Bundesarbeitsgericht

Urteil vom - Az: 3 AZR 52/00

Ausgleich von Rentenabschlägen

VW-Mitarbeiter erhalten keine Ausgleichszahlungen für Rentenabschläge durch das Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 15.09.1996.

Das Urteil stellt eine Parallelentscheidung zu "BAG 20.06.2000, Aktz. 3 AZR 102/00" dar. Dieses wiederum geht der Entscheidung des LAG Hessen vom 01.09.1999, Aktz. 8 Sa 1244/98 nach.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 1999 - 6 Sa 2712/97 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger bei vorgezogenem Eintritt in den Ruhestand wegen langandauernder Arbeitslosigkeit die Einbußen an der gesetzlichen Rente auszugleichen, die auf Grund des Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 25. September 1996 eintreten werden.

Bei der Beklagten werden seit Jahren Frühverrentungsmodelle, sogenannte 55er-Regelungen, praktiziert. Arbeitnehmer scheiden nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus und nehmen nach Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen sie auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung Zuschüsse der Beklagten erhalten, mit Vollendung des 60. Lebensjahres die vorgezogene gesetzliche Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 SGB VI und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Anspruch.

Hintergrund des Konfliktes der Parteien, der auch in zahlreichen Parallelprozessen ausgetragen wird, ist die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen für die Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Mit dem Rentenreformgesetz 1992 war eine schrittweise Erhöhung der bis dahin geltenden Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren bis zur Regelaltersgrenze 65 festgelegt worden. Hiernach war zwar auch weiterhin eine vorgezogene Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente möglich. Sie war jedoch für die Geburtsjahrgänge ab 1941 mit Abschlägen verbunden. Arbeitnehmer des Jahrgangs 1941 mußten je nach genauem Geburtstag einen Abschlag zwischen 0,3 und 0,9 % hinnehmen, sollten sie die Rente bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch nehmen. Im Herbst 1995 begann die öffentliche Diskussion um das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (Altersteilzeitgesetz) mit dem eine sozialverträgliche Alternative zur bisherigen Frühverrentungspraxis angestrebt wurde. Auch durch dieses am 23. Juli 1996 verkündete Gesetz wurde die Möglichkeit, mit Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit Altersrente in Anspruch zu nehmen, nicht beseitigt. Für Arbeitnehmer des Jahrgangs 1941 wurde die Altersgrenze des § 237 SGB VI jedoch in einem Zug auf die Vollendung des 63. Lebensjahres heraufgesetzt. Für jeden Monat der vorgezogenen Pensionierung mußte dann ein Abschlag von 0,3 % hingenommen werden, der sich auf insgesamt bis zu 10,8 % belaufen konnte. Am 10. Mai 1996 schließlich wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung eingebracht. Von diesem am 25. September 1996 verabschiedeten Gesetz hatte die Öffentlichkeit am 25. April 1996 erfahren. Das Gesetz sah für alle Altersrenten eine stufenweise Heraufsetzung des Rentenalters auf die Vollendung des 65. Lebensjahres vor. Für den Jahrgang 1941 wurde die Altersgrenze des § 237 SGB VI wie folgt angehoben: Je nach Geburtsmonat belief sich diese Altersgrenze auf 64 Jahre und einen Monat (Geburtsmonat: Januar) bis 65 Jahre (Geburtsmonat: Dezember). Mit dieser Gesetzesänderung sind weitere Rentenminderungen bei einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab Alter 60 für den Jahrgang 1941 in einem Umfang von 3,9 % bis 7,2 % verbunden.

Der am 18. Juli 1941 geborene Kläger war seit dem 7. September 1984 bei der Beklagten in deren Werk Salzgitter beschäftigt. Für die Jahre 1995/1996 war bei der Beklagten eine Frühverrentung des Jahrgangs 1941 geplant. Im Hinblick auf die damals bekanntgewordenen Absichten des Gesetzgebers, die gesetzliche Regelung zur Rente wegen Arbeitslosigkeit zu ändern, fanden am 7. November 1995 mehrere von Gesamtbetriebsrat und Personalabteilung der Beklagten gemeinsam durchgeführte Informationsveranstaltungen statt. Dabei wurden die Teilnehmer, unter ihnen auch der Kläger, jedenfalls über die Absicht der Beklagten unterrichtet, Rentenkürzungen, die sich aus dem damals in der Diskussion befindlichen Gesetzgebungsvorhaben ergeben würden, auszugleichen. Es ist zwischen den Parteien streitig geblieben, ob bei dieser Gelegenheit weitergehende Erklärungen über den Ausgleich sonstiger Verschlechterungen der gesetzlichen Rentenansprüche wegen Arbeitslosigkeit abgegeben worden sind. Der Kläger unterzeichnete jedenfalls am Schluß der Veranstaltung ebenso wie viele andere Kollegen eine Erklärung, wonach er mit der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses und der Teilnahme an der "Vorruhestandsregelung" einverstanden sei.

In einem von zwei Vorstandsmitgliedern der Beklagten unterzeichneten Schreiben an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats vom 15. November 1995 heißt es ua.:

"Altersregelung 1995

- Ausgleich evtl. Rentenverluste

...

1. Sofern die beabsichtigte Gesetzesänderung bei der gesetzlichen Altersrente zu Rentenabschlägen führt, die über die im Rentenreformgesetz 1992 festgelegten Abschläge hinausgehen, wird die Volkswagen AG die ggf. eintretende Minderung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ausgleichen. Dieser Ausgleich wird ab Bezugszeitpunkt der gesetzlichen Altersrente monatlich gezahlt..."

Mit Schreiben vom 16. November 1995 versandte der Leiter des zentralen Personalwesens eine mit dem Gesamtbetriebsrat abgestimmte und von dessen Vorsitzenden mit abgezeichnete Handlungsanweisung an die Personalsachbearbeiter, dem das Schreiben vom 15. November 1995 beigefügt wurde, und in dem es ua. heißt:

"Altersregelung 1995

Auf Basis des beigelegten Briefes des Vorstandes an den Gesamtbetriebsrat (Anlage 1) haben wir mit dem Gesamtbetriebsrat Einvernehmen hinsichtlich der Vorgehensweise zu o.a. Sachverhalt erzielt... Es sind folgende Maßnahmen festgelegt:

...

3) Sofern für diese Personenkreise über das RRG 92 hinausgehende Minderungen eintreten könnten, werden diese im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ausgeglichen. Wir bitten, die betroffenen Werksangehörigen auf diesen Sachverhalt (einschließlich der Auswirkungen RRG 92) ausdrücklich hinzuweisen. Hinsichtlich der möglichen steuerlichen und sozialversicherungsrelevanten Auswirkungen bitten wir, in den Erläuterungen auf die beiliegenden Beispielsrechnungen (Anlage 2) zurückzugreifen..."

Am 17. Januar 1996 erhielt der Kläger eine betriebsbedingte Kündigung zum 31. März 1996 mit der Zusage der von der Beklagten für die Zeit bis zum Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 60. Lebensjahres zu erbringenden Leistungen. Weiter erhielt er ein Anschreiben mit dem Hinweis, daß über die Leistungen nach Ablauf des Überbrückungszeitraums im Jahre 2001 der Kläger zu gegebener Zeit gesondert informiert werde.

Im März 1996 vereinbarte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Ergänzung der Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung. Darin verpflichtete sich die Beklagte, bei den Arbeitnehmern, die nach dem 13. Februar 1996 das 55. Lebensjahr vollendet haben oder noch vollenden werden, die auf Grund des Gesetzes zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand eintretenden Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Grundversorgung auszugleichen. Diese konnten sich auf bis zu 10,8 % belaufen.

Mit Schreiben vom 25. September 1996 informierte die Beklagte den Kläger über diese Gesamtbetriebsvereinbarung sowie darüber, daß die mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz verbundene weitere Rentenkürzung über 10,8 % hinaus bis zu 18 % nicht von der Beklagten ausgeglichen werde. Der Kläger verlangte auf Grund dieses Hinweises auch dann nicht seine Wiedereinstellung, als die Beklagte sie ihm in Aussicht stellte.

Der Kläger hat behauptet, namentlich benannte Mitarbeiter der Personalleitung hätten während der Informationsveranstaltung am 7. November 1995 um 10.00 Uhr, an der er teilgenommen habe, auf Nachfrage zugesichert, das sämtliche durch Gesetzesänderungen erfolgenden Rentenabschläge bei vorgezogenem Altersruhegeld ab Alter sechzig von der Beklagten ausgeglichen würden. Der Jahrgang 41 werde genauso behandelt, wie der Jahrgang 40. Er werde keine Nachteile haben. Bei dieser mündlichen Zusage an alle Anwesenden sei nur offengeblieben, auf welche Weise dieser Ausgleich erfolgen werde. Es sei um den Ausgleich aller bis zum Bezug des vorzeitigen Altersruhegelds eintretenden Abschläge unabhängig davon gegangen, durch welches Gesetzesvorhaben sie eintreten würden. Die im März 1996 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung schließe den Ausgleich weiterer Rentenabschläge nicht aus. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, auf Grund dieser Erklärungen und dem von ihm anschließend unterzeichneten Einverständnis in die "Vorruhestandsregelung" sei ein Vertrag zustande gekommen, auf Grund dessen die Beklagte auch die zuletzt eingetretenen Rentennachteile ausgleichen müsse. Diese Pflicht ergebe sich im übrigen auch aus der internen Mitteilung vom 16. November 1995, die als Gesamtbetriebsvereinbarung zu werten sei und den Ausgleich aller über die im Rentenreformgesetz 1992 festgelegten Abschläge hinausgehenden Rentenminderungen vorsehe. Eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten sei zumindest Geschäftsgrundlage für sein Verhalten gewesen. Mit einer bloßen Wiedereinstellung hätte der ohne einen Ausgleich eintretende Versorgungsschaden nicht ausgeglichen werden können. Dies wäre allenfalls durch eine ununterbrochene Weiterbeschäftigung möglich gewesen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Differenz zwischen der prozentualen Rentenminderung nach dem "Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand" vom 1. August 1996 und dem nach dem "Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung" vom 13. September 1996 eintretenden Rentenabschlägen von voraussichtlich 7,2 % bezogen auf den Zeitpunkt des frühestmöglichen Renteneintritts im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung auszugleichen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage bereits für unzulässig gehalten, weil ihr das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Im übrigen sei von den Mitarbeitern der Beklagten bei der Veranstaltung am 7. November 1995 lediglich zugesichert worden, daß die Nachteile, die sich durch das Altersteilzeitgesetz ergeben würden, ausgeglichen würden. Eine darüber hinausgehende Zusage habe es nicht gegeben. Es seien auch keine einzelvertraglichen Zusagen an die Mitarbeiter diskutiert worden. Es sei bei der Informationsveranstaltung lediglich um die beabsichtigten Änderungen der Versorgungsregelungen gegangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausgleich der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz voraussichtlich eintretenden Minderung seiner mit Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch genommenen Altersrente.

A. Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger das hierfür erforderliche besondere Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es für die Entscheidung des Klägers, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in Anspruch zu nehmen, von einiger Bedeutung ist, wie hoch seine Altersversorgung insgesamt sein wird. Er hat deshalb ein schützenswertes Interesse an der Feststellung einer etwaigen Ausgleichspflicht der Beklagten.

B. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Ausgleichszahlungen gegenüber der Beklagten.

I. Der Kläger hat keine kollektivrechtliche Grundlage für den von ihm geltend gemachten Anspruch.

1. Die bei der Beklagten geltende Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung sieht zwar Ausgleichsleistungen im Hinblick auf die Verschlechterung des gesetzlichen Rentenanspruchs aus § 237 SGB VI durch das Altersteilzeitgesetz vor. Für die Einbußen auf Grund des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes fehlt aber eine entsprechende Regelung.

2. Ein solcher Ausgleichsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Vorstandes der Beklagten an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates vom 15. November 1995 und dem Schreiben des Leiters des zentralen Personalwesens an die Personalsachbearbeiter vom 16. November 1995.

a) Bei der internen Mitteilung vom 16. November 1995 handelt es sich trotz der Mitunterzeichnung durch ein Mitglied des Gesamtbetriebsrats nicht um eine Gesamtbetriebsvereinbarung. Das schriftlich Niedergelegte ist keine Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Geschäftsleitung, sondern eine Arbeitsanweisung für die Personalsachbearbeiter. Es ist auszuschließen, daß die Betriebspartner bei einem Unternehmen wie dem der Beklagten für eine Gesamtbetriebsvereinbarung eine solche Form gewählt haben. Dies mußte für jeden langjährig bei der Beklagten Beschäftigten wie dem Kläger offenkundig sein. Der Mitteilung mag eine Regelungsabrede zwischen Gesamtbetriebsrat und Geschäftsleitung der Beklagten zugrunde gelegen haben, die später nach einer weiteren Verfestigung und Konkretisierung des damals vom Gesetzgeber Geplanten in einer die Gesamtbetriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung ergänzenden Betriebsvereinbarung umzusetzen sein würde, wie dies dann auch tatsächlich geschehen ist. Eine Anspruchsgrundlage für den Kläger enthalten die genannten Anschreiben nicht.

b) Den Schreiben kann im übrigen auch nicht die vom Kläger unterstellte Festlegung entnommen werden, daß alle auf Grund von Gesetzesänderungen in Zukunft eintretenden Verschlechterungen der gesetzlichen Rente bei einem Bezug ab Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 237 SGB VI durch die Beklagte auszugleichen wären. Das Schreiben der Beklagten an den Gesamtbetriebsrat vom 15. November 1995 nimmt ausdrücklich auf die beabsichtigte Gesetzesänderung bei der gesetzlichen Altersrente Bezug, also auf das, was zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens in der politischen und öffentlichen Diskussion war. Dies war nur das Altersteilzeitgesetz. Das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz gehörte hierzu nicht. Die dort verfolgten Regelungsziele hat der Gesetzgeber erst im Frühjahr 1996 in die öffentliche Diskussion gebracht. Hiernach sollten Renten- und Arbeitslosenversicherung allgemein entlastet werden, indem man die Altersgrenzen für die Altersrente für Frauen und für langjährig Versicherte früher als im Rentenreformgesetz 1992 vorgesehen anheben wollte und letztlich auch angehoben hat (BT-Drucks. 13/4610 S 19).

In dem vom Gesamtbetriebsrat mit abgezeichneten Schreiben vom 16. November 1995 ist zwar etwas allgemeiner formuliert. Es werden die "über das Rentenreformgesetz 1992 hinausgehenden" Rentenminderungen als ausgleichsfähig bezeichnet. Dadurch, daß das Schreiben des Vorstandes der Beklagten vom 15. November 1995 in Bezug genommen und beigefügt wurde, wurde jedoch deutlich gemacht, daß es nur um den Ausgleich der Verschlechterungen im Zuge der anstehenden Gesetzesänderung, also des geplanten Altersteilzeitgesetzes, gehen sollte.

II. Der Kläger hat auch keinen einzelvertraglichen Erfüllungsanspruch auf die geltend gemachten Ausgleichszahlungen. Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers keine darauf gerichtete rechtsgeschäftliche Verpflichtung übernommen.

1. Die Beklagte hat dem Kläger bei der Informationsveranstaltung am 7. November 1995 keine entsprechende rechtsgeschäftliche Zusage gemacht. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, welche Erklärungen die Personalmitarbeiter der Beklagten bei dieser Informationsveranstaltung im einzelnen abgegeben haben.

Es konnte aus der Sicht der Arbeitnehmer der Beklagten nicht zweifelhaft sein, daß die Mitarbeiter der Personalleitung nur das erläutern wollten, was noch in der gebotenen Form im einzelnen zwischen den Betriebspartnern geregelt werden würde. Daß in einem Unternehmen wie dem der Beklagten im Rahmen einer Informationsveranstaltung rechtsgeschäftliche Erklärungen an alle Zuhörer abgegeben würden, noch dazu in einer dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats unterliegenden Angelegenheit, konnte kein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer der Beklagten annehmen. Das gilt um so mehr, als kein Vorstandsmitglied anwesend war, und es sich nur um eine Teilversammlung in einem von mehreren Werken der Beklagten handelte, bei dem eine mündliche Zusage nur einen Teil der möglichen von der Gesamtmaßnahme Betroffenen erreichen würde.

Auch die Bezugnahme auf ein angeblich bereits vorhandenes, aber aus welchen Gründen auch immer geheimzuhaltendes Papier, die nach der Behauptung des Klägers bei dieser Veranstaltung erfolgt sein soll, belegt nicht, daß bei der Veranstaltung selbst bereits individuelle Zusagen an die Teilnehmer der beabsichtigten Altersregelung gemacht werden sollten. Im Gegenteil: Eine solche Erklärung würde nur unterstreichen, daß es ausschließlich um die Information über eine anderweit getroffene oder noch zu treffende Vereinbarung ging.

2. Der Kläger hat auch keinen solchen Anspruch aus einem im Zusammenhang mit der Kündigung etwa zustande gekommenen Vertrag.

a) Es kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen ist, es sei im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht zu einem Vertrag zwischen den Parteien gekommen. Der Kläger habe lediglich die Kündigung der Beklagten hingenommen und von den Möglichkeiten des Kündigungsschutzgesetzes keinen Gebrauch gemacht.

Es spricht einiges für die Auffassung des Klägers, er habe mit der Beklagten einen Abwicklungsvertrag geschlossen. Das Angebot zum Abschluß eines solchen Vertrages kann allerdings noch nicht in der Einverständniserklärung des Klägers vom 7. November 1995 liegen, sich an dem Frühverrentungsprogramm des Jahres 1995 zu beteiligen. Die Beklagte wollte Überbrückungsleistungen nur erbringen, wenn die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die von ihr beabsichtigten Kündigungen ausgeschlossen war. Am 7. November 1995 konnte der Kläger aber noch nicht wirksam auf Kündigungsschutz verzichten. Seine Erklärung von diesem Tage konnte aber als Aufforderung an die Beklagte verstanden werden, ihm eine Angebot auf Abschluß eines entsprechenden Abwicklungsvertrages zu machen. Dem wäre die Beklagte durch den Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung und das Angebot zusätzlicher Leistungen in ihrem Begleitschreiben gefolgt. Der Kläger hätte das Vertragsangebot dann durch die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage angenommen.

b) Auch wenn man auf diese Weise eine vertragliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten aus Anlaß der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses annähme, ergäbe sich daraus kein vertraglicher Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Ausgleich der im Herbst 1996 eingeführten weiteren Verschlechterung der vorgezogenen gesetzlichen Rente. Weder das Kündigungsschreiben der Beklagten noch das Begleitschreiben stellen dem Kläger Leistungen in Aussicht, die über die Rechte aus der im März 1996 geänderten Gesamtbetriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung hinausgehen.

c) Der geltend gemachte Erfüllungsanspruch kann sich auch nicht auf dem Weg über eine Anpassung des - unterstellten - Abwicklungsvertrages wegen Änderung der Geschäftsgrundlage ergeben. Dabei sind unter Geschäftsgrundlage die bei Abschluß eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei zu verstehen oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen (Nicht-)Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG 9 Juli 1986 - 5 AZR 44/85 - BAGE 52, 273, 276). Entfällt die Geschäftsgrundlage infolge späterer Ereignisse oder wird sie wesentlich erschüttert, kann ein Anspruch auf Anpassung der Vertragsbedingungen entstehen. An eine Änderung der Geschäftsgrundlage des zugunsten des Klägers zu unterstellenden Abwicklungsvertrages könnte man denken, weil es möglicherweise entgegen der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien nach streitloser Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einer weiteren Verschlechterung der Rentensituation für die Bezieher von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gekommen ist. Eine solche Änderung der Ausgangslage könnte allenfalls dann zu einer Anpassung des Abwicklungsvertrages führen, wenn die eingetretene Veränderung nicht dem Risikobereich des Klägers zuzuweisen wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Wenn der Gesetzgeber den Empfängern der gesetzlichen Altersrente für den Fall einer vorgezogenen Inanspruchnahme bestimmte Nachteile aufbürdet, haben sie diese selbst zu tragen und können sie regelmäßig nicht auf den Arbeitgeber abwälzen (BAG 14. März 2000 - 9 AZR 493/99 -nv.). Eine Korrektur dieses Ergebnisses mit Hilfe der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ausgeschlossen. Allein der Umstand, daß der Arbeitgeber es übernommen hat, bestimmte andere den künftigen Rentner treffende Nachteile auszugleichen, rechtfertigt es nicht, ihm zusätzliche Ausgleichspflichten aufzuerlegen.

III. Der Kläger kann die geltend gemachten Ausgleichszahlungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung als Schadensersatz von der Beklagten verlangen.

Es ist schon zweifelhaft, ob den Mitarbeitern der Beklagten im Zusammenhang mit ihren Äußerungen auf der Informationsveranstaltung am 7. November 1995 eine - der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnende - Vertragsverletzungshandlung vorgeworfen werden kann. Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers annähme, er sei auf der Informationsveranstaltung falsch informiert worden, so folgte daraus nicht der geltend gemachte Anspruch. Dabei ist schon fraglich, ob der Kläger ohne die angeblichen Falschinformationen wirklich vom Abschluß des - unterstellten - Abwicklungsvertrages Abstand genommen hätte. Der Kläger hat dies zwar allgemein behauptet, seinen Vortrag aber nicht substantiiert. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil es um eine innere Tatsache geht, für die angesichts der ansonsten beteiligten gewichtigen Interessen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht.

Darüber hinaus wäre die Rechtsfolge aber auch nur, daß der Kläger so zu stellen wäre, als wäre der Abwicklungsvertrag nicht zustande gekommen (§ 249 BGB). Unter diesen Umständen hätte der Kläger also möglicherweise einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gehabt. Einen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als wäre der Abwicklungsvertrag mit günstigeren als den tatsächlich festgelegten Bedingungen zustande gekommen, nämlich mit einer weitergehenden Nachteilsausgleichspflicht der Beklagten, hätte der Kläger in keinem Falle.



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