Bundesarbeitsgericht

Urteil vom - Az: 9 AZR 162/18

Arbeitsvertragliche Verfallklausel für Mindestlohnansprüche insgesamt unwirksam

1. Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde.

2. § 3 Satz 1 MiLoG schränkt die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein.
(Leitsätze des Gerichts)


Der Kläger war beim Beklagten mit einem Stundenlohn von 11,10 € brutto und einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 1.9.2015 war u.a. geregelt worden, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht wurden. Nachdem der Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.8.2016 endete und in dem sich der Beklagte u.a. verpflichtete, das Arbeitsverhältnis bis zum 15.9.2016 ordnungsgemäß abzurechnen. In der vom Beklagten erstellten und dem Kläger am 6.10.2016 zugegangene Abrechnung für August 2016 fehlte allerdings eine Urlaubsabgeltung. Am 17.1.2017 erhob der Kläger Klage auf Urlaubsabgeltung. Der Beklagte berief sich darauf, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht habe. Das ArbG Hamburg gab der Klage statt. Das LAG Hamburg hat sie abgewiesen. Allerdings hat es die Revision zugelassen, da die Rechtsfrage der Wirksamkeit der vertraglichen Verfallklausel im Hinblick auf § 3 S. 1 MiLoG, §§ 134, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzliche Bedeutung habe. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 31. Januar 2018 - 33 Sa 17/17 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. August 2017 - 29 Ca 39/17 - wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2016.

Der Kläger war beim Beklagten seit dem 2. September 2013 beschäftigt. Er erzielte zuletzt einen Stundenlohn iHv. 11,10 Euro brutto.

In einem beim Arbeitsgericht Hamburg geführten Kündigungsrechtsstreit (- 29 Ca 315/16 -) schlossen die Parteien am 15. August 2016 einen Vergleich, der ua. regelt:

 „1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund der fristgemäßen Kündigung des Beklagten vom 24.06.2016 aus betrieblichen Gründen auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 15.08.2016. Der Beklagte leitet aus der fristlosen Kündigung vom 17.06.2016 keine Rechte mehr her. Der Kläger nimmt diesen Verzicht hiermit an.       

2. Der Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Nettobeträge - unter Berücksichtigung etwaiger auf öffentliche Träger kraft Gesetzes übergegangener und gepfändeter Ansprüche - an den Kläger zu zahlen bis zum 15.09.2016.

…           

5. Damit sind alle Ansprüche der Parteien gegeneinander aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung sowie dieser Rechtsstreit erledigt.“      

Der Beklagte übermittelte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 6. Oktober 2016 eine Abrechnung für August 2016, in der die Vergütung für 88 Stunden ausgewiesen ist, nicht jedoch die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.     

Mit seiner am 17. Januar 2017 eingegangenen, dem Beklagten am 25. Januar 2017 zugestellten Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Bedeutung - die Abgeltung von 19 Urlaubstagen aus dem Jahr 2016 begehrt, die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnten. In der Klagebegründung hat er auf einen „Arbeitsvertrag vom 01.09.2015“ Bezug genommen. Als Anlage zur Klageschrift hat der Kläger jedoch nur den befristeten Arbeitsvertrag vom 3. März 2014 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2014) vorgelegt.     

Im Arbeitsvertrag 2014 heißt es ua.:               

„§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses, Verlängerung um 18 Monate                     

… Ab 1.3.14 Verlängerung um 18 Monate.         

…                         

§ 11 Verfallfristen         

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.“          

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne vom Beklagten für 19 Urlaubstage aus dem Jahr 2016 Urlaubsabgeltung iHv. 1.687,20 Euro brutto verlangen. Der Anspruch sei nicht verfallen. Die vertragliche Ausschlussfrist sei unwirksam. Zudem habe sich der Beklagte mit Ziff. 2 des Vergleichs vom 15. August 2016 zur Urlaubsabgeltung verpflichtet und auf eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs verzichtet.       

Der Kläger hat zuletzt beantragt,            

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.687,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2016 zu zahlen.  

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, der Abgeltungsanspruch sei gemäß Ziff. 5 des Vergleichs erledigt, jedenfalls aber gemäß § 11 des Arbeitsvertrags verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision noch von Bedeutung - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage mit der Begründung, der Anspruch des Klägers sei nach § 11 Arbeitsvertrag 2014 verfallen, abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.  

Der Kläger hat erstmals mit der Revisionsbegründung den am 1. September 2015 geschlossenen unbefristeten Arbeitsvertrag (im Folgenden Arbeitsvertrag 2015) vorgelegt, der in § 11 eine mit § 11 Arbeitsvertrag 2014 wortgleiche Ausschlussfristenregelung enthält, und vorgetragen, dieser Vertrag sei zuletzt Grundlage des Arbeitsverhältnisses gewesen. Der Beklagte hat dies auf Anfrage des Senats bestätigt. Er hat die Auffassung vertreten, § 11 Arbeitsvertrag 2015 sei nach § 3 Satz 1 MiLoG nur insoweit unwirksam, als der gesetzliche Mindestlohn betroffen sei. Unabhängig davon halte die Verfallklausel einer Transparenzkontrolle stand, weil das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitsvertrag 2015 ohne Änderung der Vertragsbedingungen im Übrigen nur „verlängert“ worden sei. Dies sei kein Neuabschluss des Arbeitsvertrags.

Entscheidungsgründe  

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war daher aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Die Klage ist zulässig und begründet.

A. Der Beklagte ist gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet, an den Kläger für 19 Urlaubstage aus dem Jahr 2016, die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden können, Urlaubsabgeltung iHv. 1.687,20 Euro brutto zu zahlen. Einwendungen gegen Grund und Höhe des Anspruchs hat der Beklagte zuletzt nicht mehr geltend gemacht.

B. Der Anspruch des Klägers ist nicht nach Ziff. 5 des Prozessvergleichs vom 15. August 2016 untergegangen.

I. Welche Rechtsqualität und welche Reichweite eine Erledigungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich hat, ist durch Auslegung nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 28, BAGE 150, 355). Die Streitfrage, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 18 mwN, BAGE 151, 382; 22. Mai 2003 - 2 AZR 250/02 - zu II 3 der Gründe; 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 102, 103; 9. Oktober 1996 - 5 AZR 246/95 - zu 4 der Gründe) oder sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB BAG 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 14; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; offengelassen von BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 43; 9. Dezember 2015 - 7 AZR 117/14 - Rn. 23, BAGE 153, 365; 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 17), bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer vollen revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II. Das Landesarbeitsgericht hat den Prozessvergleich zutreffend ausgelegt, indem es angenommen hat, der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers sei nicht aufgrund Ziff. 5 des Vergleichs erloschen. Einer Auslegung der Klausel als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSd. § 397 Abs. 2 BGB steht Ziff. 2 des Vergleichs entgegen.

1. Die Parteien wollen, wenn in einem gerichtlichen Vergleich eine umfassende, sich auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erstreckende Ausgleichsklausel aufgenommen und nicht nur der Rechtsstreit erledigt wird, in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend umfassend bereinigen und alle Ansprüche erledigen (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 21, BAGE 151, 382; 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 30; 5. April 1973 - 5 AZR 574/72 -). Von einem Willen, einen umfassenden Anspruchsausschluss zu vereinbaren, kann hingegen nicht ausgegangen werden, wenn die Parteien vereinbart haben, dass neben den im Prozessvergleich ggf. ausdrücklich genannten noch weitere, nicht näher bezeichnete Ansprüche zu erfüllen sind.

2. Ziff. 5 des Vergleichs vom 15. August 2016 bezieht sich zwar - für sich betrachtet - auf „alle Ansprüche der Parteien … aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung“, zu denen auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG gehört (vgl. BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 29, BAGE 150, 207; 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 17, BAGE 140, 133). Die Erledigungsklausel nimmt jedoch mit dem Wort „damit“ auf die der Klausel vorangestellten Vereinbarungen der Parteien Bezug. Aus dieser Verknüpfung folgt, dass mit Vergleichsschluss zwar der Kündigungsrechtsstreit erledigt werden sollte, die Vertragsbeziehungen im Übrigen aber erst dann, wenn nicht nur die in Ziff. 3 und Ziff. 4 ausdrücklich festgelegten Verpflichtungen der Parteien erfüllt sind, sondern - ohne Einschränkung - auch die in Ziff. 2 nicht näher konkretisierten, weiteren Zahlungsansprüche des Klägers „aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung“.

C. Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist nicht nach § 11 Arbeitsvertrag 2015 verfallen.

I. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt nicht der Arbeitsvertrag vom 3. März 2014, sondern der am 1. September 2015 geschlossene Arbeitsvertrag. Dies haben die Parteien in der Revisionsinstanz unstreitig gestellt.

II. Entgegen der Ansicht des Klägers schließt nicht bereits der Prozessvergleich vom 15. August 2016 einen Verfall des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nach § 11 Arbeitsvertrag 2015 aus.

1. Dem Wortlaut des Vergleichs ist ein Verzicht des Beklagten auf die Einhaltung der vertraglichen Ausschlussfrist nicht zu entnehmen.

2. Etwas anderes folgt auch nicht aus der dem Beklagten mit Ziff. 2 des Vergleichs bis zum 15. September 2016 gesetzten Abrechnungs- und Zahlungsfrist.

a) Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, „das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Nettobeträge“ an den Arbeitnehmer „zu zahlen“, wird hierdurch im Zweifel nur die ohnehin bestehende Rechtslage bestätigt (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu I der Gründe; vgl. zu einer sonstigen Erklärung im Prozess BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 44). Das Anerkenntnis einer Zahlungspflicht oder ein Verzicht auf die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen ist hierin jedenfalls dann nicht zu sehen, wenn - wie hier - die Ansprüche, auf die sich die Abrechnungs- und Zahlungspflicht beziehen soll, nicht benannt sind.

b) Ziff. 2 des Vergleichs bestimmt allein die Fälligkeit der Ansprüche des Klägers. Sie räumte dem Beklagten das Recht ein, „das Arbeitsverhältnis“ insgesamt, dh. auch den Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers, der gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden wäre (vgl. BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 758/12 - Rn. 14; 6. August 2013 - 9 AZR 956/11 - Rn. 22), bis zum 15. September 2016 abzurechnen und die Zahlungsansprüche des Klägers spätestens zu diesem Zeitpunkt zu erfüllen (vgl. zur Zulässigkeit der Einbeziehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs in eine allgemeine Abrechnung BAG 8. April 2014 - 9 AZR 550/12 - Rn. 16). Hieraus folgt nicht, dass bei Nichterfüllung der Ansprüche des Klägers innerhalb der im Vergleich vereinbarten Frist - die Wirksamkeit von § 11 Arbeitsvertrag 2015 unterstellt - eine schriftliche Geltendmachung gegenüber dem Beklagten entbehrlich gewesen wäre. Allein der Beginn der Ausschlussfrist hätte sich, weil § 11 Arbeitsvertrag 2015 für deren Lauf auf die Fälligkeit des Anspruchs abstellt, durch die in Ziff. 2 des Vergleichs getroffene Abrede verschoben.

c) Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien mit dem Vergleich eine von den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsbeschränkungen unabhängige Zahlungspflicht hätten schaffen wollen, hat der Kläger nicht dargelegt. Solche sind auch nicht ersichtlich.

III. Der Kläger war nicht gehalten, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung innerhalb der in § 11 Arbeitsvertrag 2015 gesetzten Frist schriftlich geltend zu machen. Die am 1. September 2015 vereinbarte Klausel ist intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB insgesamt unwirksam, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG) erfasst, der nach dem am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ab dem 1. Januar 2015 zu zahlen ist. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist treten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). § 3 Satz 1 MiLoG schränkt die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein.

1. Der streitgegenständliche Anspruch auf Abgeltung von Urlaub kann als reiner Geldanspruch einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterliegen (vgl. BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 11 mwN).          

2. § 11 Arbeitsvertrag 2015 bezieht sich auf „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“. Dies schließt alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche ein, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (vgl. BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 12; 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 39, BAGE 144, 306). Vom Anwendungsbereich der Klausel erfasst sind demnach auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG (vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 17, BAGE 140, 133) und der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG.

3. Die Wirksamkeit der im Arbeitsvertrag 2015 getroffenen Abreden ist - jedenfalls - wie die Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB) anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Der Vertrag weist außer den persönlichen Daten des Klägers keine individuellen Besonderheiten auf. Dies - wie auch das äußere Erscheinungsbild - begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags 2015 um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 14; 9. Dezember 2015 - 7 AZR 68/14 - Rn. 12; 25. Juni 2015 - 6 AZR 383/14 - Rn. 23, BAGE 152, 82; 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 17 mwN). Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), denn der Arbeitsvertrag 2015 ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. BAG 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 14). Dass der Kläger auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), hat der Beklagte nicht behauptet.

4. § 11 Arbeitsvertrag 2015 enthält nicht verschiedene Ausschlussfristenregelungen und ist deshalb einer einheitlichen Kontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu unterziehen.

a) Bei einer teilbaren Klausel ist diese Kontrolle jeweils getrennt für die verschiedenen, nur formal in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verbundenen Bestimmungen vorzunehmen. Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sein (vgl. BAG 27. Januar 2016 - 5 AZR 277/14 - Rn. 23, BAGE 154, 93). Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils (sog. Blue-Pencil-Test) zu ermitteln. Eine teilbare Formularklausel kann mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden (vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 25, BAGE 146, 284; BGH 5. Mai 2015 - XI ZR 214/14 - Rn. 21, BGHZ 205, 220). Darin liegt keine geltungserhaltende Reduktion, denn die Trennung ist in den vom Verwender gestellten Vertragsbedingungen bereits vorgegeben (vgl. BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 671/15 - Rn. 34 f., BAGE 158, 81).

b) § 11 Arbeitsvertrag 2015 ist nicht - im Sinne einer in der Klausel vorgegebenen Trennung - teilbar. Die Verfallklausel erfasst inhaltlich und sprachlich alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, ohne zwischen dem Mindestlohnanspruch und sonstigen Ansprüchen zu differenzieren (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 24, BAGE 156, 150).

5. § 11 Arbeitsvertrag 2015 verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

a) Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB und von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen (vgl. BAG 24. Mai 2018 - 6 AZR 308/17 - Rn. 34; 24. August 2016 - 8 AZR 378/16 - Rn. 18). Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen muss aus der Verfallklausel, wenn diese dem Transparenzgebot genügen soll, ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen der Vertragspartner des Verwenders zu gewärtigen hat und was er zu tun hat, um deren Eintritt zu verhindern (st. Rspr., zB BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 - Rn. 55; 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 48, BAGE 144, 306). Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, und die geeignet ist, dessen Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BAGE 150, 286; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 13, BAGE 139, 44; BGH 25. November 2015 - VIII ZR 360/14 - Rn. 17 mwN, BGHZ 208, 52; 5. Oktober 2005 - VIII ZR 382/04 - Rn. 23).

b) § 11 Arbeitsvertrag 2015 wird dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht, weil die Klausel, indem sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG) aus ihrem Anwendungsbereich nicht ausnimmt, die Rechtslage unzutreffend und deshalb irreführend darstellt.

aa) Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Ausschlussfristen betreffen den zeitlichen Bestand und die Art und Weise der Geltendmachung eines Rechts (vgl. BAG 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 31, BAGE 137, 249; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu II der Gründe, BAGE 115, 19). § 3 Satz 1 MiLoG entzieht Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien (vgl. BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 20 f.; vgl. zu § 9 AEntG BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 21, BAGE 156, 150).

bb) § 11 Arbeitsvertrag 2015 erfasst, obwohl § 3 Satz 1 MiLoG dies verbietet, den gesetzlichen Mindestlohn.

(1) Eine Auslegung, der gesetzliche Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG solle nicht in den Anwendungsbereich von § 11 Arbeitsvertrag 2015 fallen, lässt der Wortlaut der Klausel mangels einer entsprechenden Einschränkung nicht zu.

(2) Eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Anspruch auf Entgelt für geleistete Arbeit betrifft nicht einen nur selten auftretenden, von den Vertragsparteien nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Sonderfall (vgl. hierzu: BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 21 f. mwN; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 6 der Gründe, BAGE 115, 19), sondern ist der Hauptanwendungsbereich von Ausschlussfristen (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 21, BAGE 156, 150; ErfK/Preis 18. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 50a; Nebel/Kloster BB 2014, 2933, 2936; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 27; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 17. Aufl. § 66 Rn. 45), den die Parteien eines Arbeitsvertrags bei der Vereinbarung einer Ausschlussfrist vor allem im Blick haben (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 22).

cc) Das Fehlen der Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns führt zur Intransparenz von § 11 Arbeitsvertrag 2015, weil die Klausel vom Beklagten nach dem 31. Dezember 2014 gestellt wurde. Keiner Entscheidung bedarf es, ob dies gleichermaßen - und ggf. ohne zeitliche Einschränkungen - gölte, wenn die Klausel zwar mit oder nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16. August 2014, aber vor Geltung des Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 vereinbart worden wäre.

(1) Für die Prüfung der Transparenz einer in einem Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gestellten oder als Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Ausschlussfrist ist allein auf die Gesetzeslage bei Vertragsschluss abzustellen (vgl. BAG 23. September 2010 - 8 AZR 897/08 - Rn. 22; BGH 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 - Rn. 38, BGHZ 201, 363; 30. März 2010 - XI ZR 200/09 - Rn. 30, BGHZ 185, 133; 4. Februar 2009 - VIII ZR 66/08 - Rn. 15). Ist eine Klausel bei Vertragsschluss transparent, verliert sie ihre Wirksamkeit nicht, wenn spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen (vgl. Boemke JuS 2015, 385, 392; MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3).

(2) Die Transparenz einer in einem Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gestellten oder als Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Ausschlussfrist, die den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt, ist somit nach der Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen.

(a) Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (Tarifautonomiestärkungsgesetz, BGBl. I S. 1348) eingeführt und am 16. August 2014, dem Tag nach seiner Verkündung (Art. 15 Abs. 1 Tarifautonomiestärkungsgesetz), in Kraft getreten. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht erst seit dem 1. Januar 2015 (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG). Der den Schutz des Mindestlohnanspruchs bezweckende § 3 Satz 1 MiLoG setzt eine zeitliche Parallelität von arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltansprüchen einerseits und dem Mindestlohnanspruch andererseits voraus. Ein zeitliches Nebeneinander dieser Ansprüche war vor Geltung des gesetzlichen Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 ausgeschlossen (vgl. BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 22).

(b) Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen, kann - allein - die Änderung der Gesetzeslage durch das Mindestlohngesetz nicht nachträglich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB zur (Gesamt-)Unwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung wegen Intransparenz führen, wenn sich ihr Anwendungsbereich entgegen § 3 Satz 1 MiLoG ab dem 1. Januar 2015 auch auf den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erstreckt. Die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns hat für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 die Teilunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung nach § 3 Satz 1 MiLoG zur Folge; für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2014 steht § 3 Satz 1 MiLoG der Wirksamkeit der Ausschlussfrist nicht entgegen, denn die Norm setzt das Bestehen eines Mindestlohnanspruchs voraus (vgl. BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 21 ff.).    

(c) Demgegenüber verstößt eine vom Arbeitgeber gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), die auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde. Sie stellt die Rechtslage von Anfang an irreführend dar.

(aa) Eine solche Ausschlussfristenregelung suggeriert - ausgehend von dem bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB wie von Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB anzuwendenden abstrakt-generellen Prüfungsmaßstab (vgl. BAG 24. Mai 2018 - 6 AZR 116/17 - Rn. 15; 28. September 2017 - 8 AZR 67/15 - Rn. 58; 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 14; 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 12) - dem verständigen Arbeitnehmer, er müsse auch den Anspruch auf den nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfrist geltend machen (vgl. zu § 2 PflegeArbbV BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 30, BAGE 156, 150). Damit besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer nach Verstreichen der gesetzten Ausschlussfrist den gesetzlichen Mindestlohnanspruch in der Annahme, er sei verfallen, nicht mehr durchsetzt, obwohl sein Verfall nach § 3 Satz 1 MiLoG ausgeschlossen ist.

(bb) Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss im Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes der Anspruch auf den Mindestlohn in einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel klar und deutlich ausgenommen werden (vgl. ErfK/Franzen 18. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3a; Nebel/Kloster BB 2014, 2933, 2936 f.; MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 17. Aufl. § 66 Rn. 45).

(cc) Der Verwender von Ausschlussfristen wird hierdurch nicht vor unzumutbare Anforderungen gestellt.

(aaa) Die an die Transparenz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellten Anforderungen dürfen den Verwender nicht überfordern. Die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehende Verpflichtung, den Klauselinhalt möglichst klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. Welche Anforderungen an die Wahrung des Transparenzgebots konkret zu stellen sind, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Dabei ist insbesondere auch die Komplexität des Sachverhalts unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten des konkreten Regelungsgegenstands maßgeblich (vgl. BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 671/15 - Rn. 23 mwN, BAGE 158, 81; 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - Rn. 18, BAGE 143, 30).

(bbb) An den Klauselverwender werden keine unzumutbaren Anforderungen gestellt, wenn man ihm, will er die Intransparenz der Ausschlussfrist wegen fehlender Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns vermeiden, einen Hinweis darauf abverlangt, die vertragliche Ausschlussfrist gelte nicht für Ansprüche des Arbeitnehmers, die kraft Gesetzes der vereinbarten Ausschlussfrist entzogen sind (vgl. zu einem Formulierungsvorschlag Roloff FS Willemsen 2018 S. 416). Eine entsprechende Formulierung würde, auch wenn sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich benennt, dem Transparenzgebot gerecht, denn der Klauselverwender darf - ohne dass hierin eine mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Einklang zu bringende Überforderung des Arbeitnehmers zu sehen wäre - Rechtsbegriffe aus der Gesetzessprache ebenso wie unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden. Das Transparenzgebot erfordert keine Klauselgestaltung, die eine einzelfallbezogene Subsumtion von vornherein entbehrlich macht. Es kann vom Klauselverwender nicht verlangt werden, die Folgen einer Vertragsbestimmung für alle denkbaren Fallgestaltungen zu erläutern (vgl. BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 671/15 - Rn. 23, BAGE 158, 81; BGH 25. November 2015 - VIII ZR 360/14 - Rn. 17 mwN, BGHZ 208, 52). Durch einen entsprechenden Hinweis würde dem verständigen Arbeitnehmer verdeutlicht, dass der Anwendungsbereich der vertraglichen Ausschlussfrist in Abhängigkeit vom jeweils streitigen Anspruch gesetzlichen Beschränkungen unterliegen kann. Eine Belehrung über alle gesetzlichen Bestimmungen, die Ausschlussfristen der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien entziehen, oder über sich möglicherweise durch Auslegung der Verfallklausel ergebende Einschränkungen ihres Anwendungsbereichs (vgl. zum Urlaubsanspruch BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 - Rn. 37 ff.) verlangt das Transparenzgebot nicht.

(3) In Anwendung dieser Grundsätze hält § 11 Arbeitsvertrag 2015 einer Transparenzkontrolle nicht stand, weil die Klausel vom Beklagten nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes und Geltung des gesetzlichen Mindestlohns mit dem Arbeitsvertrag vom 1. September 2015 gestellt wurde und sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann die Transparenz von § 11 Arbeitsvertrag 2015 auch nicht deshalb an dem für „Altverträge“ geltenden Maßstab beurteilt werden, weil mit dem Arbeitsvertrag 2015 das bisher befristete Arbeitsverhältnis unter Beibehaltung der Bedingungen des am 3. März 2014 geschlossenen Arbeitsvertrags - einschließlich der Ausschlussfristenregelung - fortgesetzt wurde.

(a) Bei einer nach dem 31. Dezember 2014 vereinbarten Fortführung eines bisher befristeten Arbeitsverhältnisses kommt es für die Beurteilung, ob eine vom Arbeitgeber gestellte Ausschlussfrist einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhält, darauf an, ob die vertragliche Ausschlussfristenregelung bei Vereinbarung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den in der Befristungsabrede vorgesehenen Beendigungstermin hinaus erneut Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien war. Allein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führt nicht notwendig dazu, dass zugleich stets alle Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel BAG 27. März 2018 - 4 AZR 151/15 - Rn. 29 mwN).

(b) Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor vereinbarte Verfallklausel erneut Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien war und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage durch Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes auch nach Geltung des gesetzlichen Mindestlohns an den zuvor getroffenen Abreden festhalten wollten, liegt beispielsweise in der Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. BAG 27. März 2018 - 4 AZR 151/15 - Rn. 29; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49, BAGE 127, 185). Erst recht ist hiervon auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien nicht nur allgemein auf die bisherigen Vertragsbedingungen Bezug nehmen, sondern die Ausschlussfristenregelung ausdrücklich in die Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einbeziehen, indem sie diese - wie hier im Arbeitsvertrag 2015 - in die Vertragsurkunde erneut aufnehmen.           

(4) Offenbleiben kann, ob die fehlende Ausnahme sonstiger Ansprüche, für deren Geltendmachung die Vereinbarung von Ausschlussfristen kraft Gesetzes, wie zB nach § 9 AEntG, § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG, § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG, der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien ganz oder teilweise entzogen ist, ebenfalls zur Intransparenz von § 11 Arbeitsvertrag 2015 führte.

6. Die Intransparenz hat die Gesamtunwirksamkeit von § 11 Arbeitsvertrag 2015 zur Folge und führt zu deren ersatzlosem Wegfall unter Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Die Klausel kann, weil sie nicht teilbar ist (vgl. oben Rn. 31 ff.), auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der Ausschlussfristenregelung treten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Bestimmungen (vgl. BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 27).

a) Eine geltungserhaltende Reduktion, mit der eine einheitliche und damit auch einer einheitlichen AGB-Kontrolle unterliegende Klausel durch das Gericht in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil getrennt und in ihrem rechtlich nicht zu beanstandenden Teil aufrechterhalten wird (vgl. BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 671/15 - Rn. 34 f., BAGE 158, 81), ist im Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht vorgesehen (BAG 24. August 2017 - 8 AZR 378/16 - Rn. 32). Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. Eine geltungserhaltende Reduktion wäre mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB, den Rechtsverkehr von unwirksamen Klauseln freizuhalten und auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis angewandten Geschäftsbedingungen hinzuwirken, nicht vereinbar. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung Allgemeiner Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen. Anderenfalls liefe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer (st. Rspr., zB BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 20, BAGE 150, 207; 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 30 mwN; vgl. auch BGH 22. September 2015 - II ZR 341/14 - Rn. 20).

b) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. hierzu jeweils mwN: BAG 28. September 2017 - 8 AZR 67/15 - Rn. 37 ff.; 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 21, BAGE 150, 207) sind nicht gegeben. Dem mit einer Ausschlussfrist verfolgten Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu erreichen, wird durch die gesetzlichen Verjährungsfristen hinreichend Rechnung getragen. Der Beklagte hat zudem kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Ausschlussfristenregelung mit einem zulässigen Inhalt. Er hatte es als Klauselverwender in der Hand, eine transparente Ausschlussfristenregelung zu formulieren (vgl. BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 - Rn. 62; 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 30, BAGE 156, 150).

c) Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Ausschlussfristenregelung ist es unerheblich, ob sich das Risiko, der gesetzliche Mindestlohn werde in der Annahme, er sei nach § 11 Arbeitsvertrag 2015 verfallen, nicht geltend gemacht, im Entscheidungsfall realisiert hat. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 665/14 - Rn. 26; 26. September 2013 - 8 AZR 1013/12 - Rn. 23; 28. Mai 2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 21; 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 18, BAGE 135, 163).

d) Die Unwirksamkeit von § 11 Arbeitsvertrag 2015 hat zur Folge, dass sich allein der Beklagte als Verwender der von ihm gestellten Klausel nicht auf die darin gesetzte Ausschlussfrist berufen kann. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Verwender der Klausel, sie dient aber nicht dem Schutz des Verwenders vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen (vgl. BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 - Rn. 42; 28. September 2017 - 8 AZR 67/15 - Rn. 47; 22. September 2016 - 2 AZR 509/15 - Rn. 20; 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - Rn. 16; BGH 5. Mai 2015 - XI ZR 214/14 - Rn. 22, BGHZ 205, 220). Dem Kläger wäre die Berufung auf die unwirksame Ausschlussfristenregelung nicht versagt.

7. § 3 Satz 1 MiLoG schränkt die Anwendung und die Rechtsfolgen von § 307 Abs. 1 Satz 2 und § 306 BGB auf eine Ausschlussfristenregelung in einem Formularvertrag (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), die auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, nicht ein.

a) Dies ist allerdings umstritten.

aa) Von Teilen des Schrifttums wird die Ansicht vertreten, § 3 Satz 1 MiLoG sei bezogen auf Ausschlussfristen in Formularverträgen - die im Übrigen den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügten - im Verhältnis zu § 307 Abs. 1 Satz 2 und § 306 Abs. 2 BGB lex specialis (so ausdrücklich Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 28); die Norm verdränge in ihrem Anwendungsbereich sowohl das Transparenzgebot als auch das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (so im Ergebnis mit zum Teil unterschiedlichen Begründungsansätzen: zB Bayreuther DB 2017, 487, 489; Greiner in Thüsing MiLoG/AEntG 2. Aufl. § 3 Rn. 12; Lembke NZA 2016, 1, 8 f.; Lingemann/Otte NZA 2016, 519, 522; Preis/Ulber Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz S. 47 ff.; Riechert/Nimmerjahn aaO § 3 Rn. 26 ff.; Sagan RdA 2017, 264, 266; Stenslik DStR 2017, 938, 940 f.). § 3 Satz 1 MiLoG ordne eine nur partielle Unwirksamkeit von Ausschlussfristen an, deren Anwendungsbereich sich auch, aber nicht allein auf den gesetzlichen Mindestlohn erstrecke, und gebe gesetzlich deren „Teilbarkeit“ im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion vor. Der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG führe deshalb unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur zur Teilunwirksamkeit vom Arbeitgeber gestellter Ausschlussfristen. Nach dem Schutzkonzept des Mindestlohngesetzes und dem Wortlaut von § 3 Satz 1 MiLoG sollten Ausschlussfristen nur insoweit unwirksam sein, als sie sich auf den gesetzlichen Mindestlohn bezögen (vgl. Riechert/Nimmerjahn aaO § 3 Rn. 28).

bb) Nach anderer im Schrifttum vertretener Ansicht schränkt § 3 Satz 1 MiLoG den Anwendungsbereich und die Rechtsfolgen von § 307 Abs. 1 Satz 2 und von § 306 BGB nicht ein. Nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes in Verbraucherverträgen vereinbarte Ausschlussfristen, die unter Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfassten, seien, weil sie die Rechtslage nicht zutreffend abbildeten, intransparent und deshalb nicht nur teilweise, sondern nach § 307 Abs. 1 Satz 2, § 306 BGB insgesamt unwirksam (so im Ergebnis mit zum Teil unterschiedlichen Begründungsansätzen: ErfK/Franzen 18. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3a; HK-MiLoG/Trümner 2. Aufl. § 3 Rn. 29; HWK/Roloff 8. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 14; Kamanabrou ZFA 2018, 92, 102, 108; MHdBArbR/Krause 4. Aufl. Bd. 1 § 71 Rn. 19a; MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3; Nebel/Kloster BB 2014, 2933, 2936 f.; Zwanziger AuR 2017, 333, 336; weiter gehend auch für vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes vereinbarte Ausschlussfristen Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 17. Aufl. § 66 Rn. 45).

b) § 3 Satz 1 MiLoG und § 307 Abs. 1 Satz 2, § 306 BGB stehen zueinander nicht in einem Rangverhältnis der Spezialität oder Subsidiarität. Die gesetzlichen Bestimmungen sind nebeneinander anwendbar. Die darin angeordneten Rechtsfolgen schließen einander nicht aus. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB überlagert die limitierte Rechtsfolge des § 3 Satz 1 MiLoG (vgl. MHdBArbR/Krause 4. Aufl. Bd. 1 § 71 Rn. 19a).

aa) Grundsätzlich beanspruchen Rechtsnormen, die - wie die genannten einfachgesetzlichen Regelungen - im gleichen Rangverhältnis zueinander stehen, gleichermaßen Geltung und sind nebeneinander anwendbar. Erfüllt ein konkreter Lebensvorgang die abstrakten Tatbestandsmerkmale mehrerer Rechtsnormen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sämtliche an den einheitlichen Tatbestand geknüpften Rechtsfolgen gleichrangig nebeneinander eintreten (vgl. BGH 12. April 1954 - GSZ 1/54 - zu A III b der Gründe, BGHZ 13, 88; BVerwG 25. Juni 2015 - 5 C 15.14 - Rn. 14, BVerwGE 152, 264), sofern sie sich nicht gegenseitig ausschließen (vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl. S. 87). Eine Verdrängung der einen Rechtsnorm durch eine andere besondere Rechtsnorm kann vorliegen, wenn ein Fall von Spezialität (lex specialis derogat legi generali) gegeben ist. Spezialität verlangt, dass die verdrängende Rechtsnorm sämtliche Merkmale der allgemeinen Norm enthält und dieser noch ein besonderes Merkmal zur Bildung seines Tatbestandsbegriffs hinzufügt (vgl. BGH 12. April 1954 - GSZ 1/54 - zu A III a der Gründe, aaO; BVerwG 25. Juni 2015 - 5 C 15.14 - Rn. 14, aaO). Ist ein auf Spezialität beruhendes Rangverhältnis der Rechtsnormen nicht festzustellen, kann das Zurücktreten einer Norm nur aus einem die Annahme einer Gesetzessubsidiarität rechtfertigenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Gesetzesbefehl gefolgert werden (vgl. BGH 12. April 1954 - GSZ 1/54 - zu A III b der Gründe, aaO), dessen Vorliegen durch Auslegung der an sich gleichrangigen Normen zu ermitteln ist (vgl. BVerwG 25. Juni 2015 - 5 C 15.14 - Rn. 16, aaO; vgl. zu den Voraussetzungen einer verdrängenden Gesetzeskonkurrenz auch: Larenz/Canaris aaO S. 87 ff.; Kamanabrou ZFA 2018, 92, 102 ff.; Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft 6. Aufl. S. 268; Reimer Juristische Methodenlehre Rn. 196 ff.; Wank Die Auslegung von Gesetzen 6. Aufl. S. 102 f.; Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie 9. Aufl. Rn. 771 ff.).

bb) Eine Verdrängung von § 307 Abs. 1 Satz 2, § 306 BGB durch § 3 Satz 1 MiLoG kraft Spezialität scheidet aus, weil sich § 3 Satz 1 MiLoG zur Transparenz von Ausschlussfristen und den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nicht verhält.

cc) Auch ein ausdrücklicher oder stillschweigender Gesetzesbefehl, der allein die Annahme der Subsidiarität von § 307 Abs. 1 Satz 2, § 306 Abs. 2 BGB bzw. einer abschließenden Rechtsfolgenanordnung im Sinne eines „nur“ insoweit unwirksam rechtfertigen könnte, ist § 3 Satz 1 MiLoG nicht zu entnehmen. § 3 Satz 1 MiLoG ordnet weder an, dass wegen Einbeziehung des gesetzlichen Mindestlohns intransparente Ausschlussfristen im Übrigen, soweit diese sonstige Ansprüche erfassen, wirksam sind, noch bestimmt die Norm die „Teilbarkeit“ solcher Klauseln. Dies ergibt die Auslegung von § 3 Satz 1 MiLoG (vgl. zu den bei der Auslegung von Gesetzen anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen im Einzelnen: BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 ua. - Rn. 74; 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, BVerfGE 133, 168; BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 20, BAGE 157, 356).

(1) Der Wortlaut von § 3 Satz 1 MiLoG schränkt den Anwendungsbereich von § 307 Abs. 1 Satz 2 und § 306 BGB nicht ein. § 3 Satz 1 MiLoG untersagt die Vereinbarung von Ausschlussfristen für den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Aus der Formulierung „insoweit unwirksam“ lässt sich nicht ableiten, die Bestimmung ordne - im Umkehrschluss - zugleich die Wirksamkeit intransparenter Ausschlussfristen oder deren geltungserhaltende Reduktion auf einen rechtlich nicht zu beanstandenden Kern an. § 3 Satz 1 MiLoG stellt mit den Worten „insoweit unwirksam“ allein klar, dass die Zulässigkeit der Vereinbarung von Ausschlussfristen für Ansprüche außerhalb des gesetzlichen Mindestlohns unberührt bleibt. Die Rechtsfolgen von § 3 Satz 1 MiLoG und von § 307 Abs. 1 Satz 2, § 306 BGB schließen sich deshalb nicht aus. Anderenfalls hätte es nicht „insoweit unwirksam“, sondern „nur insoweit unwirksam“ heißen müssen (vgl. Zwanziger AuR 2017, 333, 336).

(2) Für eine lediglich klarstellende Bedeutung des Wortes „insoweit“ in § 3 Satz 1 MiLoG spricht auch die Systematik des Mindestlohngesetzes. Der Mindestlohn tritt als gesetzlicher Anspruch eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. § 3 Satz 1 MiLoG führt bei Unterschreiten des Mindestlohnanspruchs zu einem Differenzanspruch, nicht aber zur Nichtigkeit der Entgeltabrede (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22, BAGE 155, 202). Das Mindestlohngesetz geht damit von einer Anspruchskonkurrenz des Mindestlohnanspruchs zu den aufgrund sonstiger Vereinbarungen bestehenden Vergütungsansprüchen des Arbeitnehmers aus. § 3 Satz 1 MiLoG verbietet Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, den gesetzlichen Mindestlohnanspruch durch Absenkung zum Nachteil des Arbeitnehmers zu gestalten oder seine Geltendmachung zu beschränken. In die Gestaltung der für das Arbeitsverhältnis im Übrigen geltenden Vereinbarungen greift § 3 Satz 1 MiLoG nicht ein. Ausgehend von diesem gesetzlichen Regelungskonzept hätte es für die Annahme, § 3 Satz 1 MiLoG stelle mit der Formulierung „insoweit unwirksam“ zugleich die Wirksamkeit von Ausschlussfristen im Übrigen fest, indem er - als eine § 307 Abs. 1 Satz 2 und § 306 Abs. 2 BGB verdrängende Norm - die geltungserhaltende Reduktion intransparenter Ausschlussfristen auf sonstige (Vergütungs-)Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis anordne, deutlicher Anhaltpunkte im Gesetz bedurft. Daran fehlt es.

(3) Entscheidend gegen ein Verständnis, § 3 Satz 1 MiLoG schränke im Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes durch einen Normbefehl - im Sinne eines „nur insoweit unwirksam“ - die Geltung von § 307 Abs. 1 Satz 2 und § 306 Abs. 2 BGB ein, spricht insbesondere Sinn und Zweck der Regelung.

(a) § 3 Satz 1 MiLoG soll, wie schon in der Begründung des insoweit unverändert verabschiedeten Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 18/1558 S. 35) ausgeführt, den Mindestlohnanspruch sichern und die Umgehung des Mindestlohngesetzes durch missbräuchliche Konstruktionen verhindern (allgA, vgl. statt aller: ErfK/Franzen 18. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 1; Preis/Ulber Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz S. 32; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 1).

(b) Mit diesem Normzweck nicht in Einklang zu bringen ist die Annahme, § 3 Satz 1 MiLoG erhalte im Wege einer gesetzlich vorgegebenen Teilbarkeit oder geltungserhaltenden Reduktion Ausschlussfristen aufrecht, die aufgrund ihres irreführenden Inhalts die Gefahr in sich bergen, der Arbeitnehmer werde den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nach Verstreichen der gesetzten Ausschlussfrist im Glauben, er sei verfallen, nicht mehr geltend machen. Ein Verständnis in diesem Sinne hätte die paradoxe Folge, dass der Schutz, den § 3 Satz 1 MiLoG dem Arbeitnehmer vermitteln will, indem er den Mindestlohnanspruch Ausschlussfristen entzieht, zugleich durch eine Beschränkung der Kontrolle überschießender Ausschlussfristen nach Maßgabe der dem Schutz des Arbeitnehmers als Vertragspartner des Verwenders dienenden §§ 305 ff. BGB unterlaufen würde. Es wäre zu befürchten, das in § 3 Satz 1 MiLoG geregelte Verbot von Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs liefe in vielen Fällen faktisch leer und die Zahlung des Mindestlohns würde auf diese Weise im Ergebnis umgangen. Diese Gefahr würde - den Normzweck von § 3 Satz 1 MiLoG konterkarierend - durch den Erhalt sich (auch) auf den Mindestlohn erstreckender Ausschlussfristen fortgeschrieben.

8. Auch die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB gebotene angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (vgl. hierzu BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 5 der Gründe, BAGE 115, 19) rechtfertigt nicht die Aufrechterhaltung einer sich auch auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch erstreckenden Ausschlussfrist.

a) Ausschlussfristen sind als dem Arbeitsverhältnis innewohnende Besonderheiten anerkannt. Sie dienen der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und dem Rechtsfrieden und sollen zu der im Arbeitsleben besonders gebotenen raschen Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte führen (st. Rspr., zB BAG 23. November 2017 - 6 AZR 33/17 - Rn. 26; 21. April 2016 - 8 AZR 753/14 - Rn. 34; 16. März 2016 - 4 AZR 421/15 - Rn. 37, BAGE 154, 252; 10. Dezember 2013 - 9 AZR 494/12 - Rn. 14; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 5 der Gründe, BAGE 115, 19).         

b) Die Aufrechterhaltung von Ausschlussfristen, die unter Verstoß gegen die dem Arbeitnehmerschutz dienende Bestimmung des § 3 Satz 1 MiLoG Ansprüche des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn in ihren Anwendungsbereich mit einbeziehen, mittels geltungserhaltender Reduktion berücksichtigte die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht angemessen, sondern einseitig zugunsten des Verwenders (vgl. Roloff FS Willemsen 2018 S. 414; vgl. zur Aufrechterhaltung einer den Vertragspartner des Verwenders typischerweise begünstigenden Klausel in einem „Altvertrag“ BAG 28. September 2017 - 8 AZR 67/15 - Rn. 66 ff.). Für den Arbeitnehmer führte eine geltungserhaltende Reduktion nicht zu mehr Rechtsklarheit, sondern zu Rechtsunsicherheit und durch die Fortschreibung intransparenter Ausschlussfristenregelungen - faktisch - zur Gefahr von Rechtsverlusten.

D. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB.

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.



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