Landesarbeitsgericht Hessen

Beschluss vom - Az: 12 Ta 321/10

Zum Inhalt des vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruchs

Wird der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verurteilt, so kommt dieser seiner Pflicht nicht nach, wenn er dem Arbeitnehmer eine geringwertigere Arbeit als die vorherige zuweist, ihm für diese Zeit Urlaub gewährt oder ihn zu einer langfristig angelegten Fortbildungsmaßnahme für ein völlig neues und anderes Aufgabengebiet schickt, insbesondere wenn noch gar nicht verbindlich geklärt ist, ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich darauf zukünftig einzulassen.

Tenor

Die Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten nach beiderseitiger Erledigungserklärung noch über die Kosten des Zwangsgeldverfahrens.

Auf die Berufung des Gläubigers im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat das Hess. Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.05.2010 (16 SaGa 341/10) den Schuldner zur Beschäftigung des Gläubigers als Personalsachbearbeiter bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az.: 8 Ca 1009/10, verurteilt. Mit Beschluss vom 9.7.2010 hat das Arbeitsgericht Frankfurt (8 Ga 213/09) gegen den Schuldner ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, verhängt. Gegen diesen ihm am 14.07.2010 zugestellten Beschluss hat sich der Schuldner mit seiner am 19.07.2010 beim Arbeitsgericht eingereichten sofortigen Beschwerde gewandt.

Der Gläubiger forderte den Schuldner am 17.05.2010 und am 26.05.2010 zur Erfüllung der vom Landesarbeitsgericht titulierten Verpflichtung auf. Erst am 31.05. 2010 teilte der Schuldner mit, er sehe sich nicht in der Lage, dem Gläubiger binnen zwei Tagen einen neuen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Man sei bereit, ihn ab dem 21.06.2010 wieder zu beschäftigen und erteile ihm bis dahin Urlaub (Bl. 249 d.A.). Darauf hat der Gläubiger am selben Tag seinen Zwangsmittelantrag beim Arbeitsgericht eingereicht. Am 21.06.2010 teilte der Schuldner dem Gläubiger mit Schreiben vom 21.06.2010 (Bl. 297d.A.) mit, dass er als Reaktion auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts beschlossen habe, ihn ab dem 4.06.2010 mit den Aufgaben, wie bereits im Schreiben vom 20.11.2009 mitgeteilt, zu beschäftigen. Dabei handelte es sich um ausschließlich um die Aufgabengebiete Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement (Bl. 21-26 d.A.), die der Gläubiger vorher nie bearbeitet hatte.

Der Schuldner vertritt die Ansicht, mit der dem Gläubiger neu zugewiesenen Beschäftigung seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts nachgekommen zu sein. Der Gläubiger habe nach der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf eine bestimmte, sondern nur auf eine gleichwertige Tätigkeit. Der Gläubiger ist der Auffassung, dass es sich hier nicht mehr um Aufgaben der Personalsachbearbeitung und zudem um geringwertigere Tätigkeiten handele. Die übrigen Personalsachbearbeiter würden mit diesen Aufgaben nur in geringem Umfang und nicht überwiegend oder gar ausschließlich beschäftigt.

Nach Einlegen der sofortigen Beschwerde hat das Arbeitsgericht in dem Hauptsacheverfahren (8 Ca 1009/10) eine Entscheidung durch Urteil getroffen. Darauf haben die Parteien übereinstimmend den Zwangsmittelantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt, nachdem die Parteien übereinstimmend entsprechende Erklärungen abgegeben haben. Daher ist gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten zu entscheiden. Das bedeutet in der Regel, dass derjenige die Kosten zu tragen hat, der voraussichtlich unterlegen wäre. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs waren hier dem Schuldner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen; denn er ist seiner vollstreckbaren Verpflichtung aus dem Urteil des Hess. Landesarbeitsgerichts vom 10.05.2010 zur Beschäftigung des Gläubigers als Personalsachbearbeiter weder bis zur Einreichung des Zwangsmittelantrags noch später nachgekommen. Die Zuweisung einer anderen Tätigkeit im Wege der am 31.5.2010 angekündigten, am 21.06.2010 vollzogenen Versetzung erfüllt diese Verpflichtung nicht. Somit musste der Gläubiger zur Durchsetzung seines Anspruchs die Zwangsvollstreckung einleiten.

Der Zwangsgeldantrag war zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet. Die formellen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) waren bei Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens gegeben. Der arbeitsgerichtliche Titel hatte Bestand und war noch nicht durch das Urteil des Arbeitsgerichts im Hauptsacheverfahren (8 Ca 1009/10) beseitigt worden. Gemäß § 62 Ab.1 ArbGG war der Titel vorläufig vollstreckbar. Der Gläubiger hat zudem die Vollziehung (Vollstreckung) gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Verkündung des Urteils eingeleitet.

Der Titel war für die Zwangsvollstreckung auch hinreichend bestimmt.

Der Maßstab für die Bestimmtheit einer vollstreckungsfähigen Leistung deckt sich mit den Anforderungen nach § 253 Abs. 2 ZPO für die Bestimmtheit des Antrags in der Klageschrift. Der bestimmte Antrag dient zum einen zur Abgrenzung des Streitgegenstands, zum anderen schafft er eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung. Er muss die Grundlage dafür schaffen können, dass eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren zu erwarten ist. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen deshalb nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, zu klären, worin die Verpflichtung besteht und ob das Urteil zu Recht ergangen ist (BAG 15.04. 2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917).

Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch den Vollstreckungstitel festgelegt werden, kann grundsätzlich nur auf diesen selbst, nicht dagegen auf andere Schriftstücke zurückgegriffen werden. Handelt es sich bei dem Titel um ein Urteil, ist zu berücksichtigen, dass § 313 Abs. 2 ZPO die Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten (BAG Beschluss v. 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - juris; Hess LAG 23.1.2003 - 16 Ta 672/02; Hess LAG 25.06.2007 - 12 Ta 194/07). Im Ergebnis muss die Prüfung und Auslegung des Titels die Art der ausgeurteilten Beschäftigung ergeben.

Nach diesen Grundsätzen besteht die Verpflichtung des Schuldners aus dem Titel des Landesarbeitsgerichts darin, den Gläubiger als Personalsachbearbeiter oder mit einer anderen gleichwertigen Tätigkeit mit abgeschlossenem Aufgabengebiet zu beschäftigen. Die Verpflichtung des Schuldners ist nach dem Inhalt des Titels, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 5.07.2010, nicht auf die Beschäftigung mit Aufgaben eines Personalsachbearbeiters begrenzt; denn das Landesarbeitsgericht führt unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 3 Arbeitsvertrag in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich aus, dass die titulierte Beschäftigung als Personalsachbearbeiter die vom Schuldner zu erbringende Handlung nicht auf die Zuweisung dieser konkreten Tätigkeit beschränke, sondern die Verpflichtung auch mit der Zuweisung einer anderen, gleichwertigen Aufgabe erfüllt werden könne.

An diesen ausdrücklich formulierten Inhalt des Titels ist das Beschwerdegericht in der Zwangsvollstreckung gebunden. Die Beschwerdekammer ist zwar der Ansicht, dass mit der ausdrücklich den Arbeitsvertrag abändernden Vereinbarung vom 15.05.2001 dem Gläubiger verbindlich ein bestimmtes Aufgabengebiet übertragen wurde und daher das Direktionsrecht auf die Zuweisung von Aufgaben als Personalsachbearbeiter begrenzt worden ist. Da der Beschäftigungsanspruch im Erkenntnisverfahren jedoch anders umschrieben wurde, bleibt die Prüfung, ob der Anspruch erfüllt ist, darauf beschränkt, ob die dem Gläubiger zugewiesenen Aufgaben sich als gleichwertig zu den bisher vom Gläubiger ausgeführten Aufgaben erweisen.

Soweit nach dem gegebenen Sach- und Streitstand die Überprüfung möglich ist, erscheinen die dem Gläubiger zugewiesenen Aufgaben in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsmanagement nicht als gleichwertig zu seinen früheren Aufgaben als Personalsachbearbeiter, insbesondere in der Personalabrechnung. Der Schuldner hat die ihm obliegende Verpflichtung aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts damit nicht erfüllt (§ 362 BGB).

Hierbei muss gesehen werden, dass die Beschäftigungsverpflichtung zeitlich begrenzt ist bis zu einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt im Hauptsacheverfahren, es sich also nur um einen relativ kurzen Zeitraum der Beschäftigung handelt. Aufgrund dieses besonderen Umstands verfolgt die Verurteilung das Ziel, den Gläubiger mit unmittelbar produktiven Tätigkeiten zu beschäftigen, die ihm die Anwendung und Ausübung seiner Kenntnisse und Fertigkeiten ermöglichen. Dieses Ziel kann weder mit Freizeit und Urlaubsgewährung noch mit auf eine langfristige Perspektive angelegten Fortbildungsmaßnahmen für ein völlig neues und anderes Aufgabengebiet erreicht werden, insbesondere wenn noch gar nicht verbindlich geklärt ist, ob der Gläubiger verpflichtet ist, sich darauf zukünftig einzulassen.

Daneben hat der Schuldner nicht hinreichend dargelegt, dass die dem Gläubiger nach Urlaub und Einarbeitung zuzuweisenden Arbeitsaufgaben im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz tatsächlich gleichwertig zu seiner bisherigen Tätigkeit sind. Weder die frühere noch die künftige Tätigkeit sind im Detail beschrieben. Der Verweis auf das Schreiben vom 20.11.2009 genügt hier nicht; denn daraus wird weder deutlich, welches Maß an Selbständigkeit und Verantwortung ihm künftig zuwachsen soll, und genauso wenig, wie sich die Zusammenarbeit mit den Fachkräften Arbeitssicherheit künftig gestalten soll.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S.2 iVm § 72 Abs.2 ArbGG) waren nicht ersichtlich.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen