Landesarbeitsgericht Hessen

Beschluss vom - Az: 4 TaBV 20/16

23 Schichtpläne - eine Einigungsstelle

(1.) Ein Antrag auf Bestellung einer Einigungsstelle (gem. § 76 Abs. 2 S. 2, S. 3 BetrVG) kann nur zurückgewiesen werden, sofern die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG). Dies setzt voraus, dass die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, dass ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das ist nicht der Fall, wenn in Rechtsprechung und Literatur Kontroversen über die für die Zuständigkeit der Einigungsstelle maßgeblichen Rechtsfragen bestehen.

(2.) Offensichtlich unzuständig kann eine Einigungsstelle sein, wenn sie für einen Regelungsgegenstand bestellt wird, der keine selbständige mitbestimmungspflichtige Angelegenheit ist, sondern noch nur ein Teil davon.

(3.) Ob es sich um eine (selbständige) "Angelegenheit" handelt, kann nach den Grundsätzen zur Zuständigkeitstrennung zwischen Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsrat entschieden werden. Danach kann für eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit jeweils nur ein betriebsverfassungsrechtliches Gremium zuständig sein.
Eine Zuständigkeitsaufspaltung ist hingegen nur möglich, wenn es sich um unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände und damit um selbstständige mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten handelt.

(4.) Bezweckt das Einigungsstellenverfahren die Erstellung von 23 Schichtplänen, wobei ein Wechsel der Arbeitnehmer bzw. die Neugestaltung der Pläne möglich sein soll, so handelt es sich dabei insgesamt um eine Angelegenheit. Denn anderenfalls entstünde die Gefahr, dass der Umfang und die Besetzung der verschiedenen Dienstpläne dauerhaft perpetuiert würden und neuen betrieblichen Gegebenheiten nicht mehr angepasst werden könnten. Diese Gefahr wird auch nicht durch die Möglichkeit der Abstimmung der Einigungsstellen untereinander beseitigt, da keine rechtliche Pflicht zur Abstimmung besteht.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2015 - 18 BV 756/15 - abgeändert:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Konzerns der A und betreibt Catering für Luftverkehrsgesellschaften. Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die Belegschaft des Betriebs der Arbeitgeberin am Flughafen B. Teil dieses Betriebes ist eine Transportabteilung, die aus 23 Unterabteilungen besteht. Davon entfallen 14 auf die von der Arbeitgeberin beschäftigten Hubwagenfahrer. Die Schichtpläne für die in diesen Abteilungen beschäftigten Arbeitnehmer legten die Beteiligten bisher einheitlich fest. Im Jahr 2015 stritten die Beteiligten über die Schichtpläne für die Transportabteilung. Sie bildeten zu diesem Thema eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz von Frau Dr. C. Am 08. September 2015 stellte die Einigungsstelle durch Mehrheitsbeschlüsse für die einzelnen Unterabteilungen 23 Schichtpläne auf. Diesen wurden Listen der von den jeweiligen Dienstplänen betroffenen Arbeitnehmer beigefügt. Jeder betroffene Arbeitnehmer wird lediglich auf einer dieser Listen geführt. Der Betriebsrat focht die Sprüche an und kündigte die Schichtpläne. In den 23 bei der erkennenden Kammer anhängigen Beschwerdeverfahren - 4 TaBV 20 - 42/16 - strebt er die Bildung von 23 Einigungsstellen zur Aufstellung neuer Schichtpläne an. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den 23 Bestellungsanträgen stattgegeben. Es hat im vorliegenden Verfahren den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht D zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Schichtplan Berufsgruppe "HWT ATZ", Ersatz für Plan: 4514" bestellt und die Zahl der Beisitzer auf drei pro Seite festgesetzt. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bestehe nach der Kündigung der bisherigen Dienstpläne ein Mitbestimmungsrecht. Es könne im Einigungsstellenbestellungsverfahren nicht geprüft werden, ob zwischen den 23 Dienstplänen ein untrennbarer Zusammenhang bestehe. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin hat gegen den am 21. Januar 2016 zugestellten Beschluss am 03. Februar 2016 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie ist der Auffassung, das Vorgehen des Betriebsrats verstoße gegen das Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, da es dazu diene, durch die künstliche Trennung der Verfahren die Gebühren zu maximieren. Der Gegenstand des Antrags des Betriebsrats sei unklar. Zudem hingen die 23 Dienstpläne untrennbar miteinander zusammen. Gegen die Person des Vorsitzenden bestünden auf Grund der wegen dessen in Stuttgart liegenden Dienstsitzes zur erwartenden Reisekosten Bedenken. Zudem sei ein Beisitzer pro Seite ausreichend.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf die Schriftsätze vom 04. Februar und 15. März 2016 Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 18 BV 756/15 - vom 18. Dezember 2015 abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat behauptet zur Begründung seines Zurückweisungsantrags, es bestehe kein untrennbarer Zusammenhang zwischen den 23 Dienstplänen. Es gebe keine Schnittmengen zwischen den einzelnen Arbeitnehmergruppen. Die einzelnen Pläne könnten nacheinander aufeinander aufgebaut werden, wie es auch die Einigungsstelle unter dem Vorsitz von Frau Dr. C getan habe. Der Betriebsrat wolle gewährleisten, dass für jeden Plan ausreichend Zeit in Anspruch genommen werde. Die Durchführung von 23 Einigungsstellenverfahren werde nicht teurer als die eines einheitlichen Verfahrens, da der Vorsitzende zugesagt habe, dass er seine Vergütung nach Tagessätzen abrechnen werde und anstrebe, möglichst viele Einigungsstellen pro Sitzungstag durchzuführen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 27. Februar sowie vom 21. und 22. März 2016 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

1. Der Bestellungsantrag des Betriebsrats ist allerdings zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin wird der Gegenstand der Einigungsstelle dadurch hinreichend deutlich, dass der Dienstplan, der durch die Einigungsstelle abgelöst werden soll, im Antrag bezeichnet wurde. Da dem abzulösenden Dienstplan eine Liste der Arbeitnehmer beigefügt ist, für die er gelten sollte, ist auch bestimmbar, welche Arbeitnehmer von der von der Einigungsstelle festzulegenden Neuregelung betroffen sein sollen.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Einigungsstelle ist nicht zu bestellen, weil sie offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

Nach dieser Norm kann ein Antrag auf Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 2 S. 2, S. 3 BetrVG nur zurückgewiesen werden, sofern die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dies setzt voraus, dass die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, dass ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das ist nicht der Fall, wenn in Rechtsprechung und Literatur Kontroversen über die für die Zuständigkeit der Einigungsstelle maßgeblichen Rechtsfragen bestehen. Das Bestellungsverfahren dient nicht der Klärung komplizierter Rechtsfragen. Dies obliegt gegebenenfalls vielmehr der Einigungsstelle selber und sodann den Arbeitsgerichten in einem Beschlussverfahren über die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Einigungsstelle. Diese ist nur dann nicht zu bestellen, wenn an ihrer Unzuständigkeit keine rechtlichen Zweifel möglich sind (ständige Rechtsprechung, etwa Hess. LAG 01. August 2006 - 4 TaBV 111/06 - NZA-RR 2007/199, zu II 2 a; 08. Mai 2007 - 4 TaBV 70/07 - NZA-RR 2007/637, zu II 2 a; 03. November 2009 - 4 TaBV 185/09 - NZA-RR 2010/359, zu II 1). Dies ist hier der Fall.

Bei der Gestaltung des verfahrensgegenständlichen Dienstplans handelt es sich nicht um eine nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtige selbstständige betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, sondern lediglich um einen unselbstständigen Teil einer solchen. Grundlage der Bestimmung des Begriffs der Angelegenheit ist die unternehmerische Planung, die einen Mitbestimmungstatbestand erfüllt und - gegebenenfalls auch unter Ausübung seines Initiativrechts durch den Betriebsrat - durchgesetzt werden soll. Eine solche Planung kann auch stufenweise umgesetzt werden. Dann verbleibt es bei einem einheitlich Mitbestimmungstatbestand, sofern den verschiedenen Durchführungsstufen eine einheitliche Entscheidung zugrunde liegt. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme vor ihrer abschließenden Durchführung erweitert wird. Anders ist die Rechtslage dagegen, wenn nach der Durchführung einer Maßnahme eine weitere, diese ergänzende Maßnahme durchgeführt werden soll. Dann handelt es sich um verschiedene mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten, deren Tatbestandsvoraussetzungen separat zu prüfen sind (vgl. zur Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten BAG 28. März 2006 - 1 ABR 5/05 - BAGE 117/296, zu B II 1 a).

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde die Bestimmung des Begriffs der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit am prägnantesten bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Einzel- und Gesamtbetriebsräten sowie zwischen Gesamt- und Konzernbetriebsräten gemäß §§ 50 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG herausgearbeitet. Danach gilt das Prinzip der Zuständigkeitstrennung. Nach diesem Grundsatz kann für eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit jeweils nur ein betriebsverfassungsrechtliches Gremium zuständig sein. Sofern ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat für eine Angelegenheit zuständig ist, hat er diese insgesamt mit dem Arbeitgeber zu regeln, auch wenn Detailfragen auf Betriebs- bzw. Unternehmensebene unterschiedlich ausgestaltet werden können. Eine Zuständigkeitsaufspaltung ist nur möglich, wenn es sich um unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände und damit um selbstständige mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten handelt (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120/146, zu B I 1 c bb (1)).

Ein die Zuständigkeit mehrerer betriebsverfassungsrechtlicher Gremien ausschließender Sachzusammenhang kann sich etwa aus der technischen Verknüpfung von elektrischen Geräten in mehreren betrieblichen Einheiten ergeben (BAG 14. November 2006 a. a. O., zu B I 1 c bb (2) (b) (bb); 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - AP BetrVG 1972 § 58 Nr. 5, zu B II 2 c). Entsprechendes gilt bei Betriebsänderungen für einen Sozialplan, sofern die Regelung des Ausgleichs oder der Milderung der sich aus der Betriebsänderung ergebenden Nachteile zwingend betriebsübergreifend gestaltet werden muss (BAG 03. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - BAGE 118/131, zu B III 1 a, b). Dies ist etwa der Fall, wenn die Betriebsänderung betriebsübergreifende Versetzungen zur Folge hat (BAG 23. Oktober 2002 - 7 ABR 55/01 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 26, zu II 2 b bb).

Ähnlich liegt der Fall hier. Es kann dahinstehen, ob bereits die Notwendigkeit der Koordinierung der einzelnen Schichtpläne miteinander auf Grund der Zusammenarbeit der ihnen unterliegenden Arbeitnehmer der Transportabteilung eine einheitliche Regelung erforderlich macht. Jedenfalls besteht die Notwendigkeit, die Möglichkeit eines Austauschs der Arbeitnehmer der unterschiedlichen Schichtpläne und eine Neuabgrenzung zwischen diesen zu gewährleisten. Anderenfalls entstünde die Gefahr, dass der Umfang und die Besetzung der verschiedenen Dienstpläne dauerhaft perpetuiert würden und neuen betrieblichen Gegebenheiten nicht mehr angepasst werden könnten. Dies ist unstreitig nicht das Konzept der Arbeitgeberin, die die Möglichkeit eines Wechsels der Arbeitnehmer und einer Neugestaltung aufrechterhalten will.

Demgegenüber greift der Einwand des Betriebsrats, dass die einzelnen Pläne auch dann aufeinander abgestimmt werden könnten, wenn sie durch separate Einigungsstellen aufgestellt werden, nicht durch. Dies mag zwar in der Sache zutreffen, sofern die Einigungsstellen entsprechend konstruktiv miteinander zusammenarbeiten. Dies ist jedoch nicht das maßgebliche rechtliche Abgrenzungskriterium. Das Prinzip der Zuständigkeitstrennung soll vielmehr bereits von vorneherein die bloße Gefahr wiederstreitender, miteinander unvereinbarer Regelungen verhindern. Besteht bei Vorliegen eines Sachzusammenhangs im Fall der Zuständigkeit verschiedener betriebsverfassungsrechtlicher Gremien eine derartige Gefahr, kann nach diesem Prinzip nur eine Zuständigkeit eines übergeordneten Gremiums bestehen.

Eine derartige Gefahr wäre hier im Fall der Bestellung mehrerer Einigungsstellen gegeben, da diese zwar die Möglichkeit hätten, miteinander koordinierte Schichtpläne aufzustellen, dazu rechtlich jedoch nicht verpflichtet sind. Aus diesem Grund bedarf es einer einheitlichen Verhandlung aller Pläne im Rahmen einer Einigungsstelle.

Hiergegen kann schließlich nicht eingewendet werden, dass auch die von Frau Dr. C geleitete Einigungsstelle separat über 23 Einzelpläne entschieden hat. Dies war deshalb möglich, weil in der Einigungsstelle aufeinander abgestimmte Entwürfe entwickelt worden waren. Hätten dagegen nicht abgestimmte Entwürfe zur Entscheidung bestanden, hätte über diese nur einheitlich entschieden werden können.



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