Landesarbeitsgericht Hessen
Beschluss vom - Az: 9 TaBV 196/10
Erforderlichkeit einer Klausurtagung der BR-Mitglieder wegen Personalfrage
Das LAG Hessen schließt sich in dieser Einzelfallentscheidung nicht der Auffassung der im Grundsatz richtigen Entscheidung der Vorinstanz (ArbG Offenbach) an, welches eine Kostenübernahme verneinte.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 14. Oktober 2010 - 2 BV 9/10 - teilweise abgeändert.
Die Beteiligte zu 2) wird verurteilt, an die Betriebsratsmitglieder
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
und die Betriebsratssekretärin/Teamassistentin L Übernachtungskosten, Tagungspauschale und Frühstückskosten gemäß der Hotelrechnung des Hotels M vom 25. März 2010 in Höhe von jeweils 172,70 EUR (in Worten: Hundertzweiundsiebzig und 70/100 Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. Mai 2010 zu zahlen; ferner an die Betriebsratsmitglieder
A
E
F und
J
Fahrtkostenerstattung in Höhe von jeweils 38,08 EUR (in Worten: Achtunddreißig und 08/100 Euro) und an das Betriebsratsmitglied C in Höhe von 18,00 EUR (in Worten: Achtzehn und 00/100 Euro) jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. Mai 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wegen der Zinsen zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für keine/n der Beteiligten zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beteiligten zu 2), den Teilnehmern einer dreitägigen Betriebsratssitzung (Klausurtagung) Hotel- und Fahrtkosten zu erstatten.
Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) für den Betrieb N gewählte Betriebsrat. Er besteht aus 11 Mitgliedern. Bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um ein Unternehmen der Metallindustrie. Im Mai 2009 gab der bisherige Vorsitzende des Beteiligten zu 1), Herr F bekannt, dass er aus persönlichen und beruflichen Gründen bei den Neuwahlen nicht mehr als Vorsitzender des Betriebsrats zur Verfügung stehe. Dies wurde gegenüber der Belegschaft im Rahmen der Betriebsversammlung im Herbst (10. Sept. 2009) und Winter 2009 (8. Dez. 2009) thematisiert und mit dieser besprochen. Von den übrigen Betriebsratsmitgliedern stand keines für das Amt des Betriebsratsvorsitzenden zur Verfügung. Einzelgespräche des vormaligen Vorsitzenden des Beteiligten zu 1) sowie des stellvertretenden Vorsitzenden mit den übrigen Betriebsratsmitgliedern führten zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Betriebsratswahl im Jahr 2010 formierte sich das neu gewählte Gremium, das sich zu diesem Zeitpunkt noch im Selbstfindungsprozess befand, da die personelle Besetzung des Amtes des Betriebsratsvorsitzenden weiterhin ungeklärt war. Das Gremium beschloss, vom 23. bis 25. März 2010 eine Klausurtagung durchzuführen, an der die Beteiligten zu 3) bis 13) und die Sekretärin des Betriebsrats / Teamassistentin teilnehmen sollten. Die Tagung sollte in O stattfinden. Hierüber informierte der Betriebsrat den Arbeitgeber mündlich. Mit E-Mail vom 18. März 2010 (Bl. 11 d. A.) teilte der Personalleiter Herr P Herrn F mit, der Arbeitgeber halte einen dreitätigen externen Workshop des Betriebsrats für überdimensioniert, es sei nicht in Ordnung, dass der Betriebsrat ohne explizite Zustimmung der Geschäftsleitung bereits vor dem 12. März 2010 alle organisatorischen Vorbereitungen für den Workshop wie die Buchung des Hotels (Kosten 2.304,00 €) und der Trainerin (2.940,00 €) durchgeführt habe. Herr P schlug dem Betriebsrat vor, die Veranstaltung stattdessen intern mit einer Trainerin durchzuführen. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin durch E-Mail vom 19. März 2010 mit, er bleibe bei seinem Beschluss. In einer weiteren E-Mail vom 22. März 2010 (Bl. 13 d. A.) an Herrn F stellte Herr P klar, dass die Arbeitgeberin die Kosten für die Trainerin, nicht jedoch für Übernachtung, Verpflegung, Reise, die durch externe Veranstaltung entstehen, übernehme. Am 19. März 2010 um 9.10 Uhr fand eine Sitzung des Gremiums des Beteiligten zu 1) statt, an der die Mitglieder G, F, K, J und Q teilnahmen. Das Gremium fasste den einstimmigen Beschluss, den Beschluss vom 21. Jan. 2010, eine auswärtige Klausurtagung des Betriebsrats in der Zeit vom 23. März 2010 bis 25. März 2010 durchzuführen, zu bestätigen. Der Betriebsrat führte die Klausurtagung wie beschlossen in O durch. Nach der Klausurtagung machten die Beteiligten zu 3) bis 13) sowie die Betriebsratsassistentin L auf den bei der Beteiligten zu 2) üblichen Reisekostenformularen (Bl. 14 ff. d. A.) die Hotelkosten in Höhe von 172,70 € pro Person geltend. Weiterhin machten die Betriebsratsmitglieder A, E, F und J Reisekosten in Höhe von jeweils 38,08 € (119 km x 0,32 €) und Frau C Reisekosten in Höhe von 18,00 € (60 km x 0,30 €) geltend. Nachdem die Beteiligte zu 2) die Übernahme der Kosten für das Hotel sowie Fahrtkosten abgelehnt hatte, fasste der Beteiligte zu 1) am 13. April 2010 den Beschluss, die Kosten für die Betriebsratsklausur gerichtlich geltend zu machen.
Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung gewesen, die Beteiligte zu 2) sei rechtlich verpflichtet, die Hotel- und Fahrtkosten für seine Mitglieder sowie für die Assistentin zu übernehmen. Die Verpflichtung zur Kostenfreistellung folge aus §§ 37, 40 BetrVG. Die Notwendigkeit der Schulungsmaßnahme ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber diese selbst nicht infrage stelle und die Kosten für die Trainerin / Moderatorin übernommen habe. Die Kosten seien erforderliche Kosten, da die Durchführung als Betriebsschulung nicht zumutbar gewesen sei. Der Vorschlag der Beteiligten zu 2), die Klausur im Betrieb durchzuführen, sei für den Beteiligten zu 1) nicht akzeptabel gewesen, da es um Personalentscheidungen des Betriebsrats gegangen sei, die nur mit entsprechender Distanz zum Arbeitsumfeld hätte entwickelt und erarbeitet werden können. Eine Klausurtagung in den Firmenräumlichkeiten des Arbeitgebers sei nicht akzeptabel gewesen, da eine störungsfreie Tagung nicht möglich gewesen sei. Zur Vermeidung von Störungen von außen sei es nach Auffassung des Gremiums gruppendynamisch erforderlich, den Prozess der Selbstfindung durch eine abgeschottete Tagung in externen Räumen durchzuführen. Die Räumlichkeiten im Betrieb seien für die Klausurtagung des Betriebsrats ungeeignet gewesen, da der Betriebsratsbesprechungsraum nicht schalldicht und einsehbar sei. Man könne in diesem Raum nur mit sehr gemäßigter Stimme sprechen. Es sei um sensible Themen gegangen und man könne im angrenzenden Flur jedes Wort verstehen, wenn in gesteigerter Lautstärke diskutiert werde. Für das emotionale Thema Zusammenarbeit des Betriebsrats und die daraus resultierenden personellen Entscheidungen sei dies eine denkbare schlechte Voraussetzung.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
1. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an die Betriebsratsmitglieder A, B, C, D, E, F, G, H, I, J und K und die Betriebsratssekretärin/Teamassistentin L Übernachtungskosten, Tagungspauschale und Frühstückskosten gemäß der Hotelrechnung des Hotel M vom 25. März 2010 in Höhe von jeweils 172,70 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2010 zu zahlen;
2. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an die Betriebsratsmitglieder A, E, F und J Fahrtkostenerstattung in Höhe von 38,08 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2010 zu zahlen;
3. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an das Betriebsratsmitglied C Fahrkostenerstattung in Höhe von 18,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2010 zu zahlen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) hat mit Nichtwissen bestritten, dass ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss vorliege, vom 23. März 2010 bis 25. März 2010 eine Klausurtagung durchzuführen, an der die in der Antragsschrift benannten Mitglieder des Beteiligten zu 1) sowie die Betriebsratsassistentin teilnehmen sollten. Dem Vortrag des Beteiligten zu 1) sei nicht zu entnehmen, weshalb die Klausurtagung zum Selbstfindungsprozess erforderlich gewesen sei mit der Folge, dass die Arbeitgeberin hierfür die Kosten zu tragen habe. Der Beteiligte zu 1) berufe sich auf § 37 BetrVG ohne konkret vorzutragen, welche Kenntnisse im Rahmen des Selbstfindungsprozesses vermittelt worden wären, die für die Betriebsratstätigkeit erforderlich seien. Unabhängig davon, dass der Selbstfindungsprozess keine erforderliche Schulung im Sinne von § 37 Abs.6 BetrVG darstelle, hätte dieser durchaus in den Firmenräumlichkeiten stattfinden können. Die Durchführung des Selbstfindungsprozesses in einem auswärtigen Hotel sei weder erforderlich noch verhältnismäßig.
Das Arbeitsgericht Offenbach hat die Anträge durch Beschluss vom 14. Okt. 2010 - 2 BV 9/10 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anträge seien statthaft. Der Betriebsrat sei befugt, im eigenen Namen Erstattungsansprüche von Betriebsratsmitgliedern im Beschlussverfahren geltend zu machen mit dem Ziel der Zahlung der betreffenden Geldschuld an diese Mitglieder, nicht an sich selbst. Die gestellten Anträge seien jedoch unbegründet. Bei der Klausurtagung handele es sich nicht um eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs.6 BetrVG. Gegenstand der Klausurtagung sei die Erarbeitung eines personellen und sachlichen Konzeptes der Betriebsratsarbeit der neuen Wahlperiode gewesen, insbesondere die Lösung der ungelösten Personalfrage des Vorsitzes und seiner Freistellung von der Arbeitsverpflichtung, die die Betriebsratsmitglieder ohne Vermittlung eines externen Moderators nicht lösen konnten. Die geltend gemachten Hotelkosten und Fahrtkosten seien zudem keine erforderlichen Kosten im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG gewesen, da es den Betriebratsmitgliedern möglich und zumutbar gewesen sei, die Klausurtagung in den Firmenräumlichkeiten durchzuführen. Die Tatsache, dass die Beteiligte zu 2) die Kosten für die Moderatorin in Höhe von 2.940,- € übernommen habe, lasse keine rechtlichen Schlüsse darauf zu, dass die Hotel- und Reisekosten notwendig gewesen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe verwiesen.
Gegen den ihm am 28. Okt. 2010 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 18. Nov. 2010 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 28. Jan. 2011 am 26. Jan. 2011 per Telefax begründet.
Der Betriebsrat hält die Klausurtagung weiterhin für erforderlich. Unstreitig habe bei ihm der Bedarf an „Coaching“ bestanden, da der langjährige Betriebsratsvorsitzende F bereits im Mai 2009 noch weit vor den Betriebsratswahlen bekannt gegeben habe, nicht mehr für das Amt des Betriebsratsvorsitzenden zur Verfügung zu stehen. Kein Betriebsratsmitglied habe sich für das Amt zur Verfügung stellen und die Freistellung annehmen wollen. Diese Situation sei trotz einer Vielzahl von Einzelgesprächen vor wie nach der Betriebsratswahl unverändert geblieben. Der Betriebsrat habe sich mit der Situation konfrontiert gesehen, dass er ohne Vorsitz und ohne Freistellung zu bleiben gedroht hätte. Vor diesem Hintergrund habe er in seiner Sitzung vom 21. Jan. 2010 beschlossen, eine Klausurtagung durchzuführen. Dieser Beschluss sei in der Sitzung vom 19. März 2010 wiederholt worden. Es seien von 11 Betriebsratsmitgliedern 6 Betriebsratsmitglieder anwesend gewesen, namentlich G, F, K, A, J und Q. Die Durchführung der Klausurtagung im Hotel M sei einstimmig beschlossen worden. Die Erforderlichkeit gem. §§ 37, 40 BetrVG ergebe sich daraus, dass das Gremium außer Stande gewesen sei, seine interne Aufgabenverteilung ohne Hilfe von außen zu regeln. Des Weiteren sei es dem Gremium nicht möglich gewesen, die Klausurtagung in den Firmenräumlichkeiten durchzuführen. Das Arbeitsgericht Offenbach habe sich nicht mit den vom Betriebsrat vorgebrachten Argumenten und Tatsachen auseinander gesetzt, sondern habe ohne Begründung festgestellt, dass die Firmenräume ausreichend seien. Es sei bei der Beteiligten zu 2) üblich, dass Workshops und ähnliche Fortbildungsveranstaltungen in Hotels stattfinden. Die Hotelkosten für die Betriebsräteversammlung seien übrigens in 2009 ebenso wie in den Vorjahren vom Unternehmen getragen worden.
Der Betriebsrat beantragt,
1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 14. Okt. 2010 - 2 BV 9/10 - abzuändern und
2. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an die Betriebsratsmitglieder A, B, C, D, E, F, G, H, I, J und K und die Betriebsratssekretärin/Teamassistentin L Übernachtungskosten, Tagungspauschale und Frühstückskosten gemäß der Hotelrechnung des Hotel M vom 25. März 2010 in Höhe von jeweils € 172,70 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2010 zu zahlen;
3. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an die Betriebsratsmitglieder A, E, F und J Fahrtkostenerstattung in Höhe von € 38,08 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2010 zu zahlen;
4. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an das Betriebsratsmitglied C Fahrtkostenerstattung in Höhe von € 18,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2010 zu zahlen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) trägt vor, der Betriebsrat meine offenbar, die Wahl seines Vorsitzenden komme einem Konklave gleich und übersehe dabei, dass weder seine Mitglieder Kardinäle seien noch der Vorsitzende eines Betriebsrats die Funktion des Papstes und des Bischofs von Rom sowie des Staatsoberhauptes des Vatikanstaats einzunehmen habe. Insofern verwundere es schon, dass der Betriebsrat sich zur Durchführung seines Konklaves mit der Unterbringung im Hotel zufrieden stelle und vom Arbeitgeber nicht verlange, ihm hierfür die Sixtinische Kapelle in Rom zur Verfügung zu stellen. Tatsache sei, dass die von der Arbeitgeberin beschäftigten Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung grundsätzlich in den Betriebsräumlichkeiten erbrächten. Sitzungen, Besprechungen und Ähnliches fänden grundsätzlich in den Betriebsräumlichkeiten statt. Dort würden Entscheidungen zu strategischen und zum Teil sehr kostenintensiven Themen erörtert und auch beschlossen. Die Betriebsräumlichkeiten seien hierfür bestens geeignet - seit Jahren fänden Meetings, Besprechungen und Ähnliches in den Geschäftsräumlichkeiten statt, so nicht nachvollziehbar sei, weshalb die „Selbstfindung“ des Betriebsrats zur Wahl seines Vorsitzenden in auswärtigen, abgeschotteten Räumlichkeiten über mehrere Tage hätte stattfinden müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19. Mai 2011 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.
Die erstinstanzlich verfahrenswidrig unterbliebene Beteiligung der Beteiligten zu 3) bis 13), die auf der Grundlage von §§ 37 Abs. 2, 40 Abs. 1 BetrVG als Gläubiger der Erstattungsansprüche unmittelbar in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position betroffen sind, war in der Beschwerdeinstanz nachzuholen.
Die Beschwerde hat mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsabzuges auch in der Sache Erfolg. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet. Der Betriebsrat hat zu den Beschlussfassungen schlüssig vorgetragen und Einladungen, Protokolle und Anwesenheitslisten vorgelegt (Bl. 62 ff. d. A.), ohne dass die Beteiligte zu 2) dem noch etwas entgegengesetzt hätte.
Die Beteiligte zu 2) ist verpflichtet, den Beteiligten zu 3) bis 13) und der Betriebsratssekretärin / Teamassistentin L die mit der Antragsschrift geltend gemachten Hotel- und Fahrtkosten zu erstatten. Die dreitägige Klausurtagung mit einer Trainerin / Moderatorin war im Sinne der §§ 37 Abs. 2, 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich. Die Situation im Gremium war festgefahren. Der bisherige Betriebsratsvorsitzende F war zur Übernahme des Amtes und der Freistellung nicht mehr bereit. Von den übrigen Betriebsratsmitgliedern stand trotz sich über Monate hinziehender Gespräche und zahlreicher Einzelgespräche ebenfalls keines für die Übernahme des Vorsitzes und der Freistellung zur Verfügung. In dieser Grenzsituation, in der infolge der drohenden Handlungsunfähigkeit des Gremiums dessen Bestand in Gefahr war, war kein anderer Ausweg ersichtlich, als solange Sitzungen abzuhalten, bis sich eines der Betriebsratsmitglieder zur Amtsübernahme bereit erklärte. In dieser Ausnahmesituation hat der Betriebsrat seinen Beurteilungsspielraum mit der Wahl einer Klausurtagung nicht überschritten. Immerhin hat auch der Personalleiter per E-Mail vom 18. März 2010 mitgeteilt, man stimme darin überein, dass sich ein neuer Betriebsrat zusammenfinden müsse. Er schlug dann vor, die Veranstaltung intern mit einer Trainerin durchzuführen. Mit E-Mail vom 22. März 2010 stellte er klar, dass die Arbeitgeberin die Kosten für die Trainerin übernehmen werde, nicht jedoch die Hotel- und Fahrtkosten. Die Inhaltsübersicht (Bl. 70 d. A.) macht deutlich, dass im Rahmen der Klausurtagung die Grundsätze der Zusammenarbeit des Gremiums für die bevorstehende Amtszeit festgelegt worden sind. Hierzu gehört im Übrigen auch die Zusammenarbeit mit der Betriebsratssekretärin / Teamassistentin.
Die Beteiligte zu 2) ist nicht berechtigt, die Freistellung von den Hotel- und Fahrtkosten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu verweigern. Der Betriebsrat hat bei der Beschlussfassung über die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu der Klausurtagung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung zu tragen. Der Tagungsort und die damit verbundenen Fahrtkosten müssen angemessen sein. Hier hat der Betriebsrat ein nahe gelegenes relativ preisgünstiges Hotel ausgewählt, um Reisekosten zu sparen. Der Betriebsrat hat seinen Beurteilungsspielraum insoweit nicht überschritten. Die Beteiligten zu 3) bis 13) waren nicht verpflichtet, die Klausurtagung in den Betriebsräumen durchzuführen. „Eine Klausurtagung oder -sitzung (v. lat.: claudere = abschließen, verschließen; PPP clausum) ist eine Tagung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bei einer Tagung in Klausur werden entweder gemeinsam oder in Gruppen, oft unter Anleitung eines Moderators, bestimmte Themenbereiche besprochen, die sich in der Regel auf das Arbeitsumfeld der Teilnehmer beziehen und zunächst nicht veröffentlicht werden sollen“ (nach Wikipedia). Klausurtagungen nach Betriebsratswahlen sind nichts Ungewöhnliches, wie nachfolgendes Beispiel (eines von vielen) aus dem Internet belegt (von der Wiedergabe des Veranstalters wird zur Vermeidung von Werbung in einem Gerichtsbeschluss abgesehen):
„Angebot einer Klausurtagung für das gesamte Betriebsratsgremium
Vom 1. März bis 31. Mai 2010 sind in vielen Betrieben Betriebsratsgremien neu- bzw. wiedergewählt worden. Die Gremien haben sich konstituiert, die Aufgaben und Funktionen untereinander verteilt. Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Jahre sind in Arbeitsplänen festgelegt. Jetzt kommt es unseres Erachtens darauf an, dass der Betriebsrat als Gruppe sich zu einem Team entwickelt.
Aus diesem Grunde schlagen wir Ihnen vor, mit dem gesamten Gremium eine 2-tägige Klausur durch zu führen. Wichtige Fragen / Punkte, die dort zu klären sind, wären beispielsweise:
- Betriebsratsarbeit + Belastung
- Vertrauen
- Verantwortung
- Integration neuer Mitglieder ins Gremium
- Bringschuld / Holschuld
- Präsentation gemeinsamer Beschlüsse in der Öffentlichkeit
Die Klausur wird mit unterschiedlichen Methoden gestaltet, die in der Teamentwicklung, ggf. Konfliktklärung sowie im systemischen Coaching angewandt werden.
Die Ergebnissicherung erfolgt durch Simultanprotokolle und verbindliche Tätigkeitskataloge, die jede/r Teilnehmer/in im Anschluss erhält. Der Preis für eine 2-tägige Veranstaltung beträgt 3.600,00 € (für eine 1-tägige Veranstaltung 1.800,00 €) - jeweils zzgl. 19% MWSt - jeweils mit zwei ReferentInnen in R und näherer Umgebung.
Der Preis beinhaltet die Vorbereitung, Durchführung, Ergebnissicherung und Dokumentation der Veranstaltung. Nicht enthalten sind die Raummiete und Verpflegung.“
Der Charakter einer Klausurtagung verträgt sich nicht mit der Durchführung in den Betriebsräumen, die naturgemäß von dem in der Umgebung herrschenden Arbeitsklima, Kollegenkontakten und nicht auszuschließenden Störungen nicht unberührt bleiben (vgl. auch Esser, Die Klausurtagung des Betriebsrats, Betriebsratspraxis, Internet):
„Eine positive Wirkung von Klausurtagungen besteht darin, dass alle störenden Einflüsse ausgeschaltet sind und sich die Teilnehmer voll konzentrieren können. Sie bietet daher die beste Gelegenheit, einige Grundsatzentscheidungen zu treffen und die Tätigkeit des Gremiums langfristig auszurichten. Die Wichtigkeit des Zwischenmenschlichen darf nicht unterschätzt werden. Wer für vier Jahre zusammen mit den anderen Mitgliedern des Gremiums die Belange der Belegschaft nach besten Möglichkeiten vertreten soll, ist auf ein konstruktives Miteinander angewiesen.“
Die Kosten selbst bewegen sich mit EUR 38,50 pro Übernachtung und einer Tagungspauschale in Höhe von EUR 85,70 eher am unteren Rand von Tagungskosten.
Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich als Verzugszinsen nach der Mahnung vom 26. April 2010 (Bl. 27, 28 d. A.).
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG.