der Sitzung am 4. September 2008 erfolgen sollte. Die Optionen selbst waren bereits unter TOP 12 genannt. Ihre Wiederholung als eigenständige Tagesordnungspunkte musste bedeuten, dass die für die Durchführung der jeweiligen Option notwendigen Schritte im Anschluss an die Entscheidung für die jeweilige Option unmittelbar umgesetzt werden sollten.

Dem steht auch nicht entgegen, dass unter TOP 12 nicht nur eine Beratung und Abstimmung über das weitere Vorgehen, sondern auch über den "Wahlmodus" erfolgen sollte. Was hiermit in der konkreten Situation gemeint war, kann dahinstehen; denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, weshalb eine zusätzlich vorgesehene Abstimmung über einen "Wahlmodus" den Schluss zulassen sollte oder gar müsste, man habe ausschließlich über diesen Wahlmodus entscheiden und nicht die Wahl durchführen wollen, nachdem sie als eigenständiger Tagesordnungspunkt ebenfalls aufgeführt war und es unter TOP 16 ausdrücklich heißt "Je nach Abstimmungsergebnis gegebenenfalls...2) Vorschläge für die/den Vorsitzenden und Durchführung der geheimen Wahl...".

Aber auch die der Neuwahl vorangegangene Abwahl ist nicht wegen eines Verstoßes gegen eine wesentliche Verfahrensvorschrift unwirksam, weil sie auf der Tagesordnung nicht explizit vorgesehen war. Zwar war eine eigenständige Abwahl auf der Tagesordnung tatsächlich nicht genannt. Jedoch ist eine eigenständige "Abwahl" auch nicht erforderlich. Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende können jederzeit durch Betriebsratsbeschluss abberufen werden (Fitting, 23. Auflage 2006, § 26 BetrVG Rn. 20). In einem Beschluss, in dem der Betriebsrat einen neuen Vorsitzenden und einen neuen stellvertretenden Vorsitzenden wählt, ist zwingend die Abberufung des bisherigen Amtsinhabers enthalten, sofern er oder sie nicht im Rahmen der Neuwahl im Amt bestätigt wird. An seine oder ihre Stelle ist dann automatisch der oder die neu gewählte Vorsitzende getreten. Daraus ergibt sich, dass jedenfalls in der der eigenständigen Abwahl unmittelbar zeitlich nachfolgenden Neuwahl, wenn diese wirksam erfolgt ist, eine wirksame Abwahl der bisherigen Amtsinhaber enthalten ist.

Auch sonstige Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften im Zusammenhang mit den erfolgten Wahlen sind nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) ist nicht erkennbar, dass die Tagesordnungspunkte 13, 14 und 15 "gesetzeswidrig nicht abgearbeitet" worden sein sollen, "obwohl sie ausweislich der Tagesordnung abzuarbeiten gewesen wären". Vielmehr erfolgte ausweislich des Protokolls unter TOP 12 die laut Tagesordnung vorgesehene Abstimmung über die vier Optionen. In geheimer Wahl stimmte man über diese Lösungsansätze ab, also darüber, wie man als Betriebsratsgremium weiter vorgehen wollte, um die Spannungen zwischen dem Vorsitzenden und seiner Stellvertreterin abzubauen. An dieser Abstimmung nahmen 15 Betriebsratsmitglieder teil. Zehn davon stimmten für die Option 4), also die Neuwahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden. Damit war mehrheitlich die Entscheidung gefallen, dass es zu einer Neuwahl kommen sollte und die anderen drei Vorschläge nicht weiterverfolgt werden sollten. Deren weitere Behandlung war damit entbehrlich. Welche zusätzliche Erörterung und/oder sogar Abstimmung unter den Tagesordnungspunkten 13 bis 15 noch hätte erfolgen sollen, ist nicht erkennbar. Nach der Konzeption der vier verschiedenen Lösungsansätze, zwischen denen unter TOP 12 eine Entscheidung getroffen werden sollte, war die logische Folge, dass nur einer der TOPs 13 bis 16 behandelt und dort, soweit erforderlich, eine weitere Abstimmung erfolgen würde. Anhaltspunkte dafür, dass "putschartig" die Tagesordnung verkürzt worden sein soll, und damit in dem Demokratieprinzip widersprechender Weise Rechte des Betriebsrats verkürzt wurden, bestehen danach nicht.

Ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beteiligte zu 1) ausweislich des Protokolls darauf hingewiesen hatte, dass die Wahl unter TOP 16 anfechtbar sei. Damit äußerte er seine Rechtsauffassung, die er nunmehr im vorliegenden Verfahren weiter verfolgt. Inwiefern sich aus dem Umstand, dass er diese Meinung bereits in der Betriebsratssitzung äußerte, ein Verstoß gegen Wahlvorschriften ergeben soll, ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass man seine Einwendung aufgriff und sie zum Anlass nahm, noch einmal darüber nachzudenken und abzustimmen, ob die Wahl unter TOP 16 vertagt werden sollte. Mehrheitlich entschied sich das Gremium gegen eine solche Verschiebung. Es beschloss, dass trotz der Bedenken des Vorsitzenden an diesem Tage abgestimmt werden sollte. Ein "putschartiges Vorgehen" kann auch hierin nicht erblickt werden, denn wie oben dargestellt war die Wahl auf der Tagesordnung enthalten, so dass man lediglich ein Festhalten an der ohnehin vorgesehenen Tagesordnung beschloss.

§ 26 BetrVG wurde auch nicht durch direkte Durchführung der Wahl ohne vorherige Bestimmung des Wahlmodus ignoriert. Wiederum ist nicht nachvollziehbar, inwiefern erst ein bestimmter Wahlmodus hätte festgelegt werden müssen. Dass es zur Neuwahl kommen sollte und keine der anderen Optionen gewählt werden sollte, hatte der Betriebsrat unter TOP 12 festgelegt. Über einen diesbezüglichen weiteren "Wahlmodus" bestand daher, wie schon ausgeführt, kein Abstimmungsbedarf mehr. § 26 BetrVG sieht für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden einen bestimmten Wahlmodus zudem gerade nicht vor, so dass - wie erfolgt - mit einfacher Mehrheit gewählt werden konnte. Eine geheime Wahl war zwar notwendig, weil der Betriebsrat dies in der von ihm aufgestellten Tagesordnung unter TOP 16 so vorgesehen hatte; die Wahl erfolgte ausweislich des Protokolls aber auch geheim, so dass auch hier ein Verstoß gegen Wahlvorschriften nicht gegeben ist.

Dahinstehen kann, ob es eine wesentliche Verfahrensvorschrift für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters nach § 26 Abs. 1 BetrVG darstellt, dass aus den Reihen des Betriebsrats Vorschläge für den zu wählenden Vorsitzenden/Stellvertreter gemacht werden. Denn ausweislich des Protokolls gab es verschiedene Kandidaten aus den Reihen des Betriebsrates, die sich zur Wahl zur Verfügung stellten. Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift daher nicht vor, zumal eine Wahlordnung, die genauere Regelungen für den Ablauf der Wahl enthält, anders als bei der Betriebsratswahl hier nicht besteht.

Da bereits ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren, der die erfolgten Abwahl und Neuwahl des Vorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden anfechtbar machen würde, nicht gegeben ist, fehlt es erst recht an einem Grund für deren Nichtigkeit. Denn eine Nichtigkeit ist nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in einem so hohen Maße verstoßen worden ist, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gegeben ist (BAG v. 19.11.2003 - 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972; Fitting, 23. Auflage 2006, § 19 BetrVG Rn. 4 m. w. N.). Anhaltspunkte hierfür bestehen, wie dargelegt, nicht.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt auf der nächsten Seite.



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