Bundesarbeitsgericht

Urteil vom - Az: 1 AZR 1083/12

Diskriminierung: Männer müssen Mützen tragen

1. Arbeitgeber und Betriebsrat haben bei Regelungen über die Dienstkleidung in einer Betriebsvereinbarung den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.
(Leitsatz)

Der Kläger ist bei der Beklagten als Pilot angestellt. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung ist er als männlicher Flugzeugführer dazu verpflichtet eine Cockpit-Mütze zu tragen während Pilotinnen hierüber frei entscheiden können.

(2.) Wird in einer Betriebsvereinbarung bezüglich der Dienstkleidungsvorschriften eine Gruppenbildung zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern vorgenommen und ist diese Differenzierung sachlich nicht gerechtfertigt, verstößt dies gegen das Gleichbehandlungsgebot.

(3.) Durch Betriebsvereinbarung darf das Cockpit-Personal zum Tragen einer repräsentativen Kopfbedeckung verpflichtet werden, damit Kunden es vom Kabinenpersonal unterscheiden können. Nicht gerechtfertigt ist jedoch eine Benachteiligung der Piloten gegenüber den Pilotinnen, indem Letzteren das Tragen eines Hutes zur freien Wahl gestellt wird.

Tenor

I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Oktober 2012 - 5 Sa 549/11 - aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 5. April 2011 - 12 Ca 8659/10 - wird zurückgewiesen.

Der zu 2. formulierte Tenor des vorgenannten Urteils wird zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, während eines Flugeinsatzes im öffentlich zugänglichen Flughafenbereich eine Cockpit-Mütze zu tragen.

II. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Tragepflicht einer Kopfbedeckung.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Bei dieser sind nach § 117 Abs. 2 BetrVG aufgrund des Tarifvertrags „Personalvertretung für das Bordpersonal“ vom 15. November 1972 (TV PV) Personalvertretungen gebildet.

Für das fliegende Personal der Beklagten besteht seit dem 1. Mai 2004 eine mit deren Gesamtvertretung abgeschlossene „Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung“ (BV 2004). Darin heißt es:

 „§ 1 Grundsätze

Die Dienstbekleidung ist ein wesentliches Element des Lufthansa-Erscheinungsbildes.

Mit der Uniform wird das Ziel verfolgt, der Öffentlichkeit ein einheitliches Erscheinungsbild zu bieten.

...    

In der Öffentlichkeit, ganz besonders gegenüber den Kunden der DLH, kennzeichnet die Uniform den Mitarbeiter als Repräsentant des Unternehmens. ...

...    

§ 3 Trageordnung der Dienstkleidung

Diese Trageordnung ist bindend für alle Mitarbeiter des fliegenden Personals.

...    

 (1) Während des Flugeinsatzes muss ... die Uniform getragen werden.“

Nach § 4 (1) BV 2004 besteht die Uniform für Pilotinnen aus Anzug, Bluse, Outdoorbekleidung, Strümpfen sowie Schuhen. Zur Uniform von Piloten gehören Anzug, Hemd, Krawatte, Cockpit-Mütze, Outdoorbekleidung, Strümpfe sowie Schuhe. In § 4 BV 2004 ist bestimmt:

 „§ 4 Uniformteile für das Cockpitpersonal

 (1) Uniformteile für Damen

...      

 (1.4) Cockpit-Mütze

Die Cockpit-Mütze kann getragen werden, gehört aber nicht zur vollständigen Uniform.

...      

 (2) Uniformteile für Herren

...      

 (2.4) Cockpit-Mütze

Die Cockpit-Mütze ist in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen.“

Für das weibliche Kabinenpersonal heißt es in § 5 BV 2004:

 „§ 5 Uniformteile für das Kabinenpersonal

 (1) Uniformteile für Damen

...      

 (1.7) Hut

Der Hut ist ein zusätzliches feminines, elegantes Accessoire. Er darf nur zur Begrüßung und Verabschiedung sowie außerhalb des Flugzeugs getragen werden. Der Hut wird nicht im Service getragen. Die Frisur soll in Klassik und Eleganz dem Hut angepasst sein. Haare sollen aus dem Gesicht gekämmt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Frisur auch nach Ablegen des Hutes einwandfrei ist.“

Der Kläger wurde am 18. Dezember 2009 von einem Intercontinentalflug abgesetzt, weil er an diesem Tag seine Cockpit-Mütze nicht mit sich führte. In einem am 29. Januar 2010 geführten Personalgespräch berief er sich auf die Unwirksamkeit der in der § 4 (2.4) BV 2004 normierten Tragepflicht. Diese diskriminiere ihn wegen seines Geschlechts.

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, seine Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen, solange die Beklagte ausschließlich das männliche Cockpitpersonal zum Tragen der Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich verpflichtet.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Unrecht entsprochen. Der Feststellungsantrag ist begründet.

I. Der Antrag ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

Der Kläger möchte die Feststellung erreichen, dass er nach § 4 (2.4) BV 2004 nicht verpflichtet ist, während eines Flugeinsatzes im öffentlich zugänglichen Flughafenbereich eine Cockpit-Mütze zu tragen. Dies folgt aus seinem in den Vorinstanzen gehaltenen Vortrag. Er hält die in der BV 2004 normierte und ausschließlich auf Piloten beschränkte Trageverpflichtung in Bezug auf die vorgeschriebene Kopfbedeckung für unwirksam. Über den zeitlichen und gegenständlichen Umfang der Tragepflicht besteht zwischen den Parteien kein Streit. Mit diesem Inhalt genügt der Feststellungsantrag dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Zwischen den Parteien bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Wirksamkeit von § 4 (2.4) BV 2004.

II. Der Antrag ist begründet. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 68 TV PV. Die in der BV 2004 vorgenommene Gruppenbildung zwischen dem männlichen und weiblichen Cockpitpersonal bei der Ausgestaltung der Dienstkleidungsvorschriften verstößt gegen das dem § 75 BetrVG nachgebildete personalvertretungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 68 TV PV. Der Kläger ist wegen der gleichbehandlungswidrigen Behandlung von Pilotinnen und Piloten nicht zum Tragen einer Cockpit-Mütze verpflichtet.

1. Die Ausgestaltung von Dienstkleidungsvorschriften berührt das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb und unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn die Dienstkleidung dazu dient, das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens zu fördern (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, BAGE 121, 147). Dies gilt gleichermaßen für das durch § 77 Abs. 1 Nr. 1 TV PV begründete gleichlautende Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen des fliegenden Personals.

2. Nach § 68 TV PV haben die Personalvertretung und die Arbeitgeberin bei Betriebsvereinbarungen den personalvertretungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 68 TV PV zu beachten. Dieser auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Eine Gruppenbildung kann auch dadurch erfolgen, dass für eine Arbeitnehmergruppe eine Regelung getroffen wird und für eine andere unterbleibt (BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179). Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Pflichten vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 43/12 - Rn. 18).

3. Nach diesen Grundsätzen ist die nur für Piloten geltende Pflicht, in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich eine Cockpit-Mütze zu tragen, gemessen am Normzweck der BV 2004 nicht gerechtfertigt. Die darauf bezogene Regelung des § 4 (2.4) BV 2004 ist unwirksam.

a) Die BV 2004 verfolgt das Ziel, die Mitarbeiter des fliegenden Personals in der Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber Kunden der Beklagten als Repräsentanten des Unternehmens kenntlich zu machen (§ 1 Satz 4 BV 2004). Nach § 1 Satz 1 und Satz 2 BV 2004 ist die uniformähnliche Dienstbekleidung ein wesentliches Element des von der Beklagten angestrebten einheitlichen Erscheinungsbilds ihrer Flugzeugbesatzungen. Zu diesem Zweck werden in der BV 2004 Aussehen und Bestandteile der Dienstbekleidung des fliegenden Personals festgelegt (§§ 4, 5 BV 2004) und eine allgemeine Tragepflicht während des Flugeinsatzes (§ 3 (1) Satz 1 BV 2004) angeordnet. Die Zuordnung der Uniformträger zu den Angehörigen des fliegenden Personals der Beklagten wird nach der Einschätzung der Betriebsparteien durch die während des Flugeinsatzes von der Öffentlichkeit unschwer wahrzunehmenden Kleidungsstücken bestimmt.

b) Die in der BV 2004 vorgenommene Gruppenbildung bewirkt eine unmittelbare personenbezogene Ungleichbehandlung zwischen den männlichen und weiblichen Cockpitmitgliedern.

In Bezug auf die Ausgestaltung der während eines Flugeinsatzes anzulegenden Uniformteile unterscheidet die BV 2004 zwischen dem Cockpit- und dem Kabinenpersonal. Innerhalb dieser Beschäftigtengruppen ist die Dienstbekleidung für Frauen und Männer jeweils unterschiedlich ausgestaltet. Für die männlichen Cockpitmitglieder gehört die Cockpit-Mütze zur Uniform, die in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen ist (§ 4 (2.4) BV 2004). Für Pilotinnen bestimmt § 4 (1.4) BV 2004, dass die Cockpit-Mütze nicht zur vollständigen Uniform gehört. Das Tragen einer solchen Kopfbedeckung ist ihnen freigestellt.

c) Die nur Piloten betreffende Pflicht zum Tragen der Cockpit-Mütze (§ 4 (2.4) BV 2004) ist nicht gerechtfertigt.

Die Beklagte hat sich hierzu auf das klassische Pilotenbild und die Frisurgestaltung weiblicher Cockpitmitglieder berufen. Gemessen an dem Regelungszweck der BV 2004 sind beide Gründe nicht geeignet, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Die Beklagte hat im Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass Flugzeugführer in der Öffentlichkeit regelmäßig nur als solche wahrgenommen werden, wenn sie eine Cockpit-Mütze tragen. Die verbleibenden Uniformteile ermöglichen zwar die Zuordnung zum fliegenden Personal, nicht aber die von der Beklagten gewünschte Unterscheidung zwischen ihrem Cockpit- und Kabinenpersonal. Die Zuordnung von Pilotinnen zu den Flugzeugführern der Beklagten kann daher ebenfalls ohne das Anlegen einer repräsentativen Kopfbedeckung nicht erreicht werden. Dass auch die Frisurgestaltung von Pilotinnen einer solchen Tragepflicht grundsätzlich nicht entgegensteht, belegt schon die entsprechende Regelung für die weiblichen Mitglieder des Kabinenpersonals. Dieses kann zwar außerhalb des Flugzeugs einen Hut tragen, ist aber nach § 5 (1.7) Satz 4 BV 2004 gehalten, ihre Frisur „in Klassik und Eleganz“ dem Hut anzupassen.

d) Rechtsfolge des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 68 Abs. 1 TV PV ist die Unwirksamkeit von § 4 (2.4) BV 2004. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen.

4. Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die in der BV 2004 vorgenommene Gruppenbildung bei der Tragepflicht einer Kopfbedeckung auch gegen das Verbot der unterschiedlichen Behandlung wegen des Geschlechts (§ 68 TV PV iVm. § 7 Abs. 1 AGG) verstößt.



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