Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Urteil vom - Az: 8 SaGa 14/12

Zur Zulässigkeit von Streikparolen - "Bescheißen" und "Betrügen"

Die Begriffe „Betrüger“, „bescheißen“ und „Dieb“ beinhalten erhebliche Unwerturteile. Bei der Verwendung in Streikchören können sie sich in Anbetracht der konkreten Umstände des Falles aber noch als polemische und zugespitzte Kritik, die vom Arbeitgeber hinzunehmen ist, und nicht als bloße Schmähung darstellen.
Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber nach einverständlichen Lohn- und Urlaubskürzungen die Rückkehr zu einem Verbandstarifvertrag versprochen, wechselte dann aber bei seinem Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung). An den streitgegenständlichen Sprechchören beteiligten sich auch Gewerkschaftssekretäre.

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgericht Düsseldorf vom 06.07.2012 - Az. 3 Ga 44/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt von den Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) die Unterlassung näher bezeichneter Äußerungen im Rahmen von Streikmaßnahmen und die Einwirkung auf die streikenden Arbeitnehmer, solche Äußerungen zu unterlassen.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Lebensmittelbranche, welches Brühen, Suppen, Soßen, Würzen und Fertiggerichte entwickelt, produziert und vertreibt. Sie war in der Vergangenheit Vollmitglied im Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie Nordrhein-Westfalen, mit dem die Beklagte zu 4., eine im Betrieb der Klägerin vertretene Gewerkschaft, Flächentarifverträge für die Obst, Gemüse- und Kartoffeln verarbeitende Industrie sowie für die Essig- und Senfindustrie in Nordrhein-Westfalen abschließt. Die Beklagten zu 1) bis 3) bilden den Geschäftsführenden Hauptvorstand der Beklagten zu 4., die Beklagten zu 5. und 6. sind bei der Beklagten zu 4. beschäftigte Gewerkschaftssekretäre. Der Beklagte zu 6. befindet sich seit dem 01.07.2012 in der Passivphase der Altersteilzeit.

Am 13.07.2009 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 4. in Anbetracht der angespannten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens einen (Haus-) „Tarifvertrag zur Zukunftssicherung“ (TVzZ), durch den für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis zum 01.12.2011 der Entfall des Urlaubsgeldes, eine Absenkung des Urlaubsanspruchs um jeweils zwei Kalendertage für die Jahre 2010 und 2011 und eine Reduzierung bzw. Nichtzahlung der Jahressonderzuwendung geregelt wurden. Weiterhin sah der Tarifvertrag vor, dass die für die Branche vereinbarten Tariflohnerhöhungen keine Geltung beanspruchen sollten, stattdessen wurden die Tarifentgelte zum 01.04.2010 um 3% und zum 01.04.2011 um weitere 2% erhöht. Im Gegenzug enthielt der TVzZ Bestimmungen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung. In ihm hieß es weiter:

 „§ 2 Grundsatz

Es besteht Verbandsgebundenheit der A. Nahrungsmittel GmbH & Co. KG. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die flächentarifvertraglichen Regelungen der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie NRW weiter fort.

§ 3 Maßnahmen

...

D. Tariferhöhung

...

Ab Januar 2012 gelten die Entgelte und Ausbildungsvergütungen des Flächentarifvertrages für die obst- gemüse- und kartoffelverarbeitende Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie NRW.“

Mit Wirkung zum 15.01.2011 stellte die Klägerin ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine solche ohne Tarifbindung um. Hiervon machte sie erstmals in einer Mitarbeiterversammlung im Dezember 2011 Mitteilung.

Nach Durchführung einer Urabstimmung am 18.06.2012 rief die Beklagte zu 4. die Arbeitnehmer der Klägerin für den 21./22.06.2012 zu Streikmaßnahmen auf. Anlässlich eines Marsches vom Werkstor der Klägerin zum Bürgerhaus S. am Morgen des 21.06.2012 skandierten die Streikteilnehmer folgende Parolen:

- „L. - Betrüger“,

- „A. heißt er, uns bescheißt er“.

Die Beklagten zu 5) und 6) nahmen an der Protestaktion teil. Während sich der Beklagte zu 5) passiv verhielt, gab der Beklagten zu 6) den Streikenden per Megaphon den jeweils ersten Teil des Sprechchors vor, den diese dann vollendeten. Am Nachmittag des 22.06.2012 fand eine weitere Demonstration vor dem Werkstor statt, bei der die Streikteilnehmer in Anwesenheit des Personalleiters X. der Klägerin riefen:

- „1, 2, 3 ... X. ist ein Dieb“.

