Landesarbeitsgericht Hessen
Beschluss vom - Az: 16 TaBVGa 149/12
Ort der Betriebsversammlung
In dieser Entscheidung wendet sich das LAG Hessen gegen mehrere Meinungen aus der Literatur, welche bei der Auswahl des Ortes der Betriebsversammlung ein (Mit-)Bestimmungsrecht des Betriebsrats annehmen.
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 06. Juni 2012 - 7 BVGa 11/12 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, in welchen Räumen eine Betriebsversammlung durchzuführen ist.
Antragsteller ist der in dem Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 2 und 3 (Arbeitgeber) gebildete Betriebsrat. In dem Gemeinschaftsbetrieb werden ca. 390 Arbeitnehmer beschäftigt. Seit seiner Wahl im Frühjahr 2010 führte der Betriebsrat die regelmäßigen vierteljährlichen Betriebsversammlungen in einer Lagerhalle (OW 1 MOP) durch; dort wurden mindestens 320 Stühle gestellt, was für die Durchführung der Betriebsversammlungen ausreichend war. Der Arbeitgeber möchte dem Betriebsrat künftig für die Durchführung der Betriebsversammlungen die Kantine zur Verfügung stellen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die in der Kantine vorhandenen Pfeiler schränkten die Sicht der Teilnehmer ein. Ferner könne die Kantine maximal 300 Sitzplätze aufnehmen. Die Teilnehmer müssten in großer Enge beieinander sitzen. Die großen Glasfronten seien mit einem automatischen Verdunkelungssystem ausgestattet, so dass bei einer starken Erwärmung des Raumes mit plötzlich einsetzender Dunkelheit zu rechnen sei. Die Klimaanlage erzeuge ein Geräusch, das es erforderlich mache dagegen anzusprechen und das Zuhören erschwere.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Beteiligten zu 2 und 3 aufzugeben, dem Betriebsrat zur Durchführung der Betriebsversammlung vom 12. Juni 2012 die Räumlichkeiten des OW 1 MOP zur Verfügung zu stellen, hilfsweise der Durchführung der Betriebsversammlung vom 12. Juni 2012 im OW 1 MOP zuzustimmen und den Beteiligten zu 2 und 3 für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern, anzudrohen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, die Kantine sei für die Betriebsversammlung geeignet, da auf einer Gesamtfläche von mehr als 225 m² bis zu 336 Stühle gestellt werden könnten. Der Zeitaufwand für das Räumen und den Wiederaufbau der in der Lagerhalle befindlichen Paletten betrage etwa 7 h. Ferner seien in der Vergangenheit bei den Betriebsversammlungen in der Lagerhalle die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehle am Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Hierbei könne offen bleiben, ob der Einwand der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durchgreife. Jedenfalls sei die vom Betriebsrat begehrte einstweilige Regelung nicht erforderlich, um die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsversammlung zu ermöglichen. Mit der Kantine stelle der Arbeitgeber einen geeigneten Versammlungsraum zur Verfügung, so dass der Zweck der einstweiligen Verfügung auch ohne die begehrte Regelung erreicht werde.
Gegen diesen Beschluss hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Es fehle jedenfalls nicht am Verfügungsgrund, da die Angelegenheit im Hinblick auf die für den 12. Juni 2012 anstehende Betriebsversammlung eilbedürftig sein. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, dem Betriebsrat die zur Abhaltung der Betriebsversammlung erforderlichen Räume zur Verfügung zu stellen. Bei der Auswahl des Raums sei das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu beachten. Stehen mehrere Räume zur Auswahl, entscheide der Betriebsrat über den Ort der Versammlung. Vor diesem Hintergrund sei die Vorgehensweise des Arbeitgebers nicht hinnehmbar. Die bisherige Praxis habe sich bewährt. Sicherheitsbedenken bezüglich der Lagerhalle als Veranstaltungsort der Betriebsversammlung bestünden nicht, da diese während der Betriebsversammlung frei geräumt sei.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 6. Juni 2012 -7 BVGa 11/12- abzuändern;
im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Anhörung der Beteiligten, hilfsweise unter Abkürzung der Einlassungs- und Ladungsfristen auf das gesetzliche Mindestmaß, sofort Termin zu bestimmen und den Beteiligten zu 2 und 3 aufzugeben,
dem Betriebsrat zur Durchführung der Betriebsversammlung vom 12. Juni 2012 die Räumlichkeiten des OW 1 MOP zur Verfügung zu stellen, hilfsweise der Durchführung der Betriebsversammlung vom 12. Juni 2012 im OW 1 MOP zuzustimmen und den Beteiligten zu 2 und 3 für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern, anzudrohen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 3 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet.
