Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 3 Sa 232/13

Unzulässige Probezeitkündigung wegen bevorstehendem Wehrdienst

(1.) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis vor Beginn und nach Beendigung des Wehrdienstes (Grundwehrdienst und Wehrübungen) nicht aus Anlass des Wehrdienstes kündigen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG). Jede Kündigung erfolgt dann aus Anlass des Wehrdienstes, wenn der bestehende oder bereits abgeleistete Wehrdienst dafür den Grund abgibt. Dafür genügt es, wenn der Wehrdienst mitbestimmendes Motiv des Arbeitgebers ist.
Eine Kündigung, die gegen § 2 Abs. 2 ArbPlSchG verstößt, ist nichtig (§ 134 BGB).

(2.) Wenn der Arbeitnehmer behauptet, die Kündigung verstoße gegen die Kündigungsverbote gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG und der Arbeitgeber bestreitet dies, wird die Beweislast für die Kündigungsgründe nach § 2 Abs. 2 Satz 3 ArbPlSchG umgekehrt und der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Einberufung zum Wehrdienst seinen Entschluss zur Kündigung des Wehrpflichtigen nicht bestimmt hat. Dabei kann sich der Arbeitgeber nicht auf ein Bestreiten beschränken, sondern muss das Gericht durch substantiierten Sachvortrag davon überzeugen, dass andere Gesichtspunkte seinen Entschluss zur Kündigung bestimmt haben. Bezüglich der Anforderungen an die Beweisführung muss mindestens verlangt werden, dass der Arbeitgeber Gründe dartut, die unabhängig von der Einberufung bei einem verständig denkenden Arbeitgeber ein Motiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen können.

Hier: Dem Arbeitnehmer, der sich in Probezeit befindet, wird zum Antrittstag seines Wehrdienstes vom Arbeitgeber gekündigt, wobei der Arbeitgeber Kenntnis vom Einzug hat.
Diese Probezeitkündigung ist nichtig, da sie gegen § 2 Abs. 2 S. 1 ArbPlSchG verstößt.
Im Verfahren hat der Arbeitgeber lediglich subjektive Wertungen über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abgegeben, ohne diese durch hinreichende Tatsachen zu stützen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. Januar 2013 verkündeten Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 19 Ca 4687/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Rechtswirksamkeit einer Kündigung durch die Beklagte.

Die Beklagte beschäftigt in A mehr als 1600 Mitarbeiter an 18 Standorten.

Der am B geborene, geschiedene und einer Person zum Unterhalt verpflichtete Kläger, der Angehöriger der C ist, ist seit dem 02. bzw. 03. Januar 2012 bei der Beklagten als Senior Account Manager beschäftigt. Grundlage ist ein schriftlicher Vertrag, der von der Beklagten als Blatt 33 - 41 in englischer Sprache zu den Akten gereicht wurde. Die Parteien haben in Ziffer 2 des Vertrages eine Probezeit von sechs Monaten und während der Probezeit eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart. Während seiner Tätigkeit für die Beklagte erhielt der Kläger eine monatliche Bruttovergütung von durchschnittlich 8.583,33 Euro zuzüglich einer eventuellen variablen Vergütung. Mit Bescheid vom 10. Januar 2012 (im Folgenden: Heranziehungsbescheid) hat das Kreiswehrersatzamt D den Kläger zu einer Einzelübung herangezogen, welche für den Zeitraum vom 29. Oktober 2012 bis zum 09. November 2012 geplant war, wegen der Einzelheiten des Heranziehungsbescheides wird auf Bl. 65 d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2012, das dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 05. Juli 2012, wegen der Einzelheiten des - englischsprachigen - Kündigungsschreibens wird auf Bl. 19 d. A. Bezug genommen.

Mit seiner am 10. Juli 2012 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage, die der Beklagten am 13. Juli 2012 zugestellt worden ist, wendet sich der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung.

