Bundesarbeitsgericht
Urteil vom - Az: 9 AZR 272/22
Arbeitszeugnis: Vorherige Dankes- und Wunschformel darf nach Berichtigung nicht verweigert werden
(Redaktioneller Orientierungssatz)
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte die Klägerin nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis erhalten, welches am Ende eine Dankes- und Wunschformel enthielt. Als die Klägerin Änderungen an bestimmten Formulierungen innerhalb des Arbeitszeugnisses verlangte, erhielt sie zunächst eine überarbeitete Ausfertigung, mit der sie nicht einverstanden war. Die dritte Ausfertigung enthielt schließlich die gewünschten Änderungen, jedoch hatte die beklagte Arbeitgeberin die Dankes- und Wunschformel entfernt. Die Klägerin klagte dagegen und war der Ansicht, dass die Beklagte verpflichtet sei, ein Arbeitszeugnis auszustellen, das weiterhin die ursprüngliche Schlussformel enthält. Das Weglassen dieser Formel verstoße gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot – so die Klägerin.
Dagegen berief sich die Beklagte auf den Grundsatz der Zeugniswahrheit, wonach die Schlussformel nicht weiterverwendet werden müsse, wenn sich ihr "subjektives Empfinden" nach der Zeugniserteilung geändert habe. Zudem gelte das Maßregelungsverbot nur im laufenden Arbeitsverhältnis und nicht für Sachverhalte nach dessen Beendigung. Diese Auffassung teilte das BAG nicht. Auch wenn kein Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel besteht, sei es dennoch ein Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, die einmal ausgesprochene Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel in einem neuen Arbeitszeugnis zu entfernen. Das BAG unterstrich dabei, dass das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin fortbestehe. Dieses Verbot diene gerade dazu, die Willensfreiheit der Arbeitnehmer zu schützen, damit sie ihre Rechte, einschließlich der Korrektur des Zeugnisses, ohne mögliche Nachteile seitens des Arbeitgebers fürchten zu müssen. Die Entfernung der ursprünglichen Schlussformel, die die Chancen eines Arbeitnehmers im Bewerbungsprozess erhöht, werde als Abwertung des Arbeitszeugnisses betrachtet und stellt somit einen Nachteil dar, der vom Maßregelungsverbot erfasst werde.
(Redaktionelle Zusammenfassung)
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. Juli 2022 - 10 Sa 1217/21 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, das ihr erteilte Arbeitszeugnis abzuändern.
Die Beklagte beschäftigte die Klägerin vom 15. August 2017 bis zum 28. Februar 2021 zunächst als "Persönliche Assistentin der Geschäftsführung" und zuletzt als "Managerin of Administration and Central Services". Im März 2021 erteilte sie der Klägerin ein Arbeitszeugnis mit Datum vom 28. Februar 2021 ("erstes Arbeitszeugnis"). Der letzte Absatz des Zeugnisses lautet:
"Frau D verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg."
Unter dem 8. April 2021 forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Arbeitszeugnis zu korrigieren und dabei ihr Arbeits- und Sozialverhalten besser zu bewerten. Das daraufhin geänderte Arbeitszeugnis ("zweites Arbeitszeugnis") enthält den folgenden Satz:
"Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität ..."
Mit Schreiben vom 25. Mai 2021 beanstandete die Klägerin diese Passage mit der Begründung, die positive Aussage werde durch die Verwendung des Wortes "insgesamt" unzulässig eingeschränkt. Darüber hinaus verlangte sie unter Fristsetzung weitere Korrekturen. Die Beklagte änderte das Arbeitszeugnis ein zweites Mal ("drittes Arbeitszeugnis"), das danach wie folgt endet:
"Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. ...
Frau D verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch."
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel enthalte. Mit der Erteilung des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses habe sich die Beklagte diesbezüglich gebunden. Mit ihrer Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis entsprechend zu korrigieren, verstoße sie gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.
Die Klägerin hat beantragt,
ihr Zug um Zug gegen Herausgabe der drei bereits erteilten Zeugnisse vom 28. Februar 2021 ein Zeugnis mit dem folgenden Inhalt zu erteilen:
"Arbeitszeugnis
Frau D, geboren 1993, ist seit dem 15.08.2017 als Persönliche Assistentin der Geschäftsführung für unser Unternehmen tätig gewesen. Auf Grund sehr guter Leistungen war Frau D im Zeitraum 01.10.2019 bis zum 28.02.2021 als Managerin of Administration and Central Services tätig.
Die H GmbH verwaltet die H Gruppe, welche sich aus 10 Fitnessstudios in B und Umgebung zusammensetzt. Hierzu zählen die Konzepte H, V und M.
Der Wirkungs- und Verantwortungsbereich von Frau D umfasste im Wesentlichen die eigenverantwortliche und selbstständige Erledigung folgender Aufgaben:
Assistenztätigkeit
- Ansprechpartnerin für Geschäftspartner und Mitarbeiter
- Allgemeine Korrespondenz und Terminmanagement
- Verwaltung und Bearbeitung von eingehenden Rechtsfällen
- Koordination und Administration von Aufgaben im Rahmen der Eröffnung neuer Fitnessstudios
- Allgemeines Vertragswesen
- Bearbeitung des Posteingangs
- Protokollantin während Führungskräfte-Meetings
- Empfangen von Besuchern
- Nachbereitung von Vereinbarungen
- Planung von Veranstaltungen
- Vorbereitung von Schulungen
In Vertretung / Personalwesen
- Bearbeitung des Karriere-Postfachs
- Erstellung und Veröffentlichung von Stellenanzeigen
- Bearbeitung von Urlaubsanträgen und Krankmeldungen
- Terminkoordination von Bewerbungsgesprächen
- Korrespondenz mit den Universitäten und Ausbildungsinstitutionen
- Erstellung von folgenden Schriftstücken:
•
Arbeits- und Ausbildungsverträge
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Nachträge
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Kündigungen
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Abmahnungen
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Arbeitszeugnisse
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Arbeitsbescheinigungen
- Pflege der Organigramme
- Korrespondenz mit Personalvermittlungsagenturen & dem Jobcenter
- Rechtsfälle Personal
- Nachkontrolle der Aushilfen-Abrechnungen
In Vertretung / Vertragswesen
- Bearbeitung und Prüfung von Leasingangeboten
- Korrespondenz mit Leasinggebern
- Überprüfung gestellter Rechnungen zu den Leasingobjekten
- Bearbeitung von Kündigungen und Übernahme der Leasingobjekte
- Versicherungen der PKWs und Studios
- Betreuung des Fuhrparks (TÜV, Reparaturen, Instandhaltung)
Frau D verfügt über ein äußerst umfassendes und hervorragendes Fachwissen, das sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben stets sehr sicher und erfolgreich einsetzte. Daher war sie in unserem Hause ein allseits geschätzter Ansprechpartner bei allen fachlichen Problemstellungen.
Durch ihre schnelle Auffassungsgabe hat sie sich innerhalb kürzester Zeit in den ihr gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und mit höchstem Erfolg. Frau D war äußerst zuverlässig und ihr Arbeitsstil war stets geprägt durch sehr sorgfältige Planung und Systematik. Ihre Arbeitsergebnisse waren, auch bei wechselnden Anforderungen und unter sehr schwierigen Bedingungen, stets von sehr guter Qualität.
Selbst unter sehr starker Belastung bewältigte sie alle Aufgaben mit äußerster Sorgfalt sowie in allerbester Weise und war jederzeit bereit, auch zusätzliche Verantwortung zu übernehmen. Qualität und Quantität der Arbeit von Frau D waren jederzeit sehr gut. Fristen und vorgegebene Termine kontrollierte sie absolut selbstständig und hielt diese auch unter schwierigsten Bedingungen ein.
Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. Gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden verhielt Frau D sich stets vorbildlich. Sie trug zu einer hervorragenden und effizienten Teamarbeit bei.
Frau D verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.
Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.
B, den 28.02.2021
H GmbHC HGesellschafter Geschäftsführer"
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, das Maßregelungsverbot binde den Arbeitgeber lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis, gelte aber nicht für Sachverhalte nach dessen Beendigung. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel gehabt, weil darin lediglich subjektive Empfindungen zum Ausdruck kämen. Daher könne sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlangen. Im Übrigen schließe der Grundsatz der Zeugniswahrheit die Aufnahme derartiger Schlusssätze aus, wenn sich das subjektive Empfinden des Arbeitgebers nach der Erteilung eines Arbeitszeugnisses geändert habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.
Gründe
Der Senat hatte über die Revision der in der Revisionsverhandlung säumigen Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist gemäß § 612a BGB verpflichtet, der Klägerin das Arbeitszeugnis unter Einschluss der begehrten Schlusssätze zu erteilen. Mit ihrer Weigerung, das Zeugnis mit einer sog. Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel zu versehen, verstößt sie gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.
I. Der Senat hatte durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
1. Eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) kam nicht in Betracht. Dem stehen § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, da in der Revisionsinstanz bisher keine zweiseitige mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 796/06 - Rn. 10, BAGE 123, 301).
2. Das Versäumnisurteil beruht nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer sachlichen Prüfung der Klage. Das Urteil wäre inhaltlich ebenso ergangen, wenn die Beklagte nicht säumig gewesen wäre, sondern eine zweiseitige streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Ein Versäumnisurteil setzt begrifflich zwar voraus, dass es gegen die säumige Partei ergeht, aber nicht auch, dass es inhaltlich auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 6 AZR 465/12 - Rn. 15).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten ein Arbeitszeugnis mit den von ihr begehrten Schlusssätzen verlangen kann: "Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg." Diese Sätze schließen das erste und das von der Beklagten geänderte zweite Arbeitszeugnis ab. Mit der Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis mit einer entsprechenden Formel zu versehen, verstößt die Beklagte gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB).
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass ein Arbeitnehmer aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO, der den Arbeitgeber zu einer Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers verpflichtet, keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten kann. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen es nicht, die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO über ihren Wortlaut hinaus auszulegen (vgl. im Einzelnen BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 12 ff.).
2. Auch das in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer über den von ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO geschuldeten Zeugnisinhalt hinaus Dank zu bezeugen und Wünsche für dessen berufliche Zukunft zu formulieren. Die Regelungen zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO sind abschließend (BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 21 ff.).
3. Die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, es sei der Beklagten verwehrt, in dem dritten Arbeitszeugnis von den Schlusssätzen des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses abzuweichen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Verpflichtung zur Änderung des Zeugnisses vorliegend aus dem Verbot der Maßregelung (§ 612a BGB) folgt.
a) Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot schützt die Willensfreiheit des Arbeitnehmers (vgl. BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 347/88 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 61, 151). Dieser soll ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber entscheiden dürfen, ob er die zustehenden Rechte in Anspruch nimmt oder davon absieht. Hat der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot verletzt, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Dabei hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er ohne die Maßregelung stände (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 685/08 - Rn. 40).
b) Die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers ist zwar bei der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, gibt ihm aber nicht das Recht, die berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen, das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. Die Norm des § 612aBGB regelt einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (vgl. BAG 27. September 2022 - 2 AZR 5/22 - Rn. 14). Weder die Rechtsordnung im Allgemeinen noch die auf Seiten des Arbeitgebers zu berücksichtigenden Grundrechte der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12Abs. 1 GG) schützen sittenwidriges Verhalten im Rechtsverkehr.
aa) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Grundrechte gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet. Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 13).
bb) Bei der Beurteilung, ob der Arbeitgeber durch ein vorheriges Verhalten derart gebunden ist, dass er die Formulierung einer gegebenenfalls auf die Gesamtnote abgestimmten Schlussformel schuldet, sind auf Seiten des Arbeitsgebers die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit und auf Seiten des Arbeitnehmers dessen Berufsausübungsfreit (Art. 12 Abs. 1 GG) und - gegebenenfalls - das aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen.
cc) Das Interesse des Arbeitnehmers, ohne Angst vor einer Maßregelung seitens des Arbeitgebers die ihm zustehenden Rechte dem Arbeitgeber gegenüber in zulässiger Weise geltend zu machen, ist unter dem Gesichtspunkt des Maßregelungsverbots grundsätzlich höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitgebers, den von ihm zuvor selbst gestalteten Zeugnisinhalt in Reaktion auf ein rechtmäßiges Verhalten des Arbeitnehmers grundlos nachträglich zu ändern. Ein Festhalten an dem von ihm selbst erstellten Zeugnis ist einem Arbeitgeber nur dann nicht zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abweichen als angemessen erscheinen lassen. Dies gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen er mit dem zu beurteilenden Arbeitnehmer eng zusammengearbeitet hat.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anwendungsbereich des Maßregelungsverbots nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern auch nach dessen Beendigung eröffnet, insbesondere im Bereich des Zeugnisrechts. Ähnlich wie das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB (vgl. dazu BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 23), kann auch die Bestimmung des § 612a BGB nachvertragliche Wirkungen zeitigen. So hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, das Maßregelungsverbot hindere den Arbeitgeber daran, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Arbeitszeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern (vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 3 der Gründe, BAGE 115, 130; siehe ferner BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 114, 320).
d) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612a BGB liegen im Streitfall vor. Die Beklagte hat die Klägerin, die ihren Anspruch auf Berichtigung der ihr erteilten Arbeitszeugnisse in zulässiger Weise verfolgt hat, gemaßregelt, indem sie darauf verzichtet hat, in das dritte Arbeitszeugnis die zuvor verwendete Dankes- und Wunschformel aufzunehmen.
aa) Die Klägerin hat mit dem an die Beklagte herangetragenen Wunsch, das zweite Arbeitszeugnis zu korrigieren, in zulässiger Weise von ihrem Recht auf Zeugniserteilung Gebrauch gemacht.
(1) Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis iSd. § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen (vgl. BAG 27. April 2021 - 9 AZR 262/20 - Rn. 14, BAGE 174, 372).
(2) In dem zweiten Arbeitszeugnis beschrieb die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit dem Satz: "Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität ...". Diese Beschreibung bleibt hinter der letztlich von der Beklagten erteilten Schlussbewertung ("Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt ...") zurück. Aus der Verwendung des Adverbs "insgesamt" muss der verständige Leser des Zeugnisses schließen, dass die Klägerin ihre Aufgaben nicht durchgehend "zur vollsten Zufriedenheit" der Beklagten versah.
bb) Mit der Änderung der Schlussformel in dem dritten Arbeitszeugnis hat die Beklagte der Klägerin einen Nachteil zugefügt. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
(1) § 612a BGB schützt den Arbeitnehmer gegen eine Benachteiligung seitens des Arbeitgebers. Eine Benachteiligung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, sich also seine Situation nach der Vereinbarung oder Maßnahme durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Situation, wie sie zuvor bestand, verschlechtert hat (vgl. BeckOK ArbR/Joussen Stand 1. Juni 2023 BGB § 612a Rn. 8). Der Nachteil, der rechtlicher oder faktischer Natur sein kann, ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen; das rein subjektive Empfinden des Arbeitnehmers, einen Nachteil zu erleiden, reicht nicht aus. Dabei schützt § 612a BGB den Arbeitnehmer nicht nur vor dem Entzug eines Vorteils, auf den er einen Anspruch hat. Der Normzweck der Vorschrift, die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung der ihm zustehenden Rechte gegenüber dem Arbeitgeber zu schützen, kommt auch im Bereich freiwilliger Leistungen zum Tragen (vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (1) der Gründe, BAGE 103, 265; 12. Juni 2002 - 10 AZR 340/01 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 101, 312; 28. Juli 1992 - 1 AZR 87/92 - zu II 2 und 3 der Gründe). Diesen freiwilligen Leistungen ist die Erteilung eines Arbeitszeugnisses, das eine Dankes- und Wunschformel enthält, gleichzustellen.
(2) Indem die Beklagte die Schlusssätze: "Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.", die sie sowohl dem ersten als auch dem zweiten Arbeitszeugnis beifügte, im dritten Arbeitszeugnis wegließ, erlitt die Klägerin einen faktischen Nachteil iSd. § 612a BGB. Ihre Situation hat sich unabhängig davon objektiv verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf ein Zeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel hatte. Denn Schlusssätze, mit denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für seine Mitarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht, sind geeignet, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen (vgl. BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 17). Ein Zeugnis wird durch solche Schlusssätze aufgewertet (vgl. BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 12, BAGE 144, 103).
cc) Ohne Rechtsfehler ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Änderungswunsch der Klägerin und das Weglassen der Schlusssätze seien ursächlich miteinander verknüpft.
(1) Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setzt voraus, dass die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund (vgl. BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 42, BAGE 160, 296), dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist (vgl. BAG 27. September 2022 - 2 AZR 5/22 - Rn. 15). Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (vgl. BAG 20. Mai 2021 - 2 AZR 560/20 - Rn. 26). Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 229/21 - Rn. 28).
(2) Der klagende Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären (BAG 18. November 2021 - 2 AZR 229/21 - Rn. 28).
(3) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihres wiederholten Wunsches, die von ihr zuvor erteilten Arbeitszeugnisse zu ändern, sanktioniert, ist vom Senat nur eingeschränkt zu überprüfen. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts, die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers sei für die benachteiligende Maßnahme des Arbeitgebers kausal, kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 42, BAGE 160, 296).
(4) Danach revisible Rechtsfehler werden von der Beklagten nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe ihre zweimaligen Beanstandungen zum Anlass genommen, die ursprünglich beigefügte Schlussformel im dritten Arbeitszeugnis fortzulassen. Den unmittelbaren Zusammenhang der Korrespondenz mit der Änderung des Zeugnistexts hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei zum Anlass genommen, den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Rechtsausübung der Klägerin und Maßregelung seitens der Beklagten zu bejahen. Vortrag, der diesen Zusammenhang erschüttern könnte, hat die Beklagte nicht gehalten. Insbesondere hat sie sich nicht darauf berufen, nach der Erteilung der ersten beiden Zeugnisse von Umständen erfahren zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigten.
4. Da das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Klägerin gemaßregelt, braucht der Senat vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob die Klägerin bereits unter dem - alleinigen - Gesichtspunkt der Selbstbindung der Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Zeugnisformulierung hat. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zum Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. allg. zur Selbstbindung des Arbeitgebers BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 115, 130). In gleicher Weise kann der Arbeitgeber - soweit er ursprünglich eine Schlussformel erteilt hat - an den Ausdruck persönlicher Empfindungen, wie Dank, Bedauern oder gute Wünsche für die Zukunft, gebunden sein (vgl. BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 19, BAGE 144, 103).
III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil kann die Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, einlegen.