a) Der gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) ergibt sich daraus, dass die Betriebsversammlung, für die der Betriebsrat die Lagerhalle nutzen möchte, unmittelbar bevorsteht. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts scheitert der Verfügungsgrund nicht daran, dass der mit der einstweiligen Verfügung begehrte Zweck auch ohne die beantragte Regelung erreicht werden kann, weil der Arbeitgeber mit der Kantine einen geeigneten Versammlungsraum zur Verfügung stellt. Der Antrag des Betriebsrats ist auf die Zurverfügungstellung eines bestimmten Raums, der Lagerhalle, gerichtet. Ob die Betriebsversammlung in einem anderen Raum, der vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Kantine, durchgeführt werden kann, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags.
b) Der Antrag des Betriebsrats ist nicht begründet. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass die Betriebsversammlung in der Lagerhalle durchgeführt wird.
In der Literatur ist streitig, ob der Arbeitgeber oder der Betriebsrat berechtigt ist, den zur Abhaltung der Betriebsversammlung bestimmten Raum festzulegen. § 42 BetrVG enthält insoweit keine Regelung. Eine Auffassung ist der Meinung, dass der Arbeitgeber bestimmt, welcher Raum zur Verfügung gestellt wird (Richardi-Annuß, BetrVG, 13. Aufl., § 42 Rn. 16; HSWGNR, BetrVG, 8.Aufl., § 42, Rn. 32). Einschränkend wird vertreten, dass der Arbeitgeber zwar darüber entscheidet, welchen von mehreren zur Verfügung stehenden Räumen er bereitstellt, er dabei allerdings das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu beachten hat (GK-BetrVG-Weber, 9. Aufl., § 42 Rn. 22). Noch weitergehend meint Fitting, der Betriebsrat habe den Ort im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber von Fall zu Fall festzulegen (FESTL, BetrVG, 26.Aufl., § 42 Rn. 31). Schließlich meint Berg, der Betriebsrat entscheide, wenn mehrere Räume zur Auswahl stehen, über den Ort der Versammlung (DKKW, BetrVG, 13. Aufl., § 42 Rn. 20).
Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist der zuerst genannten Auffassung der Vorzug zu geben, da der Arbeitgeber als Eigentümer der Produktionsmittel darüber zu entscheiden hat, welche Räume des Betriebs wann, von wem und zu welchem Zweck genutzt werden. Dies folgt unmittelbar aus seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auch in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Büroräumen für den Betriebsrat nach § 40 BetrVG ist anerkannt, dass nicht der Betriebsrat, sondern der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange grundsätzlich die freie Wahl hinsichtlich der zur Verfügung zu stellenden Räume hat (GK-BetrVG-Weber, Rn. 111). Hieraus folgt, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, dem Betriebsrat andere Räume als die bisher genutzten zur Verfügung zu stellen, wenn diese ebenfalls den konkreten Erfordernissen des Betriebsrats genügen (FESTL, BetrVG, 26.Aufl., § 40 Rn. 111). Dem steht nicht entgegen, dass während der Betriebsversammlung dem Betriebsrat das Hausrecht zusteht. Dieses soll ihn (nur) in die Lage versetzen, die Betriebsversammlung ordnungsgemäß durchführen zu können. Es verdrängt nicht die sachenrechtlichen Eigentums- und Besitzschutzrechte des Arbeitgebers. Hieraus folgt, dass der Betriebsrat nicht aufgrund des ihm für die Betriebsversammlung zustehenden Hausrechts befugt ist, den Raum, in dem die Betriebsversammlung stattfinden soll, in eigener Verantwortung ohne oder gegen den Willen des Arbeitgebers auszuwählen.
Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Kantine zur Durchführung der Betriebsversammlung geeignet. Sie ist zum Aufenthalt von Menschen bestimmt, ausreichend groß, klimatisiert, beleuchtet und kann mit einer Tonverstärkeranlage sowie Beamer ausgestattet werden. Die Beschwerdekammer hat im Anhörungstermin die Fotografien des Arbeitgebers von der Kantine eingesehen und sich insoweit den Eindruck verschafft, dass der Raum ausreichend hoch ist und die Sichtverhältnisse durch die vereinzelten, recht schmalen Säulen nicht übermäßig eingeschränkt sind. Ist damit die Kantine zur Durchführung der Betriebsversammlung geeignet, kann die Veranstaltung dort durchgeführt werden, selbst wenn die vom Betriebsrat zuvor genutzte Lagerhalle hierfür- wie der Betriebsrat meint- noch besser geeignet sein sollte.
Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 S. 3, § 85 Abs. 2 ArbGG.