Der Kläger hat im Zeitraum vom 05. Juli bis 30. November 2012 Wehrdienst geleistet und eine entsprechende Besoldung erhalten, die sich oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze bewegte.

Der Kläger hat behauptet, er habe die von ihm geschuldete arbeitsvertragliche Leistung stets in vollem Umfang erbracht. Irgendwelche Beanstandungen seitens der Beklagten habe es zu keiner Zeit gegeben. Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis aus Anlass seiner anstehenden Wehrübung gekündigt. Er habe den Heranziehungsbescheid am 16. Januar 2012 per E-Mail an die Beklagte übermittelt und nimmt insoweit Bezug auf den mit der Anlage K 5 vorgelegten internen E-Mail-Verkehr, wegen dessen Einzelheiten wird auf Bl. 67 - 69 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt, soweit im Berufungsverfahren noch angefallen,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 2012 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass die Einberufung des Klägers zur Wehrübung zu keinem Zeitpunkt ein Motiv für den Ausspruch der Kündigung gewesen sei. Vielmehr habe die Beklagte gekündigt, weil sie mit der Leistung des Klägers, insbesondere im Hinblick auf sein exponiertes Gehalt, nicht zufrieden gewesen sei. Einzig dieses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sei Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Wegen des zwischenzeitlichen Ausscheidens der Mitarbeiterin E könne nicht festgestellt werden, ob der Kläger überhaupt, wie von ihm behauptet, die Beklagte von der Wehrübung unterrichtet habe. Deshalb hat die Beklagte die diesbezügliche Mitteilung des Klägers bestritten.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2012 mit am 17. Januar 2013 verkündetem Urteil der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 20. Juni 2012 nach § 134 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG nichtig sei. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG dürfe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht aus Anlass des Wehrdienstes kündigen. Aus § 1 Abs. 1 ArbPlSchG ergebe sich, dass der Begriff des Wehrdienstes sowohl den Grundwehrdienst als auch Wehrübungen umfasse. Das Gesetz stelle für den Fall, dass die Entlassung vorgenommen werde, nachdem der Arbeitgeber von der Einberufung Kenntnis erhalten habe, eine widerlegbare Vermutung dafür auf, dass aus Anlass des Wehrdienstes gekündigt wurde. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 ArbPlSchG treffe den Arbeitgeber die Beweislast, wenn streitig sei, ob er aus Anlass des Wehrdienstes gekündigt habe. Die Beklagte habe Kenntnis von dem Heranziehungsbescheid, weil sie dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht substantiiert entgegengetreten sei. Sie habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die Kündigung mit Schreiben vom 20. Juni 2012 auf anderen Motiven als der Heranziehung zum Wehrdienst beruht habe. Der Vortrag der Beklagten über die Unzufriedenheit mit der Leistung des Klägers sei unbeachtlich. Er sei pauschal und einer näheren Einlassung durch den Kläger nicht zugänglich. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Seite 4 bis 7 des Urteils (Bl. 82 bis 83 RS d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, dass der Beklagten am 01. Februar 2013 zugestellt worden ist, hat diese mit am 21. Februar 2013 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin, mit am 02. Mai 2013 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte behauptet weiterhin, nicht verifizieren zu können, ob der Kläger den Heranziehungsbescheid mit E-Mail vom 16. Januar 2012 bei der Beklagten eingereicht habe, weil die Adressatin der E-Mail, Frau E, in der Zwischenzeit bei der Beklagten ausgeschieden sei. Sie vertritt die Rechtsauffassung, der Kläger habe erstinstanzlich nicht konkret dargelegt, dass die streitbefangene Kündigung aus Anlass der Wehrübung ausgesprochen worden sei, so dass die Beweislastumkehr gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG vorliegend nicht zur Anwendung komme. Darüber hinaus habe die Beklagte bereits ausreichend substantiiert zum Kündigungsmotiv vorgetragen. Denn sie habe sich auf das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als Anlass für den Ausspruch der ordentlichen Kündigung berufen und darauf, dass die Wehrübung für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit keine Rolle gespielt habe. Dafür spreche auch der lange Zeitraum zwischen der angeblichen Bekanntmachung der Wehrübung durch den Kläger und dem Ausspruch der Kündigung. Insoweit müsse auch gewürdigt werden, dass die Beklagte die Bekanntgabe des Heranziehungsbescheides ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten habe, weil die Empfängerin in der Personalabteilung, Frau E, nicht mehr beschäftigt werde. Auch dies spreche dafür, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Kündigungsentschlusses keine Kenntnis mehr vom Heranziehungsbescheid hatte, so dass dieser nicht Motiv für die Kündigung habe sein können. Jedenfalls sei der Heranziehungsbescheid dem direkten Vorgesetzten des Klägers, Herrn F, bei der Entschlussfassung zur Kündigung und der persönlich bewirkten Übergabe nicht präsent gewesen. Hinsichtlich der Kündigungsgründe behauptet die Beklagte, dass sie eigens für das sehr junge Geschäftsfeld Unternehmensmarkt / Enterprise Business Unit einen erfahrenen Vertriebsmitarbeiter mit operativer Erfahrung gesucht habe, um die Vertriebswege strukturiert aufzubauen und zu überwachen. Der Kläger habe das gesamte Berichtswesen (Reporting) erstellen und organisieren sollen und dabei die vorhandenen Auftragsströme der jeweiligen Kunden (Pipeline) erfassen sollen, damit turnusmäßige Berichte (Reports) erstellt werden können, mit denen der Erfolg der Vertriebsleistung der jeweiligen Vertriebsteams gemessen werden könne. Die vom Kläger erstellten Reports seien jedoch in Bezug auf die inhaltliche Aussagekraft vollkommen unzureichend und hinsichtlich der faktisch vorhandenen Inhalte sogar teilweise fehlerhaft gewesen. Insgesamt habe sich innerhalb der Probezeit offenbart, dass der Kläger für die Stelle nicht geeignet sei, da er aus eigenem Antrieb nur wenig verwertbare Ideen geliefert habe. Deshalb habe die Beklagte befürchtet, dass seine Erfahrung als Vertriebsleiter nicht die erforderliche Intensität hinsichtlich Organisation und Administration einer gesamten Vertriebseinheit beinhalte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, verkündet am 17. Januar 2013 - 19 Ca 4687/12 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens. Der Kläger hält das Berufungsvorbringen der Beklagten für verspätet und unsubstantiiert. Angesichts des Bestreitens des Klägers trage die Beklagte nicht substantiiert vor, welche Tatsachen die Kündigung begründen würden. Insoweit trage sie lediglich das getroffene Werturteil vor, aber keine Tatsachen, auf denen dieses Werturteil beruhe. Die pauschale Behauptung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei abstrakt und inhaltsleer.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16. Dezember 2013 hat die Beklagte angeregt, die Revision zuzulassen mit der Begründung, dass es einer grundsätzlichen Klärung bedürfe, ob bei Nichterreichen der allgemeinen Wartefrist nach § 1 KSchG und Zusammentreffen mit dem relativen Kündigungsschutz nach Einberufung zu einer Wehrübung „eine gesonderte Begründungsfrist trotz nicht Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes“ bestehe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 15. November 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main verkündet am 17. Januar 2013 ist als Rechtsmittel in einem Rechtsstreit über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2 c ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, und insgesamt zulässig.

B. In der Sache ist die Berufung unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 2012, welche der Kläger rechtzeitig angegriffen hat, § 4 Satz 1, § 7 KSchG, ist unwirksam. Entsprechend endete das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 05. Juli 2012.

I) Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in der Begründung an. Das Berufungsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf sie.

Das Berufungsvorbringen der Parteien ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts. Es gibt Anlass zu folgenden Ausführungen und Ergänzungen:

II) Zutreffend geht das Arbeitsgericht insbesondere davon aus, dass die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 20. Juni 2012 nach § 134 BGB i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG nichtig ist.

1) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis vor Beginn und nach Beendigung des Wehrdienstes (Grundwehrdienst und Wehrübungen) nicht aus Anlass des Wehrdienstes kündigen. Jede Kündigung erfolgt dann aus Anlass des Wehrdienstes, wenn der bestehende oder bereits abgeleistete Wehrdienst dafür den Grund abgibt. Dafür genügt es, wenn der Wehrdienst mitbestimmendes Motiv des Arbeitgebers ist (vgl. z. B. die Überlegungen in BAG 05. Februar 1998 - 2 AZR 270/97 - II 1 b) aa) der Gründe, NZA 1998, 644; Erfurter Kommentar - Gallner, 11. Auflage, § 2 ArbPlSchG, Rn. 3; KR - Weigand, 9. Auflage, § 2 ArbPlSchG, Rn. 32 Thüsing/Laux/Lempke, Bodenstedt, § 2 ArbPlSchG, Rn. 5, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Wenn der Arbeitnehmer behauptet, die Kündigung verstoße gegen die Kündigungsverbote gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG und der Arbeitgeber bestreitet dies, wird die Beweislast für die Kündigungsgründe nach § 2 Abs. 2 Satz 3 ArbPlSchG umgekehrt und der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Einberufung zum Wehrdienst seinen Entschluss zur Kündigung des Wehrpflichtigen nicht bestimmt hat. Dabei kann sich der Arbeitgeber nicht auf ein Bestreiten beschränken, sondern muss das Gericht durch substantiierten Sachvortrag davon überzeugen, dass andere Gesichtspunkte seinen Entschluss zur Kündigung bestimmt haben. Bezüglich der Anforderungen an die Beweisführung muss mindestens verlangt werden, dass der Arbeitgeber Gründe dartut, die unabhängig von der Einberufung bei einem verständig denkenden Arbeitgeber ein Motiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen können (vgl. Hess. LAG 07. März 1969 - 3 Sa 443/68 - AP Nr. 1 zu § 2 ArbPlSchG; KR - Weigand, § 2 ArbPlSchG, Rn. 36). Die Kenntnis des Arbeitgebers von der Einberufung begründet zunächst die gesetzliche Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 3 ArbPlSchG, dass die Kündigung aus Anlass des Wehrdienstes erfolgt ist (vgl. z. B. LAG Bremen 01. Juli 1964 - 1 Sa 121/63 - NJW 1965, 12; KR - Weigand, § 2 ArbPlSchG, Rn. 36, Thüsing/Laux/Lempke, Bodenstedt § 2 ArbPlSchG, Rn. 7; HWK/Hergenröter, 4. Auflage, § 2 ArbPlSchG, Rn. 6).

2) Die Anwendung der dargestellten Grundsätze ergibt, dass die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 20. Juni 2012 nichtig ist, weil die Beklagte keine ausreichenden Gründe dafür dargetan hat, dass die Einberufung des Klägers zum Wehrdienst seinen Entschluss zur Kündigung nicht bestimmt hat.

a) Soweit die Beklagte die Rechtsauffassung vertritt, der Kläger habe sich in erster Instanz nicht darauf berufen, dass die Kündigung aus Anlass der Wehrübung erfolgt sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Kläger hat bereits mit der Klageschrift vom 05. Juli 2012 ausdrücklich auf § 2 ArbPlSchG Bezug genommen und ausdrücklich die Rechtsauffassung vertreten, dass es nunmehr an der Beklagten sei, darzulegen und zu beweisen, dass die Einberufung nicht das Motiv zur Kündigung war. Damit hat der Kläger hinreichend deutlich klar gemacht, dass die Kündigung gegen das Kündigungsverbot gem. § 2 Abs. 2 ArbPlSchG verstoße.

b) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis vom Heranziehungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes D vom 10. Januar 2012 hatte.

