Landesarbeitsgericht Hessen

Urteil vom - Az: 16 Sa 1357/11

Fristlose Kündigung wegen mehrfacher sexueller Belästigung; zum Erfordernis einer vorherigen Versetzung

Belästigt ein Arbeitnehmer mehrmals und in zunehmender Intensität verschiedene Mitarbeiter in sexueller Weise, so stellt dies einen an sich wichtigen Grund dar, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
Das mildere Mittel der Versetzung war im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Denn der als Lagerarbeiter und Fahrer beschäftigte Arbeitnehmer hatte zuvor auf zu verladendes Material uriniert. Auch dieses Verhalten wertete das Gericht als Grund für eine fristlose Kündigung und verneinte daher das Erfordernis den Arbeitnehmer als ständigen Fahrer einzusetzen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Limburg an der Lahn vom 4.7.2011 - 1 Ca 880/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt einen Großhandel für Eisen, Sanitär, Heizung, Werkzeuge und Bauelemente und beschäftigt an ihrem Standort in L etwa 100 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am xxx geborene, verheiratete Kläger ist seit 15. März 1994 bei der Beklagten als Lagerarbeiter und Fahrer zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.158,88 € beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19. November 2009 (Bl. 26, 27 der Akten) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat stimmte dieser Maßnahme unter dem 19. November 2009 (Bl. 28 der Akten) zu.

Mit Schreiben vom 20. November 2009 (Bl. 12 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 23. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe im Oktober 2009, wahrscheinlich am 14.10.2009, gegen 16:15 Uhr im Lager auf Kupferrohre im Wareneingang uriniert. Dies habe der Auszubildende N beobachtet und den Lagerleiter S hiervon in der 46. Kalenderwoche informiert. In der 43. oder 44. Kalenderwoche 2009 habe der Kläger die im ersten Lehrjahr befindliche Auszubildende H, die im Wareneingang in unmittelbarer Nähe des Klägers eingesetzt war, im Bereich des unteren Rückens angefasst, als sich diese an der Packtheke nach vorne beugte. Hiervon hätten die Geschäftsführerinnen der Beklagten durch das Betriebsratsmitglied P am 16. November 2009 Kenntnis erlangt. An einem Montag im September 2009 habe der Kläger die Auszubildende Z, die mit dem Auszubildenden A befreundet ist, gefragt ob sie von diesem am Wochenende schön gepoppt worden ist. Im Sommer habe die Auszubildende Z an einem Tag ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Hard-Rock-Cafe“ getragen. Der Kläger habe sie gefragt, ob sie harte Titten hätte.

Der Kläger hat dies bestritten. Ausweislich der Stempelkarte (Bl. 61 der Akten) habe er am 14. Oktober den Betrieb bereits um 16:04 Uhr verlassen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts, Bl. 95R bis 96R, Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeuginnen H, K und Z sowie der Zeugen B und P ein am 19. Juli 2010 ergangenes klageabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die außerordentliche Kündigung sei nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam. Die bewiesenen sexuellen Belästigungen machten der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da es jedermann bekannt sei, dass ein derartiges Verhalten in Wort und Tat das Persönlichkeitsrecht von Mitarbeiterinnen verletzt. Im Hinblick auf die Schwere des Fehlverhaltens falle auch die Interessenabwägung trotz der mehr als 15 jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seines Alters von 58 Jahren zu dessen Lasten aus. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt, da die Beklagte dem Betriebsrat die Vorwürfe im Einzelnen geschildert habe. Die Frage, in welcher Steuerklasse der Kläger ist, und ob er gelegentlich auch als LKW-Fahrer beschäftigt wurde, sei ersichtlich für die Beklagte bei ihrem Kündigungsentschluss unerheblich gewesen. Soweit der Kläger bezweifle, dass es eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung gegeben habe, berührten mögliche Fehler in der Willensbildung des Betriebsrats die Ordnungsmäßigkeit des Anhörungsverfahrens nicht.

Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. August 2011 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 21. September 2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 28. Oktober 2011 begründet.

Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Die Aussage der Zeugin H sei nicht glaubhaft. Es sei nicht glaubhaft, dass die Zeugin H, nachdem sie einerseits ausgesagt hat, sie sei geschockt gewesen, als sie eine Hand auf ihren unteren Rücken bemerkte, dann noch 5-10 s gewartet haben will und die Hand während dieser Zeit fortlaufend auf ihrem unteren Rücken verblieben ist. Auch sei es schwerlich möglich, dass die Zeugin H während sie sich bückte, den Kläger, der nach ihrer Aussage im Abstand von ca. 30 cm direkt hinter ihr stand, angeschaut haben will. Widersprüchlich sei auch die Aussage der Zeugin Z. Sie habe zunächst ausgesagt, dass sie Ende Oktober/Anfang November bei der Geschäftsleitung der Beklagten gewesen sei und diese über die angebliche Äußerung des Klägers informiert habe. Zu diesem Zeitpunkt, so die Aussage der Zeugin Z, sei die Zeugin H schon bei der Geschäftsleitung gewesen und habe diese über das angebliche Verhalten des Klägers ihr gegenüber unterrichtet. Bei ihrer Vernehmung am 4. Juli 2011 habe die Zeugin Z dann ausgesagt, dass es erst am 19. November 2009 gewesen ist, dass sie die Geschäftsleitung der Beklagten informiert habe. Weiterhin habe die Zeugin Z ausgesagt, dass der Kläger bei der angeblichen Äußerung 5-10 m von ihr entfernt und der Zeuge B neben ihr gestanden habe. Der Zeuge B wiederum habe ausgesagt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt ca. 2 m, vielleicht auch nur 1 m, von ihm entfernt stand, während die Zeugin Z neben ihm war. Widersprüchlich sei auch, dass die Zeugin Z ausgesagt hat, dass sich der Vorfall in der Lagerhalle ereignet habe, während der Zeuge B ausgesagt hat, dass er sich im Eingangsbereich abspielte. Unglaubhaft sei auch, dass die Zeugin Z angegeben habe, der Grund dafür, dass sie nicht sofort zur Geschäftsleitung gegangen sei, habe darin bestanden, dass sie nicht gewusst habe, wie diese auf eine derartige Beschwerde reagieren würde, wenn sie einen langjährigen Angestellten beträfe. Diesbezüglich sei zu beachten, dass der Zeuge B, der die Äußerung des Klägers gleichfalls gehört haben will, der Zeugin Z gegenüber geäußert habe, er stehe hierfür als Zeuge zur Verfügung. Gleichwohl sei die Zeugin Z zunächst nicht zur Geschäftsleitung gegangen. Dies sei erst nach der Beschwerde der Zeugin H erfolgt. Bemerkenswert sei auch ein Widerspruch zwischen den Aussagen der Zeugin Z und der des Zeugen P. Die Zeugin Z habe ausgesagt, dass sie zuerst mit der Geschäftsleitung am 19. 11. 2009 und erst später mit dem Betriebsrat gesprochen habe. Demgegenüber habe der Zeuge P ausgesagt, dass er bereits am 16. November 2009 mit den Zeuginnen Z und H gesprochen habe, nachdem er am 13.11.2009 erfahren habe, dass es Beschwerden von Mitarbeiterinnen gebe. Auf Nachfrage des Gerichts habe er ausdrücklich bestätigt, dass er sich an die von ihm genannten Daten genau erinnern könne. Aufgrund dieser Widersprüche seien die Aussagen der Zeuginnen H und Z nicht glaubhaft. Selbst wenn die Vorwürfe wahr wären, rechtfertigten sie eine außerordentliche Kündigung nicht. Die Interessenabwägung sei fehlerhaft. Der 15-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers seien drei Fälle sexueller Belästigung gegenüberzustellen, von denen zwei lediglich verbaler Art gewesen sein sollen und nur ein Fall einer Berührung. Das Ultima-Ratio-Prinzip hätte eine vorherige Abmahnung geboten. Diese sei hier nicht entbehrlich gewesen. In einem Lager herrsche ein derber Umgangston. Deshalb habe der Kläger nicht davon ausgehen können, dass die Zeuginnen sich durch seine Äußerung belästigt fühlten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen, wo er keinen Kontakt zu weiblichen Mitarbeitern, insbesondere Auszubildenden, habe, etwa ausschließlich als LKW-Fahrer, einsetzen könne.

