Bundesarbeitsgericht

Urteil vom - Az: 9 AZR 104/20

Ausbildungsvergütung kann bei Teilzeit anteilig gekürzt werden

Die Klägerin absolvierte im September 2017 eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten mit einer von 39 Stunden auf 30 Stunden verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit. Die beklagte Stadt zahlte an die Klägerin entsprechend der verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit in den Monaten November 2017 bis einschließlich Februar 2019 eine im Vergleich zu Auszubildenden in Vollzeit gekürzte monatliche Ausbildungsvergütung. Für drei Monate je Ausbildungsjahr nahm die Klägerin – ebenso wie Auszubildende in Vollzeit – am Blockunterricht im Umfang von wöchentlich 28 Unterrichtsstunden in der Berufsschule teil und war für diesen Zeitraum von der betrieblichen Ausbildung freigestellt. Die Beklagte zahlte die Ausbildungsvergütung entsprechend ihrer Teilzeit fort. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin nun, wie eine Vollzeitauszubildende vergütet zu werden und begehrt die entsprechende Differenz. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag für Auszubildende im öffentlichen Dienst (TVAöD) bei einer Verringerung der Wochenarbeitszeit keine Kürzung der Ausbildungsvergütung vorsehe. Auch werde sie hierdurch gegenüber Auszubildenden in Vollzeit benachteiligt, die während des Blockunterrichts in der Berufsschule bei gleicher Unterrichtszeit die volle Ausbildungsvergütung erhielten. Zudem sei die gezahlte Vergütung unangemessen niedrig
Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Nach den Regelungen des TVAöD sei Teilzeitauszubildenden eine Ausbildungsvergütung nur in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil ihrer Ausbildungszeit, an der eines vergleichbaren Auszubildenden in Vollzeit entspricht. Demnach sei die Höhe der Ausbildungsvergütung in Abhängigkeit von der Anzahl der wöchentlichen Ausbildungsstunden zu bestimmen. Hierbei seien die Zeiten des Berufsschulunterrichts außer Acht zu lassen. Soweit Auszubildende wegen des Besuchs des Berufsschulunterrichts von der betrieblichen Ausbildung freigestellt werden, bestehe allein ein Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung. Diese tarifliche Regelung verstoße somit nicht gegen höherrangiges Recht.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2019 - 13 Sa 269/19 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als es in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg vom 19. März 2019 - 2 Ca 1293/18 - der Klage teilweise stattgegeben hat.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 19. März 2019 - 2 Ca 1293/18 -wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt zuletzt unter Berufung auf den Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD - BBiG), hilfsweise unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung restliches Ausbildungsentgelt für die Monate November 2017 bis einschließlich Februar 2019.

Die Klägerin absolviert seit dem 1. September 2017 bei der beklagten Stadt auf Grundlage eines Berufsausbildungsvertrags vom 17. Mai 2017 eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten mit einer gegenüber Vollzeitauszubildenden von 39 Stunden auf 30 Stunden verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit. Die Klägerin wird an vier Wochentagen in der Verwaltung der Beklagten ausgebildet, am fünften Tag im Rahmen eines in einem "Studieninstitut" stattfindenden betrieblichen Unterrichts.

Auf das Ausbildungsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes vom 13. September 2005 in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVAöD - BBiG) Anwendung.

Der Tarifvertrag vom 13. September 2005 für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) - Allgemeiner Teil - (TVAöD - AT) in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 5 vom 29. April 2016 regelt ua.:

"§ 1   Geltungsbereich

(1)     Dieser Tarifvertrag gilt für

a)

Personen, die in Verwaltungen und Betrieben, die unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, in einem staatlich anerkannten oder als staatlich anerkannt geltenden Ausbildungsberuf ausgebildet werden,

...

(3)     Soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes geregelt ist, gelten die jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften."

Der Tarifvertrag vom 13. September 2005 für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) - Besonderer Teil BBiG - (TVAöD - BT) idF des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 29. April 2016 lautet auszugsweise:

"§ 1a Geltungsbereich des Besonderen Teils

(1)     1 Dieser Tarifvertrag gilt nur für die in § 1 Abs. 1 des Tarifvertrages für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) - Allgemeiner Teil unter Buchst. a), c) und d) aufgeführten Auszubildenden. 2 Er bildet im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Teil des TVAöD den Tarifvertrag für die Auszubildenden des öffentlichen Dienstes nach BBiG (TVAöD - BBiG).

...

§ 7     Wöchentliche und tägliche Ausbildungszeit

(1)     1Die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Ausbildungszeit und die tägliche Ausbildungszeit der Auszubildenden, die nicht unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen, richten sich nach den für die Beschäftigten des Ausbildenden maßgebenden Vorschriften über die Arbeitszeit. ...

(3)     An Tagen, an denen Auszubildende an einem theoretischen betrieblichen Unterricht von mindestens 270 tatsächlichen Unterrichtsminuten teilnehmen, dürfen sie nicht zur praktischen Ausbildung herangezogen werden.

(4)     1Unterrichtszeiten einschließlich der Pausen gelten als Arbeitszeit. Dies gilt auch für die notwendige Wegezeit zwischen Unterrichtsort und Ausbildungsstätte, sofern die Ausbildung nach dem Unterricht fortgesetzt wird.

...

(6)     1Auszubildende dürfen nicht über die nach Absatz 1 geregelte Ausbildungszeit hinaus zu Mehrarbeit herangezogen und nicht mit Akkordarbeit beschäftigt werden. 2§§ 21, 23 JArbSchG und § 17Abs. 3 BBiG bleiben unberührt.

...

§ 8     Ausbildungsentgelt

(1)     Das monatliche Ausbildungsentgelt beträgt:

ab

ab

1. März 2016

1. Februar 2017

im ersten Ausbildungsjahr

...

918,26 Euro

...

(2)     Das Ausbildungsentgelt ist zu demselben Zeitpunkt fällig wie das den Beschäftigten des Ausbildenden gezahlte Entgelt.

...

(4)     Ist wegen des Besuchs einer weiterführenden oder einer berufsbildenden Schule oder wegen einer Berufsausbildung in einer sonstigen Einrichtung die Ausbildungszeit verkürzt, gilt für die Höhe des Ausbildungsentgelts der Zeitraum, um den die Ausbildungszeit verkürzt wird, als abgeleistete Ausbildungszeit."

Die Beklagte zahlte an die Klägerin entsprechend der verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit in den Monaten November 2017 bis einschließlich Februar 2019 ein im Vergleich zu Auszubildenden in Vollzeit gekürztes monatliches Ausbildungsentgelt, das im ersten Ausbildungsjahr 706,35 Euro brutto betrug. Für drei Monate je Ausbildungsjahr, in denen die Klägerin - ebenso wie Auszubildende in Vollzeit - blockweise im Umfang von wöchentlich 28 Unterrichtsstunden am Berufsschulunterricht teilnahm und von der betrieblichen Ausbildung freigestellt war, zahlte die Beklagte die Ausbildungsvergütung entsprechend ihrer Teilzeit fort.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Differenz zur Vergütung eines Auszubildenden in Vollzeit, berechnet auf Grundlage des in § 8 TVAöD - BT für das erste Ausbildungsjahr angegebenen Ausbildungsentgelts iHv. 918,26 Euro. Sie hat die Auffassung vertreten, der TVAöD sehe bei Verringerung der wöchentlichen Ausbildungszeit keine Kürzung des Ausbildungsentgelts vor. Die an sie gezahlte Vergütung sei zudem unangemessen niedrig. Durch die Kürzung des Ausbildungsentgelts werde sie gegenüber Vollzeitauszubildenden benachteiligt, die während des Blockunterrichts in der Berufsschule bei gleicher Unterrichtszeit das volle Ausbildungsentgelt erhielten.

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.390,56 Euro brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus den monatlichen Differenzen seit dem Ersten eines jeden Folgemonats, beginnend mit dem 1. Dezember 2017.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung restlichen tariflichen Ausbildungsentgelts in Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Differenzbetrags nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung rechtskräftig zurückgewiesen, soweit die Klägerin in den Vorinstanzen Zahlung auf vertraglicher Grundlage und die Erteilung von Abrechnungen verlangt hat. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der vollumfänglichen Klageabweisung weiter.

 

Gründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das die Klage insgesamt abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht teilweise abgeändert und ihr - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

I. § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Die Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss ist nur dann Prozessvoraussetzung für arbeitsgerichtliche Klagen in Ausbildungsstreitigkeiten (vgl. hierzu BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 9), wenn ein Schlichtungsausschuss besteht (BAG 17. September 1987 - 2 AZR 654/86 - zu II 1 der Gründe, BAGE 57, 179). Ein Schlichtungsausschuss ist für den Bereich des öffentlichen Dienstes des Landes Nordrhein-Westfalen nicht gebildet.

II. Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren nicht im Wege einer unzulässigen alternativen Klagehäufung.

1. Eine alternative Klagehäufung, bei der die Klägerin ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt grundsätzlich gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Die Klägerin muss daher eine Rangfolge bilden, um zu vermeiden, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Das kann auch konkludent geschehen (BAG 2. August 2018 - 6 AZR 437/17 - Rn. 18 mwN, BAGE 163, 205; BGH 21. November 2017 - II ZR 180/15 - Rn. 8).

2. Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht.

a) Die Klägerin hat ihr Leistungsbegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen hergeleitet und damit mehrere Streitgegenstände zu Entscheidung gestellt (vgl. hierzu im Einzelnen BAG 2. August 2018 - 6 AZR 437/17 - Rn. 20 ff. mwN, BAGE 163, 205). Sie hat die Klage nicht nur auf die Erfüllung des tarifvertraglichen Anspruchs aus § 8 Abs. 1 TVAöD - BT gestützt, sondern sich darüber hinaus auf eine nicht gerechtfertigte Besserstellung vergleichbarer Vollzeitauszubildender und damit auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.

b) Die Klägerin hat nicht unter Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dem Gericht die Auswahl überlassen, auf welchen der beiden Klagegründe sie die Verurteilung stützt. Sie hat die beiden Streitgegenstände in ein hinreichend bestimmtes Eventualverhältnis gesetzt. Der Klagebegründung ist zu entnehmen, dass sie Differenzvergütung vorrangig auf tariflicher Grundlage und hilfsweise - für den Fall des Unterliegens - unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung verlangt.

III. Der Zahlungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist nach dem Vorbringen der Klägerin abschließend auf konkrete Vergütungsdifferenzen für die Monate November 2017 bis einschließlich Februar 2019 gerichtet und nicht nur auf einen Teil hiervon. Die Klage ist dementsprechend als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 12. Dezember 2018 - 5 AZR 588/17 - Rn. 13). Den Darlegungen der Klägerin ist zu entnehmen, aus welchen Einzelforderungen sich die "Gesamtklage" zusammensetzt (hierzu BAG 19. März 2014 - 7 AZR 480/12 - Rn. 11).

B. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Differenzvergütung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe Anspruch auf die von ihr verlangte Differenzvergütung, weil das in § 8 TVAöD - BT vorgesehene Ausbildungsentgelt im Fall einer Teilzeitausbildung in ungekürzter Höhe zu zahlen sei. Der Tarifvertrag setze keine bestimmte wöchentliche oder monatliche Ausbildungszeit voraus. Dies bestätige § 7 TVAöD - BT, wonach auch Vollzeitauszubildende mit unterschiedlicher Ausbildungszeit dasselbe Ausbildungsentgelt erhielten. Das Schweigen des Tarifvertrags zur Höhe des Ausbildungsentgelts von Auszubildenden in Teilzeit sei beredt, denn dieselben Tarifvertragsparteien hätten in § 24 Abs. 2 TVöD eine Kürzung des Entgelts von Teilzeitbeschäftigten entsprechend dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter vereinbart. Gegen eine Kürzung des Ausbildungsentgelts spreche zudem, dass Teilzeitauszubildende im gleichen zeitlichen Umfang wie Vollzeitauszubildende zur Teilnahme am Berufsschulunterricht verpflichtet seien und eine rein proportionale Kürzung der Funktion des Ausbildungsentgelts nicht gerecht werde.

II. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die zutreffende Auslegung von § 8 Abs. 1 TVAöD - BT ergibt, dass die Höhe des Ausbildungsentgelts in Abhängigkeit von der Anzahl der wöchentlichen Ausbildungsstunden zu bestimmen ist. Die entgegenstehende Annahme des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unzureichend.

1. Auf das Ausbildungsverhältnis findet nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der TVAöD - BBiG kraft vertraglicher Bezugnahme Anwendung.

2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Die Auslegung der Tarifnorm durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. nur BAG 11. November 2020 - 4 AZR 210/20 - Rn. 20 f.).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist Teilzeitauszubildenden nach § 8 Abs. 1 TVAöD - BT eine Ausbildungsvergütung in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil ihrer Ausbildungszeit an der eines vergleichbaren Auszubildenden in Vollzeit entspricht. Allein anhand des Wortlauts von § 8 Abs. 1 TVAöD - BT kann zwar nicht eindeutig bestimmt werden, von welcher wöchentlichen Ausbildungszeit die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung des Ausbildungsentgelts ausgegangen sind. § 8 Abs. 1 TVAöD - BT regelt die Höhe des Ausbildungsentgelts und trifft - für sich betrachtet - keine Aussage zu dem Umfang der wöchentlichen Ausbildungszeit, die den Entgeltsätzen zugrunde liegt. Der Inhalt dieser Bestimmung erschließt sich jedoch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang und dem Gebot der gesetzeskonformen Auslegung von Tarifverträgen.

a)§ 8 Abs. 1 TVAöD - BT unmittelbar vorangestellt ist die Regelung der wöchentlichen und täglichen Ausbildungszeit in § 7 Abs. 1 TVAöD - BT. Daraus ergibt sich, dass die in § 8 Abs. 1 TVAöD - BT angegebenen Entgeltsätze eine Ausbildung in Vollzeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit voraussetzen, die nach den Reglungen des TVöD der von in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern des Ausbildenden entspricht.

aa) § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT verweist für die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit und die tägliche Ausbildungszeit der Auszubildenden, die nicht unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen, auf die für die Beschäftigten des Ausbildenden maßgebenden Vorschriften über die Arbeitszeit. Verwiesen ist damit auf die Arbeitszeit der in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer. Wollte man § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT dahingehend verstehen, dass sowohl auf das Arbeitszeitvolumen von Vollzeitbeschäftigten als auch auf das von Teilzeitbeschäftigten Bezug genommen werde, käme der Verweisung kein Regelungsgehalt zu. Die regelmäßige wöchentliche und die tägliche Ausbildungszeit der Auszubildenden wäre angesichts der Vielzahl möglicher Teilzeitvarianten, die mit den Beschäftigten des Ausbildenden vereinbart werden können, nicht feststellbar. Es fehlte an einer Bezugsgröße.

bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kann anhand der Verweisung auch der Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten mit Bestimmtheit ermittelt werden. Bei der Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT ist der Anwendungsbereich der Bestimmung zu berücksichtigen. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT iVm. § 1 Abs. 1 Buchst. a) TVAöD - AT gilt der TVAöD - BT für Personen, die in Verwaltungen und Betrieben, die unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, in einem staatlich anerkannten oder als staatlich anerkannt geltenden Ausbildungsberuf ausgebildet werden. Die Verweisung in § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT bezieht sich danach auf die "Vorschriften über die Arbeitszeit" im Geltungsbereich des TVöD. Für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten mit § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT auf vom TVöD abweichende "Vorschriften" Bezug nehmen wollen, ergeben sich aus dem TVAöD - BBiG keinerlei Anhaltspunkte. Im Streitzeitraum betrug die regelmäßige Arbeitszeit der Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA im Tarifgebiet West - zu denen die Beklagte gehört - nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) TVöD ausschließlich der Pausen durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich.

b) § 8 Abs. 1 TVAöD - BT verlangt, um ein gleichwertiges Ausbildungsentgelt für alle Auszubildenden zu gewährleisten, in Fällen der Teilzeitausbildung eine am Gleichheitssatz des Art. 3Abs. 1 GG orientierte Umrechnung der in § 8 Abs. 1 TVAöD - BT genannten Entgeltbeträge unter Berücksichtigung der vereinbarten Ausbildungszeit. Dies ordnet die Bestimmung zwar nicht ausdrücklich an. Ein entsprechendes Verständnis folgt jedoch aus dem Gebot der gesetzeskonformen Auslegung von Tarifverträgen, dem zufolge Tarifnormen, soweit sie dies zulassen, grundsätzlich so auszulegen sind, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen und damit Bestand haben (st. Rspr., vgl. BAG 20. November 2019 - 5 AZR 39/19 - Rn 27; 20. November 2018 - 9 AZR 349/18 - Rn. 20; 21. März 2018 - 5 AZR 862/16 - Rn. 30, BAGE 162, 144; 27. April 2017 - 6 AZR 459/16 - Rn. 18). Dementsprechend ist, wenn möglich, eine mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang stehende Auslegung vorzunehmen.

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz, der es gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG 3. Juli 2014 - 2 BvL 25/09, 2 BvL 3/11 - Rn. 35 mwN zur st. Rspr.; BAG 6. Januar 2015 - 6 AZB 105/14 - Rn. 15, BAGE 150, 246), bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Tarifregelungen ist die Durchsetzung zu verweigern, wenn sie zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen (vgl. hierzu BAG 29. September 2020 - 9 AZR 364/19 - Rn. 47; 27. Mai 2020 - 5 AZR 258/19 - Rn. 37; 19. Dezember 2019 - 6 AZR 563/18 - Rn. 23 ff.; 3. Juli 2019 - 10 AZR 300/18 - Rn. 18; 21. März 2018 - 5 AZR 862/16 - Rn. 31, BAGE 162, 144).

bb) Unter Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG ist als Berechnungsbasis für das nach § 8 Abs. 1 TVAöD - BT zu zahlende Ausbildungsentgelt die Ausbildungszeit von Auszubildenden in Vollzeit zugrunde zu legen und an Auszubildende in Teilzeit ein Ausbildungsentgelt nur in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil ihrer Ausbildungszeit an der eines vergleichbaren Auszubildenden in Vollzeit entspricht. Dieses Normverständnis vermeidet eine Schlechterstellung von Vollzeitauszubildenden gegenüber Teilzeitauszubildenden sowie Verzerrungen und Zufallsergebnisse bei der Bemessung des Ausbildungsentgelts, die mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar wären. Bliebe die vereinbarte wöchentliche Ausbildungszeit unberücksichtigt, führte dies dazu, dass der von Auszubildenden geleistete Beitrag zur betrieblichen Wertschöpfung, den das Ausbildungsentgelt ua. honorieren soll (vgl. zu § 17 Abs. 1 BBiG aF: BAG 16. Mai 2017 - 9 AZR 377/16 - Rn. 13; 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - Rn. 15; 17. März 2015 - 9 AZR 732/13 - Rn. 13 mwN), nicht einheitlich bewertet würde, denn die "Entlohnung" der Leistungen des Auszubildenden je Zeiteinheit würde umso höher ausfallen, je geringer der Umfang der individuell vereinbarten Ausbildungszeit ist. Dieses Ergebnis wäre unter keinem Gesichtspunkt sachlich zu rechtfertigen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien bei einem ungleichen Umfang der Ausbildungszeit die gleiche Vergütung vorsehen wollten.

c) Auszubildende in Teilzeit werden gegenüber vergleichbaren Auszubildenden in Vollzeit auch nicht dadurch unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt, dass § 8 Abs. 1 TVAöD - BT iVm. § 8 Abs. 4 TVAöD - BT bei der Ermittlung der Höhe der Ausbildungsvergütung außer Betracht lässt, dass Teilzeitauszubildende im gleichen zeitlichen Umfang wie Vollzeitauszubildende zur Teilnahme am Berufsschulunterricht verpflichtet sind. § 8 Abs. 1 TVAöD - BT beachtet die den Tarifvertragsparteien durch Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen (vgl. hierzu Rn. 30 sowie im Einzelnen BAG 29. September 2020 - 9 AZR 364/19 - Rn. 47). Die aus der Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule resultierende faktische Mehrbelastung von Teilzeitauszubildenden beruht nicht auf dem vertraglichen Rechtsverhältnis von Ausbildendem und Auszubildenden. Sie ist deshalb bei der Bemessung des Ausbildungsentgelts nach § 8 Abs. 1 TVAöD - BT nicht vergütungserhöhend zu berücksichtigen.

aa) Gemäß § 8 Abs. 4 TVAöD - BT gilt für die Höhe des Ausbildungsentgelts der Zeitraum, um den die Ausbildungszeit wegen des Besuchs einer berufsbildenden Schule verkürzt wird, als abgeleistete Ausbildungszeit. Danach besteht für Auszubildende, wenn sie von der betrieblichen Ausbildung freigestellt sind, um ihnen die Teilnahme am Berufsschulunterricht zu ermöglichen, allein ein Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung. Darüberhinausgehende Zeiten des Berufsschulunterrichts bleiben bei der Bemessung der Ausbildungsvergütung außer Betracht. § 8 Abs. 4 TVAöD - BT vollzieht damit die Regelungen des Berufsausbildungsgesetzes in §§ 15, 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG in der am 1. April 2005 in Kraft getretenen, bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931; im Folgenden aF) nach, die vorsehen, dass Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen freizustellen sind und ihnen die Vergütung für die Zeit der Freistellung fortzuzahlen ist.

bb) Das Berufsbildungsgesetz geht bei der rechtlichen Ordnung der Berufsausbildung von einem dualen System aus, das durch ein Zusammenwirken von betrieblicher und schulischer Ausbildung gekennzeichnet ist (vgl. BAG 17. März 1982 - 5 AZR 818/79 - zu II 2 der Gründe, BAGE 38, 182). Die Tarifvertragsparteien des TVAöD - BBiG haben sich, wie ua. die Regelungen in § 7 Abs. 3 und Abs. 4 TVAöD - BT sowie § 8 Abs. 4 TVAöD - BT belegen, an der dualen Grundstruktur der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz orientiert.

cc) Für die Annahme, die Tarifvertragsparteien seien verpflichtet, die Mehrbelastung von Teilzeitauszubildenden durch den Besuch der Berufsschule bei der Bemessung des Ausbildungsentgelts zu berücksichtigen, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Der Unterricht in den berufsbildenden Schulen vollzieht sich außerhalb des (privatrechtlichen) Ausbildungsverhältnisses. Die schulische und die praktische Berufsausbildung im dualen System sind selbständige Bereiche (vgl. BAG 26. September 2002 - 6 AZR 486/00 - zu 2 b cc der Gründe, BAGE 103, 41). Die schulische Ausbildung erfolgt neben der betrieblichen Ausbildung. Besucht der Auszubildende die Berufsschule, ist der schulische und nicht der betriebliche Bereich der Berufsausbildung betroffen (vgl. BAG 25. Juli 2002 - 6 AZR 381/00 - zu B I 2 c bb der Gründe). Die Ausbildung in den berufsbildenden Schulen regeln die Schulgesetze der Länder und nicht das Berufsbildungsgesetz (vgl. § 3 Abs. 1 BBiG aF). Der Ausbildende hat auf deren Inhalt und Umfang keinen Einfluss. Sie ist von ihm nicht veranlasst (vgl. zu § 10 Abs. 3 TVAöD - BT BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 936/07 - Rn. 16, 27, BAGE 133, 62).

(1) Der Ausbildende hat den Auszubildenden zwar zum Besuch der Berufsschule anzuhalten und ihn für den Unterricht freizustellen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1 BBiG aF). Vergütungspflichten, die über die in § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG aF geregelte Entgeltfortzahlung hinausgehen, treffen ihn in Bezug auf die schulische Ausbildung jedoch nicht. Die gesetzliche Verpflichtung des Ausbilders zur Fortzahlung der Vergütung für Zeiten, in denen die betriebliche Ausbildung wegen Freistellung zur Teilnahme am Berufsschulunterricht ausfällt (§§ 15, 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG aF) soll Auszubildende (allein) davor schützen, dass ihnen durch die Teilnahme am Berufsschulunterricht Entgelteinbußen im Rahmen des (privatrechtlichen) Ausbildungsverhältnisses entstehen.

(2) § 8 Abs. 4 TVAöD - BT führt auch nicht zu einer gleichheitswidrigen Überkompensation (vgl. hierzu BAG 20. September 2017 - 10 AZR 610/15 - Rn. 20; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 25 mwN, BAGE 149, 69; 13. April 2011 - 10 AZR 88/10 - Rn. 23 mwN, BAGE 137, 339) der Belastungen, die Auszubildenden in Vollzeit durch die schulische Ausbildung entstehen, weil an diese das Ausbildungsentgelt in voller Höhe der in § 8 Abs. 1 TVAöD - BT angegebenen Entgeltbeträge fortgezahlt wird. § 8 Abs. 4 TVAöD - BT beschränkt die Freistellung von der betrieblichen Ausbildung zur Teilnahme am Berufsschulunterricht und die für diesen Zeitraum zu leistende Entgeltfortzahlung - wie die gesetzliche Regelung in §§ 15, 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG aF - auf die Ausfallzeiten, die durch die schulische Ausbildung verursacht sind. Sie umfassen notwendigerweise Zeiträume, in denen der Auszubildende zwar nicht am Berufsschulunterricht teilnehmen muss, aber wegen des Schulbesuchs aus tatsächlichen Gründen gehindert ist, im Ausbildungsbetrieb an der betrieblichen Ausbildung teilzunehmen. Dies betrifft insbesondere die Zeiten des notwendigen Verbleibs an der Berufsschule während der unterrichtsfreien Zeit und die notwendigen Wegezeiten zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb (vgl. BAG 26. März 2001 - 5 AZR 413/99 - zu II 3 und 4 der Gründe).

d) Das Fehlen einer § 24 Abs. 2 TVöD entsprechenden Reglung im TVAöD - BBiG steht einer am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG orientierten Auslegung des § 8 Abs. 1 TVAöD - BT nicht entgegen. Nach § 24 Abs. 2 TVöD erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Es kann dahinstehen, ob diese Bestimmung zur Auslegung von § 8 Abs. 1 TVAöD - BT herangezogen werden kann. § 24 Abs. 2 TVöD ordnet lediglich eine Gleichbehandlung von teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern beim Arbeitsentgelt nach Maßgabe des in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gesetzlich normierten sog. Pro-rata-temporis-Grundsatzes an (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 638/07 - Rn. 14) und konkretisiert damit insoweit das in § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG geregelte allgemeine Verbot der Diskriminierung von in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern (BAG 22. Oktober 2019 - 9 AZR 71/19 - Rn. 32 mwN). Gleichzeitig normiert die Bestimmung den im Arbeitsrecht ohnehin geltenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. ErfK/Preis 21. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 8), der als privatrechtliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Schaub ArbR-HdB/Linck 18. Aufl. § 112 Rn. 1) inhaltlich durch Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird (BAG 19. September 2017 - 9 AZR 36/17 - Rn. 25). § 1 Abs. 3 TVAöD - AT ordnet an, dass die jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gelten, soweit der Tarifvertrag nichts Abweichendes regelt. Zu diesen gesetzlichen Vorschriften gehört auch Art. 3 Abs. 1 GG. Einer ausdrücklichen Umrechnungsanordnung im Tarifvertrag bedurfte es deshalb nicht.

e) Die Bemessung der Ausbildungsvergütung gemäß § 8 Abs. 1 TVAöD - BT nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz steht im Einklang mit § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF.

aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender von den Vorschriften des zweiten Teils des Berufsbildungsgesetzes abweicht, ist nach § 25 BBiG aF nichtig. Ausnahmen hiervon sieht das BBiG nicht vor. Abweichungen von § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF zuungunsten des Auszubildenden sind daher auch dann unzulässig, wenn sie in Tarifverträgen vereinbart werden (vgl. Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 18. Aufl. § 174 Rn. 1).

bb) § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF verlangt auch unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte nicht, dass Teilzeitauszubildende eine Ausbildungsvergütung in derselben Höhe erhalten wie Vollzeitauszubildende.

(1) Das Berufsbildungsgesetz aF bestimmt - im Gegensatz zu § 17Abs. 5 BBiG in der am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Gesetzes vom 4. Mai 2020 - weder in § 17 BBiG aF noch an anderer Stelle, wie die angemessene Vergütung von Auszubildenden zu bemessen ist, deren wöchentliche Ausbildungszeit im Vergleich zu Vollzeitauszubildenden verkürzt ist. Für die Beurteilung der Angemessenheit der an Auszubildende in Teilzeit zu zahlenden Ausbildungsvergütung gelten damit die allgemeinen Grundsätze des § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF.

(2) Mit § 8 Abs. 1 Satz 2 BBiG aF sah das Berufsausbildungsgesetz erstmals eine Ausbildung in Teilzeit vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte damit Ausbildungswilligen, die sich - zB wegen der Betreuung eines eigenen Kindes oder eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen - in einer besonderen Lebenslage befinden, eine Berufsausbildung ermöglicht werden (vgl. BT - Drs. 15/4752 S. 35; vgl. auch zur Neufassung des BBiG BT - Drs. 19/10815 S. 55). Anhaltspunkte dafür, dass mit § 8 Abs. 1 Satz 2 BBiG aF gleichzeitig die Vergütung von Auszubildenden in Teilzeit dergestalt geregelt werden sollte, dass die von Auszubildenden in Vollzeit nicht unterschritten werden darf, ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck noch aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte des Berufsbildungsgesetzes in der Fassung vom 23. März 2005 (aA Hergenröder in Benecke/Hergenröder BBiG 1. Aufl. § 8 Rn. 15; vgl. zum Streitstand auch Malottke ZRP 2019, 142, 144 mwN). Im Gegenteil spricht § 17 Abs. 3 BBiG aF dafür, dass nach der Intention des Gesetzgebers die Höhe der Ausbildungsvergütung von Vollzeitauszubildenden und von Teilzeitauszubildenden - vorbehaltlich zulässiger abweichender vertraglicher oder kollektiver Vereinbarungen - regelmäßig unter Berücksichtigung der Anzahl der wöchentlichen Ausbildungsstunden zu bestimmen ist. Nach § 17 Abs. 3 BBiG aF ist eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch die Gewährung entsprechender Freizeit auszugleichen. Verlangte das Gesetz, an Vollzeit- und Teilzeitausbildende die gleiche Ausbildungsvergütung zu zahlen, hätte dies zur Folge, dass die Ausbildungsvergütung von Teilzeitauszubildenden, wenn sie über die vertraglich vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinaus, aber in geringem Umfang als Vollzeit (39 Wochenstunden) beschäftigt werden, nicht nur die gleiche Ausbildungsvergütung wie Auszubildende in Vollzeit erhielten, sondern - trotz einer (immer noch) unterhalb von 39 Wochenstunden liegenden Beschäftigungszeit - neben der Ausbildungsvergütung nach § 17Abs. 1 Satz 1 BBiG aF eine zusätzliche Vergütung iSv. § 17 Abs. 3 BBiG aF und damit eine höhere (Gesamt)Ausbildungsvergütung als Vollzeitauszubildende. Diese würde zudem umso höher ausfallen, je geringer der Umfang des wöchentlichen Ausbildungsvolumens nach der Teilzeitabrede ist. Von einer derartigen Regelungsabsicht des Gesetzgebers kann nicht ausgegangen werden.

(3) Einer Bestimmung der Höhe der Ausbildungsvergütung in Abhängigkeit von der Anzahl der wöchentlichen Ausbildungsstunden steht Sinn und Zweck der Ausbildungsvergütung nach § 17 Abs. 1 BBiG aF nicht entgegen. Die Ausbildungsvergütung hat danach regelmäßig drei Funktionen. Sie soll Auszubildende und ihre unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen Auszubildender in gewissem Umfang "entlohnen". Bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung sind alle drei Funktionen zu berücksichtigen (st. Rspr., zuletzt BAG 16. Mai 2017 - 9 AZR 377/16 - Rn. 13; 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - Rn. 15; 17. März 2015 - 9 AZR 732/13 - Rn. 13 mwN). Von einer den Vorgaben des § 17 Abs. 1 BBiG aF entsprechenden Berücksichtigung des Zwecks der Ausbildungsvergütung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn ihre drei Funktionen bei der Bemessung gleichrangig gewichtet werden, und die je Zeiteinheit zu zahlende Ausbildungsvergütung angemessen ist. Diesen Anforderungen genügt die ratierliche Kürzung der in § 8 Abs. 1 TVAöD - BT genannten Entgeltbeträge unter Berücksichtigung der mit Auszubildenden in Teilzeit vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Ausbildungszeit. Sie führt zu einer gleichrangigen Gewichtung der Funktionen der Ausbildungsvergütung. Das bei einer Kürzung nach § 8 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT Teilzeitauszubildenden verbleibende Ausbildungsentgelt ist auch angemessen iSv. § 17 Abs. 1 BBiG aF.

(a) § 17 Abs. 1 BBiG aF ist eine Rahmenvorschrift. Die Bestimmung legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest (BAG 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - Rn. 12; 22. Januar 2008 - 9 AZR 999/06 - Rn. 32, BAGE 125, 285; vgl. auch BT-Drs. V/4260 S. 9). Den Tarifvertragsparteien steht als selbstständigen Grundrechtsträgern bei der Festsetzung des Ausbildungsentgelts aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. hierzu BAG 29. September 2020 - 9 AZR 364/19 - Rn. 47 mwN). Diesen Spielraum haben die Tarifvertragsparteien des TVAöD - BBiG gewahrt. Das Landesarbeitsgericht lässt bei der Bewertung, das proportional zur verkürzten Ausbildungszeit verringerte tarifliche Ausbildungsentgelt von Teilzeitauszubildenden sei unangemessen niedrig, außer Acht, dass Tarifnormen als Ergebnisse kollektiv ausgehandelter Tarifvereinbarungen die Vermutung der Angemessenheit für sich haben. Für die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags ist zu vermuten, dass die divergierenden Interessen angemessen ausgeglichen werden (vgl. BAG 7. Juli 2020 - 9 AZR 323/19 - Rn. 22; 3. Juli 2019 - 10 AZR 300/18 - Rn. 15; 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 29, BAGE 148, 139). Eine tarifliche Ausbildungsvergütung gilt deshalb, wenn das Ausbildungsverhältnis, in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt und dieser für den Ausbildenden gelten würde, wenn er gemäß § 3TVG tarifgebunden wäre, stets als angemessen (BAG 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - aaO; 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 11 mwN).

(b) Unabhängig davon gibt es keinerlei Anhaltspunkte, die gegen die Angemessenheit des an Teilzeitauszubildende nach § 8 Abs. 1 TVAöD - BT zu zahlenden Ausbildungsentgelts iSv. § 17 Abs. 1 BBiG aF sprechen. Das ratierlich gekürzte Ausbildungsentgelt ist - entgegen dem Einwand des Klägers - geeignet Auszubildende und ihre unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung hinreichend finanziell zu unterstützen. Es leistet einen erheblichen Beitrag zum Lebensunterhalt Auszubildender, wenn die Ausbildung in Teilzeit - wie es die nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 BBiG aF erforderliche Zustimmung der zuständigen Stelle zur Verkürzung der Ausbildungszeit voraussetzte - mit einer orientiert am Ausbildungsziel sinnvoll verkürzten wöchentlichen Ausbildungsbildungszeit (vgl. hierzu Hergenröder in Benecke/Hergenröder BBiG 1. Aufl. § 8 Rn. 13; zur Neufassung des BBiG: Hergenröder in Benecke/Hergenröder BBiG 2. Aufl. § 7a Rn. 2) absolviert wird. Im Gegensatz zu den Leistungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), die sich mit den in §§ 12 ff. BAföG aF festgelegten Sätzen an dem Bedarf des Auszubildenden orientieren und dementsprechend für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet werden (§ 11 Abs. 1 BAföG aF), hat die Ausbildungsvergütung nach § 17 Abs. 1 BBiG aF nur eine Unterstützungsfunktion. Sie soll den Bedarf nicht vollständig decken (vgl. BAG 17. März 2015 - 9 AZR 732/13 - Rn. 21). Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz können deshalb nur in Sonderkonstellationen, in denen ein Rückgriff auf tarifliche Regelungen ausscheidet, zur Beurteilung der Frage, ob die vereinbarte Ausbildungsvergütung, wenn sie deutlich unterhalb des Regelsatzes nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BAföG aF liegt, (noch) einen erheblichen Beitrag zum Lebensunterhalt darstellt, als ergänzende Orientierungshilfe herangezogen werden (vgl. zur Bewertung außertariflicher Abreden in Sonderfällen BAG 17. März 2015 - 9 AZR 732/13 - Rn. 15).

f) Soweit das Landesarbeitsgericht auf die Tarifgeschichte abstellt, rechtfertigt auch dies keine andere Auslegung von § 8 Abs. 1 TVAöD - BT. Die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags ist nur ergänzend heranzuziehen, wenn die Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Gesamtzusammenhang der Tarifvorschrift nicht zu einem zweifelsfreien Auslegungsergebnis führt (BAG 10. März 2020 - 9 AZR 109/19 - Rn. 18). Wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse Dritter, die an den Tarifvertragsverhandlungen nicht beteiligt waren, kann der Wille der Tarifvertragsparteien im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur ausnahmsweise dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 22, BAGE 150, 184). Das ist hier nicht der Fall. Der in § 8 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 Satz 1 TVAöD - BT zum Ausdruck kommende Wille der Tarifvertragsparteien lässt eine zweifelsfreie Auslegung zu.

III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil die für eine Endentscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen sind. Die Klage unterliegt danach insgesamt der Abweisung.

1. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin gemäß § 8 TVAöD - BT auf Zahlung des tariflichen Ausbildungsentgelts, berechnet auf Basis einer von 39 Stunden auf 30 Stunden verkürzten wöchentlichen Ausbildungszeit, für die Monate November 2017 bis Februar 2019 erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Dies steht zwischen den Parteien außer Streit.

2. Die Klage ist schließlich nicht begründet, soweit die Klägerin die Klageforderung hilfsweise auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützt.

a) Der Senat hat über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch zu entscheiden. Einer Anschlussrevision der Klägerin bedurfte es nicht. Ein in der Vorinstanz hilfsweise für den Fall des Unterliegens zur Entscheidung gestelltes Klagebegehren, über das nicht entschieden werden musste, fällt in der Revisionsinstanz allein dadurch an, dass der Beklagte Revision einlegt (vgl. BAG 15. Juli 2020 - 10 AZR 507/18 - Rn. 51; 24. Oktober 2019 - 2 AZR 101/18 - Rn. 24). Die Bedingung, unter der über das Hilfsbegehren zu entscheiden ist, ist aufgrund der abschließenden - abweisenden - Entscheidung des Senats über die tariflichen Ansprüche der Klägerin eingetreten.

b) Ein Anspruch der Klägerin auf Differenzvergütung folgt bereits deshalb nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Dieser ist ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, das verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift dieser Grundsatz nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch ein gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2020 - 5 AZR 57/20 - Rn. 33; 14. März 2019 - 6 AZR 171/18 - Rn. 45 mwN, BAGE 166, 120). Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Höhe des der Klägerin zustehenden Ausbildungsentgelts nicht auf Basis eines von ihr geschaffenen Regelwerks, sondern allein auf tariflicher Grundlage ermittelt und entsprechende Zahlungen geleistet. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.



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