Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 7 Sa 499/17

Gehalts- und Abfindungsüberzahlung – Arbeitnehmer muss zurückzahlen

(1.) Eine Verpflichtung zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten – etwa die Zahlung einer übermäßigen Vergütung oder einer Abfindung - oder eines entsprechenden Wertersatzes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Hierdurch soll der Schutz des „gutgläubig“ Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das Bestehen des Rechtsgrundes verbraucht hat, gewahrt werden.

(2.) Will der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Gehaltsbezüge geltend machen, nicht mehr bereichert zu sein, so hat er im Einzelnen Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist. Ein solcher Wegfall liegt dann vor, wenn er weder Aufwendungen erspart hat, die er ohnehin gemacht hätte, noch Schulden getilgt und dadurch seinen Vermögensstand verbessert hat.

(3.) Allerdings ist eine Erleichterung dieser Darlegungslast für den Empfänger möglich, wenn anzunehmen ist, dass die Zuvielzahlung für den laufenden Lebensunterhalt (insbesondere für konsumtive Ausgaben) verbraucht wurde. Eine solche Annahme setzt jedoch voraus, dass es sich um Überzahlungen in geringer Höhe handelt. Je höher die Überzahlung im Verhältnis zum Realeinkommen ist, umso ferner liegt die Annahme, die zusätzlichen Mittel seien für den Lebensunterhalt verbraucht worden.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Im vorliegenden Streitfall hat die Klägerin den Arbeitnehmer zur Herausgabe des an ihn zu viel gezahlten Betrages i.H.v. 30.000 Euro nebst Zinsen verklagt. Die Zahlung kam aufgrund eines Flüchtigkeits- bzw. Tippfehlers bei der Ausführung der Überweisung durch die Klägerin zustande.
Während das ArbG die Klage abgewiesen hat, hat das LAG die Berufung der Klägerin stattgegeben. Die Zahlung des übersteigenden Betrages sei ohne rechtlichen Grund erfolgt. Bei der Überzahlung von Gehalt sei darauf abzustellen, ob der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht oder sich damit noch in seinem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft habe. Auch sei die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil dieser nach eigenen Aussagen nicht mehr bereichert sei und das Geld bereits ausgegeben habe. Durch die Tilgung von Schulden sei der Betroffene nicht entreichert, sondern er habe hierdurch eine Befreiung von seinen Verbindlichkeiten und damit einen weiterhin vorhandenen Vermögensvorteil erlangt. Dieser Vermögensvorteil stehe einem Wegfall der Bereicherung grundsätzlich entgegen. Zahlungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien außerdem nicht mit unbemerkt bleibenden geringen Überzahlungen des laufenden Arbeitsentgelts, die typischerweise sofort für konsumtive Aufgaben verbraucht werden, gleichzusetzen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird der monatliche Lohn nicht mehr für den laufenden Lebensunterhalt eingeplant. Angesichts der vorliegenden Überzahlung von 30.000,00 €, die das Gehalt des Beklagten um ein Vielfaches übersteigt, sei daher kein Beweis des ersten Anscheins für den Wegfall eingetreten Bereicherung anzunehmen.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. Oktober 2017, Az. 5 Ca 783/17, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.000,00 € nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. März 2017 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat der Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung überzahlter Vergütung und Abfindung.

Der 1968 geborene Kläger war seit dem 7. August 1998 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag ein Arbeitsvertrag vom 15. Juli 1998 zugrunde. Dieser lautet in § 13 "Ausschlußfristen" wie folgt:

"1. Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind schriftlich innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen.

Nach Ablauf dieser Frist ist eine Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn aus Gründen, die der Anspruchsberechtigte nicht zu vertreten hat, eine rechtzeitige Geltendmachung ausgeschlossen war.

2. Im Falle des Ausscheidens müssen alle Ansprüche, soweit ihre Geltendmachung nicht bereits nach vorerwähnten Ausschlussfristen ausgeschlossen ist, binnen 8 Tagen nach Zusendung oder Aushändigung der Arbeitspapiere geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die gerichtliche Geltendmachung ebenfalls ausgeschlossen.

3. Ansprüche aus unerlaubter Handlung fallen nicht unter die vorstehenden Ausschlußfristen."

Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt des Beklagten betrug 4.200,00 €. Am 9. Mai 2016 überwies die Klägerin auf das Konto des Beklagten 5.615,66 € mit dem Verwendungszweck „Lohn April 2016“. Dem lag eine Entgeltabrechnung für April 2016 (Bl. 14 d. A.) zugrunde.

Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Trier, Az. 5 Ca 517/16 schlossen der hiesige Beklagte (im Vorverfahren: Kläger), die damalige Beklagte zu 1. und die hiesige Klägerin (im Vorverfahren: Beklagte zu 2.) am 19. Oktober 2016 einen Beendigungsvergleich folgenden Inhalts:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 01.04.2016 von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. durch Betriebsübergang übergegangen ist.

2. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. wird durch die ordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung vom 15.04.2016 zum 31.10.2016 enden.

3. (...) Die Beklagte zu 2. verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum 31. Oktober 2016 ordnungsgemäß abzurechnen und ihm das sich hieraus ergebende Nettoentgelt zu zahlen.

(...)

6. In Anlehnung an die §§ 9, 10 KSchG zahlt die Beklagte zu 2. an den Kläger einen einmaligen Abfindungsbetrag in Höhe von 16.500 € brutto.

(...)

9. Die Parteien sind sich darüber einig, dass über die vorstehend getroffenen Regelungen und deren Erfüllung hinausgehend aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus dessen Beendigung beiderseitig finanzielle Ansprüche nicht mehr offen stehen.

10. (...)“

Die Klägerin rechnete das Arbeitsverhältnis vollumfänglich am 11. November 2016 ab.

An den Prozessbevollmächtigten des Beklagten wurde ein Betrag in Höhe von 50.198,48 € überwiesen (Überweisungsbeleg vom 11. November 2016, Bl. 12 d. A.), den dieser zeitnah an den Beklagten weiterleitete.

Mit Schreiben vom 2. März 2017 (Bl. 13 d. A.) forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zum 9. März 2017 zur Rückzahlung des überzahlten Betrages auf. Mit ihrer am 28. Juni 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Rückzahlungsanspruch weiter.

Die Klägerin hat vorgetragen,

bei der Ausführung der Überweisung sei ihr ein Flüchtigkeits- bzw. Tippfehler unterlaufen. Die zuständige Mitarbeiterin habe wohl auf der Zahlentastatur die über der 2 liegende 5 berührt und den Fehler nicht bemerkt. Sie habe dem Beklagten am 9. oder 10. November 2016 eine ordnungsgemäße Abrechnung über die zu zahlende Abfindung übersandt. Dabei handele es sich um einen Vorgang, der sich jeden Monat bei ihr wiederhole. Sie schicke jeweils am 9. oder 10. eines Monats Gehaltsabrechnungen an ihre gewerblichen Mitarbeiter, soweit diese nicht im Hause an diese verteilt würden. Unter Annahme der üblichen Postlaufzeit von zwei Tagen dürfte die Abrechnung am 11. oder 12. November 2016 bei dem Beklagten eingegangen sein.

Aufgrund der ihm seit Anfang November 2016 vorliegenden Abrechnung habe dem Beklagten bewusst sein müssen, da hier eine nicht geschuldete Überzahlung in Höhe von 30.000,00 € vorgelegen habe. Jedenfalls müsse der Beklagte sich die Kenntnis seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.

Der überzahlte Betrag sei als offener Posten in der Buchhaltung aufgetaucht und zwar Mitte/Ende Dezember 2016.

Der Beklagte könne sich nicht auf eine verspätete Geltendmachung der Forderung nach Maßgabe der Ausschlussfrist aus § 13 des Arbeitsvertrages berufen. In Abs. 3 dieser Klausel sei vereinbart, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht unter die vereinbarten Ausschlussfristen fielen. Eine solche unerlaubte Handlung dürfte aber in Form der Unterschlagung vorliegen. Im Übrigen handele es sich nicht um Ansprüche „im Fall des Ausscheidens“. Rechtsgrund für die Überweisung sei die Verpflichtung aus dem Vergleich und nicht länger der Arbeitsvertrag gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.000 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10. März 2017 zu zahlen,

2. festzustellen, dass ihrem geltend gemachten Anspruch eine Forderung von ihr gegen den Beklagten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zugrunde liegt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen,

zum Zeitpunkt des Erhalts der 50.198,48 € habe keine Abrechnung der Klägerin vorgelegen. Er habe die Abrechnung Anfang November 2016 erhalten.

Nach Erhalt und vor dem Eingang des Schreibens vom 2. März 2017 habe er das Geld ausgegeben. Er berufe sich daher hilfsweise auf Entreicherung. Er berufe sich auf § 13 des Arbeitsvertrages. Die vermeintliche Forderung der Klägerin sei verwirkt. Rein vorsorgliche bestreite er die Höhe der Forderung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Oktober 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 30.000,00 € sowie auf Feststellung des Vorliegens einer unerlaubten Handlung nicht zu. Der seitens der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von 30.000,00 € netto gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB sei verfallen. Zwar könne sich der Beklagte weder auf die in Ziffer 9 des gerichtlichen Vergleichs vom 19. Oktober 2016 vereinbarte Ausgleichsklausel noch auf die Ausschlussfrist in § 13 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags mit Erfolg berufen. Der Beklagte könne sich jedoch mit Erfolg auf die Ausschlussfrist in § 13 Ziffer 2 des Arbeitsvertrags berufen. Das Eingreifen der Ausschlussfrist sei auch nicht gemäß § 13 Ziffer 3 des Arbeitsvertrags ausgeschlossen. Eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Beklagten habe die Klägerin nicht dargetan und eine solche sei nicht ersichtlich. Die Berufung des Beklagten auf die Ausschlussfrist sei auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 107 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 10. November 2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 1. Dezember 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 10. Januar 2018 bis einschließlich 24. Januar 2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 22. Januar 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 150 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

neben der Abfindung von 16.500,00 € brutto seien Gehaltsansprüche in Höhe von circa 2.500,00 € netto monatlich für den Zeitraum Mai, Juni, Juli, August, September und Oktober 2016 abgerechnet worden, was zu einem geschuldeten Nettolohnbetrag von 25.490,58 € geführt habe. Hiervon seien 5.292,10 € in Abzug zu bringen gewesen für Leistungen, die auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen seien, so dass dem Beklagten ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 20.198,48 € zugestanden habe.

Ausschlussfristen fänden auf das vorliegende Rückzahlungsverhältnis keine Anwendung. Das Arbeitsgericht übersehe, dass bei Abschluss eines Vergleichs nie abzusehen sei, welche Nettozahlungen tatsächlich an den Arbeitnehmer zu leisten seien. Abwegig sei, dass der Beklagte die Überzahlung nicht erkannt haben wolle. Bei nur oberflächlicher Betrachtung hätte der Beklagte wissen können, dass ihm ein Betrag von rund 25.000,00 € zustehe. Dies habe niemals zu einer Auszahlung von 50.198,48 € führen können. Entsprechend den Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 13. Oktober 2010, Az. 5 AZR 648/09 sei davon auszugehen, dass Ausschlussfristen nicht zu laufen begönnen, bis der Arbeitgeber die Überzahlung bemerkt habe oder vom Arbeitnehmer hierauf hingewiesen werde. Ihrer Sachbearbeiterin A. sei der Fehler am 15. Dezember 2016 aufgefallen. Sie habe am 16. Dezember 2016 ein Rückforderungsschreiben (Bl. 156 d. A.) verfasst, das mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 (Bl. 157 d. A.) vom Beklagtenvertreter beantwortet worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. Oktober 2017, Az. 5 Ca 783/17, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.000,00 € nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. März 2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 26. Februar 2018, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 168 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Bei Eingang des Vergleichsbetrages habe er sich keine Gedanken über die Höhe des Betrages gemacht bzw. die Höhe im Bereich des Möglichen erachtet, da die Klägerin als Lohn für den Monat April 2016 einen Nettobetrag von 5.615,66 € auf den Überweisungsträger (Bl. 176 d. A.) als Verwendungszweck geschrieben habe. Überprüfen habe er den Betrag nicht können, da ja keine Abrechnungen vorgelegen hätten. Die Abrechnungen seien ihm erst im März 2017 zugänglich gemacht worden. Diese seien auch, bei genauer Betrachtungsweise, überhaupt keine Abrechnungen, da die Abrechnungen für Mai, Juni, Juli, August, September und Oktober 2016 überhaupt keine Beträge enthielten, weder Brutto- noch Nettobeträge. Eine Überprüfung sei demnach überhaupt nicht möglich gewesen. Er habe jedenfalls den Vergleichsbetrag in gutem Glauben entgegengenommen. Das Geld habe er ausgegeben. Er berufe sich auf Entreicherung. Die Ausschlussfristen griffen. Die vermeintliche Forderung der Klägerin sei unzweifelhaft verwirkt.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 15. Mai 2019 (Bl. 204 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

Auch in der Sache hatte die Berufung der Klägerin Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 30.000,00 € nebst Zinsen.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe von 30.000,00 €, die dieser ohne rechtlichen Grund erlangt hat.

Sie hat an den Beklagten zu Händen seines Prozessbevollmächtigten mit Überweisung vom 11. November 2016 einen Betrag in Höhe von 50.198,48 € überwiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat diesen Betrag zeitnah an den Beklagten weitergeleitet.

Die Zahlung des 20.198,48 € übersteigenden Betrages erfolgte ohne rechtlichen Grund. Aufgrund des vor dem Arbeitsgericht Trier am 19. Oktober 2016 geschlossenen Vergleichs im Rechtsstreit mit dem Az. 5 Ca 517/16 (dort Ziffer 3) war die hiesige Klägerin verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zum 31.Oktober 2016 ordnungsgemäß abzurechnen und ihm das sich hieraus ergebende Nettoentgelt zu zahlen. Weiter war sie verpflichtet an den hiesigen Beklagten einen einmaligen Abfindungsbetrag in Höhe von 16.500,00 € brutto zu zahlen (Ziffer 6 des Vergleichs).

Die Klägerin rechnete das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage eines monatlichen - im Berufungsverfahren unstreitigen - durchschnittlichen Bruttoverdienstes in Höhe von 4.200,00 € am 11. November 2016 ab und ermittelte einen an den Beklagten insgesamt (ausstehende Vergütung und Abfindung) zu zahlenden Betrag in Höhe von 20.198,48 €. Konkrete Einwände gegen die von der Klägerin durchgeführte Berechnung hat der Beklagte nicht erhoben.

Statt dieses Betrages überwies eine Mitarbeiterin der Klägerin 50.198,48 €, mithin 30.000,00 € mehr als dem Beklagten zustand.

Der Beklagte ist zur Herausgabe des zu viel an ihn gezahlten Betrages verpflichtet.

II.

Diese Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er nicht mehr bereichert wäre. Die Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB sind nicht gegeben. Der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er nicht mehr bereichert ist.

Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist eine Verpflichtung zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten oder zum entsprechenden Wertersatz ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Die Vorschrift dient dem Schutz des “gutgläubig” Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das (Fort-) Bestehen des Rechtsgrundes verbraucht hat und daher nicht über den Betrag einer wirklichen (bestehengebliebenen) Bereicherung hinaus zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll (BGH 17. Juni 1992 - XII ZR 119/91 unter II.1.a der Gründe mwN.).

Der Empfänger ist dann nicht mehr bereichert, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss mehr zwischen dem vorhandenen Vermögen und demjenigen Vermögen besteht, das auch ohne die ursprüngliche Bereicherung vorhanden wäre. Bei der Überzahlung von Gehalt kommt es daher darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht oder sich damit noch in seinem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft hat. Letzteres ist anzunehmen, falls anderweitige Ersparnisse oder Anschaffungen vorliegen. Auch eine infolge Tilgung eigener Schulden mittels des rechtsgrundlos erlangten Geldes eingetretene Befreiung von Verbindlichkeiten zählt zu den weiterhin vorhandenen Vermögensvorteilen, die einem Wegfall der Bereicherung grundsätzlich entgegenstehen. Hat der Bereicherungsschuldner die erlangte Summe dazu genutzt, Schulden zu tilgen, die er andernfalls nicht getilgt haben würde, setzt sich der rechtsgrundlos erhaltene Betrag in der bestehenbleibenden Schuldbefreiung gleichsam fort (BGH 17. Juni 1992 - XII ZR 119/91 - unter II.1.a der Gründe mwN.). Die rechtsgrundlose Zahlung muss für diesen Vermögensvorteil ursächlich gewesen sein (BAG 23. Mai 2001 - 5 AZR 374/99 - unter II.1 der Gründe).

Die Beweislast für die rechtsvernichtende Einwendung des Wegfalls oder die Schmälerung der Bereicherung trägt der Bereicherungsschuldner, hier der Beklagte. Will der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Gehaltsbezüge geltend machen, nicht mehr bereichert zu sein, so muss er deshalb im Einzelnen die Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist (BAG 18. Januar 1995 - 5 AZR 817/93 - unter 2. der Gründe mwN.), er also weder Aufwendungen erspart hat, die er ohnehin gemacht hätte, noch Schulden getilgt und dadurch seinen Vermögensstand verbessert hat.

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, mit der Überzahlung Schulden getilgt zu haben, ist sein Vortrag unsubstantiiert. Außerdem wäre er im Fall einer Schuldentilgung nicht entreichert im Sinn des § 818 Abs. 3 BGB. Durch die Tilgung seiner Schulden hat er eine Befreiung von Verbindlichkeiten und damit einen weiterhin vorhandenen Vermögensvorteil erlangt. Dieser Vermögensvorteil steht einem Wegfall der Bereicherung grundsätzlich entgegen (vgl. BAG 23. Mai 2001 - 5 AZR 374/99 - unter II.1 der Gründe mwN.).

Dem Kläger kommt auch keine Beweiserleichterung zugute. Zwar können einem Schuldner mit unterem bzw. mittlerem Einkommen hinsichtlich seiner Entreicherung Beweiserleichterungen durch Anscheinsbeweis zugutekommen. Ein konkreter Nachweis, um solche Überzahlungen nicht mehr bereichert zu sein, ist danach entbehrlich. Diese Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast kommt für den Arbeitnehmer aber nur dann in Betracht, wenn erfahrungsgemäß und typischerweise anzunehmen ist, dass die Zuvielzahlung für den laufenden Lebensunterhalt, insbesondere für konsumtive Ausgaben verbraucht wurde. Eine solche Annahme setzt voraus, dass es sich um Überzahlungen in relativ geringer Höhe handelt. Je höher die Überzahlung im Verhältnis zum Realeinkommen ist, umso weniger lässt sich annehmen, die zusätzlichen Mittel seien für den Lebensunterhalt verbraucht worden. Außerdem muss die Lebenssituation des Arbeitnehmers, insbesondere seine wirtschaftliche Lage so sein, dass die Verwendung der Überzahlung für die laufende Lebensführung nahe liegt (BAG 23. Mai 2001 - 5 AZR 374/99 - unter II.1 der Gründe mwN.; 18. Januar 1995 - 5 AZR 817/93 - unter 2.b der Gründe).

Angesichts der vorliegenden Überzahlung von 30.000,00 €, die das Gehalt des Beklagten um ein Vielfaches übersteigt, ist daher kein Beweis des ersten Anscheins für den Wegfall der durch die Überzahlung eingetreten Bereicherung anzunehmen. Zahlungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können außerdem nicht mit unbemerkt bleibenden geringen Überzahlungen des laufenden Arbeitsentgelts, die typischerweise sofort für konsumtive Aufgaben verbraucht werden, gleichgesetzt werden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird der monatliche Lohn nicht mehr für den laufenden Lebensunterhalt eingeplant (BAG 11. August 1998 - 9 AZR 83/97 - unter I.2.b der Gründe mwN.).

III.

Es kann daher dahinstehen, ob der Beklagte angesichts der deutlichen Überzahlung einer verschärften Haftung gemäß §§ 818 Abs. 4, 819 BGB unterliegt.

IV.

Der Geltendmachung des Anspruchs durch die Klägerin steht auch nicht die Ausgleichsklausel in Ziffer 9 des Prozessvergleichs im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Trier, Az. 5 Ca 517/16, vom 19. Oktober 2016 entgegen.

Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen, die ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche erfassen sollen und auf diese Weise zu erkennen geben, dass die Parteien an die Möglichkeit des Bestehens ihnen nicht bewusster Ansprüche gedacht und auch sie in den gewollten Ausgleich einbezogen haben, sind regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss in Form eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses zu verstehen. Die Parteien wollen, wenn in einen gerichtlichen Vergleich eine umfassende, sich auf bekannte und unbekannte Ansprüche unabhängig von ihrem Rechtsgrund erstreckende Ausgleichsklausel aufgenommen und nicht nur der Rechtsstreit erledigt wird, in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend umfassend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie an sie dachten oder nicht. Jede andere Auslegung würde den angestrebten Vergleichsfrieden in Frage stellen. Der beurkundete Vergleichswille wäre wertlos, wenn über den beurkundeten Inhalt hinausgehende Ansprüche Quelle eines neuen Rechtsstreits sein könnten (BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 21 mwN.).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, bezieht sich die Ausgleichsklausel im Vergleich jedoch nur auf solche Ansprüche, die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden, wie aus der Formulierung „nicht mehr offen stehen“ deutlich wird. Nicht erfasst werden solche Ansprüche, die erst nach Vergleichsabschluss und Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen.

