Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 4 Ca 772/08

Zur Frage der beamtenrechtlichen Auswahlentscheidung

Die Verwaltung der eigenen Finanzen, die Steuerung von Einnahmen, die Kontrolle von Ausgaben und ggfls. deren Verteilung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen stellt nicht nur eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage dar, sondern vielmehr eine Kernfunktion des Staates als Institution.

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Streitwert wird auf 20.675,04 € festgesetzt.

III. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten um die Berücksichtigung der Klägerin im Bewerbungsverfahren für die Neubesetzung der Position des Stadtkämmerers bei der beklagten Stadt.

Die Klägerin ist bei der beklagten Stadt derzeit als Verwaltungsfachangestellte im gehobenen Dienst beschäftigt und wird nach der Entgeltgruppe E 9 TVöD vergütet, was einem Bruttomonatsentgelt von 2.594,45€ entspricht. Am 06.03.2008 schrieb die beklagte Stadt, ebenfalls für den gehobenen Dienst, zum 01.09.2008 die Stelle des Kämmerers aus, welche nach der Besoldungsgruppe A 13 S BBesG vergütet wird. Die Bewerbung der Klägerin auf diese Stelle wies die Beklagte mit der Begründung zurück, bei der Stelle des Kämmerers handele es sich um eine unter Funktionsvorbehalt im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG stehende Stelle, welche nur mit einem Beamten bzw. einer Beamtin besetzt werden könne, nicht aber mit einer Angestellten wie der Klägerin. Dies komme nur ausnahmsweise in  Betracht und bedürfe einer besonderen Rechtfertigung, die im vorliegenden Fall ausscheide, da qualifizierte Bewerbungen von Beamten vorlägen. Derzeit ist die Stelle kommissarisch mit dem Beamten besetzt, der sich im Bewerbungsverfahren durchgesetzt hat. Die Klägerin vertritt die Ansicht, sie sei in das Bewerbungsverfahren gemäß dem Eignungsgrund Leistungsträgerprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG einzubeziehen. Der Funktionsvorbehalt greife nicht ein, da er die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetze, was eine Entscheidungstätigkeit in der Eingriffsverwaltung oder der grundrechtsrelevanten Leistungsverwaltung erfordere. Dies sei bei einem Kämmerer aber nicht der Fall, da dieser lediglich verwaltungsintern tätig werde wie insbesondere bei der Erstellung des Haushaltsplans. Hierdurch würden jedoch gemäß § 3 Abs. 2 Landeshaushaltsordnung (LHO) Rheinland-Pfalz Rechte Dritter weder begründet noch gehindert. Auch im Übrigen komme der Tätigkeit des Kämmerers keine Außenwirkung zu. 

Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die zu ihren Ungunsten ergangene Auswahlentscheidung der Beklagten rechtswidrig ist sowie
2. die Beklagte zu verurteilen, über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. 

Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.

Sie vertritt die Ansicht, die Neubesetzung der Kämmererstelle unterfalle dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG. Wenn eine Position das absolute Vertrauen des Dienstherrn und die unbedingte Loyalität zu diesem erfordere, dann die des Kämmerers. Er erstelle den Haushaltsplan nicht nur, sondern führe ihn ebenso aus, habe die gesamte Fachaufsicht über die Stadtkasse inne, überwache die Finanzwirtschaft der Eigenbetriebe und ihre Auswirkungen auf den Haushalt der beklagten Stadt, wickle örtliche wie überörtliche Verwaltungsprüfungen ab und fungiere federführend bei der Auswertung und Bearbeitung örtlicher wie überörtlicher Prüfberichte. Sogar unmittelbare Außenwirkung komme des Handeln des Kämmerers zu, wenn dieser die in der Satzung beschlossenen Gebühren, Beiträge und Steuersätze erhebe, indem er die entsprechenden Bescheide entweder selbst unterzeichne oder diese in seinem Auftrag unterzeichnet würden. Wegen der weiteren Aufgaben des Kämmerers wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichte Stellenbeschreibung verwiesen (Bl. 38 d. A.). Dass die Position des Kämmerers aufgrund dessen ausschließlich öffentlich-rechtlicher Tätigkeit sowie seiner besonderen Pflichtenstellung grundsätzlich mit einem Beamten besetzt werden müsse, zeige sich nicht zuletzt an dem für Beamte geltenden Streikverbot. Dürfte ein Kämmerer in den Streik treten, könne dies zur Gefährdung der Finanzierung wichtiger und dringlicher Projekte und damit zu gravierenden Schäden für den Dienstherrn führen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe 

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat wegen des Funktionsvorbehaltes in Art. 33 Abs. 4 GG als Verwaltungsangestellte keinen Anspruch, in das Bewerbungsverfahren um die Neubesetzung der Kämmererstelle einbezogen zu werden. Gemäß Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

In einem solchen Dienst- und Treueverhältnis werden aber ausschließlich Beamte tätig (BVerfG 27.04.1959, BVerfGE 9, 268; 284; BAG 11.08.1998, AP Nr. 45 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Auch die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Norm, die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse, liegen bei der hier ausgeschriebenen Stelle als Kämmerer der beklagten Stadt vor. Die inhaltliche Reichweite des Begriffs der hoheitsrechtlichen Befugnisse wird im verfassungsrechtlichen Schrifttum außerordentlich vielfältig und unterschiedlich beurteilt. Das Meinungsspektrum reicht von ausschließlicher Tätigkeit in der Eingriffsverwaltung auf der einen bis hin zu jedweder Erfüllung öffentlicher Aufgaben, unabhängig von der Rechtsform des konkreten Verwaltungshandelns auf der anderen Seite. Zwischen diesen beiden Extrempositionen wird u. a. auf die Bedeutung der jeweiligen Aufgabe oder ihre Grundrechtsrelevanz, das Bestehen eines Subordinationsverhältnisses, die Notwendigkeit der staatlichen Aufgabenerfüllung, die materielle Orientierung an der Adäquanz der Strukturmerkmale des Beamtenstatus oder die Rechtsform des Verwaltungshandelns abgestellt (vgl. hierzu v. Mangoldt/Klein/Starck/Jachmann, GG, Art. 33 Abs. 4 Rn. 31 m. w. N.).

Nach Auffassung der Kammer ist der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse weder so eng zu verstehen, dass ihm nur die unmittelbar außenwirksame Tätigkeit im Rahmen der Eingriffsverwaltung unterfiele, noch so weit, dass er jegliches auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgende Handeln erfasst, da dies die besondere Bedeutung des Beamten und der von ihm auszuübenden Tätigkeiten ausufern ließe und damit letztlich nivellierte. Vielmehr muss es maßgeblich auf den jeweiligen Inhalt der Tätigkeit und ihre Bedeutung für den Staat bzw. die öffentliche Hand ankommen. Der Beamte ist grundsätzlich als staatlicher Organträger institutionell in den Staat als Korporation eingebunden und als solcher zur Erledigung typisch staatlicher Aufgaben berufen (v. Mangoldt/Klein/Starck/Jachmann, a. a. O., Art. 33 Abs. 4 Rn. 33). Dabei rechtfertigt sich die mit dem Beamtenstatus verbundene besondere Rechts- und Pflichtenstellung nicht zuletzt dadurch, dass gerade im Wechselspiel der politischen Kräfte einer parlamentarischen Demokratie eine neutrale, unparteiische, am Gemeinwohl orientierte sowie an Recht, Gesetz und Verfassung gebundene Verwaltung gewährleistet wird (v.  Mangoldt/Klein/Starck/Jachmann, a. a. O., Art. 33 Abs. 4 Rn. 33). Gerade auch in Krisenzeiten will Art. 33 Abs. 4 GG die Kontinuität und loyale, zuverlässige und qualifizierte Erledigung der hoheitsrechtlichen Aufgaben sicher stellen, was insbesondere das dem Beamten obliegende Streikverbot begründet (BAG 11.08.1998, AP Nr. 45 zu Art. 33 Abs. 2 GG; BAG 05.11.2002, AP Nr. 57 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Daher handelt es sich um die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse stets dort, wo es um notwendig mit der Staatlichkeit verbundene Aufgaben geht, deren Erfüllung unerlässlich für die Funktionsfähigkeit des Staates als des Allgemeinwesens ist (v. Mangoldt/Klein/Starck/Jachmann, a. a. O., Art. 33 Abs. 4 Rn. 34). Hierzu zählen insbesondere auch die Bereiche der Selbstorganisation und der Steuer- bzw. Abgabenerhebung, da es sich hier um Wesentliche Kernfunktionen staatlicher Aufgabenerfüllung im Sinne von typischerweise die Staatlichkeit ausmachenden Funktionen handelt (v. Mangoldt/Klein/Starck/Jachmann, a. a. O., Art. 33 Abs. 4 Rn. 33 f. m. w. N.). Diese Anforderungen sind vorliegend in Bezug auf die von der beklagten Stadt ausgeschriebene Stelle als Kämmerer erfüllt. Die Verwaltung der eigenen Finanzen, die Steuerung von Einnahmen, die Kontrolle von Ausgaben und ggfls. deren Verteilung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen stellt nicht nur eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage dar, sondern vielmehr eine Kernfunktion des Staates als Institution. Gemäß § 9 Abs. 2 LHO Rheinland-Pfalz obliegen dem Kämmerer die Aufstellung der Unterlagen für die Finanzplanung und der Unterlagen für den Entwurf der Haushaltsplans sowie die Ausführung des Haushaltsplans; ferner ist er bei allen Maßnahmen von finanzieller Bedeutung zu beteiligen. Hierzu gehören nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten u. a. die Finanz- und Investitionsplanung und -kontrolle, die haushaltsrechtliche Prüfung von Vergaben, die Budgetierung des Verwaltungshaushalts, die Abwicklung von Verwaltungsprüfungen, die Bewirtschaftung von Geld, Kapitalvermögen, Rücklagen, Kassenmitteln und Festgeldanlagen, die gesamte Fachaufsicht über die Stadtkasse sowie die Betreuung von Krediten. Ferner fungiert der Kämmerer im Rahmen der Finanzverwaltung als Anordnungsberechtigter und verfügt im Rahmen der per Satzung festgelegten Gebühren, Beiträge und Steuersätze deren Erhebung, sofern dies nicht in seinem Auftrag geschieht. Bereits hieraus wird ersichtlich, dass dem Handeln des Kämmerers in maßgeblichen Bereichen sogar unmittelbare Außenwirkung zukommt, wenngleich dies nicht notwendige Voraussetzung für die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG ist (vgl. insoweit BAG 11.08.1998, AP Nr. 45 zu Art. 33 Abs. 2 GG). So entwirft der Kämmerer nicht nur den Haushaltsplan und stellt damit die entsprechenden Weichen für die staatlichen Einnahmen (Steuersätze) und Ausgaben (etwa bei Darlehen oder Subventionen), sondern er wirkt ebenso bei der Ausführung und Umsetzung seiner Budgetierung und übrigen vorbereitenden Arbeiten mit. Auch betrifft die Tätigkeit des Kämmerers einen sensiblen und für den Staat als seinen Dienstherrn existenziellen Bereich, nämlich den der Finanzen, in welchem die mit dem Beamtenstatus verbundene Pflichtenstellung im Sinne einer besonderen Bindung an Recht, Gesetz und Verfassung zur Garantie einer gesetzmäßigen und rechtstaatlichen Verwaltung (vgl. dazu v. Mangoldt/Klein/Starck/Jachmann, a. a. O., Art. 33 Abs. 4 Rn. 33) besondere Bedeutung erlangt. Die einem Beamten obliegende Pflicht zur Verfassungstreue, Loyalität und Neutralität kommen hier ebenso wie das Streikverbot in hervorgehobener Weise zum Tragen. Gerade am Beispiel der Schlüsselfigur in der Finanzverwaltung zeigt sich deutlich, dass der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG nicht den Bürger (etwa vor Eingriffen des Staates), sondern primär den Staat schützen soll, indem er die Aufrechterhaltung der die Staatlichkeit typischerweise ausmachenden Funktionen garantieren will. Greift der Funktionsvorbehalt damit ein, hatte die beklagte Stadt das Amt des Kämmerers gemäß Art. 33 Abs. 4 GG „in der Regel“ einem Beamten zu übertragen. Dabei ist ihre Auswahl auf einen Bewerber gefallen, der sich als Beamter gegen andere Bewerber, ebenfalls Beamten, durchgesetzt hat. Besondere Anhaltspunkte dafür, dass hier abweichend vom Regelfall der Klägerin als Angestellte die ausgeschriebene Stelle hätte übertragen werden müssen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Daher bestand für die beklagte Stadt von vorne herein kein Grund, die Klägerin im Bewerbungsverfahren zu berücksichtigen. Mithin waren sowohl Haupt- wie auch Hilfsantrag als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Bei der Festsetzung des Streitwertes ist das Gericht gemäß § 3 ZPO und in Anlehnung an die Regelung des § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG von der dreijährigen Vergütungsdifferenz zwischen der von der Klägerin angestrebten und der von ihr derzeit besetzten Stelle ausgegangen. Diese Differenz beträgt (4.317,37 - 2.594,45 =) 1.722,92 €. Von dem Dreijahresbetrag in Höhe von 62.025,12 € hat das Gericht sodann einen Abschlag in Höhe von 2/3 vorgenommen, da die Klägerin im Erfolgsfalle die ausgeschriebene Stelle nicht besetzt hätte, sondern lediglich in ein Auswahlverfahren mit einbezogen worden wäre, in dem sie gegen andere Bewerber hätte antreten müssen. 

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt. 



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