Arbeitsgericht Darmstadt

Urteil vom - Az: 5 Ca 468/07

Betriebsbedingte Änderungskündigung gegenüber Teamleiter

Einem Teamleiter gegenüber darf keine Änderungskündigung ausgesprochen werden, wenn dessen Führungsaufgaben nur zum Teil infolge der vom Arbeitgeber behaupteten unternehmerischen Entscheidung entfallen.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen infolge der Änderungskündigung der Beklagten vom 28.09.2007 sozial ungerechtfertigt ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten Änderungskündigung.

Der am 10. Juli 1955 geborene, unverheiratete Kläger ist seit dem 2. August 1971 bei der Beklagten als Teamleiter für die Warenannahme gegen einen durchschnittlichen Quartalsbruttobezug von zuletzt ca. 12.500,00 EUR beschäftigt.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.

Das Arbeitsverhältnis wurde seitens der Beklagten mit Änderungskündigungsschreiben vom 28. September 2007 (Blatt 3, 4 d.A.) zum 30.04.2008 gekündigt, wobei dem Kläger gleichzeitig ein neues Arbeitsverhältnis zum 1. Mai 2008 angeboten wurde. Dabei teilte die Beklagte dem Kläger folgende Änderung der Arbeitsvertragsinhalte mit:

"Sie werden ab obigem Zeitpunkt als Teamleiter Warenannahme in die Gehaltsgruppe G III A n. d. 4. Tj. des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel Hessen eingruppiert. Demnach setzt sich ihr Brutto-Monatsgehalt bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 37,5 wie folgt zusammen:

Tarifgehalt:

€ 2.342,00 brutto

zzgl. Mehrarbeitspauschale:

€ 306,78 brutto

Gesamtgehalt:

€ 2.648,78 brutto

Alle übrigen Regelungen Ihres Arbeitsvertrages vom 01.09.1990 bleiben unberührt.

Der Betriebsrat wurde diesbezüglich angehört.

Die Versetzung löst Ansprüche aus dem Sozialplan vom 13.09.2006 aus.

Gemäß § 4, Punkt 4 erhalten Sie eine monatliche Differenzzulage für die Dauer von 48 Monaten in Höhe von € 1.200,00 brutto. Diese Zulage ist auf künftige Tariferhöhungen anzurechnen.

Alternativ besteht auch die Möglichkeit, die monatliche Differenzzahlung als Einmalzahlung zu erhalten. Diese würde € 57.600,00 brutto betragen.

Hierzu bedarf es jedoch Ihrer vorbehaltslosen Einverständniserklärung, das Arbeitsverhältnis zu den o.g. neuen Bedingungen fortzusetzen. Die Einmalzahlung wird dann mit der Gehaltsabrechnung im Mai 2008 fällig. ..."

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2007 (Blatt 5 d.A.) rügte der Kläger die Vollmachtlosigkeit gem. § 174 BGB und wies die Änderungskündigung aus diesem Grund und wegen Vollmachtlosigkeit und allen sonstigen Gründen zurück. Ferner wurde das Angebot der Beklagten unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder unwirksam ist.

Gegen die Änderungskündigung hat sich der Kläger mit Änderungsschutzklage vom 4. August 2007 gewandt, die beim Arbeitsgericht Darmstadt am 5. Oktober 2007 eingegangen ist und der Beklagten unter dem 19. Oktober 2007 zugestellt worden ist.

Der Kläger hält die Änderungskündigung für nicht sozial gerechtfertigt und unwirksam. Auch sei eine Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Ferner bestreitet er, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Änderungskündigung ordnungsgemäß angehört worden sein.

Der Kläger beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 28.09.2007 weder aufgelöst noch geändert wurde und die Änderung der Arbeitsbedingungen in der Kündigung vom 28.09.2007 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, die Eingruppierung des Klägers sei gemäß der Gehaltsgruppe G IV, 4. Tätigkeitsjahr des Gehaltstarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel in Hessen erfolgt, wonach ein Tarifentgelt in Höhe von 3.477,00 EUR sowie eine Überstundenpauschale in Höhe von 306,78 EUR gezahlt worden sei, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Die Beklagte habe nach Vorliegen der Ergebnisse des Geschäftsjahres 2005 wegen der schlechten wirtschaftlichen Geschäftslage sowie der im Jahr 2006 negativen Geschäftsentwicklung beschlossen, unternehmensweit Maßnahmen einzuleiten, die ihren Bestand sichern sollten.

Zur Umsetzung dieser Maßnahmen habe sie am 13. September 2006 mit ihrem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan und Interessenausgleich vereinbart, der unter anderem gemäß § 3 Ziffer 2 die Anpassung von Eingruppierungen an die tarifvertragliche Rechtslage vorsehe, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Insoweit bezieht sich die Beklagte auf einen Beschluss des LAG Hessen vom 23. Januar 2001 im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens, wonach eine Teamleiterin bei der Beklagten in die Gehaltsgruppe III (2.342,00 EUR brutto Tarifgehalt) einzugruppieren sei (Blatt 34 bis 47 d.A.).

Die Beklagte habe dem Kläger das vorerwähnte Tarifgehalt zuzüglich Mehrarbeitspauschale auch im Hinblick darauf angeboten, dass sie die Zuständigkeiten im ... Warenhaus geändert habe. Das ... Warenhaus in ... gehöre zu der Kategorie "Modell groß", was zwischen den Parteien unstreitig ist. Der Kläger sei deshalb als Teamleiter Warenannahme der dortigen Abteilungsleiterin für Organisation/Warenwirtschaft zugeordnet und dieser direkt unterstellt. Die genannte Abteilungsleiterin trage die Gesamtverantwortung für die Bereiche Kasse, Warenwirtschaft, Warenannahme und Verwaltung. Der Kläger habe nicht mehr die Gesamtverantwortung für die Warenannahme zu tragen.

Der Umorganisation zugrunde liege die unternehmerische Entscheidung, dass aufgrund des sukzessiven Wegfalls der Feinkontrolle und der sukzessiven Einführung des elektronischen Lieferscheins wesentliche Aufgaben der Sachbearbeiter und Lagerarbeiter in erheblichem Umfang entfielen. Damit entfielen auch entsprechende Führungsaufgaben für einen eigenständigen Führungsverantwortlichen im Bereich Warenannahme, d.h. für den Kläger. Es werde lediglich noch die Anzahl der Paletten bzw. Pakete kontrolliert, eine Inhaltskontrolle werde nicht durchgeführt. Darüber hinaus würden mittlerweile über 60 % des Warenvolumens über das Lager der Beklagten angeliefert. Auch in diesen Fällen werde nur eine Kontrolle der Palettenanzahl vorgenommen. Bei ca. 200 Lieferanten würden die Lieferscheine elektronisch ins System eingestellt, so dass ein Abgleich von den Mitarbeitern des Wareneingangsbereichs gänzlich entfiele. Die Tätigkeit des Klägers, die tarifgerecht gemäß Gruppe III einzugruppieren sei, gestalte sich demgemäß wie folgt:

- Fachliche Führung gegenüber unterstellten Mitarbeitern,

- fachliche Weisungsbefugnis gegenüber unterstellten Mitarbeitern,

- Einweisung unterstellter Mitarbeiter,

- Durchführung von Mitarbeiterbesprechungen,

- Planung und Steuerung des Mitarbeitereinsatzes,

- Sicherstellung der gesetzlichen Bestimmungen und der internen einschlägigen Ablaufbeschreibungen,

- Optimierung der Arbeitsabläufe,

- Sicherstellung von Ordnung und Sauberkeit im Lagerinnen- und Außenbereich,

- Sicherstellung der ordnungsgemäßen Warenvereinnahmung (u.a. Ablage und Aufbereitung der RP-Unterlagen, Warenumlagerung, Wareneinlagerung, MGL-Lieferung, elektronischer Datenaustausch, Abwicklung von Retouren, Differenzmeldungen und Erfassung von Warengut- bzw. Lastschriften).

Die angegriffene Änderungskündigung erziele die Kongruenz zwischen tatsächlich ausgeübter Tätigkeit und tarifgerechter Eingruppierung.

Darüber hinaus legt die Beklagte hinsichtlich der Anhörung des Betriebsrates Anhörungsbogen vom 21. September 2007 nebst Anlagen (Blatt 16 bis 20 d.A.) sowie das Antwortschreiben des Betriebsrates vom 25. September 2007 (Blatt 21 d.A.) vor.

Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere auch nicht an unterbliebener Vorlage der Vollmachtsurkunde. Die Unterschrift des Geschäftsleiters sei den Mitarbeiterin durch Aushang am Informationsbrett sowie auch schriftlich zur Kenntnis gebracht. Die Bevollmächtigung stamme von dem für den Bereich Personal zuständigen Geschäftsführer ..., neben der mit ppa. ausgestatteter Bereichsleitung Personal und Soziales, Frau

Der Kläger erwidert u.a., laut Gesamtbetriebsvereinbarung Interessenausgleich Restrukturierung Projekt" ... "(Blatt 51 bis 56 d.A.) komme die Teamleiterfunktion nur in kleineren und kleineren und mittleren Häusern zum Wegfall, nicht aber in großen Märkten.

Darüber hinaus habe sich an den Aufgaben- und Verantwortungsbereichen des Klägers im Übrigen nichts geändert. Es möge zutreffend sein, dass insgesamt die Personalstärke im Wareneingang verringert werden könne, die Führungsaufgaben als solche blieben aber die gleichen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, da die mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 3. Februar 2006 angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial gerechtfertigt ist, §§ 2 Satz 1, 1 Abs. 2 KSchG.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, sie habe die arbeitsvertragliche Lage nur der tariflichen Lage, namentlich der tatsächlichen Rechtslage nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel - und Versandhandel Hessen, angepasst, reicht dies allein nicht für die Wirksamkeit der mit der Änderungskündigung verbundenen Herabgruppierung aus.

Der Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses erfasst den vertraglich vereinbarten Lohn, auch wenn er übertariflich ist. Zur Rückgruppierung auf den tariflichen Lohn müssen daher Gründe im Sinne des § 1 KSchG vorliegen (KR-Etzel, 8. Aufl., § 2 KSchG Rn. 108).

Dementsprechend ist eine, wie hier ausgesprochene, betriebsbedingte Änderungskündigung statthaft, wenn das Änderungsangebot durch dringende betriebliche Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 KSchG), die ein entsprechendes unternehmerisches Konzept voraussetzen, bedingt ist und der Arbeitgeber ein Änderungsangebot unterbreitet hat, das der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Die ein Änderungsangebot bedingende unternehmerische Entscheidung ist auch bei Ausspruch einer Änderungskündigung vom Gericht nur auf offensichtliche Ungeeignetheit, Unsachlichkeit oder Willkür überprüfbar (etwa BAG, Urteil vom 12. November 1998, AP Nr. 51 zu § 2 KSchG 1969). Soweit dadurch das Bedürfnis entfällt, einen Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen oder im bisherigen Umfang weiterzubeschäftigen, kann und muss diesem ein anderweitiger Arbeitsplatz oder eine reduzierte Beschäftigungsmöglichkeit angeboten werden, wenn keine anderweitige, den Arbeitnehmer weniger beeinträchtigende Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung besteht (BAG, Urteil vom 21. Juli 1995, AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969).

Hier kann sich die Beklagte allerdings nicht auf betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG berufen. Diese können sich aus innerbetrieblichen Umständen oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben. Sie müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAG, Urteil vom 17. Juni 1990, EZA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 102).

Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen der technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken (BAG, Urteil vom 24. Oktober 1979, EZA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 13). Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine betriebliche Maßnahme oder durch einen externen Anlass das Bedürfnis einer Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt. Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt.

Aus dem Vortrag der Beklagten ist jedoch nicht ersichtlich, dass der bisherige Arbeitsplatz des Klägers als Teamleiter für die Warenannahme weggefallen ist, da nach ihren eigenen Ausführungen weiterhin eine Leitungsfunktion gegenüber den Mitarbeitern der Warenannahme bestehen bleibt. Insoweit reicht es nicht aus, wenn diese Führungsaufgaben nur zum Teil infolge der behaupteten unternehmerischen Entscheidung entfallen. Aus dem Vortrag der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, wie sich der von ihr behauptete sukzessive Wegfall der Feinkontrolle und die sukzessive Einführung des elektronischen Lieferscheins, die wesentliche Aufgaben der Sachbearbeiter und Lagerarbeiter in erheblichem Umfang entfallen lassen haben sollen, auf das Beschäftigungsvolumen des Klägers auswirken.

Die von der Beklagten im Rahmen der Änderungskündigung offenbar beabsichtigte Senkung der Lohnkosten kann daher nur erfolgen, wenn die Unrentabilität bei unveränderten Lohnkosten zur Stilllegung des Betriebes oder eines Betriebsteils führen müsste (BAG vom 12. Januar 2006, EZA § 2 KSchG Nr. 56). Aufgrund eines Sanierungskonzepts, das die Unternehmerentscheidung darstellt, muss nachvollziehbar sein, dass die angestrebten Einsparungen unumgänglich sind (BAG vom 23. Juni 2005, AP Nr. 81 zu § 2 KSchG 1969). Derartiges wird von der Beklagten indessen nicht dargelegt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V. m. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen, da sie voll unterliegt.

Der Wert des im Urteil gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO festzusetzenden Streitgegenstandes entspricht dem Bruttoquartalsbezug des Klägers, der die Obergrenze der 36-fachen monatlichen Differenzvergütung zwischen dem bisherigen Bruttomonatsgehalt und dem mit der Änderungskündigung beabsichtigten Bruttomonatsgehalt darstellt.



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