Landesarbeitsgericht Hessen
Urteil vom - Az: 10 Sa 601/18
Sachvortragsverwertungsverbot bei Auswertung privater E-Mails
2. Es stellt eine unverhältnismäßige Kontrollmaßnahme nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. dar, wenn der Arbeitgeber auf einen vagen Hinweis, der Arbeitnehmer hätte sich geschäftsschädigend über den Arbeitgeber geäußert, den privaten E-Mail-Verkehr eines Arbeitnehmers in einem Zeitraum von einem Jahr auswertet.
3. Dieser Verstoß gegen Datenschutzrecht führt nach einer Abwägung zwischen Art. 103 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1, 2 Abs. 1 GG zu einem „Sachvortragsverwertungsverbot“.
4. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich die Arbeitnehmer anhalten, private E-Mails in einem separaten Ordner abzuspeichern oder nach Kenntnisnahme zu löschen. Allerdings müssen diese Vorgaben selbst dem aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Dies bedeutet, dass die Vorgaben transparent und erforderlich sein müssen, um die vom Arbeitgeber verfolgten Zwecke zu wahren.
(Leitsätze des Gerichts)
(5.) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses dürfen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn diese für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich sind. Zur Durchführung i.S. einer Kündigungsvorbereitung gehört die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Eine zielgerichtete Ermittlung innerhalb der Privatsphäre des Arbeitnehmers darf nicht vorgenommen werden, nur um etwa auf „negative Kritik“ an dem Unternehmen zu reagieren.
(Redaktioneller Orientierungssatz)
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war im Betrieb der Beklagten als Senior Product Manager beschäftigt. Innerhalb des Betriebes existierte eine IT-Sicherheitsrichtlinie, nach der ein Zugriff aus betrieblichen Gründen auf die persönliche E-Mail-Box erlaubt wurde. Eine solche Einsicht konnte jedoch bei einer deutlichen Kennzeichnung als privat untersagt werden. Der Kläger legte solch einen Ordner nicht an. Der Kläger verschickte von seinem dienstlichen PC aus sämtliche E-Mails an Bekannte, in denen er den aktuellen Geschäftsführer des Beklagten mit vulgären Begriffen wie „Flasche“, „Russen Idiot“, „Russen Ei“ oder „Russenarschloch“ titulierte. Nach der Eigenkündigung des Klägers und der anschließenden Freistellung vom Beklagten, löschte der Kläger vor Verlassen seiner Arbeitsstätte alle privaten E-Mails. Durch Hinweise von Kunden, der Kläger habe sich in geschäftsschädigender Weise geäußert, rekonstruierte der Beklagte die vom Kläger gelöschten E-Mails. Daraufhin sprach der Beklagte in einem Schreiben an den Kläger die außerordentliche Kündigung aus. Der Kläger war der Auffassung, dass der Beklagte durch die Rekonstruierung und der zielgerichteten Ermittlung der gelöschten E-Mails gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen hatte, sodass die Verwertung des Inhalts der E-Mails einem Verwertungsverbot unterliegen würden. Das ArbG und LAG hielten die Kündigung für unwirksam. Zwar handle es sich bei der Äußerung „Russenarschloch“ i.V.m. „Flasche“ und „Russen Ei“ sowie „Russen Idiot“ um eine erhebliche Herabwürdigung mit rassistischem Inhalt und rechtfertige grundsätzlich eine fristlose Kündigung. Allerdings seien diese Äußerungen im Kündigungsschutzprozess nicht verwertbar, da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers verletzt sei und die Auswertung der E-Mail-Inhalte des Klägers eine unverhältnismäßige Maßnahme des Beklagten darstelle, vgl. Art. 1, 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 32 BDSG a.F.
(Redaktionelle Zusammenfassung)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 2018 - 6 Ca 2159/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache um die Wirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wobei das Arbeitsverhältnis unstreitig infolge einer Eigenkündigung zum 31. Mai 2017 geendet hat.
Die Beklagte ist ein Handelshaus, das sich auf den Handel mit Polymere, Additiven und Polymerchemikalien spezialisiert hat. Im Betrieb wurden ca. 12 Mitarbeiter beschäftigt. Der am xx.xx.1967 geborene Kläger war aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 29. Juni 2010 ab dem 1. September 2010 bei der Beklagten als Senior Product Manager zu einem Gehalt von zuletzt 6.600 Euro brutto beschäftigt.
Der aktuelle Geschäftsführer der Beklagten Herr A stammt aus Kasachstan.
Bei der Beklagten existiert eine IT- Sicherheitsrichtlinie, in der es unter Ziff. 2.2 ua. heißt (Bl. 100 der Akte)
"…Betriebliche Gründe können erfordern, dass die persönliche E-Mail-Box durch Anordnung eines Vorgesetzten eingesehen werden muss. Von dieser Einsicht kann ein persönlicher Ordner ausgeschlossen werden, der deutlich als privat zu kennzeichnen ist. Es wird empfohlen, private E-Mails nach dem Lesen direkt zu löschen. …"
Die E-Mail-Accounts auf den dienstlichen Rechnern sind durch ein persönliches Passwort geschützt. Sämtlicher E-Mail-Verkehr wird automatisch in einem "Mailarchiv" auf einem Rechner bei der Beklagten gespeichert. Auf diesen Ordner kann der Arbeitgeber grundsätzlich zugreifen, muss dazu aber einen externen IT-Dienstanbieter einschalten.
Der Kläger schrieb am 22. Februar 2016 von seinem dienstlichen PC aus eine E-Mail an die Adresse "xxxx", in der es auszugsweise heißt:
"… Letztes Jahr hatte ich beim alten Arbeitgeber gekündigt. Haben neuen GF Idiot bekommen. Was für eine Flasche. Hab ich die Reißleine gezogen. Dann hat man mich bequatscht und den neuen GF in der Probezeit wieder nach Hause geschickt. Bin ich da geblieben. Jetzt Russen Arschloch bekommen. Die Scheiße geht geradeso weiter. Hatten mir versprochen, wird "Fachmann" sein, wenn wieder einer kommt … Man es tummeln sich so viele Flaschen und die bekommen immer wieder ein Job…"
Wegen der weiteren Einzelheiten der E-Mail wird verwiesen auf Bl. 55 - 56 der Akte.
Der Kläger schrieb am 17. Mai 2016 an Herrn B eine E-Mail (Bl. 57 der Akte), in der es u.a. wie folgt heißt:
"…Haben schon wieder neuen Vorturner (GF) bekommen. Was für eine Flasche. Russen Ei!!!!. Aktuell such ich was NEUES…".
Am 3. November 2016 schrieb er an C - hierbei handelt es sich um den ehemaligen Vorgesetzten des Klägers - eine E-Mail mit auszugsweise folgenden Inhalt (Bl. 58 der Akte)<
"…Der andere Russen/China Rohrkrepierer soll jetzt mal Bluestar angehen bezüglich Plattform, welche Spezialitäten, Menge nach Europa,
PBT exclusiv über uns. Leck mich doch am Arsch…"
In einer E-Mail vom 21. Februar 2017 äußerte der Kläger an Frau D u.a. (Bl. 60 der Akte</
"…Mich vorher aber aufheizen - ich kann Dir sagen - Kolchose Bude".
In einer E-Mail vom 28. Februar 2017 an Frau E äußerte der Kläger (Bl. 53 der Akte) u.a.:
"Hallo Frau E,
werde wohl heute in den Sack hauen…Hier gibt's nur noch Borschtsch …."
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Februar 2017 zum 31. Mai 2017 (Bl. 16 der Akte).
In einer E-Mail vom 6. März 2017 an die Adresse xxxx äußerte der Kläger unter anderem (Bl. 63 der Akte)<
"Servus F, es ist geschafft. Russen Idiot ist Geschichte. Hab am 28.02.2017 also letzte Woche zum 31.05.2017 gekündigt. …Jetzt lassen wir es schön ausklingen. Reiß mir kein Bein mehr aus. Öfter mal den Doc besuchen…"
Die Beklagte stellte den Kläger mit Schreiben vom 7. März 2017 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.
Am 9. März 2017 nahm die Beklagte in dem Ordner "Mailarchiv" Einblick in die vom Kläger versendeten E-Mails, nachdem sie zuvor den IT-Dienstanbieter hinzugezogen hatte.
Mit Schreiben vom 14. März 2017 sprach sie eine außerordentliche Kündigung aus (Bl. 20 der Akte).
Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 20. März 2017 Kündigungsschutzklage erhoben.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Zwar sei es zutreffend, dass er die streitgegenständlichen E-Mails versandt habe. Er behauptet allerdings, dass er die E-Mails zuvor, nämlich kurz vor Verlassen seiner Arbeitsstätte am 7. März 2017, gelöscht habe. Die Beklagte habe die E-Mails vom Server wieder herunterladen müssen. Zutreffend sei, dass der entsprechende E-Mail-Ordner nicht als privat gekennzeichnet gewesen sei, dies habe in der Firma aber niemand getan. Durch die Rekonstruktion und das Herunterladen der E-Mails habe die Beklagte gegen sein Persönlichkeitsrecht verstoßen, so dass die Verwertung des Inhalts der E-Mails einem Verwertungsverbot unterliege.
Er hat weiter behauptet, dass Frau E zwar bei der Firma G arbeite, er habe sie allerdings nicht als Mitarbeiterin dieser Firma, sondern als gute Bekannte kontaktiert. Mit der Äußerung "Hier gibt es nur Borschtsch…" habe er seinen Unmut bekundet. In der E-Mail vom 22. Februar 2016 habe er sich mit der Äußerung "Jetzt Russen Arschloch bekommen" aus Verärgerung über die betriebliche Situation hinreißen lassen. Es handele sich um eine Meinungsäußerung. Adressat der E-Mail sei F gewesen, hierbei handele sich um einen Freund. Die E-Mail vom 17. Mai 2016 sei an Herrn B gerichtet gewesen, auch hierbei handele sich um einen Freund, den er im Marokko-Urlaub kennengelernt habe. Auch hier habe er den Geschäftsführer direkt nicht erwähnt. Bei der E-Mail vom 3. November 2016 handele es sich ebenfalls um eine Korrespondenz mit überwiegend privatem Charakter. Zwar sei Herr C der Executive Vice President; er sei aber auch ein guter Bekannter des Klägers. Mit "Russen/China Rohrkrepierer" seien Lieferanten gemeint gewesen. Er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass die von den Lieferanten gelieferten Produkte, z.B. das erwähnte PBT, nur exclusiv über die Beklagte verkauft werden dürfe. Er habe wiederholt mit Herrn C in dieser Art und Weise kommuniziert, ohne dass dies von Herrn C als anstößig empfunden worden sei. Auch mit dem Begriff "Kolchose Bude" habe er eine private Meinungsäußerung zum Ausdruck bringen wollen. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass der private E-Mail-Verkehr von der Beklagten gelesen werde.
Der Kläger hat beantragt,
◾festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. März 2017 nicht aufgelöst worden ist;
◾die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat März 2017 6.600 Euro brutto abzgl. 1.814,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.785,46 Euro seit dem 2. April 2017 zu zahlen;
◾die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2017 6.600 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2017 zu zahlen;
◾die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2017 6.600 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.Juni 2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sei. Sie hat behauptet, sie sei, nachdem der Kläger Ende Februar 2017 selbst gekündigt habe, durch Kunden darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich der Kläger in geschäftsschädigender Weise geäußert habe. Daraufhin habe sie ihn am 7. März 2017 freigestellt und am 9. März 2017 Einsicht in die Ordner des E-Mail-Postfach des Klägers genommen. Sie habe dabei feststellen müssen, dass der Kläger am 28. Februar 2017 an verschiedene Kunden mitgeteilt habe, dass er das Unternehmen verlasse. Gegenüber der Kundin Frau E habe er unter anderem geäußert: "… Hier gibt es nur noch Borschtsch…".
Ferner habe sie feststellen müssen, dass der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten mehrfach und auch andere Mitarbeiter rassistisch beleidigt habe. Der Geschäftsführer sei u.a. als "Russen Idiot" beschimpft worden. Aufgrund dieses krassen rassistischen Fehlverhaltens sei es der Beklagten nicht mehr möglich, den Kläger weiterzubeschäftigen. Der Inhalt der E-Mails sei auch verwertbar. Die Beklagte hat behauptet, sämtliche vorgelegten E-Mails entstammten dem sog. Mailarchiv, welches für eine ordnungsgemäße elektronische Rechnungsstellung alle ein- und ausgehenden E-Mails archiviere. Der Kläger hätte gemäß der IT- Sicherheitsrichtlinie den Ordner als "privat" kennzeichnen müssen.
Das Arbeitsrecht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 7. März 2018 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. März 2017 sei nach § 626 BGB unwirksam. Es fehle an einer Wiederholungsgefahr. Aufgrund der Eigenkündigung des Klägers vom 28. Februar 2017 sei das Arbeitsverhältnis ohnehin zum 31. Mai 2017 beendet worden. Der Kläger sei durch das Schreiben vom 7. März 2017 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden. Er habe dadurch auch keinen Zugang mehr zum E-Mail-System der Beklagten gehabt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass gerade die E-Mails mit besonders beleidigendem Charakter an Personen verschickt worden seien, die der Kläger als private Kontakte bezeichnet habe. Als beweisbelastete Partei habe die Beklagte keinen Gegenbeweis angetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen auf Bl. 109 - 115 der Akte.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 25. April 2018 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 8. Mai 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ist am 13. Mai 2018 beim Berufungsgericht eingegangen.
In der Berufungsinstanz vertritt die Beklagte die Ansicht, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht der Kündigungsschutzklage stattgegeben habe. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrages meint sie, dass die außerordentliche Kündigung wirksam sei. Insbesondere bestünde auch eine Wiederholungsgefahr, obwohl der Kläger freigestellt war. Eine Wiederholungsgefahr sei auch nicht zu verlangen, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend sei, dass deren einmalige Hinnahme unzumutbar sei. Hier habe sich der russlanddeutsche Geschäftsführer der Beklagten nicht mit "Russenarschloch" und anderen fremdenfeindlichen Beleidigung titulieren lassen müssen. Die Hinnahme einer solchen Beleidigung sei offensichtlich ausgeschlossen gewesen. Der Kläger habe die Vertraulichkeit seiner angeblich privaten E-Mails dadurch aufgehoben, dass er den Ordner nicht als "privat" gekennzeichnet hat. Jedenfalls bis zur Löschung habe er nicht auf die Vertraulichkeit seiner Korrespondenz vertrauen dürfen. Zudem habe der Kläger gewusst, dass alle E-Mails in einem Mailarchiv gespeichert würden. Außerdem hätten die E-Mails auch überwiegend keinen rein privaten Charakter. Bei Frau E handele es sich um eine Kundin und bei Herrn C um einen Vorgesetzten des Klägers. Das Arbeitsgericht habe auch bei der Interessenabwägung nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger angekündigt habe, "krank zu feiern". Der Inzidentantrag sei begründet aus dem Gesichtspunkt des § 717 Abs. 2 ZPO. Hierzu trägt sie vor, dass sie an den Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung am 27. März 2018 17.643,82 Euro gezahlt habe. Schließlich meint sie, dass die Unterschrift unter die Klageschrift nicht dem Schriftformerfordernis genüge.
Die Beklagte stellt die Anträge,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 7. März 2018 - 6 Ca 2159/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen;
den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 17.643,82 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. März 2018 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, das Arbeitsgericht habe zutreffend eine Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall verneint. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass seine an Freunde gerichteten E-Mails vertraulich blieben. Er habe auch keine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht oder angekündigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über die Umstände der Kenntniserlangung der E-Mails des Klägers durch Vernehmung der Zeugin H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf Bl. 171 - 172 der Akte.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat i.E. zutreffend angenommen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Die zielgerichtete Ermittlung des Inhalts der privaten E-Mails des Klägers verletzt dessen Persönlichkeitsrecht und führt - wie in dem "Keylogger-Fall" des BAG - zu einer Unverwertbarkeit in einem Kündigungsschutzprozess. Hilfsweise ist darauf abzustellen, dass der Kläger sich in dem E-Mail-Verkehr an private Bekannte in einem Rahmen hielt, bei dem er nicht davon ausgehen musste, dass der Inhalt der Geschäftsleitung zur Kenntnis gelangt. Der als Inzidentantrag zu behandelnde Widerklageantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
A. Die Berufung ist zunächst zulässig. Sie ist als Bestandsstreitigkeit unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., § 520 Abs. 3 ZPO).
B. Die Berufung ist unbegründet.
Mit der vom Arbeitsgericht gewählten Begründung durfte die Klage aber nicht abgewiesen werden. Die negative Prognose bei einer außerordentlichen Kündigung entfällt grundsätzlich nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer freigestellt wird. Die Freistellung ist gängige Praxis; ansonsten könnte praktisch kein Arbeitgeber mehr eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Gleichwohl ist die Berufung im Ergebnis zurückzuweisen. Denn der Inhalt der E-Mails durfte im Prozess nicht verwertet werden.
I. Die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die außerordentliche Kündigung vom 14. März 2017 ist begründet.
1. Die Kündigungsschutzklage ist entgegen der Ansicht des Klägers ordnungsgemäß nach § 130 Nr. 6 ZPO unterzeichnet.
a) Ob eine eigenhändige Unterschrift vorliegt, hängt nicht davon ab, ob aufgrund der Unterschrift schon bei Zugang der schriftlichen Erklärung die Person des Ausstellers für den Empfänger zweifelsfrei feststeht. Der Aussteller soll nur identifiziert werden können. Hierzu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Namenszugs. Es genügt ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die eine Nachahmung erschweren. Der Schriftzug muss sich als Wiedergabe eines Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen, selbst wenn er flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 858/11 - Rn. 17, NZA 2013, 524). Bei der zu leistenden Unterschrift muss es sich demnach nach dem äußeren Erscheinungsbild um einen Schriftzug handeln, der erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen (vgl. BGH 11. April 2013 - VII ZB 43/12 - Rn. 8, NJW 2013, 1966; Hess. LAG 6. April 2018 - 10 Sa 1307/17 - n.v.).
Die Unterschrift ist von einer bewussten und gewollten Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe) zu unterscheiden. Auch das Gesetz differenziert in § 126 Abs. 1 BGB zwischen einer Namensunterschrift und einem Handzeichen; letzteres wahrt die Schriftform nur im Falle notarieller Beglaubigung (vgl. BAG 20. August 2014 - 7 AZR 924/12 - Rn. 24, NZA-RR 2015, 9). Für die Abgrenzung zwischen Unterschrift und Handzeichen (Paraphe) ist das äußere Erscheinungsbild maßgebend. Ein Schriftzug, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach eine bewusste und gewollte Namensabkürzung darstellt, genügt den an eine eigenhändige Unterschrift zu stellenden Anforderungen nicht. Der Wille des Unterzeichnenden ist nur von Bedeutung, soweit er in dem Schriftzug seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 858/11 - Rn. 18, NZA 2013, 524).
Eine bloße Paraphe liegt in der Regel vor, wenn nur einzelne Buchstaben, insbesondere die Anfangsbuchstaben, erkennbar sind, ohne dass noch eine Art Strich folgt, der für den Rest des Namens stehen könnte (vgl. den Sachverhalt in BAG 20. August 2014 - 7 AZR 924/12 - Rn. 11, NZA-RR 2015, 9; Staudinger/Hertel Stand: 2017 § 126 Rn. 146).
b) Bei der gebotenen großzügigen Auslegung (vgl. Staudinger/Hertel Stand: 2017 § 126 Rn. 146) ist im vorliegenden Fall von einer eigenen Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers auszugehen und nicht bloß von einer Paraphe. Es liegt ein individueller Namenszug vor. Der erste Buchstabe "S" ist erkennbar. Sodann folgt eine Art Strich, der für den Rest des Namens steht. Dies ist genügend. Auf die Lesbarkeit kommt es nicht an.
2. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund liegt nicht vor.
Nach Auffassung der Kammer liegt ein Grund vor, der an sich zur außerordentlichen Kündigung rechtfertigen würde (hierzu im Folgenden unter a). Allerdings durfte die Beklagte den Inhalt der E-Mails im Prozess nicht verwerten (hierzu unter c), was nicht bereits aus einem Verstoß gegen § 88 Abs. 3 TKG folgt (hierzu unter b). Hilfsweise ist darauf abzustellen, dass die beleidigenden Äußerungen in einem vertraulichen Umfeld erfolgten und der Kläger nicht damit rechnen musste, dass der Inhalt der Geschäftsleitung bekannt wird (hierzu unter d).
a) Jedenfalls die Äußerungen "Russen Arschloch" i.V.m. "Flasche" und "Russen Ei" sowie "Russen Idiot" sind aber an sich als Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, geeignet, da es sich um eine erhebliche Schmähkritik handelt.
aa) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es sodann der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht.
Der Arbeitnehmer ist nach § 241 Abs. 2 BGB gehalten, sich nicht ehrverletzend über Kollegen oder Vorgesetzte zu äußern. Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung stellen u.a. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen aufstellt, insbesondere dann, wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (vgl. BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 16, NZA 2015, 797). Zwar können Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber grundsätzlich nicht hinnehmen (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17, NZA 2010, 698).
Äußerungen, die eine Meinungsäußerung enthalten, stehen unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (vgl. BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 18, NJW 2013, 217). Darauf kann sich auch ein Arbeitnehmer berufen. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasste Äußerungen verlieren den sich daraus ergebenden Schutz selbst dann nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäußert werden (vgl. BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 17, NZA 2015, 797).
Sowohl für die Beurteilung, ob es sich bei einer Aussage um eine Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil handelt, als auch für die Bewertung, ob eine vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasste Äußerung die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet, kommt es entscheidend auf den Sinngehalt der fraglichen Erklärung an (vgl. BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - Rn. 18, DVBl. 2013, 1382;BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 45, NZA 2015, 245).
Erweist sich das in einer Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik, muss die Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten. Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Dafür muss hinzutreten, das bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die diese jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 30. Mai 2018 - 1 BvR 1149/17 - Rn. 7, NZA 2018, 924; BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 20, NZA 2015, 797).
bb) Jedenfalls die Äußerung "Russen Arschloch" in der E-Mail vom 22. Februar 2016 ist an sich als erhebliche Schmähkritik zu bewerten. Verstärkt wird die Herabsetzung durch die Bezeichnungen "Flasche" und "Russen Ei" in der E-Mail vom 17. Mai 2016 sowie durch die Bezeichnung "Russen Idiot" in der E-Mail vom 6. März 2017.
Die Bezeichnung des neuen Geschäftsführers mit "Russenarschloch" stellt für sich betrachtet eine schwerwiegende Verunglimpfung dar. Ferner hat sie einen rassistischen Inhalt, da mit der Äußerung auf die (ethnische) Herkunft des Geschäftsführers angespielt wird. Der Kläger hat mit der Äußerung damit zugleich gegen seine Pflichten nach dem AGG (§§ 1, 7 Abs. 3 AGG) verstoßen. Die in der Äußerung liegende Diskriminierung des Geschäftsführers verschärft in der Wertung den beleidigenden Charakter der Äußerung. Besonders schwerwiegend ist auch, dass es sich bei dem Opfer um einen Vorgesetzten bzw. den Geschäftsführer handelt. Der Kläger bringt darin eine Haltung zum Ausdruck, die von dem Fehlen jeden Respekts gegenüber der Leitung des Unternehmens gekennzeichnet ist. Nach Ansicht der Kammer wäre damit die Grenze zu einer unzulässigen "Schmähkritik" überschritten. Zwar kritisiert der Kläger offensichtlich auch die fachliche Eignung des neuen Geschäftsführers. Eine Art sachliche Auseinandersetzung stellt der Inhalt aber nicht mehr da, sondern es geht allein darum, dass der Kläger seinen Unmut äußert und den Geschäftsführer dabei in drastischer Weise herabsetzt. Die diskreditieren Betrachtungsweise des Klägers kommt auch darin zum Ausdruck, dass er den vorangegangenen Geschäftsführer als "GF Idiot" bezeichnet hat.
Auch bei der Äußerung "Flasche" bzw. "RussenEi!!!!" in der E-Mail vom 17. Mai 2016 handelt es sich um eine despektierliche Äußerung und erhebliche Herabsetzung eines Vorgesetzten. Dies verstärkt die vorausgegangene Äußerung mit der Bezeichnung als "Arschloch" zusätzlich. Auf der gleichen Linie liegt die Bezeichnung "Russen Idiot".
b) Den Inhalt der E-Mails durfte im Prozess allerdings nicht verwertet werden. Dies folgt nicht schon aus § 88 Abs. 3 TKG.
Die Kammer geht davon aus, dass § 88 Abs. 3 TKG im vorliegenden Fall nicht verletzt ist.
aa) Ist die private Internetnutzung und damit auch das Versenden privater E-Mails erlaubt, so ist der Arbeitgeber nach h.M. als Diensteanbieter i.S.d. § 3 Nr. 6 TKG anzusehen (vgl. Brink/Wirtz ArbRAktuell 2016, 255;ErfK/Franzen 18. Aufl. § 32 BDSG Rn. 26; Conrad/Hausen in Auer-Reinsdorff/Conrad Handbuch IT- und Datenschutzrecht 2. Aufl. § 37 Rn. 201;Däubler Gläserne Belegschaften 7. Aufl. S. 218; Hako-ArbR/Kreuder/Mathiessen 4. Aufl. § 611a Rn. 539; Zerres in Scheuerle/Mayen TKG 2. Aufl. § 88 Rn. 20; a.A. LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - Rn. 81, BeckRS 2016, 67048).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die private E-Mail-Nutzung zumindest geduldet war. Nach Ziff. 2.5 der IT-Sicherheitsrichtlinie war die Nutzung des Internets zumindest in Pausenzeiten gestattet. Aus Ziff. 2.2 lässt sich mittelbar entnehmen, dass die private E-Mail Nutzung nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern (nur) an bestimmte Vorgaben geknüpft war. Ferner war geregelt, dass betriebliche Gründe es erfordern könnten, dass die persönliche E-Mail-Box durch Anordnung eines Vorgesetzten eingesehen werden muss. Damit war die private Korrespondenz im Grundsatz erlaubt.
bb) Damit ist die Einsichtnahme in die E-Mail-Korrespondenz im Grundsatz an dem Fernmeldegeheimnis nach § 88 Abs. 2 TKG zu messen. Streitig ist, ob das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG dann noch einschlägig ist, wenn der eigentliche Übertragungsvorgang abgeschlossen ist und die E-Mail lediglich auf dem Providerserver "ruht". Dies wird von der wohl überwiegend vertretenen Meinung verneint (vgl. BVerfG 2. März 2006 - 2 BvR 2099/04 - Rn. 78, NJW 2006, 976; LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2016 - 5 Sa 657/15 - Rn. 81, BeckRS 2016, 67048; LAG Berlin-Brandenburg 16. Februar 2011 - 4 Sa 2132/10 - Rn. 39, Juris; VGH Kassel 19. Mai 2009 - 6 A 2672/08.Z NJW 2009, 2470; ErfK/Franzen 18. Aufl. § 32 BDSG Rn. 26; Conrad/Hausen in Auer-Reinsdorff/Conrad Handbuch IT- und Datenschutzrecht 2. Aufl. § 37 Rn. 204; unklar Däubler Gläserne Belegschaften 7. Aufl. S. 221).
Das BVerfG hat zuletzt hingegen angenommen, dass der Schutz des Fernmeldegeheimnis nicht auf den eigentlichen Übertragungsakt beschränkt sei (vgl. BVerfG 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - Rn. 46, NJW 2009, 2431). Der zugangsgesicherte Kommunikationsinhalt in einem E-Mail-Postfach, auf das der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreifen kann, ist als durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt anzusehen. Das Fernmeldegeheimnis knüpft nach dieser Ansicht an das Kommunikationsmedium an und will jenen Gefahren für die Vertraulichkeit begegnen, die sich gerade aus der Verwendung dieses Mediums ergeben, das einem staatlichem Zugriff leichter ausgesetzt ist als die direkte Kommunikation unter Anwesenden. Die auf dem Mailserver des Providers vorhandenen E-Mails sind dann nicht im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers, sondern des Providers gespeichert (vgl. BVerfG 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - Rn. 46, NJW 2009, 2431). Sie befinden sich nicht auf in den Räumen des Nutzers verwahrten oder in seinen Endgeräten installierten Datenträgern. Der Nutzer kann sie für sich auf einem Bildschirm nur lesbar machen, indem er eine Internetverbindung zum Mailserver des Providers herstellt. Der Kommunikationsteilnehmer hat keine technische Möglichkeit, die Weitergabe der E-Mails durch den Provider zu verhindern. Dieser technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründet die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis (vgl. BVerfG 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - Rn. 46, NJW 2009, 2431). Dieser Ansicht schließt sich die Kammer an (ebenso Brink/Wirtz ArbRAktuell 2016, 255, 256; Hako-ArbR/Kreuder/Mathiessen 4. Aufl. § 611a Rn. 539; iE. ebenso zum "Surfen" im Internet BVerfG 6. Juli 2016 - 2 BvR 1454/13 - Rn. 38, NJW 2016, 3508).
cc) Hier wurden die ausgehenden E-Mails des Klägers automatisch durch das verwendete E-Mail-Programm in dem Ordner "Mailarchiv" gespeichert. Die Kammer geht nach der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme davon aus, dass auf das Mailarchiv zugegriffen werden konnte, ohne dass eine Internetverbindung bestehen musste. Zwar hat dies der Prozessbevollmächtigte auf Nachfrage des Gerichts zunächst so behauptet. Allerdings hat die Zeugin H bekundet, auf das Mailarchiv könne auf dem Server im Haus zurückgegriffen werden, ohne dass es einer Internetverbindung bedürfe. Die E-Mails würden damit quasi auf dem Rechner selbst und nicht in dem Outlooksystem gespeichert. Da die Zeugin über die betriebliche Verhältnisse am besten Bescheid weiß, ist von ihrer Schilderung der Verhältnisse auszugehen.
Damit kann nicht unmittelbar die Rspr. des BVerfG herangezogen werden, nach der § 88 Abs. 3 TKG auch dann noch einschlägig ist, wenn der eigentliche Sendevorgang schon abgeschlossen ist, aber noch eine Internetverbindung erforderlich ist, um die Daten abzurufen. Problematisch ist indes, dass der Kläger keine Möglichkeit hatte, den Inhalt der E-Mails endgültig zu löschen. Obwohl der Kläger die E-Mails "gelöscht" hat, standen sie noch über das Mailarchiv dem Zugriff des Arbeitgebers offen. Die vom BVerfG hervorgehobene fehlende Beherrschbarkeit des Geschehens durch den Nutzer ist auch insoweit einschlägig. Letztlich sprechen aber die besseren Gründe dafür, hier kein Beweisverwertungsverbot nach § 88 Abs. 3 TKG anzunehmen. Denn der eigentliche Übersendungsvorgang ist längst beendet. Für eine weite Ausdehnung des Schutzes des Fernmeldegeheimnisses besteht kein Anlass, da der Arbeitnehmer nach Speichern der E-Mails auf dem Rechner des Arbeitgebers nicht schutzlos gestellt ist. Vielmehr kommt ihm ab diesem Zeitpunkt der Schutz seiner Daten nach allgemeinen Grundsätzen (hierzu sogleich) zugute.
c) Es ist allerdings anzunehmen, dass der Inhalt der E-Mails wegen Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers nach Art. 1, 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 32 BDSG nicht verwertet werden durfte.
aa) Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 16, NZA 2017, 1327) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 16, NZA 2017, 1327). Da der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich gebietet, den Sachvortrag der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen, kommt ein "verfassungsrechtliches Verwertungsverbot" nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (vgl. BAG 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 - Rn. 14).
Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften. Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor und damit auch kein Verwertungsverbot (vgl. vgl. BAG 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 - Rn. 15; BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 17, NZA 2017, 1327).
Die fragliche Erhebung der Daten durch das Lesen der E-Mails erfolgte am 9. März 2017. Insoweit ist § 32 BDSG a.F. heranzuziehen und nicht der am 25. Mai 2018 in Kraft getretene § 26 Abs. 1 BDSG n.F., der im Wesentlichen aber mit der Vorgängerregelung inhaltlich übereinstimmt.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung i.S.d. Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 28, NZA 2017, 1327).