Als später der Geschäftsführer L. und die Geschäftsführerin A. das Betriebsgelände in einem Fahrzeug verließen, wiederholten die Streikenden die Parole

- „A. heißt er, uns bescheißt er“.

Dabei war der Beklagte zu 5) zugegen, ohne gegen die Äußerungen vorzugehen. Zu weiteren Wiederholungen dieser oder ähnlicher Parolen kam es bei keiner der nachfolgenden Streikversammlungen. Die Beklagten weigern sich, die von der Klägerin mit Schreiben vom 27.06.2012 in diesem Zusammenhang geforderten strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen abzugeben. Der Arbeitskampf bei der Klägerin dauert an.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 6) habe die am 21.06.2012 skandierten Parolen den Streikteilnehmern vorgegeben und diese mit ihnen eingeübt. Mit „L.“ sei zweifelsfrei der Geschäftsführer der Klägerin gemeint. Die an beiden Tagen getätigten Äußerungen stellten strafbare Beleidigungen bzw. Verleumdungen und damit rechtswidrige Streikausschreitungen dar, die die Beklagten zu unterlassen bzw. für deren Nichtwiederholung sie zu sorgen hätten. Wegen der Nichtabgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung sei Wiederholungsgefahr gegeben, auch wenn die Beklagten - unstreitig - im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits erklärt haben, sie würden die beanstandeten Parolen zukünftig bei Streikmaßnahmen nicht äußern und die Streikteilnehmer hierzu auch nicht auffordern. Die Beklagten zu 1) bis 3) seien in Anspruch zu nehmen, weil nach Maßgabe von § 20 der Satzung der Beklagten ihre Zustimmung zur Einleitung und Durchführung von Arbeitskämpfen erforderlich sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. es den Verfügungsbeklagten zu untersagen, die streikenden Mitarbeiter der Verfügungsklägerin per Megaphon oder sonst wie zu folgenden oder ähnlichen Sprechchören aufzufordern:

- „L. - Betrüger“

- „A. heißt er, uns bescheißt er!“

- „1,2, 3... X. ist ein Dieb!“

2. es den Verfügungsbeklagten aufzugeben, auf die sich am Arbeitskampf beteiligenden Beschäftigten der Firma A. dahingehend einzuwirken, dass Sprechchöre wie unter Ziffer 1 aufgeführt zukünftig unterlassen werden.

3. den Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflichten gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld von 250.000,00 Euro anzudrohen.

4. den Verfügungsbeklagten für den Fall der Nichtvornahme der Handlungspflichten gemäß Ziffer 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Zwangshaft, anzudrohen.

Die Beklagten haben beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Beklagten haben bestritten, dass mit „A.“ der aus der operativen Geschäftsführung ausgeschiedene Herr C. A. gemeint gewesen sei, der in der Belegschaft weiterhin ein gutes Ansehen genieße. Die begehrte einstweilige Verfügung könne wegen Fehlens formeller wie materieller Voraussetzungen (keine hinreichende Bestimmtheit der Klageanträge, fehlende Aktiv- wie Passivlegitimation, keine Wiederholungsgefahr) nicht erlassen werden. Abgesehen davon müsse sich die Klägerin in Anbetracht ihres Verhaltens im Zusammenhang mit dem TVzZ und dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft harte und zugespitzte Kritik gefallen lassen. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten sich in der Tat betrogen gefühlt und in den Parolen - auch mangels Kenntnis von den Einzelheiten der Tarifhistorie - die Dinge aus ihrer Sicht in Kurzform auf den Punkt gebracht. Da es ihnen immer nur um die Rückkehr der Klägerin zu den aktuellen Flächenentgelttarifverträgen gegangen sei, wiege die Meinungsäußerungsfreiheit der Streikteilnehmer schwerer als das Persönlichkeitsrecht der Klägerin und ihrer Repräsentanten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 06.07.2012 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es sei schon fraglich, ob wegen der womöglich nicht zu erwartenden Wiederholung der Parolen ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin bestehe. Jedenfalls fehle es an einem Verfügungsanspruch. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liege nicht vor, weil es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen vom 21./22.06.2012 um rechtmäßige Streikmaßnahmen gehandelt habe. Die auf die Herren L., A. und X. gemünzten Parolen stellten allesamt Werturteile dar. Diese seien zwar zugespitzt und polemisierend, in Anbetracht der Zielsetzungen des Arbeitskampfes und des Wechsels der Klägerin in die OT-Mitgliedschaft jedoch im Ergebnis zulässig und hinzunehmen.