Wenn die Beklagte auch insoweit im Berufungsverfahren vorträgt, sie könne wegen des Ausscheidens der Frau E nicht verifizieren, dass der Kläger den Bescheid vom 16. Januar 2012 per Mail eingereicht habe, kann darin kein ordnungsgemäßes Bestreiten des entsprechenden Tatsachenvortrages des Klägers gesehen werden.

Dies gilt einerseits deshalb, weil die Beklagte bereits nicht nachvollziehbar dargetan hat, dass es bei ihr keine Dokumentation im Hinblick auf angekündigte Abwesenheitszeiten von Arbeitnehmern gibt. Für das Berufungsgericht ist kaum vorstellbar, dass mit dem Ausscheiden eines bestimmten Arbeitnehmers, hier Frau E, aus dem Betrieb der Beklagten auch dessen Kenntnisse zum Beispiel über angekündigte Abwesenheitszeiten von Mitarbeitern der Beklagten verloren gehen.

Letztlich kann dies bereits deshalb dahinstehen, weil der Kläger mit den als Anlage K 5 (Bl. 67 - 69 d. A.) zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 26. November 2012 vorgelegten Mails substantiiert vorgetragen hat, dass den Heranziehungsbescheid nicht lediglich Frau E, sondern auch die Mitarbeiter G und H der Beklagten erhalten haben. Der Kläger hat den Heranziehungsbescheid lediglich zunächst an Frau E per Mail vom 16. Januar 2012 geleitet hat. Diese hat ausweislich einer Mail vom selben Tag um 13:08 Uhr (Bl. 68 d. A.) diese Mail des Klägers nebst Anhang an ihren Kollegen G weitergeleitet mit der Frage, an wen sie die Arbeitgeberbescheinigung wegen Einziehung zur Übung vom Kreiswehrersatzamt weiterleiten solle. Nach den vorgelegten Ausdrucken des Mailverkehrs wurde diese Mail von Herrn G an Herrn H weitergeleitet und der Kläger noch am selben Tag von Frau E darüber informiert, dass diese das Original an die korrekte Kontaktperson nach I weitersenden werde. Nach diesem Vorbringen hatte nicht nur Frau E, sondern auch Herr G und Herr H Kenntnis vom Heranziehungsbescheid. Diesem detaillierten Sachvortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten, so dass er unstreitig geworden ist und es auf ein Ausscheiden der Frau E bei der Beklagten nicht ankommt.

c) Darüber hinaus hat die Beklagte weder in erster noch in zweiter Instanz ausreichend substantiiert dazu vorgetragen, dass der Wehrdienst kein mitbestimmendes Motiv für die Kündigung war. Insbesondere hat die Beklagte nicht substantiiert Gründe dargetan, die unabhängig von der Einberufung bei einem verständig denkenden Arbeitgeber ein Motiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen können.

aa) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass jedenfalls dem direkten Vorgesetzten des Klägers, Herrn F, bei der Entscheidung über die Kündigung der Heranziehungsbescheid nicht präsent gewesen sei, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis.

Denn nach dem Vorbringen der Beklagten bleibt bereits offen, wer die Kündigungsentscheidung seitens der Beklagten getroffen hat. Wäre dies entsprechend dem Vorbringen der Beklagten der Vorgesetzte des Klägers, Herr F, gewesen, so ist ohne weiteres Vorbringen nicht erklärlich, weshalb das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 20. Juni 2012 von Herrn G unterzeichnet ist. Diesem jedenfalls war der Heranziehungsbescheid auf Grund der Mitteilung durch Frau E per Mail am 16. Januar 2012 bekannt.