 

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Limburg an der Lahn vom 4. Juli 2011 -1 Ca 880/09 -abzuändern,

das Versäumnisurteil vom 19. Juli 2010 -1 Ca 880/09 - aufzuheben,

1a. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. November 2009, zugegangen am 20. November 2009, nicht aufgelöst worden ist,

b. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. November 2009, zugegangen am 20. November 2009, nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt,

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen,

4. kommt die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung nach, sie zu verurteilen, an den Kläger eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung zu zahlen.

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für die Zeit vom 1. März 2010 bis 6. Juli 2010, abzüglich 3811,16 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 7. Juli 2010 zu zahlen,

6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für die Zeit vom 7.7.2010 bis 31.7.2010 abzüglich 659,40 € netto, zuzüglich fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.8.2010 zu zahlen,

7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für August 2010, abzüglich 763,03 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.9.2010 zu zahlen,

8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für September 2010, abzüglich 903,18 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.10.2010 zu zahlen,

9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Oktober 2010, abzüglich 787,13 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.11.2010 zu zahlen,

10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für November 2010, abzüglich 854,27 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.12.2010 zu zahlen,

11. die Beklagte zu verurteilen, wenn Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Dezember 2010, abzüglich 874,49 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.1.2011 zu zahlen,

12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Januar 2011, abzüglich 846,27 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.2.2011 zu zahlen,

13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Februar 2011, abzüglich 748,46 € netto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.3.2011 zu zahlen,

14. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für März 2011, abzüglich 825,12 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1.4.2011 zu zahlen,

15. die Beklagte zu verurteilen, an den Klägern monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für April 2011, abzüglich 758,76 Euro netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Mai 2011 zu zahlen,

16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Mai 2011, abzüglich 795,48 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Juni 2011 zu zahlen,

17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Juni 2011, abzüglich 1000,58 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Juli 2011 zu zahlen,

18. die Beklagte zu verurteilen, an den Klägern monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Juli 2011, abzüglich 889,39 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. August 2011 zu zahlen,

19. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für August 2011, abzüglich 1309,38 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. September 2011 zu zahlen,

20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für September 2011, abzüglich 878,25 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Oktober 2011 zu zahlen,

21. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Oktober 2011, abzüglich 813,08 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. November 2011 zu zahlen,

22. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für November 2011, abzüglich 938,53 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Dezember 2011 zu zahlen,

23. die Beklagte zu verurteilen, wenn Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Dezember 2011, abzüglich 996,43 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Januar 2012 zu zahlen,

24. die Beklagte zu verurteilen, an den Klägern monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für Januar 2012, abzüglich 1134,85 € netto, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 1. Februar 2012 zu zahlen,

25. die Beklagte zu verurteilen, an den Klägern monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 2158,88 € brutto für den laufenden Monat zu zahlen, erstmals ab Februar 2012.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Die Aussagen der Zeuginnen und Zeugen seien widerspruchsfrei und glaubhaft. Ein Widerspruch zwischen den Aussagen der Zeugin Z und des Zeugen B bestehe nicht. Der Wareneingang/Eingangsbereich befinde sich in der Lagerhalle. Ob die Zeugin Z und der Zeuge B 2 oder 5 m voneinander entfernt standen, sei unerheblich. Nicht jeder Mensch sei in der Lage eine Entfernung genau zu schätzen. Entscheidend sei, dass die Aussagen inhaltlich übereinstimmten. Die Diskrepanz hinsichtlich des Datums des Gesprächs zwischen den Zeugen P und der Zeugin Z sei insofern nachvollziehbar, da die Beweisaufnahme zwei Jahre nach dem Ereignis stattfand. Dieser Zeitablauf erkläre Ungenauigkeiten in der Wiedergabe zeitlicher Abläufe. Im Übrigen sei irrelevant, wann die Zeugin Z mit dem Zeugen P gesprochen hat. Entscheidend sei der Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Geschäftsleitung, was am 19. November 2009 -und damit innerhalb der Zweiwochenfrist- erfolgt sei. Es treffe nicht zu, dass im Lager der Beklagten ein lockerer Umgangston herrsche. Jedenfalls sei dort eine besondere sexuelle Komponente keinesfalls üblich. Das Fehlverhalten des Klägers sei derart erheblich, dass eine Abmahnung keine Abhilfe hätte schaffen können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die sexuelle Belästigung der weiblichen Auszubildenden durch den Kläger kein Einzelfall gewesen sei. Eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz müsse dem Kläger nicht angeboten werden. Im Übrigen rechtfertige auch das weitere Fehlverhalten des Klägers, das Urinieren in der Lagerhalle, auch wenn das ArbG Limburg diese Verfehlung nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen hat, diese.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. Februar 2012 (Bl. 174,175 der Akten), wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist statthaft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2a ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat in Ergebnis und Begründung zutreffend erkannt, dass das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen ist. Die fristlose Kündigung ist wirksam. Der Kläger kann weder die Erteilung eines Zeugnisses, noch seine Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens, noch die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung verlangen. Die Berufungskammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug.

1. Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Es ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht.

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt "an sich" eine außerordentliche Kündigung.

a) Eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist "an sich" als wichtiger Grund i.S. von § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität (Bundesarbeitsgericht 9. Juni 2011-2 AZR 323/10-NZA 2011, 1342, Rn. 16 m.w.N.). Eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigung, Entmündigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen. Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht. Für das Bewirken genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle. Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an. Nicht maßgeblich ist, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (Bundesarbeitsgericht 9. Juni 2011, a.a.O., Rn. 18,19).

b) Der Kläger hat im Betrieb der Beklagten wiederholt Auszubildende sexuell belästigt, § 3 Abs. 4 AGG. Dies hat das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Kläger hat Ende Oktober 2009 der Auszubildenden H für die Dauer von 5-10 s seine Hand auf ihren unteren Rücken gelegt. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts kann diese Berührung nicht zufällig gewesen sein. Hierin ist eine unerwünschte sexuelle Handlung zu sehen, die die Auszubildenden H in ihrer Würde verletzte. Es ist nicht ersichtlich, dass sie dem Kläger in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben hätte, gegenüber Berührungen durch ihn offen zu sein.

An einem Montag in der zweiten oder dritten Septemberwoche 2009 hat der Kläger die Auszubildende Z gefragt, ob sie es am Wochenende mit Herrn A schön getrieben hätte. Im Sommer davor hat er die Zeugin Z, als diese ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Hard Rockcafé" trug, gefragt, ob sie harte Titten hätte. Hierin ist jeweils eine verbale sexuelle Belästigung, die bezweckte die Auszubildende Z in ihrer Würde herabzusetzen, zu sehen. Die Unerwünschtheit seines Verhaltens war dem Kläger objektiv erkennbar. Zwischen ihm und der Auszubildenden bestand keine nähere Beziehung, aufgrund der er sich zu seiner Vorgehensweise berechtigt glauben durfte. So hat die Zeugin Z ausgesagt, dass sie den Kläger nicht weiter kennt und zu ihm sonst keinen Kontakt unterhält und im Betrieb über ihr Sexualverhalten nichts erzählt hat.

Die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts treffen nicht zu.

Es ist nicht unglaubhaft, wenn die Zeugin H ausgesagt hat, die Hand des Klägers habe etwa 5-10 s ihren unteren Rücken berührt, sie sei geschockt gewesen und habe dann geguckt. Menschen reagieren auf Grenzüberschreitungen unterschiedlich. Manche reagieren impulsiv, andere sind wie gelähmt. Die Zeugin H gehört ersichtlich zur zweiten Gruppe.

Entgegen dem Kläger ist die Aussage der Zeugin H auch nicht dahin zu verstehen, dass sie den Kläger während sie sich bückte anschaute. Dies hat sie nicht ausgesagt. Sie hat ausgesagt, dass sie Pakete bearbeitet hat und sich dabei bückte. Plötzlich bemerkte sie, dass eine Hand auf ihren unteren Rücken war. Sie sei geschockt gewesen und habe geguckt. Dann habe er die Hand wieder weggenommen. Danach kann es -auch wenn die Zeugin dies nicht ausdrücklich so gesagt hat- auch so gewesen sein, dass sie das „bücken“ abgebrochen, sich umgedreht und den Kläger angeschaut hat. Dies stellt einen einheitlichen Bewegungsvorgang dar, den die Zeugin ersichtlich mit den Worten "und habe geguckt" zusammengefasst hat.

Hinsichtlich der Aussage der Zeugin Z rügt der Kläger sie habe zunächst ausgesagt, dass sie Ende Oktober/Anfang November die Geschäftsleitung der Beklagten über die angebliche Äußerung des Klägers informiert habe. Bei ihrer Vernehmung vom 4. Juli 2011 habe sie dann ausgesagt, dass dies erst am 19. November 2009 gewesen sei. Dies trifft so nicht zu. Die Zeugin Z hat bereits in ihrer ersten Vernehmung am 14. Januar 2011 nachdem sie zunächst ausgesagt hat, sie sei Ende Oktober/Anfang November bei der Geschäftsleitung gewesen, auf den Vorhalt der Anlage B 3 (Bl. 24 der Akten) ausgesagt, dies könne auch am 19. November 2009 gewesen sein (Bl. 84 der Akten). Dass sich die Klägerin hinsichtlich des Datums des Gesprächs mit der Geschäftsleitung zunächst unsicher war, ist verständlich. Hierbei handelte es sich aus ihrer Sicht eher um einen Nebenaspekt, während das Verhalten des Klägers ihr gegenüber das Hauptgeschehen darstellt. Jedenfalls aufgrund ihrer Aussage vom 4. Juli 2011 kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Gespräch am 19. November 2009 stattgefunden hat (Bl. 90R der Akten). Soweit der Kläger einen Widerspruch darin sieht, ob die Zeugin Z und der Zeuge B 2 oder 5 m voneinander entfernt standen, trifft dies nicht zu. Insoweit weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass nicht jeder Mensch Entfernungen gut schätzen kann. Entscheidend ist, dass die Aussagen in Bezug auf das Kerngeschehen inhaltlich übereinstimmen. Hinsichtlich der Schilderung des Orts des Vorfalls liegt kein Widerspruch vor, auch wenn die Zeugin Z ausgesagt hat, dass sich der Vorfall in der Lagerhalle eignete, während der Zeuge B vom Eingangsbereich sprach. Tatsächlich geht es um den Eingangsbereich der Lagerhalle, so dass beide Aussagen richtig sind. Unglaubhaft ist die Zeugin auch nicht deshalb, weil sie nicht sofort zur Geschäftsleitung gegangen ist, obwohl sich der Zeuge B ihr ausdrücklich für eine Zeugenaussage zur Verfügung stellte. Aus Sicht der Berufungskammer ist es verständlich, wenn die Klägerin einen derartigen Schritt zunächst nicht machen wollte und sich erst meldete, als sie von dem Vorfall mit Frau H erfuhr.

