Arbeitsgericht Ludwigshafen

Urteil vom - Az: 5 Ca 355/99

Zur Unzulässigkeit einer Rückgruppierung

Wird der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Vergütungsgruppe bezahlt und ist der Arbeitgeber der Auffassung, dass der Arbeitnehmer -fehlerhaft oder wegen Veränderung tatsächlicher Verhältnisse- zu hoch eingruppiert worden ist, so kann der Arbeitgeber diese fehlerhafte Eingruppierung nicht einfach dadurch korrigieren, dass er nunmehr nach der von ihm für angemessenen Vergütungsgruppe bezahlt, denn die Vergütung nach der ursprünglich festgelegten Vergütungsgruppe ist regelmäßig Vertragsbestandteil geworden.

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 613,21 brutto sowie DM 509,20 netto nebst 4 % Zinsenhieraus aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 20.04.1999 zu zahlen. 

II. Der Streitwert wird auf DM 1.122,41 festgesetzt.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin allein wegen der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse „rückgruppiert“ worden ist.

Die Klägerin ist am ... geboren und verheiratet. Sie ist seit dem 01.11.1993 zuletzt als stellvertretende Kindergartenleiterin im katholischen Kindergarten der Beklagten in ... beschäftigt. Die Beklagte ist eine Religionsgemeinschaft im Sinne der Artikel 140 Grundgesetz, 137 Weimarer Reichsverfassung. Die Klägerin erzielte zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von DM 4.451,41 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der Arbeitsvertrag vom 12. November 1993 (vgl. 5-7 d.A.) zugrunde. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach den „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des deutschen Caritasverbandes“ (AVR) in der jeweils gültigen Fassung, soweit nicht durch diesen Vertrag, eine Dienstvereinbarung oder durch Anordnung des Bischofs eine anderweitige Regelung getroffen ist. Weiter heißt es dort: Die Einstellung erfolgt in Vergütungsgruppe IV b Ziff. 4. Zuletzt war die Klägerin in die Vergütungsgruppe 4 b Ziff. 6 AVR eingruppiert. Ausgelöst wurde der Rechtsstreit durch das Schreiben der Beklagten vom 24.02.1999 (vgl. Bl. 10 d.A.), in dem es wie folgt heißt: „Rückgruppierung zum 01.01.99 Anlage: Kopie(n) Anl. 2 d AVR... Ihre Eingruppierung als stellv. Kindergarten-Leiterin in die Vergütungsgruppe 4 b Ziff. 6 AVR ist von der entsprechenden Durchschnittsbelegung der Einrichtung abhängig. AVR Anl. 2d Ziffer 10: „Der Ermittlung der Durchschnittsbelegung ist für das jeweilige Kalenderjahr grundsätzlich die Zahl der vom 01. Oktober bis 31. Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres vergebenen, je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze zugrunde zu legen.“ Ihre Einrichtung hatte von Okt. bis Dez. 1998 eine durchschnittliche Belegung von 68 Kindern, daraus ergibt sich eine Eingruppierung ab 01.01.99 in die Vergütungsgruppe 5 c Ziff. 8 AVR + Vergütungsgruppenzulage. Die Änderung wird in der Abrechnung für 03/99 rückwirkend ab 01/99 vorgenommen.“ Ab dem 01.02.1999 wurden dann wieder 70 und ab dem 01.03.1999 wieder 75 Kinder in den katholischen Kindergarten der Beklagten in Landau aufgenommen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die rückwirkende Rückgruppierung zum 01.01.1999 nicht zulässig sei. Sie verweist im Wesentlichen darauf, dass die zuständige Mitarbeitervertretung -unstreitig- vor Ausspruch der Rückgruppierung nicht gehört worden sei. Zudem sei ihre Einstellung in der Vergütungsgruppe IV b erfolgt. Diese Eingruppierung sei Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden und könne nicht durch Teilkündigung entzogen werden. Zudem sei die Rückgruppierung auch aus materiellen Gründen unzulässig. 

Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 613,21 brutto sowie DM 509,20 netto, nebst 4 % Zinsen hieraus auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Zustellung der Klage zu zahlen, hilfsweise 

2. festzustellen, dass die Klägerin in die Vergütungsgruppe 4 b Ziffer 6 AVR einzugruppieren ist.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. 

Die Beklagte ist der Auffassung, die Anmerkung Ziffer 10 zur Anlage 2 d AVR sei eine verbindliche Ermittlungsregel, von der nicht eigenmächtig abgewichen werden könne. Die Bezüge der Klägerin müssten daher korrigiert und angepasst werden, anderenfalls wäre eine ungerechtfertigte Bereicherung auf Seiten der Klägerin eingetreten. Für eine Änderungskündigung sei kein Raum gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe 

Die insgesamt zulässigerweise zu den Gerichten für Arbeitssachen erhobene Leistungsklage hat auch in der Sache Erfolg; über den Hilfsantrag war damit nicht zu befinden.

Die Klägerin kann die Zahlung der unstreitigen Beträge verlangen, die die Beklagte aufgrund der unzulässigen „Rückgruppierung“ einbehalten hat. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung dieser Beträge resultiert aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Klägerin. Die Klägerin ist unstreitig arbeitsvertraglich zuletzt in die Vergütungsgruppe 4 b Ziff. 6 AVR eingruppiert. Die Beklagte zahlt der Klägerin aber unstreitig seit dem 01.01.1999 allein die Vergütung nach der Vergütungsgruppe 5 c Ziff. 8 AVR zuzüglich Vergütungsgruppenzulage.

Nachdem die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf die Vergütungsgruppe 4 b Ziff. 6 AVR hat, hat die Beklagte die streitbefangene Differenz auszugleichen. Dabei kann dahinstehen, ob die materielle Einschätzung der Beklagten zutrifft, dass wegen des Rückganges der Durchschnittsbelegung in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1998 eine Rückgruppierung der Klägerin zulässig gewesen wäre. Eine solche Rückgruppierung hätte in jedem Fall im Wege der Änderungskündigung erfolgen müssen, da die Beklagte mit dem Entzug von Vergütungsbestandteilen in den geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen wollte. Eine solche Änderungskündigung ist in dem Schreiben vom 24.02.1999 nicht zu sehen; die Klägerin verweist zu Recht darauf, dass dieses Schreiben als unzulässige Teilkündigung zu werten ist. 

Wird der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Vergütungsgruppe bezahlt und ist der Arbeitgeber der Auffassung, dass der Arbeitnehmer -fehlerhaft oder wegen Veränderung tatsächlicher Verhältnisse- zu hoch eingruppiert worden ist, so kann der Arbeitgeber diese fehlerhafte Eingruppierung nicht einfach dadurch korrigieren, dass er nunmehr nach der von ihm für angemessenen Vergütungsgruppe bezahlt, denn die Vergütung nach der ursprünglich festgelegten Vergütungsgruppe ist regelmäßig Vertragsbestandteil geworden. Die Korrektur, die zu einer niedrigeren Vergütung führen soll, ist daher nur dadurch möglich, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Änderungskündigung ausspricht (vgl. nur BAG, 15.03.1991, NZA 1992, S. 120; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 67 II. 1. c). Des Weiteren hat der Arbeitgeber bei einer solchen korrigierenden Rückgruppierung mögliche Mitbestimmungsrechte zu beachten (vgl. BAG, 30.05.1999, BB 1990, S. 2043). Außerdem sind die allgemeinen Voraussetzungen der Änderungskündigung gem. § 2 Kündigungsschutzgesetz einzuhalten. In Ermangelung einer solchen Änderungskündigung schuldet die Beklagte der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung nach der Vergütungsgruppe 4 b Ziff. 6 AVR. Der Klage war daher stattzugeben. 

Die Kosten des Rechtsstreites waren der Beklagten aufzuerlegen. Der Streitwert war in Anlehnung an die Höhe der Klageforderung im Urteil festzusetzen. 



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