Sollte dagegen tatsächlich der Vorgesetzte des Klägers, Herr F, die Kündigungsentscheidung getroffen haben, so kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass diesem der Heranziehungsbescheid nicht bekannt war. Es obliegt der Beklagten, sich intern so zu organisieren, dass die personalverantwortlichen Personen unter anderem über (langfristig) angekündigte Abwesenheitszeiten von Mitarbeitern informiert sind. Versäumt die Beklagte diese Organisation, kann ihr dies im Verhältnis zum Arbeitnehmer nicht zum Vorteil gereichen.

bb) Schließlich hat die Beklagte keine substantiierten Gründe dargetan, die unabhängig von der Einberufung des Klägers bei einem verständig denkenden Arbeitgeber ein Motiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellen können.

Insoweit hat die Beklagte sich auch im Berufungsverfahren darauf berufen, dass der Kläger unzureichende Arbeitsleistung erbracht habe. Sie hat ausgeführt, dass die vom Kläger erstellten Berichte (Reports) bzgl. ihrer inhaltlichen Aussagekraft vollkommen unzureichend und hinsichtlich der faktisch vorhandenen Inhalte sogar teilweise fehlerhaft gewesen seien. Insgesamt habe sich für die Beklagte während der Probezeit offenbart, dass der Kläger für die Stelle nicht geeignet sei, da er aus eigenem Antrieb nur wenig verwertbare Ideen für die Bewältigung seiner beschriebenen Aufgaben geliefert habe. Insgesamt habe seitens der Beklagten die Befürchtung bestanden, dass der Kläger nicht über die erforderliche Erfahrung als Vertriebsleiter verfüge. Allein deshalb habe man sich zum Ausspruch einer Probezeitkündigung entschieden.

Damit hat die Beklagte insgesamt keinen substantiierten Tatsachenvortrag geleistet, sondern subjektive Wertungen widergegeben, nämlich zum Beispiel, dass die erstellten Berichte unzureichend seien. Die Beklagte hat keinerlei Tatsachen vorgetragen, die diese Wertung zurechtfertigen vermögen. Auch soweit sie weiterhin behauptet, die Berichte seien inhaltlich teilweise falsch und der Kläger habe aus eigenem Antrieb nur wenig verwertbare Ideen geliefert, fehlt es, jenseits dieser pauschalen Behauptungen, an stichhaltigem Tatsachenvortrag dazu. Auch die Wertung, der Kläger verfüge nicht über die erforderliche Erfahrung als Vertriebsleiter, hat die Beklagte nicht mit entsprechendem Tatsachenvorbringen untermauert. Dies obwohl bereits das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass das Vorbringen der Beklagten dazu, dass die Kündigung aus Unzufriedenheit mit der Leistung des Klägers ausgesprochen worden sei, pauschal und einer näheren Einlassung durch den Kläger nicht zugänglich sei.

Bei seiner Beurteilung ist dem Berufungsgericht bewusst, dass von der Beklagten, mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, kein Vortrag erwartet werden darf, der geeignet wäre die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial zu rechtfertigen. Allerdings bedarf es aus Sicht des Berufungsgerichts im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 ArbPlSchG eines dezidierten Sachvortrages des Arbeitgebers dazu, dass der Wehrdienst kein mitbestimmendes Motiv des Arbeitgebers beim Kündigungsentschluss war. Dafür ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber substantiiert Tatsachen vorträgt, die, unabhängig von der Einberufung, ein Motiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellen können. Dafür ist auch Sicht des Berufungsgerichts nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber sich darauf beschränkt Werturteile anzuführen und pauschal zu eventuellen Leistungsmängeln des Arbeitnehmers vorzutragen, ohne diese zeitlich und inhaltlich näher zu konkretisieren.

C. Das Vorbringen der Beklagtenseite in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16. Dezember 2013 gab keinen Anlass die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen, weil die darin angesprochenen Aspekte bereits Gegenstand der Kammerberatung waren.

D. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat die Beklagte zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG



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