Zutreffend weist der Klägervertreter darauf hin, dass insoweit eine Diskrepanz zwischen der Aussage der Zeugin Z und der des Zeugen P besteht, als Erstere bei ihrer Vernehmung am 4. Juli 2011 ausgesagt hat, sie habe am 19.11.2009 mit Frau C und erst hinterher mit dem Betriebsrat gesprochen (Bl. 90R der Akten). Demgegenüber hat der Zeuge P am 14. Januar 2011 ausgesagt, er habe am Freitag, dem 13.11.2009 im Lager einen Tumult registriert und die betroffenen Mitarbeiter angesprochen. Diese seien dann am darauf folgenden Montag zu ihm gekommen. Er habe mit Frau Z, Frau H und Herrn N geredet. Diese Diskrepanz betrifft zum einen nur einen unwesentlichen Nebenaspekt. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass die Zeugin Z bei ihrer Aussage vom 4. Juli 2011, wenn sie von einem Gespräch "mit dem Betriebsrat" sprach, den Betriebsrat als Gremium meinte und nicht das mit Herrn P stattgefundene Gespräch vom 16. November 2009.

Insgesamt steht nach Überzeugung der Berufungskammer aufgrund der zutreffenden Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts fest, dass sich die als Kündigungsgrund herangezogenen Vorfälle so wie von der Beklagten behauptet zugetragen haben.

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können -je nach Lage des Falls- Bedeutung gewinnen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG gehören, hat der Arbeitgeber im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu "unterbinden" hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d.h. eine Wiederholung ausschließen. Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörungen geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen (Bundesarbeitsgericht 9. Juni 2011-2 AZR 323/10-NZA 2011, 1342 Rn. 26ff). Eine Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßiggrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich -auch für den Arbeitnehmer erkennbar- ausgeschlossen ist (Bundesarbeitsgericht 9. Juni 2011-2 AZR 381/10-NZA 2011, 1027, Rn. 18; 10. Juni 2010-2 AZR 541/09-BAGE 134,349, Rn. 37).

b) Danach war hier -wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat- eine Abmahnung entbehrlich. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es nicht um ein einmaliges Fehlverhalten des Klägers geht, sondern dieser in drei voneinander unabhängigen Fällen zwei verschiedene weibliche Auszubildende zunächst verbal und dann durch eine Handlung sexuell belästigt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Intensität der sexuellen Belästigung zugenommen hat. Es kann dahinstehen, ob in Bezug auf die verbalen Belästigungen der Zeugin Z eine vorherige Abmahnung Erfolg versprechend gewesen wäre. Die Berufungskammer geht eher vom Gegenteil aus, da es sich auch insoweit nicht um einen Einzelfall handelte, sondern der Kläger die Auszubildende wiederholt verbal sexuell belästigte. Bei der Feststellung des Gewichts des Fehlverhaltens des Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass nach Aussage der Zeugin Z (Bl. 84 der Akten) in der Halle der Beklagten grundsätzlich ein normaler Umgangston herrscht. Sie hat nicht mitbekommen, dass es dort „besonders deftig“ (Zitat der Zeugin) zuging.

Jedenfalls die körperliche Berührung der Zeugin H stellt ein derart gravierendes Fehlverhalten dar, dessen Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich -auch für den Kläger erkennbar- ausgeschlossen ist. Nicht erst seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 ist bekannt, dass sexuelle Belästigungen unerwünschte Verhaltensweisen darstellen. Es ist allgemein bekannt, dass ein derartiges Verhalten völlig inakzeptabel ist. Dies musste auch dem Kläger klar sein.

Für die Beklagte gab es auch keinen anderen Weg, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Der Kläger beruft sich darauf, er könne als Fahrer weiterbeschäftigt werden. Ob dann sexuelle Belästigungen ausgeschlossen und insbesondere Auszubildende hinreichend geschützt wären, erscheint der Berufungskammer deshalb zweifelhaft, weil der Kläger auch bei einer reinen Fahrtätigkeit das Lager aufsuchen müsste, um dort zu laden. Dies kann jedoch dahinstehen. Entscheidend ist, dass es der Beklagten nach dem Ergebnis der vor dem Landesarbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme deshalb nicht zuzumuten ist, den Kläger als Fahrer zu beschäftigen, weil ihm -nachdem feststeht, dass er am 14. Oktober 2009 im Lager auf Kupferrohre uriniert hat- kein Fahrzeug mit der darauf befindlichen Warenladung anvertraut werden kann. Der Zeuge N hat ausgesagt, dass er gesehen hat, wie der Kläger am 14. Oktober 2009 gegen 16:00 Uhr auf Kupferrohre uriniert hat. Er habe ihn gefragt, was das soll. Da habe er nur gegrinst. Der Zeuge N ist glaubwürdig. Zwar ist er bei der Beklagten beschäftigt. Dies allein rechtfertigt es jedoch nicht, seine Aussage als von vornherein wertlos anzusehen. Die Aussage ist auch glaubhaft. Sie ist detailreich und in sich widerspruchsfrei. Insbesondere besteht kein Widerspruch dazu, dass der Kläger an dem betreffenden Tag unstreitig um 16:04 Uhr ausgestochen hat. Der Zeuge N hat nicht ausgesagt, dass sich der Vorfall um 16:15 Uhr zugetragen hat, sondern gegen 16:15 Uhr. Dies hat er insoweit noch eingegrenzt, dass der Vorfall zwischen 16:00 Uhr 16:15 Uhr war. Das Ereignis mag sich daher kurz vor 16:04 Uhr zugetragen haben. Das bewiesene Verhalten des Klägers zeigt, dass er mit dem (zum Verkauf bestimmten) Eigentum des Arbeitgebers abschätzig umgeht. Gerade in Bezug auf eine Tätigkeit als Fahrer, die außerhalb des Betriebsgeländes stattfindet und sich deshalb weitgehend einer Kontrolle des Arbeitgebers entzieht, ist erforderlich dass sich der Arbeitgeber jederzeit darauf verlassen kann, dass der Mitarbeiter sorgsam mit seinem Eigentum umgeht. Dies trifft auf den Kläger nicht zu.

Das urinieren auf (zum Verkauf bestimmte) Kupferrohre stellt zudem eine gravierende Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB dar, die an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Es kann dahinstehen, ob die Kupferrohre durch den Urin unbrauchbar werden. Ausreichend ist, dass die zum Verkauf bestimmte Ware hierdurch zumindest geruchsmäßig für Kunden und für Arbeitskollegen des Klägers, beispielsweise beim kommissionieren und beladen der Fahrzeuge, Ekel erregend ist. Auch insoweit war eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich, da es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Hinnahme durch den Arbeitgeber -auch für den Kläger erkennbar- ausgeschlossen war. Es kann davon ausgegangen werden, dass dem Kläger als erwachsenen Menschen bekannt war, dass man zum urinieren die Toilette aufsucht und nicht Ware besudelt.

Im Hinblick auf die Schwere des -wiederholten- Fehlverhaltens fallen das Lebensalter des Klägers, seine lange Betriebszugehörigkeit, insbesondere der langjährig ungestörte Verlauf des Arbeitsverhältnisses, sein Familienstand und die sich hieraus ergebende Unterhaltsverpflichtung nicht entscheidend ins Gewicht.

4. Das Arbeitsgericht hat schließlich in Ergebnis und Begründung zutreffend erkannt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört hat; dies gilt auch in Bezug auf den weiteren Kündigungsgrund des Urinierens auf die Kupferrohre. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug.

5. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 20. November 2009 zu diesem Termin endete, besteht kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, zumal dem Kläger ein Endzeugnis bereits erteilt wurde, § 109 GewO.

6. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens besteht nicht, da die fristlose Kündigung wirksam ist, § 611, § 242 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 Grundgesetz.

7. Aus demselben Grund stehen dem Kläger auch keine Annahmeverzugsansprüche gegen die Beklagte zu, § 615 BGB.

III.

Der Kläger hat gem. § 97 Absatz 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen