Landesarbeitsgericht Hessen
Urteil vom - Az: 10 Sa 898/21
Entgeltfortzahlung: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht nicht aus
2. Um dieser abgestuften Darlegungslast gerecht zu werden, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich zu allen Krankheiten im Jahreszeitraum substantiiert vortragen. Er kann nicht eine "Vorauswahl" treffen und nur zu denjenigen Erkrankungen vortragen, die ihm als möglicherweise einschlägig erscheinen.
3. Diese prozessuale Obliegenheit berührt zwar das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers, sie ist aber nach der DSGVO und dem BDSG gerechtfertigt. In § 9Abs. 2 Buchst. f DSGVO wird die Verarbeitung von Gesundheitsdaten gestattet, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist. Die Erhebung von Gesundheitsdaten ist erforderlich, um im Rahmen eines gerichtlichen Prozesses zu materiell zutreffenden Ergebnissen zu kommen.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2021 - 14 Ca 9427/20 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger arbeitete bei der Beklagten seit dem 27. Januar 2012 in der Gepäckabfertigung. Der Stundenlohn betrug 12,56 Euro. Er war mit einer wechselnden Stundenzahl pro Tag zwischen 6,25 bis 7,75 Stunden eingeteilt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen, welches Bodendienstleistungen am Flughafen in A erbringt.
Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung bis einschließlich 13. August 2020. Der Kläger war in den Kalenderjahren 2019 und 2020 im erheblichem Umfang arbeitsunfähig erkrankt. In dem Zeitraum ab dem 24. August 2019 bis zum 30. Dezember 2019 war er an 68 Kalendertagen erkrankt. In dem Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 18. August 2020 war er an 42 Kalendertagen erkrankt. Hinsichtlich der genauen Aufstellung der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wird verwiesen auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 9. März 2021 (Bl. 26 f. der Akte).
Der Kläger macht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an den folgenden Tagen geltend, wobei er an diesen Arbeitstagen unstreitig arbeitsunfähig erkrankt war und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat:
18. August 2020
19. August 2020
22. August 2020
23. August 2020
24. August 2020
29. August 2020
31. August 2020
11. September 2020
22. September 2020
23. September 2020
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (jeweils Erstbescheinigungen) umfassten teilweise mehrere Tage, so die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18. August 2020, die auch den 19. August 2020 umfasste, sowie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. August 2020, die bis zum 24. August 2020 ging.
Die Beklagte hat sich an die Krankenkasse des Klägers gewandt. Die Krankenkasse B teilte unter dem 21. Mai 2021 mit, dass nach deren Unterlagen die Erkrankung vom 18. August 2020 bis 19. August 2020 in einem ursächlichen Zusammenhang mit vorhergehenden Erkrankungen gestanden habe, so dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung von 42 Tagen mit dem 20. September 2020 geendet habe (Bl. 50 der Akte). Wegen der weiteren Mitteilungen der B wird verweisen auf Bl. 51 - 55 der Akte.
Der Kläger hat gemeint, er habe Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in dem Zeitraum vom 18. August 2020 bis 23. September 2020 im Umfang von 71,2 Stunden, ergibt 894,27 Euro brutto. Für die Zeiten der krankheitsbedingten Abwesenheit habe er stets ärztliche Atteste vorgelegt. Krankengeld habe er nicht erhalten. Er habe für den streitgegenständlichen Zeitraum Erstbescheinigungen vorgelegt, daraus sei zu ersehen, dass Vorerkrankungen nicht vorgelegen hätten. Er hat gemeint, aus Datenschutzgründen sei er nicht verpflichtet, sämtliche Diagnosen offenzulegen. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers liege eine Aufstellung der Fehlzeiten der Krankenkasse datierend ab dem 1. Oktober 2018 vor. Diese könnte zwar dem Gericht vorgelegt werden, es müsse aber sichergestellt werden, dass die Bescheinigung nicht der Beklagten zugestellt werde. Der Kläger sei in der Vergangenheit wie folgt erkrankt gewesen:
ZeitraumKrankheit
DiagnoseschlüsselSonstiges
18. und 19.9.2020
Schlafstörung,Unwohlsein und Ermüdung, Probleme bei der Lebensbewältigung
G 47.9 und R 53 und Z 73
10.5.2019 - 14.5.2019 G 47.9
2.1. - 4.1.2020 G 47.9
zusätzlich depressive Episode (37 der Akte)23.2.2020 G 47.9
zusätzlich depressive Episode (37 der Akte)28.2.2020 G 47.9
20.7. - 22.7.2020 G 47.9
26.11. - 28.11.2019 R 53 28.2.2020
Z 73 und G 47.9
22.8. - 24.8.2020
Dysthymia (schwach ausgeprägte Depression)F 34.1 29.8.2020
Störung im Bereich Knochen/Sehne/Gelenkkapsel und "Tennisarm"
M 77.8 und M 77.1
18.10.2019 - 2.11.2019 M 77.1
8.11.2019 - 14.11.2019 M 77.1
6.1. - 10.1.2020 M 77.1
20.2. - 22.2.2020 M 77.1 31.8.2020
M 77.8 und 77.1 11.9.2020
Akute Infektion der oberen AtemwegeJ 06.9
22.9. - 23.9.2020
ErkältungsschnupfenJ 00
Auf vorangegangene grippale Effekte müsse nicht eingegangen werden, insoweit handele es sich nicht um dieselbe Krankheit im Sinne von der Nr. 1 bzw. Nr. 2 des § 3 Abs. 1 EFZG.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 894,27 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, sie sei ab dem 18. August 2020 nicht mehr verpflichtet, Entgeltfortzahlung zu leisten, da der Sechswochenzeitraum in diesem Kalenderjahr bereits überschritten worden sei. Sie hat bestritten, dass die Arbeitsunfähigkeiten ab diesem Zeitpunkt nicht mit den vorhergehenden Erkrankungen im Zusammenhang gestanden hätten und auch keine anrechenbaren Vorerkrankungen vorgelegen hätten. Im Wege der abgestuften Darlegungs- und Beweislast sei es Sache des Arbeitnehmers hierzu Stellung zu nehmen. Der Kläger habe im Kalenderjahr 2020 gerade mal an 20 Tagen tatsächlich gearbeitet, er habe auch in 2019 erhebliche Fehlzeiten aufgewiesen. Der Kläger habe nur teilweise einzelne Diagnosen mitgeteilt. Gerade grippale Infekte könnten auf einem chronischen Defizit der körpereigenen Abwehrkräfte beruhen und als einheitliches Grundleiden anzusehen sein. Nach dem 20. September 2020 habe der Kläger noch bis Ende des Jahres an lediglich drei Kalendertagen gearbeitet.
Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 9. Juni 2021 der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus § 3 EFZG. Entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien durch den Arbeitnehmer vorgelegt worden. Es könne nicht von einer Fortsetzungserkrankung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG ausgegangen werden. Eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2005 -5 AZR 389/04 - sei hier nicht anzunehmen. Der Arbeitnehmer müsse erst dann vortragen, dass keine Fortsetzungskrankheit vorlag, wenn der Arbeitgeber Umstände vorgetragen habe, dass der Sechswochenzeitraum vor der relevanten Fortsetzungserkrankung, hier die Erkrankung am 18. August 2020, bereits nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG "ausgeschöpft" worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl. 60 - 65 der Akte.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 23. Juni 2021 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 22. Juli 2021 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ist am 20. August 2021 beim Berufungsgericht eingegangen.
In der Berufungsbegründung rügt die Beklagte, dass das Arbeitsgericht nicht auf ihren Sachvortrag eingegangen sei, mit dem sie sich auch auf die Grundsätze des einheitlichen Verhinderungsfalles berufen habe. Sie behauptet, dass der Kläger an einem chronischen Defizit der körpereigenen Abwehrkräfte leide, was dazu führe, dass er immer wieder an Infektionen der oberen Atemwege bzw. an Erkältungsschnupfen leide. Dieses Krankheitsbild führe auch zu anderen körperlichen Beeinträchtigungen. Zum Beweis beziehe sie sich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Im Kalenderjahr 2020 habe der Kläger nur an 12 Arbeitstagen eine Arbeitsleistung erbracht. Es wäre deshalb erforderlich gewesen, dass der Kläger für alle vorgetragenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zwölf- bzw. Sechsmonatszeitraum die Diagnose vorlege um beurteilen zu können, ob die Arbeitsunfähigkeiten im Zusammenhang mit dem vorgetragenen Grundleiden stünden. Sie bestreite auch in der Berufungsinstanz die Behauptung des Klägers, dass hinsichtlich der vorgetragenen Ursachen der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in dem Streit befangenen Zeitraum August 2020 bis September 2020 keine weiteren einschlägigen Vorerkrankungen vorgelegen hätten, die den Zeitraum von 42 Kalendertagen überschreiten würden. Der Vortrag des Klägers sei nach wie vor bruchstückhaft und lückenhaft. Es genüge nicht, wenn der Kläger nur zu denjenigen Diagnosen vortrage, die seiner Ansicht nach in einem möglichen Zusammenhang stünden. Dies könne der Kläger als medizinischer Laie auch nicht beurteilen. Die Diagnosen einer depressiven Verstimmung, Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, Schlafstörung, Unwohlsein etc. seien als einheitliche Erkrankung zu bewerten.
Die Beklagte stellt den Antrag,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 9. Juni 2021 - 14 Ca 9427/20 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, seinem Zahlungsanspruch sei zutreffend stattgegeben worden. An den maßgeblichen Tagen ab dem 18. August 2020 sei er arbeitsunfähig erkrankt gewesen, dies sei jeweils ordnungsgemäß durch ein ärztliches Attest nachgewiesen worden. Er habe alle Diagnosen offengelegt, die innerhalb des Jahreszeitraums mit den streitbefangenen Tagen im ursächlichen Zusammenhang standen. Für eine Offenlegung aller Diagnosen bestünde keine Veranlassung, da sie für die Beurteilung der Rechtsfrage nicht von Interesse seien. Der Arbeitgeber habe keinen generellen Anspruch auf Kenntnis der Diagnosen des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber habe kein Recht darauf, sämtliche Diagnosen zu erfahren, dies sei mit dem besonders sensiblen Datenschutz von Gesundheitsdaten nicht zu vereinbaren. Innerhalb der Zwölfmonatsfrist sei dargelegt worden, dass für die einzelnen Tage wegen der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit und der im ursächlichen Zusammenhang damit stehenden Erkrankung die 42 Tage noch nicht "voll" seien. Die Krankenkasse prüfe gemäß § 3 EFZG regelmäßig den ursächlichen Zusammenhang und entscheide, wann Krankengeld zu zahlen sei. Ein einheitliches Krankheitsbild liege beim Kläger nicht vor. Es gebe eine Schlafstörung/ Unwohlsein/ Ermüdung, eine schwach ausgeprägte Depression, Tennisarm und Erkältungsinfekt. Daraus ließe sich ein chronisches Defizit der körpereigenen Abwehrkräfte nicht schließen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG zu. Im vorliegenden Fall galt im Hinblick auf die Zeiträume nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG eine abgestufte Darlegungslast, die der Kläger nicht erfüllt hat. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn er - nach einer eigenen Vorauswahl - nur zu denjenigen Erkrankungen vorträgt, die aus seiner Sicht als mögliche Fortsetzungserkrankungen in Betracht kommen. Die prozessuale Obliegenheit, Gesundheitsdaten zu offenbaren, steht im Einklang mit der DSGVO und dem BDSG, da sie der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen dient.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.).
II. Die Berufung ist auch begründet.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen. Ein neuer Anspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen entsteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht. Das Entgeltfortzahlungsgesetz beschränkt in diesem Fall den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht auf eine Gesamtdauer von sechs Wochen pro Jahr.
Ist dagegen dieselbe Krankheit Ursache für die erneute Arbeitsunfähigkeit, liegt eine Fortsetzungserkrankung vor (vgl. § 3Abs. 1 Satz 2 EFZG). In diesem Fall entsteht die Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht mit jeder einzelnen Erkrankung von neuem. Wiederholte Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit und damit eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn die Krankheit, auf der die frühere Arbeitsunfähigkeit beruhte, in der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent weiterbestanden hat, so dass die neue Erkrankung nur eine Fortsetzung der früheren Erkrankung darstellt (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 4 der Gründe, AP Nr. 25 zu § 3 EFZG).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG besteht bei Fortsetzungserkrankungen ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nur, wenn der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2).
Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend, weil sie keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung enthält. Der Arbeitnehmer muss deshalb darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 197/20 - Rn. 26, NZA 2021, 1041). Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung der Tatsachen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Dabei hat der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung sind allerdings vom Arbeitgeber zu tragen(vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 197/20 - Rn. 26, NZA 2021, 1041; BAG 11. Dezember 2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 20, NZA 2020, 446; BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 18, NZA 2016, 1076; BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, AP Nr. 25 zu § 3 EFZG).
Im Unterschied zu der Fortsetzungserkrankung betrifft der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht eine vom Arbeitgeber einzuwendende Ausnahme, sondern eine der Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Meldet sich der Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-Zeitraum des § 3Abs. 1 Satz 1 EFZG erneut mit einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank, bestreitet der Arbeitgeber mit der Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls, dass Arbeitsunfähigkeit in Folge der "neuen" Krankheit erst jetzt eingetreten sei (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 19, NZA 2016, 1076). Der Arbeitnehmer hat nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zu tragen (vgl. BAG 11. Dezember 2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 16, NZA 2020, 446). Das betrifft auch den Beginn und das Ende seiner Arbeitsunfähigkeit (vgl. BAG 11. Dezember 2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 16, NZA 2020, 446).
2. Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der Kläger seiner abgestuften Darlegungslast nicht (vollständig) nachgekommen ist.
a) Im Streit steht der Entgeltfortzahlungszeitraum vom 18. August bis 23. September 2020. Für diesen Zeitraum macht der Kläger 10 Tage Verdienstausfall geltend. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie nur bis zum 18. August 2020 verpflichtet sei, Entgeltfortzahlung zu leisten, weil sie für den Kläger - ausgehend von dem 1. Januar 2020 - bereits an 42 Tagen in diesem Kalenderjahr Entgeltfortzahlung gleistet habe. Die Beklagte hat sich dabei darauf berufen, dass sie aus den Gesichtspunkten einer Fortsetzungserkrankung und des Grundsatzes der "Einheit des Verhinderungsfalls" zu keiner weiteren Entgeltfortzahlung verpflichtet sei. Sie hat insbesondere gemeint, dass die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen der depressiven Verstimmung, Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, Schlafstörung, Unwohlsein etc. als einheitliche Erkrankung zu bewerten seien. Ferner hat sie gemeint, dass die Infektionskrankheiten auf dem gleichen Grundleiden einer besonderen Anfälligkeit für Infektionskrankheiten beruhten.
b) Nach den oben skizierten Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hatte der Kläger darzulegen, dass in dem Zeitraum nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG, also ein Jahr vor dem streitgegenständlichen Entgeltfortzahlungszeitraum, keine Erkrankung vorlag, die auf dem gleichen Grundleiden beruhte wie diejenigen Erkrankungen, die Gegenstand des Entgeltfortzahlungszeitraum sind. Diesen Anforderungen genügt sein Vortrag nicht.
aa) Der Kläger hat in dem Schriftsatz vom 30. April 2021 allerdings Angaben dazu gemacht, an welchen Erkrankungen er im streitgegenständlichen Zeitraum gelitten hat.
In dem Zeitraum vom 18. bis 24. August 2020 litt er an Schlafstörung, Unwohlsein und Ermüdung, Probleme bei der Lebensbewältigung sowie depressiver Verstimmung. In dem Zeitraum vom 29. bis 31. August 2020 litt er an einer Störung im Bereich Knochen/Sehne/Gelenkkapsel und "Tennisarm" (orthopädisches Leiden). In dem Zeitraum vom 11. September, 22. bis 23. September litt er nach seinen Angaben an Erkältungssymptomen.
bb) Der Kläger hat sich auch - wenn auch nicht vollständig - zu den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit geäußert, die zeitlich dem streitgegenständlichen Entgeltfortzahlungszeitraum vorausgingen, und deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht die Zeiten mit der jeweils gleichen Diagnose - G 47.9 bzw. F 34.1 und M 77.8 - betreffend die Komplexe Schlafstörung, Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, schwach ausgeprägte Depression und die orthopädischen Leiden (Enthesopathien) auch bei einer Addition jeweils nicht die 42 Tage-Grenze überschritten hätten.
Für diese Behauptungen sprechen auch die zur Akte gereichten Bescheinigungen der Krankenkasse B. Sie haben jeweils zugrunde gelegt, dass die Sechswochenzeiträume bzgl. einzelner Erkrankungen (erst) ab dem 20. September 2020 bzw. später endeten.
cc) Der Kläger hat damit jedoch nicht zu sämtlichen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Jahreszeitraum vorgetragen. Dies betrifft z.B. den Zeitraum vom 24. August 2019 bis 28. September 2019 (19 Tage). Es bleibt offen, wegen welcher Ursachen der Kläger an diesen Tagen erkrankt war. Damit ist dem Gericht eine Kontrolle nicht möglich, ob für den hier streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen nach § 3Abs. 1 Satz 1 EFZG gegeben oder nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG ausgeschlossen sind.
(1) Der Kläger vertritt im Prozess die Auffassung, dass er nicht gehalten sein könne, sämtliche Gesundheitsdaten offenzulegen. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob der Arbeitnehmer zu allen Diagnosen im Jahreszeitraum vortragen muss, wenn er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten will, auch wenn es sich um völlig unterschiedliche Krankheitsbilder handelt. Wenn er zuletzt einen Monat krank war wegen eines Beinbruchs, wäre er demnach gehalten, gegenüber dem Arbeitgeber auch zu offenbaren, dass er innerhalb eines Jahres im vorausgehenden Zeitraum krankgeschrieben war z.B. wegen einer Krebserkrankung. Der Kläger fürchtet, dass ihm Repressalien bis hin zu einer Kündigung im Arbeitsverhältnis drohen könnten, wenn er sämtliche Erkrankungen offenlegen müsste. Um ein solches Szenario zu verhindern, gebe es auch im Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 167 Abs. 2 SGB IX in aller Regel strikte Vorkehrungen, wie z.B. eine von der Personalakte getrennte bEM-Akte etc. (vgl. BAG 12. September 2006 - 9 AZR 271/06 - NZA 2007, 269; ErfK/Franzen 22. Aufl. § 26 BDSG Rn. 28). Zutreffend ist auch der Hinweis, dass Krankheiten und Diagnosen zu den besonders zu schützenden personenbezogenen Daten im Arbeitsverhältnis zählen (vgl. § 26 Abs. 3 BDSG sowie Art. 4 Nr. 15, 9 Abs. 1 DSGVO). Dem trägt auch § 69 Abs. 4 SGB X Rechnungen, indem dort vorgesehen ist, dass dem Arbeitgeber durch die Krankenkasse zwar mitgeteilt werden kann, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt, die Übermittlung von Diagnosedaten ist aber explizit ausgeschlossen. Das Recht des Arbeitnehmers, dass dem Arbeitgeber Gesundheitsdaten nicht bekannt werden, wird auch durch das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Anwendungsfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2Abs. 1 GG (vgl. BVerfG 19. April 2016 - 1 BvR 3309/13 - Rn. 32 ff., NZFam 2016, 400) geschützt. Verfassungsrechtliche Wertungen sind auch bei der Anwendung des Verfahrensrechts - also auch der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast - durch die Gerichte zu beachten. Dies spräche dafür, dass der Arbeitnehmer im Rahmen der ihm obliegenden abgestuften Darlegungslast nicht sämtliche Erkrankungen im maßgeblichen Jahreszeitraum offenzulegen hätte.
(2) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber gerechtfertigt. Die prozessuale Obliegenheit zum substantiierten Vortrag des Arbeitnehmers im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast in einem Prozess nach § 3 EFZG hält sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach dem BDSG und der DSGVO. Sie ist auch nicht unverhältnismäßig, da andere gleich geeignete Mittel zur Überprüfung, ob eine Fortsetzungserkrankung vorlag oder nicht, nicht ersichtlich sind.
(a) Die Verarbeitung von personenbezogenen Gesundheitsdaten ist nach der Grundregel in Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich untersagt. In § 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO wird die Verarbeitung jedoch gestattet, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist. Eine gerichtliche Entscheidung oder Verwaltungsentscheidung soll nicht dadurch verhindert werden können, dass unter Hinweis auf das Verbot von Art. 9 Abs. 1 DSGVO entscheidungserhebliche Daten lediglich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in das jeweilige Verfahren eingeführt werden können (EuArbR/Franzen 4. Aufl. Art. 9EU (VO) 2016/679 Rn. 13; Frenzel in Paal/Pauly DSGVO BDSG 3. Aufl. Art. 9 DSGVO Rn. 37). Entscheidungserhebliche Daten sollen auch dann in das Verfahren eingeführt werden können, wenn sie grundsätzlich dem Verbot des Art. 9 Abs. 1 DSGVO unterfallen (vgl. Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition Art. 9 DSGVO Rn. 81). Parteien müssen alles Relevante beibringen und Gerichte einen relevanten Vortrag aufgreifen dürfen, damit die Gerichtsentscheidung normativ "richtig" ist (vgl. Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition Art. 9 DSGVO Rn. 82). Dies dient auch der Sicherstellung des Justizgewährleistungsanspruchs (Art. 20 Abs. 2, 3 GG) (vgl. Weichert in Kühling/Buchner DSGVO BDSG 3. Aufl. Art. 9 DSGVO Rn. 83). Der Begriff "Rechtsansprüche" ist dabei weit auszulegen, unerheblich ist, ob der Verantwortliche Gläubiger oder Schuldner in dem Anspruchsverhältnis ist (vgl. Weichert in Kühling/Buchner DSGVO BDSG 3. Aufl. Art. 9 DSGVO Rn. 84).
(b) Daher ist es - nach wie vor - zutreffend, wenn z.B. im Kündigungsschutzprozess nach einer krankheitsbedingten Kündigung vom Arbeitnehmer ebenfalls ein weitreichender Sachvortrag abverlangt wird, um die negative Prognose zu entkräften. Auch insoweit kann ein Kläger gehalten sein, einzelne Krankheitsursachen vorzutragen. Entsprechendes würde z.B. bei einem Prozess über die Höhe eines Schmerzensgelds gelten, soweit für die Höhe die Gesundheitsbeeinträchtigungen von Belang sind (Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition Art. 9 DSGVO Rn. 83). Nach der Rspr. des BAG ist es nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG (entspricht Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO) i.V.m. Art. 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG a.F. gerechtfertigt, wenn im Rahmen des bEM Gesundheitsdaten erhoben werden (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 34 f., NZA 2012, 744). Im vorliegenden Fall geht es um die Durchsetzung eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG. Dieser ist so ausgestaltet, dass er nach § 3 Satz 2 EFZG bestimmten zeitlichen Binnenschranken unterliegt. Der Umstand, dass sich der Arbeitgeber als Anspruchsgegner auf die Ausnahme der Fortsetzungserkrankungen berufen muss, spielt keine Rolle. Um diese Frage durch das Gericht einer Überprüfung unterziehen zu können, ist es unabdingbar und erforderlich, dass der Arbeitnehmer sich substantiiert zu seinen Erkrankungen einlässt.
Die Rechtslage ist nach dem auf nationaler Ebene geltenden BDSG keine andere. Zwar regelt § 22 BDSG die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten - und damit auch der hier interessierenden Gesundheitsdaten -, doch kommt der Regelung keine abschließende Wirkung zu. Wo der nationale Gesetzgeber ein Regelungsbedürfnis nicht gesehen hat, ist auf die DSGVO unmittelbar zurückzugreifen. Damit ist insoweit auch Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO unmittelbar nach dem deutschen Recht anzuwenden (ErfK/Franzen 22. Aufl. § 22 BDSG Rn. 5; Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition § 22 BDSG Rn. 10).
(c) Hilfsweise ist auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO bzw. Art. 26Abs. 3 BDSG abzustellen.
In Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO hat der Verordnungsgeber einen Erlaubnistatbestand der Verarbeitung vorgesehen, damit der Verantwortliche oder die betroffene Person die ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausüben und seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann.
Art. 26 Abs. 3 BDSG lautet: Abweichend von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Auch hier besteht ein Erlaubnistatbestand, wenn und soweit es um die Ausübung von Rechten aus dem Arbeitsverhältnis geht. Zusätzlich muss eine Abwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergeben, dass die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht überwiegen.
(d) Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, insbesondere kann keine weniger einschneidende Maßnahme anerkannt werden, die gleich geeignet wäre, um die erforderliche Prüfung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG vornehmen zu können.
Es ist nicht angängig, wenn der Kläger anbietet, dass die vollständigen Krankheitsursachen im maßgeblichen Zeitraum "nur für das Gericht" angeboten werden. Der Grundsatz auf rechtliches Gehör ist nach Art. 103 Abs. 1 GG ein wesentliches Verfahrensgrundrecht der Prozessordnung. Damit würde es sich nicht vertragen, wenn wesentlicher Prozessstoff dem Gegner vorenthalten würde.
Es kann auch nicht sein, dass der Kläger eine "Vorabauswahl" treffen kann und nur diejenigen Diagnosen mitteilt, die seiner Ansicht nach in einem Zusammenhang mit den maßgeblichen Krankheiten stehen könnten. Die in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verwendeten Codierungen lassen keinen sicheren Schluss darauf zu, ob es sich um Fortsetzungserkrankungen handelt oder nicht. Vielmehr ist es so, dass auf den ersten Blick ganz unterschiedliche Diagnosen, z.B. eine depressive Verstimmung, mit anderen Erkrankungen, z.B. Schlafstörung, im Zusammenhang stehen kann, ohne dass eine gleichartige Codierung verwendet wird. Ein Rückenleiden kann im Zusammenhang stehen mit einem "Tennisarm", wenn auch beide getrennt voneinander betrachtet werden können. Der Arbeitnehmer als medizinischer Laie ist grundsätzlich nicht in der Lage, diesbezüglich eine stets zutreffende "Auswahl" zu treffen. Der Fünfte Senat hat in einer neueren Entscheidung ausgeführt: "Andererseits wird auch der Arbeitnehmer selbst oftmals nicht rechtssicher beurteilen können, ob die medizinischen und rechtlichen Voraussetzungen einer Fortsetzungserkrankung im entgeltfortzahlungsrechtlichen Sinne vorliegen. Eine Nachfrage beim Arbeitnehmer wird deshalb oftmals nicht zu einer verlässlichen Antwort führen" (BAG 31. März 2021 - 5 AZR 197/20 - Rn. 28, NZA 2021, 1041). Die vom Kläger zugrunde gelegte Rechtsauffassung, nur zu - aus seiner Sicht - "einschlägigen" bzw. in Betracht kommenden Vorerkrankungen vortragen zu müssen, stellt damit keine gleich geeignete Maßnahme dar.
Der Vortrag des Arbeitnehmers kann sich auch nicht bloß auf einen Verweis auf den Diagnoseschlüssel nach dem ICD-10 erstrecken, da es für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung keineswegs stets eines identischen Krankheitsbildes bedarf, sondern es ausreicht, wenn die Krankheitssymptome auf demselben Grundleiden beruhen (vgl. BeckOK ArbR/Ricken 62. Edition § 3 EFZG Rn. 73).
Aus diesem Grund ist es auch kein milderes Mittel, zunächst von einer Obliegenheit auszugehen, sich bei der Krankenkasse über das Bestehen einer Fortsetzungserkrankung zu erkundigen. Zunächst gilt, dass ein solcher Weg schon nicht bei allen Arbeitnehmern praktikabel wäre, sondern nur bei denjenigen, die der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen. Eine allgemeine Pflicht, bei der Krankenkasse nach § 69 Abs. 4 SGB X nachzufragen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 197/20 - Rn. 27, NZA 2021, 1041).
Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung des LAG Baden-Württemberg, wonach die Mitteilung der Krankenkasse, dass keine Fortsetzungserkrankung vorlag, zu einer verschärften Darlegungslast des Arbeitgebers führen könnte (vgl. LAG Baden-Württemberg 8. Juni 2016 - 4 Sa 70/15 - NZA-RR 2016, 513). Dagegen spricht, dass die Einschätzung der Krankenkasse möglicherweise auch nicht von einem Mediziner vorgenommen wird. Der Arbeitgeber hat keine Möglichkeit, die Auskunft zu überprüfen (vgl. BeckOK ArbR/Ricken 62. Edition § 3 Rn. 73). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde entwickelt in Kenntnis des Umstands, dass der Arbeitgeber bei der Krankenkasse bei gesetzlich Versicherten nach § 69 Abs. 4 SGB X nachfragen kann (vgl. auch BAG 11. Dezember 2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 20, NZA 2020, 446). Wäre die Ansicht des LAG Baden-Württemberg zutreffend, müssten die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze abgewandelt werden.
Ansonsten hätte es auch praktisch keinen Sinn, wenn nach der abgestuften Darlegungs- und Beweislast der Arbeitnehmer verpflichtet wäre, seinen Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Dies macht nur dann Sinn, wenn dem Arzt bei einer Vernehmung auch konkrete Zeiten vorgehalten werden können, die als relevante Vorerkrankungen für eine Fortsetzungserkrankung in Betracht kommen (wohl enger Schmitt in Schmitt EFZG 18. Auf § 3 Rn. 312).
Es bleibt daher nichts anderes übrig, als dass der Arbeitnehmer sämtliche Krankheiten mit Diagnose aufschlüsseln muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - er nicht von der vom BAG angedachten Lösung über die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, dass keine Fortsetzungserkrankungen vorliegen(vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, AP Nr. 25 zu § 3 EFZG), Gebrauch gemacht hat und der Arbeitgeber das Nichtvorliegen von Fortsetzungserkrankungen weiterhin bestreitet. Die Rechtsprechung zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast betrifft die materielle Anspruchsberechtigung, wenn der Arbeitgeber einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers unter Berufung auf eine Fortsetzungserkrankung in Zweifel zieht. Sie ist entwickelt worden, um der Unkenntnis des Arbeitgebers von den Krankheitsursachen bei der Verteilung der Darlegungslast zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung im Entgeltfortzahlungsprozess angemessen Rechnung zu tragen (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 197/20 - Rn. 27, NZA 2021, 1041). Die Grundsätze dienen damit ebenfalls gewichtige Interessen wie dem Grundsatz des fairen Verfahrens, der hier zugunsten des Arbeitgebers streitet.
Durchgreifende datenschutzrechtliche Bedenken bestehen bei einer Gesamtabwägung nicht. Ein substantiierter Sachvortrag des Arbeitnehmers ist vielmehr erforderlich, um der gesetzlichen Ausgangssituation in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG gerecht zu werden. Die Daten werden zu einem gesetzlich vorgesehenen Zweck erhoben. Es wäre sicherlich de lege ferenda denkbar, dass der Gesetzgeber insoweit eine für den Arbeitnehmerdatenschutz günstigere Lösung vorsieht. Solange der Gesetzgeber allerdings keinen Änderungsbedarf sieht, bleibt es indes bei der Anwendung der allgemeinen Regeln. Die Daten werden auch nur zu dem Zweck des Entgeltfortzahlungsprozesses erhoben, bei der sämtliche Beteiligten besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliegen. Die Gesundheitsdaten dürften auch nicht ohne weiteres zu sonstigen Zwecken vom Arbeitgeber verwendet werden. Insoweit besteht über Art. 24 Abs. 2 BDSG ebenfalls ein bestimmtes Schutzniveau, welches im Wesentlichen demjenigen in Art. 9 DSGVO entspricht.
3. Mit der vom Arbeitsgericht herangezogenen Begründung konnte dem Entgeltfortzahlungsanspruch nicht stattgegeben werden. Das Arbeitsgericht vertritt die Ansicht, dass eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast hier nicht anzunehmen sei, der Arbeitnehmer müsse erst dann vortragen, dass keine Fortsetzungskrankheit vorgelegen habe, wenn der Arbeitgeber Umstände vorgetragen hat, dass der Sechswochenzeitraum vor der relevanten Fortsetzungserkrankung, hier die Erkrankung am 18. August 2020, bereits nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG "ausgeschöpft" worden sei. Dies ist fehlerhaft, da der Arbeitgeber mangels ihm bekannter Umstände in aller Regel keinen Vortrag halten kann, dass wegen einer bestimmten Erkrankung der Sechswochenzeitraum ausgeschöpft worden ist. Gerade wegen der fehlenden Kenntnis des Arbeitgebers hat das BAG die abgestufte Darlegungs- und Beweislast entwickelt.
4. Es kann offenbleiben, ob der Sachvortrag des Klägers auch im Hinblick auf den vom Arbeitgeber herangezogenen Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls unzureichend ist. Insoweit spricht allerdings einiges dafür, dass eine allgemeine Rüge des Arbeitgebers unzureichend ist. Es bleibt nach dem Vortrag des Arbeitgebers offen, bei welchem konkreten Zeitraum er davon ausgeht, dass in Wirklichkeit überschneidende Erkrankungen vorgelegen haben.
III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.