Landesarbeitsgericht Hessen
Beschluss vom - Az: 16 TaBV 226/11
Zur Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme für ein Betriebsratsmitglied
Zulässige Erwägungen liegen in der Auswahl eines fachlich näheren Veranstalters (hier: Gewerkschaft) sowie in der Auswahl eines "Gesamtkonzepts" (hier: zwei Aufbaukurse).
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 5.10.2011 - 2 BV 4/11 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Schulungskosten.
Antragsteller ist der bei dem Arbeitgeber (Beteiligte zu 2), einem Unternehmen der Metallindustrie, in dem ca. 280 Arbeitnehmer beschäftigt werden, gebildete Betriebsrat.
Anfang 2010 wurde das Betriebsratsmitglied K neu in den Betriebsrat gewählt. Sie nahm zunächst an der einwöchigen Grundschulung "Betriebsratsmitglieder I" teil; wegen des Themenplans dieser Veranstaltung wird auf Bl. 145-147 der Akten Bezug genommen. Die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an dieser Schulungsveranstaltung und die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber ist nicht streitig. In der Zeit vom 23. Januar 2011 bis 4. Februar 2011 nahm sie an dem Seminar "Betriebsräte II", das vom selben Veranstalter durchgeführt wurde, teil; hinsichtlich der dort behandelten Themen wird auf Bl. 15/15R der Akten verwiesen. Hierfür entstanden Seminargebühren in Höhe von 2778 € sowie Fahrtkosten in Höhe von 162 €, die der Arbeitgeber nicht erstattete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen unter I der Begründung des Arbeitsgerichts (Bl. 56-57 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen unter II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 57,58 der Akten) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 25. Oktober 2011 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 25. November 2011 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Arbeitgeber rügt zunächst, die Begründung des Arbeitsgerichts beziehe sich ersichtlich auf ein anderes Verfahren. Das Bundesarbeitsgericht habe bei einem Betriebsratsmitglied ohne Vorkenntnisse eine Schulungsveranstaltung mit einer Gesamtdauer von zwei Wochen als angemessen angesehen. Das Betriebsratsmitglied habe hier jedoch an einer mit insgesamt drei Wochen angesetzten Grundlagenschulung teilgenommen, was nicht mehr angemessen sei. In seiner Entscheidung vom 17. Oktober 1990 -7 AZR 547/89- habe das Bundesarbeitsgericht eine dritte Schulungswoche für nicht erforderlich angesehen, da nicht mehr davon auszugehen ist, dass auf ihr noch Grundwissen vermittelt wird. Ferner vermittelten private Veranstalter dasselbe Wissen in kürzerer Zeit. So benötige das Schulungsunternehmen W für einen vergleichbaren Kurs statt fünf Tage nur drei Tage zuzüglich An- und Abreise. Pro Woche lägen die Kosten bei dem Veranstalter W etwa 200 € niedriger als bei der M.
Die Beteil. zu 2 beantragt,
den Beschluss des ArbG Wetzlar vom 5. Oktober 2011 -2 BV 4/11- abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Abzustellen sei auf die Umstände des Einzelfalles. Gegenstand der Veranstaltung seien absolute Grundlagen in betriebsverfassungsrechtlicher sowie teilweise individualrechtlicher Hinsicht gewesen. Auch die Dauer der Veranstaltung entspreche der Erforderlichkeit. Schließlich habe der Betriebsrat ein Auswahlermessen. Insoweit sei es sachgerecht, nach dem Besuch der Veranstaltung "Betriebsratsmitglieder I" an der darauf aufbauenden Schulung "Betriebsratsmitglieder II" teilzunehmen. Den Seminaren desselben Veranstalters liege ein einheitliches pädagogisches Konzept zu Grunde. Die erhöhten Kosten seien vom Betriebsrat durchaus in seine Überlegungen einbezogen worden. Als Interessenvertretung seien die Seminare der M für den Betriebsrat jedoch informativer. Soweit das Betriebsratsmitglied B wiederholt Schulungen des Veranstalters W besucht habe, habe es sich auch dort um aufeinander aufbauende Seminare gehandelt. Im Übrigen besuche auch dieses Betriebsratsmitglied in Fragen des Tarifrechts Schulungen der M.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft, § 84 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antragsteller im Ergebnis zu Recht einen Anspruch auf Erstattung der Schulungskosten einschließlich der hierfür angefallenen Fahrtkosten zugesprochen.
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. Der Betriebsrat hat zu entscheiden, ob ein Betriebsratsmitglied zu einer Schulungsveranstaltung entsandt werden soll. Dabei hat er unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Umstände zu prüfen, ob die Teilnahme für die zu erwerbenden Kenntnisse erforderlich i.S. von § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG ist oder nicht. Der Betriebsrat hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums auch zu prüfen, ob die zu erwartenden Kosten der konkreten Schulung mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebs zu vereinbaren sind. Außerdem hat er darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht. Der Betriebsrat ist bei vergleichbaren Seminarinhalten allerdings nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen (Bundesarbeitsgericht 17. November 2010-7 ABR 113/09-NZA 2011, 816, Rn. 21-24, 31).
Bei den auf der Schulungsveranstaltung vom 23. Januar bis 4. Februar 2011 vermittelten Kenntnissen handelt es sich um Grundkenntnisse, über die jedes Betriebsratsmitglieds zur Ausübung seines Amts verfügen muss. Dies ergibt sich aus dem Themenplan, Bl. 15/15R der Akten. Dass das Betriebsratsmitglied über diese Kenntnisse verfügen muss, stellt der Arbeitgeber nicht in Abrede. Die Inhalte überschneiden sich auch nicht mit der von dem Betriebsratsmitglied zunächst besuchten Veranstaltung "Betriebsratsmitglieder I“. In seiner Entscheidung vom 18. September 1991-7 AZR 125/90-hat das Bundesarbeitsgericht die Erforderlichkeit der dritten Woche einer Schulungsveranstaltung verneint, weil es sich nach dem dortigen Themenplan nicht mehr um die Vermittlung von Grundwissen handelte. Das Bundesarbeitsgericht hat in der genannten Entscheidung gerade nicht vertreten, dass die Vermittlung des erforderlichen Grundwissens in zwei Seminarwochen möglich sein muss. Selbst wenn ein privater Veranstalter vergleichbare Inhalte statt in fünf in dreieinhalb Tagen vermittelt, folgt hieraus nicht, dass die in dem von dem Betriebsratsmitglied hier besuchten Seminar verbleibende Unterrichtszeit nicht erforderlich war. Die Beschwerdekammer hält es durchaus für angemessen, bei neu den Betriebsrat eingetretenen Mitgliedern für die Vermittlung des erforderlichen Wissens in Bezug auf das für die Betriebsratsarbeit grundlegende Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG einschließlich des Einigungsstellenverfahrens sowie freiwilliger Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG und der Durchführung gemeinsamer Beschlüsse gemäß § 77 BetrVG eine Woche zu veranschlagen. Dies gilt insbesondere dann, wenn -wie hier- Einzelfragen zu § 87 BetrVG von den Teilnehmern in Arbeitsgruppen erarbeitet werden, was typischerweise mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Vermittlung durch Frontalunterricht. Der Vorteil dieses didaktischen Konzepts besteht jedoch darin, dass das von den Teilnehmern selbst in Gruppenarbeit gearbeitete Wissen sich besser einprägt. Auch in Bezug auf die ersten beiden Unterrichtswochen kann die Beschwerdekammer nicht feststellen, dass nicht erforderliche Inhalte oder erforderliche Inhalte in unangemessen langer Unterrichtsdauer vermittelt wurden. Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums sich trotz der geringfügig längeren Schulungsdauer und der höheren Kosten von ca. 200 € für die von der Gewerkschaft angebotene Schulung entscheiden durfte. Zum einen ist es für die Beschwerdekammer nachvollziehbar, wenn der Betriebsrat die Vermittlung des erforderlichen Grundwissens für das neu in das Gremium eingetretene Betriebsratsmitglied im Rahmen des vom Anbieter vorgesehenen Gesamtkonzepts (zunächst Besuch der Veranstaltung "Betriebsratsmitglieder I", sodann Besuch der Veranstaltung "Betriebsratsmitglieder II") durchführen lassen wollte. Hierdurch wird sichergestellt, dass zum einen der gesamte Wissensstoff abgedeckt wird. Zum anderen werden unnötige Überschneidungen vermieden. Hinzu kommt, wie der Betriebsratsvorsitzende im Anhörungstermin im Einzelnen dargelegt hat, dass nach seiner Beurteilung für eine Interessenvertretung die Seminare der M informativer und besser geeignet sind als die freier Veranstalter. Auch wenn es sicherlich hochwertige Veranstaltungen freier Anbieter geben mag, hält sich der Wunsch des Betriebsrats, neue Betriebsratsmitglieder von der Gewerkschaft schulen zu lassen, innerhalb seines Beurteilungsspielraums. Im Hinblick auf die in der Betriebsgröße des Arbeitgebers zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durfte der Betriebsrat hierfür auch die geringfügig längere Lehrgangsdauer und höhere Kosten von ca. 200 € für erforderlich halten. Zudem war der Betriebsrat nicht verpflichtet, eine Marktanalyse anzustellen und den günstigsten Anbieter auszuwählen.
III.
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92 Abs. 1, § 72 ArbGG.