V.

Die Ausschlussfrist des § 13 Ziffer 1 S. 1 des Arbeitsvertrags von 3 Monaten nach Fälligkeit hat die Klägerin gewahrt.

Bei dem Rückforderungsanspruch hinsichtlich überzahlter Vergütung handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 1.Juni 1995 - 6 AZR 912/94 - unter I.1 der Gründe), der der vertraglichen Ausschlussfrist unterfällt. Dabei ist unerheblich, ob der Rückzahlungsanspruch aus einer Überzahlung während oder aus einer solchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses herrührt (BAG 2. März 1994 - 5 AZR 415/93 – unter II.1 der Gründe mwN.).

Dieser Rückforderungsanspruch der Klägerin entstand frühestens mit der fehlerhaften Überweisung der 30.000,00 € am 11. November 2016.

Dabei kommt es auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch nicht an (BAG 10. März 2005 - 6 AZR 217/04 - unter I.1.a der Gründe).

Bereits mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 hat die Klägerin aber dem Beklagten zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten ein Rückforderungsschreiben (Bl. 156 d. A.) übersandt, in dem sie den zurückzuzahlenden Betrag beziffert und den Beklagten bzw. seinen Vertreter in höflicher Form zur Rücküberweisung aufgefordert hat. Dieses Schreiben ist dem Beklagtenvertreter ausweislich seines Antwortschreibens vom 19. Dezember 2016 auch innerhalb der Ausschlussfrist zugegangen. Damit hat sie die Ausschlussfrist gewahrt.

VI.

Die Ausschlussfrist des § 13 Ziffer 2 S. 1 des Arbeitsvertrags, wonach im Fall des Ausscheidens alle Ansprüche, soweit ihre Geltendmachung nicht bereits nach vorerwähnten Ausschlussfristen ausgeschlossen ist, binnen 7 Tagen nach Zusendung oder Aushändigung der Arbeitspapiere geltend gemacht werden müssen, findet auf den vorliegenden Fall eines erst nach dem Ausscheiden entstandenen Anspruchs keine Anwendung.

Im Übrigen stünde dem Einwand des Ablaufs der Ausschlussfrist auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, § 242 BGB, entgegen.

Der Arbeitgeber kann dem Ablauf einer Ausschlussfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn der Arbeitnehmer ihn durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten oder es pflichtwidrig unterlassen hat, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19; 10. März 2005 - 6 AZR 217/04 - unter II.1 der Gründe m. w. N. für den Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist). Eine solche pflichtwidrige Unterlassung ist idR. anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer erkennt, dass seinem Arbeitgeber bei der Berechnung der Vergütung ein Irrtum unterlaufen ist, der zu einer erheblichen Überzahlung geführt hat, und er diese nicht anzeigt. Zwar ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, eine vom Arbeitgeber erstellte Vergütungsabrechnung zu überprüfen. Erhält er jedoch eine erhebliche Mehrzahlung, die er sich nicht erklären kann, hat er diese dem Arbeitgeber mitzuteilen und ihm Gelegenheit zur Prüfung und eventuellen Berichtigung zu geben. Das folgt aus seiner Pflicht, dem Arbeitgeber drohende Schäden anzuzeigen (BAG 10. März 2005 - 6 AZR 217/04 - unter II.1 der Gründe mwN.; 2. Juni 1995 - 6 AZR 912/94 - unter II.3 der Gründe).

Angesichts der Höhe der an ihn erfolgten Zahlung musste der Beklagte erkennen, dass eine Überzahlung vorliegt. Dem Beklagten standen aufgrund des Vergleichs zum einen die Abfindung in Höhe von 16.500,00 € brutto, zum anderen Nachzahlungsbeträge für die Zeit vom 21. April 2016 bis zum 31. Oktober 2016, mithin ausgehend von einer durchschnittlichen Vergütung von 4.200,00 € brutto überschlägig berechnet 26.600,00 € zu. Angesichts eines ungefähren Bruttogesamtbetrages von 43.100,00 € konnten dem Beklagten nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben sowie auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüchen - auch für diesen unschwer erkennbar - keine 50.198,48 € netto zustehen.

VI.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 9. März 2017 mit Schreiben vom 2. März 2017 erneut zur Rückzahlung der Überzahlung aufgefordert.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ArbGG. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.



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