Gegen das ihr am 13.07.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit einem am 25.07.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin hält die vom Arbeitsgericht vorgenommene Einschätzung für falsch. Die am 21.06. und 22.06.2012 skandierten Sprechchöre beinhalteten Tatsachenbehauptungen und keine Werturteile. Insbesondere die Bezeichnung des Geschäftsführers der Klägerin als „Betrüger“ stehe offensichtlich in konkreten Zusammenhang zu einem bestimmten Sachverhalt, nämlich dem Wechsel der Klägerin in die OT-Mitgliedschaft, und charakterisiere das Verhalten des Geschäftsführers als strafbar. Gleiches gelte für den Begriff „Dieb“. Beklagten wie Streikteilnehmern sei es vorrangig um die Herabsetzung von Personen und nicht um eine Sachauseinandersetzung gegangen, man habe durch - zudem falsche - Behauptungen die Öffentlichkeit für sich einnehmen wollen, um Vorteile in den Tarifverhandlungen zu erreichen. Die Klägerin habe anlässlich des Abschlusses des TVzZ niemals zugesagt, nicht aus dem Arbeitgeberverband auszutreten bzw. in eine OT-Mitgliedschaft zu wechseln. Den Entschluss hierzu habe sie auch erst später gefasst.

Die Klägerin beantragt,

1. es den Beklagten zu untersagen, die streikenden Mitarbeiter der Klägerin per Megaphon oder sonst wie zu folgenden oder ähnlichen Sprechchören aufzufordern:

 „L. - Betrüger“

 „A. heißt er, uns bescheißt er!“

 „1, 2, 3 ... X. ist ein Dieb!“

2. es den Beklagten aufzugeben, auf die sich am Arbeitskampf beteiligenden Beschäftigten der Firma A. dahingehend einzuwirken, dass Sprechchöre wie unter Ziffer 1. aufgeführt zukünftig unterlassen werden,

3. den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflichten gemäß Ziffer 1. ein Ordnungsgeld von 250.000,00 EUR anzudrohen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das Urteil des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie betonen, in der Belegschaft, aber auch bei den Beklagten zu 5) und 6) hätte in Anbetracht der Formulierungen des TVzZ sehr wohl die Erwartung bestanden und auch bestehen dürfen, dass die Klägerin im Jahre 2012 gänzlich zu den für die Branche geltenden Flächentarifverträgen zurückkehren werde. Die skandierten Parolen gäben den Unmut der Streikteilnehmer über ihre enttäuschten Erwartungen wieder.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, den Inhalt der zur Akte gereichten Mittel der Glaubhaftmachung sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.

B. Die Berufung ist indes nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von Äußerungen bzw. Erbringung entsprechender Einwirkungsmaßnahmen auf Dritte zu Recht abgewiesen.

I. Die Anträge der Klägerin sind zulässig.

1. Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a. Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 2) begehrt, den Beklagten möge eine Einwirkung auf die Streikteilnehmer aufgegeben werden, dass diese Sprechchöre wie die am 21.122.06.2012 gefallenen unterlassen, ist dies auch ohne Nennung eines bestimmten Einwirkungsmittels konkret genug. „Einwirken“ heißt, durch irgendein Tun Dritte wie hier die streikenden Mitarbeiter darauf hinzuweisen, sie mögen eine bestimmte Handlung vornehmen oder unterlassen. Bei einer entsprechenden Verurteilung hat der Schuldner dann die freie Wahl, welches Mittel der Einwirkung er wählt, um dem Urteilsspruch gerecht zu werden. Ein bestimmter Grad der Einwirkung ist nicht gefordert (BAG, Urteil vom 29.04.1992 - 4 AZR 432/91, NZA 1992, 846). Überhaupt steht die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag generell nicht entgegen (BAG, Urteil vom 22.09.2009 - 1 AZR 972/08, NZA 2009, 1347).

b. Die Klageanträge zu 1) und 2) sind auch nicht deshalb unbestimmt, weil die Klägerin nicht näher konkretisiert hat, was sie unter den drei ausdrücklich genannten Äußerungen „ähnlichen“ Sprechchören versteht. Abgesehen davon, dass bei Durchführung der gebotenen Auslegung der Anträge nicht zweifelhaft sein kann, dass es der Klägerin um alle Äußerungen geht, die die auf Arbeitgeberseite in den Tarifverhandlungen agierenden Personen in Zusammenhang mit der Begehung von Eigentums- oder Vermögensdelikten gegen die Belegschaft bringen, sind im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen der trotz § 308 Abs. 1 ZPO nur eingeschränkten Bindung des Gerichts an die Anträge des Verfügungsklägers keine übermäßigen Anforderungen an deren Bestimmtheit zu stellen (so zum Unterlassungsantrag OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.09.1996 - 5 W 43/96, NJW-RR 1997, 521). Die unter oben a. angestellten Erwägungen gelten entsprechend.

2. Dem auf Unterlassung gerichteten Klageantrag zu 1) mangelt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Klage wird darauf gestützt, dass die Beklagten den von der Klägerin vorgerichtlich geltend gemachten Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht erfüllt haben. Gerade letztere soll durch den begehrten Ausspruch des Gerichts ersetzt werden. Die von den Beklagten im Laufe des Rechtstreits abgegebenen Erklärungen erreichen diese Qualität nicht, so dass der Leistungsantrag der Klägerin nicht etwa sinnlos geworden ist oder diese auf einfacherem Wege einen vollstreckbaren Titel erlangen könnte. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob nach den konkreten Gegebenheiten eine Wiederholungsgefahr angenommen werden kann oder nicht. Diese ist nämlich rein materielle Anspruchsvoraussetzung eines Unterlassungsanspruch (etwa BGH, Urteil vom 19.10.2004 - VI ZR 292/03, NJW 2005, 594), bei deren Fehlen die Klage schon aus Rechtskraftgründen nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen ist (Zöller-Greger, ZPO, vor § 253 Rdz. 18, vgl. auch BAG, Beschluss vom 17.03.2010 - 7 ABR 35/08, NZA 2010, 1133).

II. Die begehrte einstweilige Verfügung ist bereits deshalb nicht zu erlassen, weil die Klägerin keinen Verfügungsanspruch im Sinne der §§ 935, 940 ZPO glaubhaft gemacht hat. Die Äußerungen, deren Unterlassung die Klägerin verlangt, sind in Anbetracht der konkreten Umstände des vorliegenden Falls nicht rechtswidrig. Im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch fehlt es zudem an einer Wiederholungsgefahr. Ob die einstweilige Verfügung darüber hinaus im Sinne von § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile der Klägerin nötig erscheint und mithin auch ein Verfügungsgrund vorliegt, was bei Beurteilung von Streikmaßnahmen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen ist, in die materiell-rechtliche und vollstreckungsrechtliche Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen sind (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 09.08.2011 - 9 SaGa 1147/11, juris; LAG Köln, Urteil vom 14.12.1996 - 4 Sa 177/96, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 63), bedarf keiner näheren Erörterung.

1. Die materiellen Voraussetzungen des mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog liegen nicht vor.

a. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin grundsätzlich aktivlegitimiert ist, auch wenn sich die am 21./22.06.2012 skandierten Sprechchöre nicht unmittelbar gegen das Unternehmen als solches, sondern gegen einzelne seiner Repräsentanten gerichtet haben. Auf die Erwägungen des Arbeitsgerichts unter A. I. 2.a) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Die Klägerin kann sich nicht nur auf die Beeinträchtigung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sondern auch auf das ihr als juristischer Person zukommende allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 1 BGB) berufen, weil sie jedenfalls mittelbar in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeberin oder Wirtschaftsunternehmen betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2005 - X ZR 15/04, WM 2005, 1238). Es steht außer Frage, dass der Vorwurf unlauteren oder gar strafbaren Verhaltens der Geschäftsführung oder herausragender Funktionsträger der Klägerin auf diese zurückfällt und geeignet ist, das Ansehen des Unternehmens an sich in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, seinen guten Ruf zu beschädigen. Wer Mitarbeiter „betrügt“ oder „bescheißt“, wird nur schwerlich als „sozialer Arbeitgeber“ wahrgenommen werden.

b. Der Anspruch, es zukünftig zu unterlassen, streikende Mitarbeiter der Klägerin zu Sprechchören wie „L. - Betrüger“ aufzufordern, scheitert jedoch bereits daran, dass im Hinblick auf keinen der Beklagten die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr bzw. eine ausnahmsweise genügende Erstbegehungsgefahr (zum vorbeugenden Unterlassungsanspruch etwa BGH, Urteil vom 17.09.2004 - V ZR 230/03, NZA 2004, 3701) erkannt werden kann.

 (1) Die Beklagten zu 1) - 3) waren an den Streikmaßnahmen am 21. und 22.06.2012 nicht beteiligt. Sie haben weder an der Protestveranstaltung teilgenommen noch ließe sich ein sonstiges Verhalten im Vorfeld oder im Nachgang der Ereignisse erkennen, welches Rückschlüsse auf eine Einwirkung dieser Beklagten auf die streikende Belegschaft der Klägerin ermöglichte. Die Beklagten zu 1) - 3) haben zu keinem Zeitpunkt irgendjemanden dazu aufgefordert, die Herren L., A. oder X. verbal zu attackieren. Es ist - etwa mit Blick auf die vorgelegten Auszüge der Streikzeitungen - nicht einmal festzustellen, dass die Beklagten derartige Äußerungen gutgeheißen oder sich sonst wie zu Eigen gemacht haben. Ganz im Gegenteil haben sie sich im Rahmen des laufenden Verfahrens mehrfach - zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2012 - vom Inhalt der Sprechchöre distanziert, und zwar auch für den Fall, dass die Kammer diese als inhaltlich zulässig erachtete. Allein der Umstand, dass die Satzung der Beklagten zu 4) in § 20 Nr. 1 ein Zustimmungserfordernis des Geschäftsführenden Hauptvorstandes für die „Einleitung und Durchführung von Arbeitskämpfen“ beinhaltet, besagt nicht, dass die Beklagten zu 1) - 3) im Vorfeld in die Erarbeitung von Sprechchören involviert waren oder es auch nur hätten sein müssen. § 20 Nr. 1 ist nicht zu entnehmen, dass unter der Zustimmung zur „Durchführung von Arbeitskämpfen“ ein genereller Genehmigungsvorbehalt bezüglich aller einzelnen denkbaren Aktionen von Gewerkschaftssekretären im Zusammenhang mit Streiks bundesweit gemeint ist.

 (2) Für den Beklagten zu 5) gilt Ähnliches. Es fehlt an einer von ihm in der Vergangenheit ausgegangenen Störung, die die Gefahr zukünftiger Wiederholungen vermuten ließe. Der Beklagte zu 5) hat zwar an den Kundgebungen vom 21./22.06.2012 teilgenommen, aber in keiner Form aktiv auf Äußerungen mit bestimmtem Inhalt hingewirkt. Nicht einmal die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte zu 5) an der Erarbeitung der Sprechchöre in Bezug auf die Herren L., A. und X. beteiligt gewesen ist, diese gar auf seiner Idee beruhten, er mit Mitarbeitern der Klägerin Sprechchöre eingeübt oder sonst wie die Streikenden in ihren Äußerungen bestärkt hätte. Vor dem Hintergrund der wiederholt abgegebenen „einfachen“ Unterlassungserklärungen im Rahmen des Rechtsstreits gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 5) zukünftig von einer passiven in eine aktive Rolle wechselte. Die Kammer hat im Übrigen gerade der sehr bestimmten Einlassung des Justiziars der Beklagten zu 4) in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2012 entnommen, dass die Verbreitung von Parolen wie die hier in Rede stehenden grundsätzlich nicht dem Arbeitskampfstil der Beklagten zu 4) entspricht; und deshalb zu erwarten steht, dass diese auch in ihrer Funktion als Arbeitgeberin mäßigend auf die in den Streik involvierten Gewerkschaftsbeschäftigten Einfluss nehmen wird.

 (3) Im Hinblick auf den Beklagten zu 6) liegt schon deshalb keine Wiederholungsgefahr vor, weil dieser sich seit dem 01.07.2012 in der Passivphase der Altersteilzeit befindet und somit keine aktive Arbeitsleistung für die Beklagte zu 4) mehr erbringt. Sollte der Beklagte zu 6) also zukünftig noch den Arbeitskampf bei der Klägerin begleiten, dann nicht als zuständiger Gewerkschaftssekretär, als der er im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch genommen wird. Abgesehen davon stellte ein solches Szenario eine reine Spekulation dar; es ist dem Gericht nicht bekannt, dass und mit welcher Häufigkeit nicht (mehr) aktive Gewerkschaftsmitarbeiter von ihnen mitbetreute Streiks bis zu deren Ende begleiten, obwohl sie keine Dienstverpflichtung mehr trifft. Schließlich trifft die letztgenannte der unter oben (2) gemachten Erwägungen auch auf die Person des Beklagten zu 6) zu.

c. Die Äußerungen „L. - Betrüger“, „A. heißt er, uns bescheißt er“ und „1, 2, 3 ... X. ist ein Dieb“ sind auch deshalb nicht zu unterlassen, weil sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles als (gerade noch) zulässige Maßnahme im Arbeitskampf darstellen.

aa. Wegen der rechtlichen Vorgaben an die Zulässigkeit von Verbalattacken im Rahmen einer Arbeitskampfmaßnahme wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil vom 06.07.2012 Bezug genommen. Auch zwischen den Parteien bestehen insoweit keine unterschiedlichen Auffassungen. Es geht - kurz zusammengefasst - darum, das über die Meinungsäußerung- und Koalitionsfreiheit (Art. 5 Abs. 1, 9 Abs. 3 GG) grundgesetzlich geschützte Recht der Arbeitnehmer der Klägerin und der sie unterstützenden Beklagten zu 4), sich anlässlich eines - wie hier unstreitig - rechtmäßigen Streiks kritisch oder sogar ehrverletzend über den sozialen Gegenspieler zu äußern, gegen das ebenfalls grundrechtlich geschützte Interesse der Klägerin abzuwägen, nicht Ziel diffamierender und das Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG verletzender Verbalattacken zu werden, und damit gleichzeitig in ihrem eigentumsähnlichen (Art. 14 Abs. 1 GG) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt zu werden. Die Abwägung hat sich dabei an den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu orientieren. Es ist im Rahmen einer den Gesamtkontext berücksichtigenden Betrachtung zu entscheiden, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist. Auch Pauschalurteile können Tatsachenbehauptungen enthalten, wenn sie zu bestimmten Geschehnissen oder Vorgängen erkennbar in Beziehung gesetzt werden. Werturteile sind über Art. 5 Abs. 1 GG in weiterem Umfang geschützt als (unrichtige) Tatsachenbehauptungen. Sie sind nicht schon dann unzulässig, wenn es sich um überzogene, ungerechte oder ausfällige Kritik handelt, sondern erst dann, wenn sie den Charakter einer Schmähung annehmen. Das ist der Fall, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und zugespitzter Kritik diffamiert und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (Grundsätze etwa nach BVerfG, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07, NJW 2009, 749; BGH, Urteil vom 22.09.2009 - VI ZR 19/08, NJW 2009, 3580; Urteil vom 03.02.2009 - VI ZR 36/07, NJW 2009, 1872). Dass kritische Äußerungen im Zusammenhang mit der Durchführung eines rechtmäßigen Arbeitskampfes erfolgen, ändert an diesen Beurteilungsgrundsätzen nichts. Zwar gewährt Art. 9 Abs. 3 GG über die koalitionsspezifische Betätigungsfreiheit auch ein Recht der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder, sich durch kritische Äußerungen am Kampf um die öffentliche Meinung zu beteiligen, solange es um die Verfolgung tariflicher Ziele geht. Der durch Art. 9 Abs. 3 GG vermittelte Grundrechtsschutz reicht aber nicht weiter als derjenige des Art. 5 Abs. 1 GG; auch er findet seine Grenze am Recht der persönlichen Ehre des Arbeitgebers und seiner Repräsentanten (Däubler, Arbeitskampfrecht, 3. Aufl., S. 886 Rdz. 7 ff., vgl. auch BAG, Urteil vom 22.09.2009 - 1 AZR 972/08, NZA 2009, 1347).

bb. Bei den in Rede stehenden Äußerungen handelt es sich unter gebotener Berücksichtigung der Gesamtzusammenhänge (vgl. BGH, Urteile vom 22.09.2009, 03.02.2009, aaO) um Werturteile und nicht um Tatsachenbehauptungen.

 (1) Mit der Parole „1, 2, 3 ... X. ist ein Dieb“ wird der Personalleiter der Klägerin nicht der Begehung eines Diebstahls im strafrechtlichen Sinne bezichtigt. Es ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche fremde bewegliche Sache Herr X. den Streikteilnehmern in Zueignungsabsicht weggenommen und somit den Tatbestand des § 242 StGB verwirklicht haben sollte. Zum Ausdruck gebracht wird vielmehr deren Einschätzung, dass der Personalleiter der Klägerin durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Wechsel der Klägerin in die OT-Mitgliedschaft daran mitgewirkt hat, die Erwartung der Belegschaft in Bezug auf die uneingeschränkte Rückkehr der Klägerin in die aktuellen Flächentarifverträge zu enttäuschen und damit in als unlauter empfundener Weise einen Teil des sozialen Besitzstandes „geklaut“ zu haben. Eine konkrete Tatsachenbehauptung liegt hierin ersichtlich nicht.

 (2) Dass es sich bei der Äußerung „A. heißt er, uns bescheißt er“ um eine Tatsachenbehauptung handelt, trägt nicht einmal die Klägerin schriftsätzlich vor. Zwar ist festzuhalten, dass sich mit dem Begriff des „Bescheißens“ im weitesten Sinne eine Übervorteilung durch Täuschungshandlung assoziieren lässt. Gleichwohl bleibt die Äußerung völlig unkonkret und weist keinen Bezug zu bestimmten Straftatbeständen auf. Im Vordergrund steht die Verwendung eines umgangssprachlichen und zudem der Reimung geschuldeten Kraftausdrucks, mit dem einer generellen Enttäuschung über den Umgang des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern Ausdruck verliehen, nicht aber Tatsachen vermittelt werden sollen.

 (3) Bei der Bezeichnung „Betrüger“ handelt es sich zwar um einen rechtstechnischen Begriff, doch beschränkt sich dessen alltagssprachlicher Einsatz keinesfalls auf die Beschreibung echter strafrechtlicher Vorgänge. So werden zum Beispiel das Doping im Sport oder das Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten in Form eines Plagiats häufig als Betrug charakterisiert, ohne dass derartige Verhaltensweisen den Tatbestand des § 263 StGB erfüllten. Wer betrügt, verschafft sich allgemein durch Täuschung in unlauterer Weise und/oder Absicht Vorteile. Die Kammer vermochte nicht zu erkennen, dass dem Geschäftsführer der Klägerin anlässlich der Streikmaßnahmen vom 21.06./22.06.2012 mehr als letzteres attestiert werden sollte, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Streiteilnehmer einen Zusammenhang zur Tarifhistorie der Klägerin herstellen konnten und wollten. Bei Betrachtung der Äußerung „L. - Betrüger“ fällt zunächst auf, dass sich Name und Begriff reimen und erst so zu einer einprägsamen Parole werden; es erscheint keineswegs sicher, dass die Wortwahl der Streikteilnehmer genauso ausgefallen wäre, wenn der Geschäftsführer der Klägerin Schmitz oder Schulze hieße. Abgesehen davon ist die Äußerung im Kontext mit den weiteren skandierten Parolen zu sehen, bei denen es sich - wie bereits ausgeführt - nicht um Tatsachenbehauptungen handelt. Es leuchtet überhaupt nicht ein, dass die Streikteilnehmer zwischen Herrn L. einerseits und den Herren A. und X. andererseits differenzieren wollten, indem sie dem einen die Begehung eines Betruges im strafrechtlichen Sinne als Tatsachenbehauptung vorhielten, während den anderen „nur“ Unwerturteile zuteil wurden. Nichts stützt die Annahme, dass die Beklagten zu 5) bzw. 6) oder die Streikteilnehmer Kenntnis von Tatsachen hatten, die eine derartige Unterscheidung hinsichtlich der Verursachungsbeiträge der einzelnen Führungskräfte der Klägerin beim Wechsel in die OT-Mitgliedschaft rechtfertigten. Vielmehr ging es ersichtlich darum, alle hierfür vermeintlich Verantwortlichen gleichermaßen zu benennen und den Unmut über das Verhalten der gesamten Geschäftsführung zum Ausdruck zu bringen.

cc. Obwohl die Begriffe „Betrüger“, „bescheißen“ und „Dieb“ erhebliche Unwerturteile beinhalten, stellen sie sich in Anbetracht der konkreten Umstände des Falles noch als polemische und zugespitzte Kritik, die von der Klägerin hinzunehmen ist, und nicht als bloße Schmähung dar. Das macht die Kammer an folgenden Erwägungen fest:

 (1) Die Äußerungen erfolgten im Zusammenhang mit einer rechtmäßigen Arbeitskampfmaßnahme und zielten ersichtlich darauf ab, die öffentliche Meinung im Sinne der Streikenden zu beeinflussen, damit den (medialen) Druck auf die Klägerin zu erhöhen und letztlich so in den laufenden Tarifverhandlungen einen aus Arbeitnehmersicht möglichst günstigen Abschluss zu erreichen. Nichts rechtfertigt die Annahme, dass die Beklagten zu 5) und 6), sollten sie denn an der Entstehung und Einübung der Parolen in irgendeiner Form beteiligt gewesen sein, sich auch außerhalb eines Streiks so verhalten hätten. Gerade innerhalb eines Arbeitskampfes aber werden Stellungnahmen zum Tarifgeschehen und zur Charakterisierung des sozialen Gegenspielers verkehrsüblich schlagwortartig und in überspitzter Form abgegeben, und die beteiligten Verkehrskreise erwarten auch keine differenzierte Wiedergabe der im Laufe der Auseinandersetzung von den Tarifvertragsparteien eingenommenen Positionen (LAG Köln, Urteil vom 09.11.1994 - 2 Sa 1128/94, LAGE § 1004 BGB Nr. 2).

 (2.) Die wertende Charakterisierung der für die Klägerin handelnden Geschäftsführung als einen Kreis von Personen, die bei Abschluss und während der Geltung des TVzZ nicht mit offenen Karten gespielt und sich dadurch in unlauterer Weise einen ansonsten nicht erreichbaren Vorteil verschafft haben, stellt eine von ihrem Standpunkt aus betrachtet durchaus nachvollziehbare Reaktion der Streikteilnehmer und der sie unterstützenden Beklagten dar. Mit dem TVzZ verzichtete die Belegschaft der Klägerin im Interesse der Sanierung des Unternehmens und des Erhalts der Arbeitsplätze für einen Zeitraum von immerhin 2,5 Jahren auf erhebliche Entgeltbestandteile, Lohnsteigerungen und Urlaubsansprüche. Mag es an einer verbindlichen Zusage der Klägerin zur uneingeschränkten Rückkehr zur Geltung der Flächentarifverträge der Obst-, Gemüse- und Kartoffeln verarbeitenden Industrie, Essig- und Senfindustrie NRW ab dem 01.01.2012 im TVzZ fehlen, so darf doch nicht verkannt werden, dass Passagen im Tarifvertrag wie der Hinweis auf die bestehende Verbandsgebundenheit der Klägerin (§ 2 Abs. 1 TVzZ) und die dann wieder eintretende Geltung der Flächenentgelttarife (§ 3 TVzZ am Ende) in der Belegschaft den Eindruck erzeugten, es gehe um die dann aktuellen Flächentarifverträge. Dass, von aus Sicht der Kammer nicht aussagekräftigen Formulierungsnuancen abgesehen, während der Verhandlungen zum TVzZ ausdrücklich davon die Rede war, die Klägerin behalte sich nach jahrzehntelanger Verbandszugehörigkeit einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband oder einen Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vor, hat sie nicht einmal selbst behauptet. Berücksichtigt man weiterhin, dass die Klägerin den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft gegenüber den Mitarbeitern, Betriebsrat, Wirtschaftsausschuss (trotz der Regelung des § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG) und den Beklagten erst nach fast einem Jahr und zum spätest möglichen Zeitpunkt, nämlich zum Laufzeitende des TVzZ offenbarte, dann ist der Klägerin zu bescheinigen, dass sie zum Unmut der Belegschaft erhebliche Verursachungsbeiträge geleistet hat. Wer aber Vergütungserwartungen seiner Mitarbeiter enttäuscht und eine derart restriktive Informationspolitik betreibt, der muss mit einer harschen Charakterisierung seines Verhaltens rechnen.

2. Wegen des mit dem Antrag zu 2) verfolgten Anspruchs auf Einwirkung auf die Streikteilnehmer gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend. Auch insoweit war für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung kein Raum.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil ist nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.



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