Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 14 Sa 891/12

Unwirksamkeit einer Änderungskündigung wegen neu eingefügter doppelter Schriftformklausel

Eine Änderungskündigung ist insgesamt nicht sozial gerechtfertigt i. S. d. §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG, wenn das Änderungsangebot eine im bisherigen Vertrag nicht enthaltene doppelte Schriftformklausel enthält, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Grund für die angebotene Änderung des Tätigkeitsbereichs steht (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628). (Leitsatz)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Mai 2012 - 14 Ca 8717/11 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Die Beklagte betreibt ein Bankunternehmen in der Rechtsform der AG mit ca. 1200 Arbeitnehmern, von denen 633 über Prokura verfügen. Die am A geborene Klägerin ist seit mindestens dem 15. Januar 1998 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt bis zum Ausspruch der Änderungskündigung als Mitarbeiterin im Geschäftsbereich Financial Markets mit einer Bruttovergütung von 9.250 EUR zuzüglich eines Referenzbonus von 20.000 EUR. Der letzte schriftliche Arbeitsvertrag vor der Änderungskündigung stammte vom 7./23. Mai 2001.

Die Klägerin wird in Ziff. 2 des Vertrages bestätigt, dass die Beklagte sie zu den leitenden Angestellten iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG rechnet. In Ziff. 3 ist geregelt, dass ihr zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben Gesamtprokura erteilt werde, was auch geschah.

Ziff. 18 dieses Vertrags lautet:

 „Schlussbestimmungen

Dieser Vertrag ist vertraulich zu behandeln. Änderungen, Ergänzungen oder Aufhebung dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.“

Wegen der Einzelheiten des Vertrags im Übrigen wird auf die zur Akte gereichte Faxkopie (Bl. 224 - 228 d.A) Bezug genommen.

Die Klägerin unterzeichnete im Rahmen ihrer Tätigkeit beispielsweise Rechnungen an Kunden, trat diesen gegenüber als Prokuristin der Beklagten auf und nutzte ihre Prokura, um ihre Kundenberatertätigkeit auszuüben.

Am 20. Dezember 2011 übergab die Beklagte einem Betriebsratsmitglied ein Anhörungsschreiben betreffend eine gegenüber der Klägerin beabsichtigte Änderungskündigung, das ausweislich des Eingangsstempels am 21. Dezember 2011 beim Betriebsrat eingegangen ist. Dieser Anhörung zufolge beabsichtigte die Beklagte, der Klägerin eine ordentliche Änderungskündigung auszusprechen, in deren Rahmen ihr eine in einer beigefügten Anlage beschriebene Stelle mit Wirkung ab dem 1. Februar 2012 zu einer monatlichen Bruttovergütung von 5.650 EUR und einem Referenzbonus in Höhe von 8.000 EUR angeboten werden solle. Wegen der Einzelheiten der Betriebsratsanhörung im Übrigen wird auf die zur Akte gereichte Abschrift (Bl. 92 d.A) Bezug genommen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 7./23. Mai 2001 war der Anhörung nicht beigefügt.

Die Beklagte sprach der Klägerin gegenüber mit zwei wortgleichen Schreiben vom 29. Dezember 2011 (Bl. 10 - 16 d.A.), der Klägerin zugegangen am gleichen Tag, eine ordentliche Kündigung zum nächst möglichen Termin aus und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den Bedingungen eines der Kündigung als Anlage 1 beigelegten Angebots fortzuführen. Das beigelegte Angebot beinhaltete folgende vertraglichen Regelungen:

 „§ 1 Tätigkeit

Sie werden zum 1. Juli 2012 als Mitarbeiterin in der Abteilung Unternehmensentwicklung u. -beteiligungen (Kostenstelle 6820) im Zentralbereich Zentralsekretariat eingestellt. Wir behalten uns jedoch das Recht vor, Ihnen in unserem Hause oder im B eine andere, Ihrer Ausbildung angemessene Tätigkeit zu übertragen.

§ 2 Vergütung

Sie erhalten folgende Bezüge außerhalb des Tarifvertrages für das private Bankgewerbe:

Ab 1. Juli 2012:

Monatsgehalt, zu zahlen am 15. jeden Monats Euro 6.000,00

Ihr Referenzbonus beträgt - ohne Rechtsanspruch auf Auszahlung in 2013 - Euro 15.000,00.