§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. entfaltet keine "Sperrwirkung" dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. zulässig sein könnte. Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 30, NZA 2017, 1327). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 30, NZA 2017, 1327). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss z.B. im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung "ins Blaue hinein", ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unzulässig (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 30, NZA 2017, 1327).
bb) Im vorliegenden Fall stellt sich die Auswertung des Inhalts der E-Mails des Klägers als eine unverhältnismäßige Maßnahme der Arbeitgeberin dar, die nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. gedeckt ist.
(1) Da ein erheblicher Tatverdacht einer Straftat nicht vorlag, kommt nicht § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. in Betracht, sondern allenfalls § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F.
Zum Anlass der Ermittlung hat die Beklagte vorgetragen, dass sie durch Kunden darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass der Kläger sich in geschäftsschädigender Weise gegenüber Kunden über die Beklagte geäußert habe. Dies ist als unsubstantiiert anzusehen. Es bleibt im Dunkeln, wer wann welche Äußerungen oder Vermutungen in den Raum gestellt hat. Selbst wenn man den Sachvortrag als richtig unterstellte, würde er nicht auf eine Straftat schließen lassen.
(2) Es lagen aber auch keine Anhaltspunkte für eine einer Straftat vergleichbar schwerwiegenden Pflichtverletzung des Klägers vor.
Geschäftsschädigend können vielmehr auch Äußerungen sein, die qualitativ unterhalb dieser Eingriffsschwelle liegen. Der Arbeitgeber soll gerade nicht umfangreiche Ermittlungen innerhalb der Privatsphäre des Arbeitnehmers vornehmen, nur um etwa auf "negative Kritik an dem Unternehmen" zu reagieren. Es ging nicht um konkrete Verdachtsmomente im Hinblick auf z.B. Beleidigungen, Unterschlagungen oder Wettbewerbshandlungen, die berechtigterweise eine interne Ermittlung gerechtfertigt hätten. Dass die Ehre einer bestimmten Einzelperson, etwa des Geschäftsführers, in Frage stand oder dass gar Anlass für weitere Maßnahmen des Arbeitgebers nach § 12 AGG bestand, ist nicht ersichtlich.
(3) Nach Ansicht der Kammer stellt sich die Maßnahme auch als unverhältnismäßig im engeren Sinne dar.
Das Lesen des Inhalts von E-Mails, die an private Bekannte gerichtet sind, stellt einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Zumindest die E-Mails vom 22. Februar 2016 und 6. März 2017 an Herrn F und vom 17. Mai 2016 an Herrn B sind an Bekannte geschickt worden, die mit dem Betrieb nichts zu tun haben. Klarzustellen ist hierzu, dass die Kammer trotz teilweiser anderer Bezeichnung durch die Zeugin H und auch den Beklagtenvertreter die E-Mails an die Adresse "xxxx" an Herrn F und nicht an Herrn B gerichtet waren. Hier kam es offensichtlich zu einem Missverständnis; aus der Anrede mit "F" ergibt sich aber eindeutig, dass Herrn F angesprochen war.
Der Absender vertraut bei einer "elektronischen Post" wie der Ersteller eines (herkömmlichen) Briefs darauf, dass der Inhalt auch nur dem Adressaten zur Kenntnis gelangt und nicht zur Kenntnis Dritter. Auch das BVerfG unterstreicht die besondere Schutzbedürftigkeit bei dem "Surfen im Internet" und bei dem Speichern von E-Mails auf dem Server des Providers. Ähnlich wie bei Gesprächen unter Kollegen ist es üblich, dass nicht jedes Wort "auf die Goldwaage" gelegt bzw. besonders überlegt wird, wenn man sich per E-Mail äußert. Dadurch besteht typischerweise ein erhöhtes Risiko, dass sich Arbeitnehmer kritisch, ironisch, despektierlich oder auch sogar beleidigend äußern. Daraus resultiert allgemein eine große Schutzbedürftigkeit von Äußerungen in privaten E-Mails (vgl. zu Äußerungen in sozialen Netzwerken Kock/Dittrich DB 2013, 934, 935). Der Zugang zu dem jeweiligen E-Mail-Account eines jeden Mitarbeiters war passwortgeschützt und damit grundsätzlich ein besonders geschützter Bereich. Setzt man den Anlass - hier einen mehr oder wenigen vagen Hinweis auf angeblich geschäftsschädigende Äußerungen des Klägers - ins Verhältnis zu der Ermittlungsmaßnahme - hier Auswertung des gesamten E-Mail-Verkehrs des Klägers von über einem Jahr -, so gebührt dem Interesse an Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Klägers deutlich der Vorzug. Die Maßnahme erfolgte zu einem großen Teil auch "ins Blaue" hinein. Wie die Beklagte selbst vorträgt, hat sie anlässlich ihrer Ermittlung auch "herausgefunden", dass der Kläger angeblich angekündigt habe, um "krank zu feiern". Mit dem Lesen sämtlicher E-Mails hat die Beklagte bewusst in Kauf genommen, dass sie auch sonstige Verstöße des Klägers - außerhalb der angeblich geschäftsschädigenden Äußerungen - aufzudecken in der Lage sein wird.
(4) Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte vorträgt, der Kläger hätte seine privaten E-Mails in einen als "privat" gekennzeichneten Ordner einstellen müssen; andernfalls habe er nach Ziff. 2.2 der IT-Sicherheitsrichtlinie damit rechnen müssen, dass die Beklagte sämtliche E-Mails zur Kenntnis nimmt.
(a) Zutreffend ist im Grundsatz, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, seinen Mitarbeitern das E-Mail-System zu privaten Zwecken zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund muss er auch als befugt angesehen werden, das freiwillige Eröffnen des privaten E-Mail-Verkehrs inhaltlich einzuschränken.
Die Beklagte kann sich nach Ansicht der Kammer nicht auf die Entscheidung des EGMR "Libert/France" stützen (EGMR 22. Februar 2018 - App. no. 588/13 - ZD 2018, 263). Denn dort lag der Sachverhalt so, dass die Mitarbeiter angehalten waren, die privaten Inhalte in einen als "privat" gekennzeichneten Ordner abzuspeichern. Im vorliegenden Fall war dies indes nicht als klare Verhaltensaufforderung niedergelegt, sondern als zusätzliche Option. Außerdem hatte der Mitarbeiter im Fall des EGMR einen privaten Ordner "zum Lachen" angelegt; im vorliegenden Fall hatte der Kläger gar keinen privaten Ordner angelegt. Dass nunmehr der Schluss zu ziehen ist, dass sämtlichen E-Mails dienstlicher Natur seien, lässt sich daraus sicher nicht schließen. Außerdem erscheint es bei der Verhältnismäßigkeitsabwägung als gegenüber dem vorliegenden Fall gravierender, wenn Dateien mit pornographischem Material vorgefunden werden, als wenn es - wie hier - um despektierliche Äußerungen gegenüber Vorgesetzen geht.
(b) Die Regelung unter Ziff. 2.2 der IT-Sicherheitsrichtlinie genügt nicht den Anforderungen, die an eine Kontrolle des Inhalts des elektronischen Schriftverkehrs am Arbeitsplatz zu stellen sind. Jedenfalls dann, wenn die Verpflichtung zur Trennung von beruflichen und privaten E-Mail-Verkehr ihrerseits sich nicht als angemessener Ausgleich der wechselseitigen Interessen und damit als unverhältnismäßig erweist, kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, er sei berechtigt, auch den Inhalt privater E-Mails zu lesen.
Der EGMR hat zu der Überwachung des elektronischen Schriftverkehrs am Arbeitsplatz betont, dass Anlass und Ausmaß einer Kontrolle bzw. Überwachung möglichst im Vorhinein durch den Arbeitgeber transparent gemacht werden muss (vgl. EGMR 5. September 2017 - 61496/08 - [Barbulsecu/Rumänien] Rn. 121, 130, NZA 2017, 1443; hierzu auchNiemann JbArbR Bd. 55 S. 41, 66; Conrad/Hausen in Auersdorff/Conrad Handbuch IT- und Datenschutzrecht 2. Aufl. § 37 Rn. 208). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die IT-Sicherheitsrichtlinie sieht in Ziff. 2.2 allgemein vor, dass "betriebliche Gründe" es erfordern könnten, Einsicht in die persönliche E-Mail-Box zu nehmen. Es ist bereits unklar, ob die Einsicht in den E-Mail-Verkehr nur zur Gewährleistung der Kontinuität am Arbeitsplatz des Klägers im Falle von Urlaub bzw. Erkrankung erfolgen durfte, ob unter "betriebliche Gründe" auch Kontrollen fallen, die den Umfang privaten E-Mail-Verkehrs am Arbeitsplatz überwachen oder ob darunter auch solche Kontrollen fallen sollen, die den Inhalt der E-Mails selbst überprüfen und ggf. disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen können. Falls letzteres gelten sollte, war nicht konkret niedergelegt, ab welchem Verdacht in Bezug auf welche Pflichtverletzungen eine Einsicht habe erfolgen dürfen. Aufgrund dieser offenen Formulierung mussten die Beschäftigten damit rechnen, dass der Inhalt privater E-Mails jederzeit - praktisch verdachtsunabhängig - kontrolliert werden konnte; dies wäre erkennbar zu weitgehend.
Mit dem Hinweis auf einen Ordner, der als "privat" zu kennzeichnen ist, hat die Beklagte gegenüber den Arbeitnehmern eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet, wie dem Schutz ihrer persönlichen Daten Rechnung getragen werden kann. Aus der Formulierung wird aber nicht hinreichend deutlich, dass die Arbeitnehmer einen Ordner "privat" anlegen müssen und ihre private Korrespondenz dort abspeichern müssen. Auf ähnlicher Linie liegt es, wenn es dort heißt, dass empfohlen wird, private E-Mails nach dem Lesen direkt zu löschen. Eine Empfehlung ist etwas anderes als eine Verhaltensanordnung.
Ferner ist zu bewerten, ob ein Kontrollsystem hätte eingerichtet werden können, welches weniger stark in die Rechte der Betroffenen eingegriffen hätte (vgl. EGMR 5. September 2017 - 61496/08 - [Barbulsecu/Rumänien] Rn. 121, NZA 2017, 1443). Zwar muss gesehen werden, dass grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen ist, in die E-Mails zu schauen, da diese auch geschäftliche Inhalte aufweisen werden und der Arbeitgeber - z.B. bei einer Urlaubsvertretung - auch darauf angewiesen ist, Inhalte zur Kenntnis zu nehmen, um die Kontinuität der Arbeitsorganisation zu gewährleisten. Hat der Arbeitgeber auch die private Nutzung von E-Mails gestattet, so untersteht aber letztlich der gesamte E-Mail-Verkehr dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, da eine Trennung zwischen beruflichen und privaten Bereich im Grundsatz dann nicht vorgenommen werden kann. In der Sache "Barbulescu" war dem Beschäftigten es sogar untersagt worden, private Korrespondenz am Arbeitsplatz er erbringen. Gleichwohl hat der EGMR entschieden, dass dies nicht dem Schutz des Persönlichkeitsrechts entgegenstünde, denn solche Anweisungen könnten das private soziale Leben am Arbeitsplatz nicht auf Null reduzieren (vgl. EGMR 5. September 2017 - 61496/08 - [Barbulsecu/Rumänien] Rn. 80, NZA 2017, 1443). Auch handelt es sich nicht deshalb um eine weniger schutzwürdige "offizielle" Korrespondenz, weil sie von dem Rechner des Arbeitgebers am Arbeitsplatzausging (vgl. EGMR 5. September 2017 - 61496/08 - [Barbulsecu/Rumänien] Rn. 73, NZA 2017, 1443).
Die vom Arbeitgeber in Ziff. 2.2 der IT-Sicherheitsrichtlinie gewählte Konstruktion scheint angesichts aller Umstände nicht erforderlich i.S.d. Datenschutzes zu sein. Geht es dem Arbeitgeber darum sicherzustellen, dass nicht übermäßig private E-Mails verschickt werden, so steht ihm die Möglichkeit offen, nach vorher abstrakt festgelegten Kriterien Stichproben vorzunehmen (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 31, NZA 2017, 1327). Auch kann der Arbeitgeber die bloßen Verbindungsdaten erheben - ohne dass es auf den Inhalt der E-Mails ankommt - und daraus Rückschlüsse ziehen, ob es sich bei dem Korrespondenzpartner um einen Kollegen oder Geschäftspartner gehandelt hat oder nicht. Geht es dem Arbeitgeber darum, dass im Falle einer kurzfristigen Abwesenheit wegen Urlaubs oder Krankheit Dritte auf die E-Mails zugreifen müssen, ist als erstes an eine datenschutzrechtliche Einwilligung des Betroffenen zu denken. Erst wenn diese nicht eingeholt werden kann, muss dem Arbeitgeber auch ein Zugriffsrecht ohne Einwilligung zugestanden werden. Geht es dem Arbeitgeber darum - wie im vorliegenden Fall - , durch die Kontrolle des Inhalts der privaten E-Mails das Verhalten zu kontrollieren, um ggf. eine Kündigung auszusprechen, so müsste auch dieser Erhebungszweck transparent im Vorhinein kommuniziert werden, damit die Beschäftigten ausreichend gewarnt sind. Dies war vorliegend nicht sichergestellt. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung weitere Eingriffsrechte vereinbart werden können; dabei wäre etwa an Regelungen zu denken, dass bei der Einsichtnahme in Inhalte ein Mitglied des Betriebsrats hinzugezogen werden muss, dass die Inhalte nur unter bestimmten Voraussetzungen in einem Kündigungsschutzprozess verwertet werden dürfen etc. Denn im vorliegenden Fall handelte es sich bei der IT-Sicherheitsrichtlinie nicht um eine Betriebsvereinbarung, sondern um lediglich einseitig aufgestellte Regelungen der Arbeitgeberin.
Durch die Regelung in der IT-Sicherheitsrichtlinie versucht der Arbeitgeber, das Risiko datenschutzwidrigen Verhaltens auf den Arbeitnehmer abzuwälzen; dieser soll und muss darüber entscheiden, welche E-Mail privaten Charakter hat und wie diese archiviert wird. Damit geht ein erhebliches Fehlerrisiko auf die Arbeitnehmer über. Auch begegnet es Bedenken, einen Ordner mit "privater E-Mail-Korrespondenz" anzulegen. Würden die Arbeitnehmer dem Folge leisten, müssten sie u.U. mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sich in dem als privat gekennzeichneten Ordner eine große Anzahl von E-Mails befindet. Dies könnte der Arbeitgeber u.U. bereits zum Anlass nehmen, Abmahnungen o.ä. auszusprechen, ohne dass es auf den konkreten Inhalt ankäme.
Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Kläger seine Pflichten aus der IT-Sicherheitsrichtlinie zumindest insoweit erfüllte, als er anlässlich seiner Freistellung private E-Mails weitgehend löschte. Allerdings war die hier fragliche E-Mail vom 22. Februar 2016 an Herrn F aus einem Verlaufsanhang einer später im März 2017 versandten E-Mail zu entnehmen, wie die Zeugin H bekundet hat. Das Beispiel zeigt die besondere Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern bei der Teilnahme an einem privaten E-Mail-Verkehr. Selbst wenn der Kläger sämtliche "anstößigen" E-Mails auf seinem Account gelöscht hätte, wäre der Arbeitgeber ggf. in der Lage, die gesamte Kommunikation zur Kenntnis zu nehmen, wenn der Adressat zu einem späteren Zeitpunkt auf eine ältere E-Mail antwortet und sich aus dem Anhang der gesamte Kommunikationsverlauf ergibt.
cc) Dieser Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung führt auch nicht bloß zu einem Beweisverwertungsverbot. Im Falle eines Beweisverwertungsverbots käme es darauf an, ob der Inhalt der E-Mails streitig ist oder nicht; im vorliegenden Fall ist der Inhalt unstreitig. Im vorliegenden Fall ist (sogar) von einem "Sachvortragsverwertungsverbot" auszugehen.
Das BAG verlangt im Grundsatz, dass über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen müssen (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 41, NZA 2017, 1327). Der Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht darf grundsätzlich nicht durch die staatlichen Gerichte "perpetuiert" werden (vgl. vgl. BAG 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 - Rn. 15). Letztlich ist eine Güterabwägung zwischen dem Grundsatz auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers vorzunehmen.
Hier fehlt es schon an einem hinreichenden Anlass für die Kontrolle. Wie in dem Fall der Überwachung mittels eines Keyloggersystems handelt es sich um eine umfassende Auswertung von Arbeitnehmerverhalten; die Beklagte hat einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ausgewertet. Der Anlass steht in keinem Verhältnis zu der Intensität der Kontrolle. Es kann dem Arbeitnehmer hier auch nicht zugemutet werden, wider besseres Wissens den Inhalt der E-Mails mit der Gefahr eines (versuchten) Prozessbetrugs bestreiten zu müssen. Auch das heimliche Vorgehen der Arbeitgeberin spricht für eine Unverwertbarkeit im Prozess (vgl. Niemann JbArbR Bd. 55 S. 41, 60). Die Beklagte hat den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung und damit das arbeitsrechtlich gravierendste Mittel gewählt. Letztlich spricht auch der Gesichtspunk der Generalprävention gegen eine Verwertbarkeit (offen gelassen inBAG 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 - Rn. 14). Dem Arbeitgeber ist es letztlich mithilfe des Systemadministrators oder - wie hier - eines externen IT-Diensteanbieters tatsächlich stets möglich, den Inhalt von privaten E-Mails zur Kenntnis zu nehmen. Würde man in diesen Fällen kein Sachvortragsverwertungsverbot annehmen, würde der Grundrechtsschutz der Beschäftigten weitgehend leerlaufen, weil aufgrund der Verschriftlichung der E-Mails ein Bestreiten des Inhalts regelmäßig keinen Sinn machen würde.
d) Selbst wenn man kein Verwertungsverbot annehmen wollte, sind die besonders kritischen Äußerungen in der E-Mail-Korrespondenz mit Herrn F bzw. Herrn B nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen, weil der Kläger die berechtigte Erwartung haben durfte, dass die E-Mails nicht an Dritte und insbesondere den Geschäftsführer weitergeleitet werden. In Bezug auf die Inhalte in den übrigen E-Mails ist festzustellen, dass es sich zwar um despektierliche Äußerungen handelt, die aber nicht geeignet sind, ohne eine Abmahnung eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
aa) Kommunikation mit privaten Bekannten ist kündigungsrechtlich besonders privilegiert. Dies gilt auch für E-Mails von dem dienstlichen Rechner aus.
(1) Bei der rechtlichen Würdigung sind in kündigungsrechtlicher Hinsicht die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres zu rechtfertigen (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 18, NZA 2010, 698). Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Er muss nicht damit rechnen, durch sie werde der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet. Vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht (vgl.BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 18, NZA 2010, 698; APS/Vossen 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 230; ErfK/Niemann 18. Aufl. § 626 BGB Rn. 88).
Nichts anderes gilt, wenn die vertrauliche Kommunikation nicht in einem persönlichen Gespräch stattfand, sondern per E-Mail (vgl. EGMR 5. September 2017 - 61496/08 - [Barbulsecu/Rumänien] Rn. 74, NZA 2017, 1443; Kock/Dittrich DB 2013, 934, 937; Fuhlrott/Oltmanns NZA 2016, 785, 787; Bauer/Günther NZA 2013, 67, 68, letztere jeweils im Schwerpunkt zu Äußerungen über Facebook). Auch am Arbeitsplatz findet regelmäßig eine Art von sozialen Privatleben statt. Es ist verbreitet Teil der Lebenswirklichkeit, dass Beschäftigte am Arbeitsplatz untereinander über private Themen kommunizieren oder nach außen mit Adressaten aus ihrer Privatsphäre kommunizieren. Typischerweise vertrauen die Beteiligten an einer E-Mail-Korrespondenz darauf, dass der Inhalt, ähnlich wie bei einem Telefonat oder einem persönlichen Gespräch, nicht an Dritte gelangt. Dies gilt gerade auch dann, wenn der Zugang zu dem Rechner durch ein persönliches Passwort geschützt ist.
(2) Nach diesen Grundsätzen kann bereits ein Grund nach § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung nicht anerkannt werden, soweit sich die Beklagte auf den Inhalt des E-Mail-Verkehrs mit Herrn F bzw. Herrn B stützt. Insoweit durfte der Kläger davon ausgehen, dass diese Äußerungen nicht zur Kenntnis der Beklagten und insbesondere deren Geschäftsführers gelangten.
(a) Der Kläger hat diese Äußerungen nicht etwa unmittelbar gegenüber dem Geschäftsführer getätigt und auch nicht im Kollegenkreis bei der Beklagten. Vielmehr ist die Äußerung im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz mit einem Freund des Klägers gefallen. Dass Herr F und Herr B jeweils ein Freund des Klägers ist, steht nach der Aktenlage fest. Dies hat der Kläger ausdrücklich behauptet. Offensichtlich handelt es sich weder um Mitarbeiter von der Beklagten noch um Kunden, weil ihr ansonsten der Name geläufig wäre. Herr F und Herr B haben damit nichts mit dem Betrieb der Beklagten zu tun. Anhaltspunkte, dass dies nicht stimmen könnte, sind anhand der gesamten Aktenlage nicht ersichtlich und wurden auch von der Beklagten nicht vorgebracht. Soweit der Kläger mit Herrn F bzw. B kommunizierte, durfte er deshalb auf die Vertraulichkeit seiner Äußerungen vertrauen. Dies betrifft (gerade) auch die E-Mail vom 22. Februar 2016, in der er den Geschäftsführer der Beklagten als "Russen Arschloch" bezeichnet.
Es handelte sich um eine rein private Korrespondenz zwischen dem Kläger und einem Bekannten. Dem Kläger ging es offensichtlich darum, seinem Ärger über die betrieblichen Verhältnisse und die aus seiner Sicht mangelnde Qualifikation des neuen Geschäftsführers Raum zu verschaffen und "Dampf abzulassen". Gerade für solch eine harte Kritik an den betrieblichen Verhältnissen und polemischen Äußerungen ist nach der Besprechung des BAG ein geschützter Raum anzuerkennen, wenn es sich um eine Unterredung im rein privaten Bereich handelt.
(b) Daran ändert sich nichts durch die Umstände des E-Mail-Verkehrs von dem Dienstrechner des Klägers aus.
Zwar ist die E-Mail von dem Dienstrechner des Klägers übersandt und offensichtlich auch während der Arbeitszeit geschrieben worden. Jedenfalls bis zur Löschung der E-Mails am 7. März 2017 befanden sich die E-Mails in einem Ordner auf dem PC des Klägers, der - was zwischen Parteien unstreitig ist - nicht als "privat" gekennzeichnet war. Nach Ziff. 2.5 der IT-Sicherheitsrichtlinie war die Nutzung des Internets zumindest in Pausenzeiten gestattet. Aus Ziff. 2.2 lässt sich mittelbar entnehmen, dass die private E-Mail Nutzung nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern an bestimmte Vorgaben geknüpft war. Ferner war geregelt, dass betriebliche Gründe es erfordern könnten, dass die persönliche E-Mail Box durch Anordnung eines Vorgesetzten eingesehen werden muss.
Nach Auffassung der Kammer führt dies allerdings nicht dazu, dass der Kläger die Vertraulichkeit dieser Korrespondenz selbst aufgehoben hat. Das Überprüfungsrecht in Ziff. 2.2 der IT Sicherheitsrichtlinie ist erkennbar als Ausnahmetatbestand gefasst. Keinesfalls durfte der Kläger davon ausgehen, dass generell jeder E-Mail-Verkehr durch die Beklagte kontrolliert würde. Wie der weitere Verlauf hier gezeigt hat, war es technisch auch gar nicht möglich, dass der Arbeitgeber auf die Inhalte der vom Kläger geschriebenen E-Mails einfach zugreifen konnte. Hierzu war vielmehr die Einschaltung des externen Diensteanbieters erforderlich, wie die Zeugin H bekundet hat. Nichts anderes gilt aufgrund des Umstandes, dass die fragliche E-Mail-Korrespondenz zunächst in dem dem Kläger zugeordneten E-Mail-Accout-Ordner abgespeichert war. Dadurch erlangt der rein private Inhalt keinen "offiziellen" Charakter. Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden (vgl. BAG 27. Juli 2017 - 2 AZR 681/16 - Rn. 25, NZA 2017, 1327; insbesondere zum elektronischen Schriftverkehr EGMR 5. September 2017 - 61496/08 - [Barbulsecu/Rumänien] Rn. 74, NZA 2017, 1443). Ähnlich verhält es sich, wenn in der Pause während eines Gesprächs zwischen einzelnen Kollegen Äußerungen mit kritischem bzw. beleidigendem Inhalt über Vorgesetzte fallen. In all diesen Fällen besteht aus Sicht des Arbeitnehmers die berechtigte Erwartung, dass die überzogenen Äußerungen nicht zur Kenntnis der Betroffenen Leitung Personen gelangen (vgl. auch BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03 - NZA 2005, 158 zu Äußerungen in einem nicht allgemein zugänglichem Intranet einer Gewerkschaft).
Dass der Kläger selbst keinesfalls wollte oder in irgendeiner Weise beförderte, dass der Inhalt der E-Mails zur Kenntnis der Geschäftsleitung gelangte, zeigt sich auch daran, dass er bei seiner Freistellung den Inhalt seines E-Mail-Account-Ordners löschte. Der Umstand, dass die Beklagte den E-Mail-Verkehr mit dem Kläger hat rekonstruieren können, beruht (allein) darauf, dass der Kläger die letzte E-Mail mit Herrn B, die die übrige Korrespondenz im Anhang enthielt, nicht gelöscht hat. Wollte man der Argumentation der Beklagten folgen und (allein) den Arbeitnehmer dafür verantwortlich machen zu entscheiden, welche E-Mails privaten Charakter haben und als schützenswert anzusehen sind, so hätte die Beklagte bei gehöriger Anstrengung ersehen können, dass die ursprünglich vom Kläger gesendeten E-Mails vom 22. Februar 2016 und 17. Mai 2016 in seinem Account längst gelöscht waren. Die Beklagte hätte erkennen können, dass der Inhalt der E-Mails "im Anhang" in einer neuen E-Mail offenbar aus Versehen übersehen worden ist. Bei dieser Ausgangslage kann i.E. nicht von einer Aufhebung der Privatheit der Äußerungen ausgegangen werden.
Wie aus dem im Kammertermin überreichten Auszug aus dem Outlook-E-Mail-Programm zu ersehen ist, befand sich die letzte E-Mail, die der Kläger am 6. März 2017 an Herrn F geschrieben hat, in dem Ordner "gesendete Objekte". Private E-Mails in dem Ordner "Posteingang" hat der Kläger - nach seinem Bekunden - bei seiner Freistellung gelöscht.
(c) Äußerungen in einem privaten Umfeld führen jedenfalls bei der stets vorzunehmenden Interessenabwägung typischerweise zu der Unwirksamkeit der Kündigung. Dies ist angesichts der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auch hier nicht anders. Ob es Fälle geben kann, dass so krasse Äußerungen oder Beleidigungen gefallen sind - hier könnte an schwere Straftaten zu denken sein, bei denen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmer gegenüber dem Ehrschutz des Betroffenen ausnahmsweise zurücktreten muss -, die eine andere Betrachtung rechtfertigen, kann dahingestellt bleiben. Ein solch gravierendes Ausmaß beleidigender Äußerungen liegt hier nicht vor. Eine Störung des Betriebsfriedens war nicht beabsichtigt; erst durch die Kontrollmaßnahme der Beklagten sind die Äußerungen an die Geschäftsleitung gelangt. Sie sind aber auch sonst nicht an einen größeren Adressatenkreis innerhalb des Unternehmens bekannt geworden.
bb) Im Übrigen haben die fraglichen E-Mails keinen so schwerwiegenden Inhalt, dass sie einen Grund dafür abgeben könnten, das Arbeitsverhältnis ohne Ausspruch einer Abmahnung mit sofortiger Wirkung zu beenden.
(1) Der Kläger hat am 3. November 2016 an C - hierbei handelt es sich um den ehemaligen Vorgesetzten des Klägers - eine E-Mail mit auszugsweise folgenden Inhalt (Bl. 58 der Akte) schrieb: "…Der andere Russen/China Rohrkrepierer soll jetzt mal Bluestar angehen bezüglich Plattform, welche Spezialitäten, Menge nach Europa, …PBT exclusiv über uns. Leck mich doch am Arsch".
Hier durfte der Kläger nicht erwarten, dass die Vertraulichkeit dieser Äußerung gewahrt bleibt. Denn bei Herrn C handelt es sich um einen direkten Vorgesetzten.
Die Auslegung der E-Mail ergibt allerdings, dass der Geschäftsführer nicht beleidigt werden sollte. Aus dem Inhalt lässt sich nicht sicher ableiten, dass mit "Russen-Rohrkrepierer" der Geschäftsführer gemeint war. Der Kläger hat sich dahingehend eingelassen, dass er damit Lieferanten der Beklagten meinte. Auch kann eine Schmähkritik nicht sicher festgestellt werden. Dem Kläger ging es offensichtlich auch um eine sachliche Auseinandersetzung über den Aufbau der Lieferantenstrukturen.
Im Übrigen wäre eine solche Äußerung jedenfalls nicht ohne vorherige Abmahnung geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 21, NZA 2014, 250).
Es wäre als milderes Mittel ausreichend gewesen, wenn die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung erteilt hätte. Es wäre dann prognostisch naheliegend gewesen, dass er sich zukünftig daran hielte, im internen E-Mail-Verkehr sich nicht herablassend über Kunden bzw. Vorgesetzte zu äußern.
Bei der stets vorzunehmenden Interessenabwägung wäre zu Gunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass zwischen ihm und seinem Vorgesetzten Herr C offensichtlich ein "rauer Umgangston" herrschte. Herr C hat den Inhalt der fraglichen E-Mail offensichtlich "toleriert", weil er den Kläger unmittelbar darauf nicht etwa zur Rechenschaft gezogen und seine Ausdrucksweise beanstandet hat.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass durch die Äußerung die betroffenen Kunden selbst nicht direkt informiert waren. Auch ist die Äußerung einem größeren Adressatenkreis im Betrieb nicht zu Kenntnis gelangt. Eine Störung des Betriebsfriedens ging damit nicht einher.
(2) In einer E-Mail vom 21. Februar 2017 äußerte der Kläger an Frau D u.a. (Bl. 60 der Akte</ "…Mich vorher aber aufheizen - ich kann Dir sagen - Kolchosen Bude".
Auch darin liegt keine erhebliche Beleidigung bzw. Ehrverletzung des Geschäftsführers. Der Kläger kritisiert darin überspitzt die Verhältnisse, die seit dem Einzug des aus Russland stammenden Geschäftsführers im Betrieb aus Sicht des Klägers herrschen. Jedenfalls wäre auch dieser Äußerung nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.
(3) Entsprechendes gilt für die E-Mail vom 28. Februar 2017 an Frau E. Die Äußerung, hier "gibt es nur noch Borschtsch…" ist zwar heftig und unangemessen im Ausdruck, muss aber noch als polemische Kritik an dem Unternehmen toleriert werden. Eine Schmähkritik ist nicht anzunehmen.
(4) Auch bei einer Gesamtschau aller Vorwürfe ist eine außerordentliche Kündigung des Klägers nicht gerechtfertigt.
Die Äußerungen in den E-Mails an Herrn F und Herrn B bleiben hierbei unberücksichtigt (s.o.). Die dann noch im Raum stehenden Äußerungen wie "Kolchosen Bude", "Russen/China Rohrkrepierer" oder "Leck mich am Arsch" haben zwar despektierlichen Charakter, sind allerdings nicht als so schwerwiegend einzustufen, dass sie ohne eine Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten.
II. Da die außerordentliche Kündigung unwirksam ist, hat das Arbeitsgericht auch zu Recht den Annahmeverzugslohn für März 2017 bis Mai 2017 nach den §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1, 296 Satz 1 BGB zuerkannt.
III. Der mit dem Inzidentantrag geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Vollstreckungsschadens nach § 717 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
Aus den oben Gesagten ergibt sich, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Annahmeverzugslohns vom Arbeitsgericht mit Recht angenommen wurde, so dass das Urteil des Arbeitsgerichts auch bestehen bleibt und daher die Vollstreckung auch nicht zu Unrecht erfolgte.
C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist zugunsten der Beklagten gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die hier behandelte Frage der Kontrolle des Inhalts von E-Mails, wenn der Arbeitgeber im Grundsatz den privaten E-Mail-Verkehr gestattet hat, sowie die sich daran anschließende Frage des Bestehens eines prozessualen Verwertungsverbots sind höchstrichterlich ungeklärt.