Der Referenzbonus dient lediglich als eine Bezugsgröße für die Festlegung einer freiwilligen Zahlung, über deren Gewährung und Höhe jedes Jahr erneut entschieden wird.

Die nächste Überprüfung Ihrer Bezüge erfolgt zum April 2013.

§ 3 Nebenabreden, Schriftform

Mündliche Nebenabreden existieren nicht.

Änderungen, Ergänzungen und die Aufhebung dieser Vereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für die Änderung dieser Schriftformklausel selbst. Ausgeschlossen sind damit insbesondere Vertragsänderungen durch betriebliche Übung. Das vorstehende Schriftformerfordernis findet keine Anwendung bei Abreden, die nach Abschluss dieser Vereinbarung unmittelbar zwischen den Parteien mündlich getroffen werden.

§ 4 Salvatorische Klausel

Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, bleibt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen unberührt.

Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von ihnen mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck am nächsten kommt.

§ 5 Schlussbestimmungen

Im Übrigen besteht der Arbeitsvertrag von 7./23. Mai 2001 unverändert fort.

§ 6 Befristung des Vertragsangebotes

Frist zur Annahme dieses Angebot ist der 20. Januar 2012.“

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2011 (Bl. 18. d.A.), der Beklagten am gleichen Tag zugegangen, nahm die Klägerin das Angebot unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.

Die Klägerin hat gegen die Änderungskündigung am 30. Dezember 2011 Änderungsschutzklage eingereicht, die der Beklagten am 13. Januar 2012 zugestellt worden ist. Sie ist der Auffassung gewesen, die mit der Änderungskündigung angebotenen Änderungen des Arbeitsvertrags seien sozialwidrig. Zum einen lägen keine Kündigungsgründe vor, zum anderen sei die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigungen der Beklagten vom 29. Dezember 2011 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin zu den bisherigen Bedingungen sei infolge einer am 9. August 2011 vom Vorstand getroffenen Unternehmerentscheidung betreffend die Intensität der Betreuung bestimmter Kunden entfallen. Sie hat die Ansicht vertreten die Anhörung des Betriebsrats sei nicht erforderlich gewesen, weil die Klägerin leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 2, 3 BetrVG sei und hat insoweit behauptet, die der Klägerin erteilte Prokura sei im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend. Die Klägerin habe in ihrer Funktion regelmäßig Aufgaben wahrgenommen, die für den Bestand und die Entwicklung der Beklagten von Bedeutung gewesen seien und besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzten und bei denen die Entscheidungen maßgeblich von der Klägerin beeinflusst worden seien. Im Übrigen hat sie die Ansicht vertreten, selbst wenn die Klägerin keine leitende Angestellte sei, scheitere die Kündigung nicht an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, weil die vorsorgliche Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 114, 115 d.A.) einschließlich der dort in Bezug genommenen Schriftsätze verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch Urteil vom 16. Mai 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei von der darlegungspflichtigen Beklagten nicht ausreichend vorgetragen worden, dass der Ausspruch der Änderungskündigung gegenüber der Klägerin durch ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sei. Insbesondere sei ihr Vortrag zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin aufgrund der behaupteten Unternehmerentscheidung nicht ausreichend substantiiert.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe (Bl. 115, 116 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 21. Juni 2012 zugestellte Urteil (Bl. 118 d.A.) hat die Beklagte am 6. Juli 2012 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. September 2012 mit am 17. September 2012 per Telefax eingegangener Berufungsbegründung begründet.

Mit der Berufung vertieft die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, der getroffenen Sozialauswahl und zur Stellung der Klägerin als leitende Angestellte. Wegen ihres Vortrags zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit und zur Sozialauswahl wird auf Seite 3 bis 19 der Berufungsbegründung (Bl. 155 - 171 d.A.) Bezug genommen. Sie vertritt weiterhin die Ansicht, die Klägerin sei als leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 2, 3 BetrVG zu qualifizieren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Mai 2012 - 14 Ca 8717/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig, weil die Fristverlängerung zur Berufungsbegründung einen Monat nicht überschreiten dürfe und sich die Berufungsbegründung nicht ausreichend mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinandersetze. Im Übrigen verteidigt sie die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt darüber hinaus die Meinung, die Kündigung sei auch mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam. Sie könne nicht als leitende Angestellte angesehen werden und die Erteilung der Prokura sei insofern angesichts der Tatsache, dass bei der Beklagten jeder zweite Arbeitnehmer Prokurist sei, bedeutungslos, so dass eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung erforderlich sei. Eine solche liege aber nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 8. März 2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG, 511 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

1. § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG ist nicht dahingehend auszulegen, dass die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur bis zu einer Höchstfrist von einem Monat zulässig ist (vgl. die zutreffende Begründung in BAG 16. Juli 2008 - 7 ABR 13/07 - EzA § 78a BetrVG 2001 Nr. 4). Hierauf kommt es aber im Ergebnis auch nicht an. Wird eine Fristverlängerung auf rechtzeitigen Antrag hin durch das Gericht antragsgemäß gewährt und geht die Berufungsbegründung innerhalb dieser Frist ein, folgt bereits aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens, dass die Berufung nicht wegen Verfristung als unzulässig angesehen werden kann.

2. Die Berufung der Beklagten ist auch ausreichend begründet. Nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 529 Abs. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt und/oder die konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten und/oder neue Angriffs- und Verteidigungsmittel bezeichnen, soweit sie zulässig sind. Sie muss klar und konkret erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Es reicht deshalb nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen (vgl. etwa LAG Hessen 27. Juni 2012 - 2 Sa 578/11 - Juris).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe gegen die Hinweispflicht des § 139 ZPO verstoßen, in dem es nicht darauf hingewiesen habe, dass es ihre Darlegungen zum Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses und damit der sozialen Rechtfertigung nicht als ausreichend ansehe und trägt sodann zulässiger Weise vertiefende Tatsachen hierzu vor.

II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Änderungsschutzklage ist begründet. Die mit den Schreiben vom 29. Dezember 2011 ausgesprochene Änderungskündigung ist sozialwidrig und gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Die mit der Änderungskündigung angebotenen Änderungen sind sozialwidrig.

a) Die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung ist gerichtlich zu überprüfen. Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 4 Satz 1, 2 KSchG Klage auf die Feststellung erhoben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 29. Dezember 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist. Dieser Antrag ist nach § 4 Satz 2 KSchG statthaft. Die Klägerin hat das im Rahmen der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot rechtzeitig, nämlich einen Tag nach Zugang der Änderungskündigung unter Vorbehalt gem. § 2 KSchG angenommen.

b) Die mit den Schreiben vom 29. Dezember 2011 ausgesprochene Änderungskündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG sozial gerechtfertigt, denn die Beklagte hat sich nicht bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die die Klägerin billigerweise hinnehmen muss.

aa) Ein anerkennenswerter Anlass ist dann gegeben, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist (BAG in st. Rspr., etwa 21. September .2006 - 2 AZR 120/06 - NZA 2007, 435; 18. Mai 2006 - 2 AZR 230/05 - AP KSchG 1969, § 2 Nr. 83). Ob der Arbeitnehmer die vorgeschlagenen Änderungen billigerweise hinnehmen muss, richtet sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BAG in st. Rspr., etwa 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - NZA 2008, 523; 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - EzA § 2 KSchG Nr. 54 m.w.N.). Will der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag in mehreren Punkten ändern, muss das Angebot sämtliche Änderungen enthalten und muss jede der beabsichtigten Änderungen begründet sein (BAG 09. September 2010 - 2 AZR 936/08 - AP Nr. 149 zu § 2 KSchG 1969; 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - EzA § 2 KSchG Nr. 61). Insofern darf der Arbeitgeber nur solche Vertragsänderungen anbieten, die geeignet und erforderlich sind, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - 2 AZR 388/06 NZA 2008, 523; 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - EzA § 2 KSchG Nr. 61; 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - NZA 2006, 92; KR-Rost, § 2 KSchG Rz. 106 e; Bader/Bram- Bram, § 2 KSchG Rz. 53). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot angenommen oder abgelehnt hat.

bb) Hier kann offenbleiben, ob eine Unternehmerentscheidung der Beklagten vorlag, die die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin im Rahmen der Kundenberatung entfallen ließ. Es kann auch dahinstehen, ob die Änderung der Beschäftigung der Klägerin die angebotene Gehaltsabsenkung rechtfertigte. Die Änderungskündigung ist bereits deshalb nicht sozial gerechtfertigt, weil das Angebot in Ziff. 3 des Änderungsangebots eine sog. doppelte Schriftformklausel vorsieht, ohne dass die Beklagte hierfür Gründe iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG dargetan hätte. Eine solche Klausel ist weder geeignet noch erforderlich, um den Inhalt des Vertrags der behaupteten geänderten Beschäftigungsmöglichkeit anzupassen, da sie mit dieser keinerlei Zusammenhang aufweist. Der zuletzt zwischen den Parteien geschlossene Arbeitvertrag enthielt keine entsprechende Regelung. Die in § 3 enthaltene Klausel erweitert das im ursprünglichen Arbeitsvertrag vorgesehene Schriftformerfordernis. Es handelt sich bei einer solchen Änderung auch nicht um eine unwesentliche Änderung, so das offen bleiben kann, ob insofern verminderte Anforderungen an die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots zu stellen sind (ebenso für ein eine doppelte Schriftformklausel enthaltendes Änderungsangebot BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628; vgl. zu den Anforderungen bei bestimmten Nebenabreden BAG 27. März 2003 - 2 AZR 74/02 - NZA 2003, 1030). Eine doppelte Schriftformabrede kann das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern (BAG 20. Mai .2008 - 9 AZR 382/07 - BAGE 126/364) was hier ausdrücklich Folge der Vereinbarung sein soll. Ob die in § 3 als Teil des Änderungsangebots enthaltene Klausel einer Überprüfung ihrer Wirksamkeit im Hinblick auf § 305 ff BGB überhaupt standhielte, ist insoweit nicht relevant (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - a.a.O.).

cc) Eine Änderungskündigung ist insgesamt unwirksam, wenn für eine von mehreren angebotenen Vertragsänderungen der Grund fehlt (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628; 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - EzA § 2 KSchG Nr. 61). Das Gericht ist gehindert, unter Anwendung des § 139 BGB die Änderung der Arbeitsbedingungen teilweise für wirksam zu erklären (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - a.a.O.; 21. April 2005 - 2 AZR 244/04 - EzA § 2 KSchG Nr. 52; LAG Nürnberg, 26. Juli 2005 - 6 Sa 26/05 - juris; LAG Köln, 21. Juni 2000 - 11 Sa 1418/01 - BB 2003, 212; Bader/Bram - Bram, § 2 KSchG Rz. 54 a) und die Klage insoweit abzuweisen. Zum einen ist prozessual Streitgegenstand die Änderungskündigung im Ganzen. Zum anderen führte die Zulassung einer Teilwirksamkeit der Änderungskündigung zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit für den Arbeitnehmer: Dieser kann das Änderungsangebot nur insgesamt annehmen, ablehnen oder unter Vorbehalt annehmen, müsste aber damit rechnen, dass die gewählte Reaktion sich als nachteilig erweist, weil das Gericht von einer teilweisen Wirksamkeit der Änderungskündigung ausgeht.

2. Die Änderungskündigung ist zudem nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

a) Die Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten Änderungskündigung gegenüber der Klägerin war gem. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderlich. Für das Vorliegen von Ausnahmefällen, in denen eine Betriebsratsanhörung nicht erforderlich ist, etwa weil der zu kündigende Arbeitnehmer leitender Angestellter gem. § 5 Abs. 3, 4 BetrVG ist, ist der Arbeitgeber darlegungspflichtig (BAG 26. Oktober 1979 - 7 AZR 752/77 - EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 7; Bader/Bram - Nungeßer, § 102 BetrVG Rz. 58). Die Darlegungslast ändert sich wegen der konkreten Umstände bei der Beklagten auch nicht im Hinblick darauf, dass der Klägerin Prokura erteilt wurde, § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG. Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Die Klägerin ist danach nicht als leitende Angestellte gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG anzusehen.

aa) Die Beklagte hat weder behauptet, dass die Klägerin zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG) noch hat sie Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass sie regelmäßige sonstige Aufgaben wahrnähme, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt und dabei die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG). Die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts reicht insofern nicht aus.

bb) Aber auch aus § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG folgt nicht, dass die Klägerin als leitende Angestellte anzusehen wäre. Zwar verfügte die Klägerin über Prokura. Ausschlaggebend für die Zuordnung eines Prokuristen zum Personenkreis der leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG sind aber nicht nur die mit der Prokura verbundenen formellen und umfassenden Vertretungsbefugnisse im Außenverhältnis, sondern auch die damit verbundenen unternehmerischen Aufgaben, um deretwillen dem Arbeitnehmer die Prokura verliehen worden ist. Diese unternehmerischen Aufgaben dürfen nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nicht von einer untergeordneten Bedeutung sein, weil es sonst an dem vom Gesetzgeber für den Personenkreis der leitenden Angestellten angenommenen Interessengegensatz zum Betriebsrat fehlte. Als leitender Angestellter muss ein Prokurist unternehmerische Führungsaufgaben wahrnehmen (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - EzA § 5 BetrVG 2001 Nr. 4). Damit hat die Regelung des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG nur eine Erleichterung der Darlegungslast zugunsten leitender Angestellter zum Inhalt. Sind die formalen Voraussetzungen erfüllt, ist bei negativen Statusfeststellungsbegehren grundsätzlich darzulegen, dass der Prokurist ungeachtet seiner weitreichenden Vertretungsmacht nur unbedeutende Führungsaufgaben zu erfüllen hat, während für die Behauptung einer positiven Statusfeststellung zunächst der Nachweis der Prokura genügt (BAG 11. Januar 1995 - 7 ABR 33/94 - BAGE 79, 80). Vorliegend ergibt sich aber die Besonderheit, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer der Beklagten über Prokura verfügen. Dies zeigt, dass die Prokuraerteilung im Unternehmen der Beklagten für sich genommen keine Vermutung begründet, dass der mit Prokura ausgestattete Arbeitnehmer einen erheblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens hat und deshalb wegen seiner formalen Rechtsposition in einem Interessengegensatz zu den anderen Arbeitnehmern steht, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Anwendung des BetrVG auf diese Personengruppe ausschließen soll (vgl. hierzu BAG 11. Januar 1995 - 7 ABR 33/94 - BAGE 79, 80). Andernfalls bestünde die Vermutung, dass jeder zweite Arbeitnehmer der Beklagten bei dieser geschäftsleitende Funktionen wahrnimmt, was schlicht nicht denkbar ist. Vor diesem Hintergrund wäre die Beklagte gehalten gewesen, darzulegen, dass gerade die Klägerin tatsächlich die mit der Prokura regelmäßig verbundenen unternehmerischen Führungsaufgaben bei ihr erfüllte. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten jedoch nicht. Ihre nicht bestrittene Darlegung, die Klägerin habe beispielsweise Rechnungen an Kunden unterzeichnet, sei diesen gegenüber als Prokuristin der Beklagten aufgetreten und habe ihre Prokura genutzt, um ihre Kundenberatertätigkeit auszuüben, legt im Gegenteil nahen, dass sie keine Tätigkeiten aufgrund der Prokura ausübte, durch die sie einen erheblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens erlangt hätte.

b) Die damit erforderliche Anhörung des Betriebsrats vom 21. Dezember 2011 war nicht ordnungsgemäß. Bei der Änderungskündigung sind dem Betriebsrat nicht nur die Gründe für die Kündigung, sondern auch das genaue Änderungsangebot mitzuteilen (BAG 29. September .2001 - 2 AZR 236/00 - NZA 2002, 750; 27. Mai 1982 - 2 AZR 96/80 - DB 1984, 620; LAG Köln 19. Juli 2010 - 5 Sa 604/10 - NZA-RR 2010, 642; LAG Berlin 15. Februar 2008 - 8 Sa 1476/07 - LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 8). Dies ist hier nicht geschehen. Die Beklagte hat den Betriebsrat zu einem Änderungsangebot angehört, demzufolge die Klägerin ab dem 1. Februar 2011 mit einem Gehalt von 5.650 EUR und einem Referenzbonus von 8.000 EUR tätig werden sollte. Das tatsächlich unterbreitete Angebot bezog sich darauf, ab dem 1. Juli 2011 zu einem monatlichen Gehalt iHv. 6.000 EUR und mit einem Referenzbonus von 15.000 EUR tätig zu werden. Überdies war die Anhörung unvollständig, weil der Betriebsrat zu den §§ 3,4 des Änderungsangebots gar nicht angehört wurde.

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

IV. Für die Zulassung der Revision besteht nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine gesetzlich begründete Veranlassung.



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