Verwaltungsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 7 K 623/04

Zum Anspruch einer Schwerbehinderten auf Ernennung als Beamtin

(1.) In ein Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer neben den in § 9 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz – LBG – genannten Voraussetzungen den Anforderungen des Leistungsprinzips (§ 10 LBG) genügt, also die für das entsprechende statusrechtliche und funktionelle Amt erforderliche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung aufweist.

(2.) In gesundheitlicher Hinsicht weist ein Beamter bzw. ein Beamtenbewerber die erforderliche Eignung im Sinne von § 10 LBG grundsätzlich auf, wenn im Rahmen einer verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn festgestellt werden kann, dass bei dem betreffenden Beamten bzw. Beamtenbewerber die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze (vgl. § 54 Abs. 1 LBG) mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

(3.) Schwerbehinderte können in Rheinland-Pfalz auch dann als Beamte eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist; dies gilt auch für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

(4.) Dieser erleichterte Zugang für Schwerbehinderte in ein Beamtenverhältnis jedoch nicht, dass Schwerbehinderte gleichsam ohne Prüfung der gesundheitlichen Eignung in ein Beamtenverhältnis übernommen werden müssen, denn das Verbot der Benachteiligung Behinderter verbietet nur solche Regelungen, die es einem Behinderten von aufgrund seiner Behinderung vornherein generell unmöglich machen, die angestrebte berufliche Laufbahn – hier als Lehrerin im Beamtenverhältnis – zu ergreifen. Dagegen kann der Dienstherr durchaus solche Regelungen treffen, die einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen des Schwerbehinderten an der Möglichkeit des Zugangs zum Beamtenverhältnis einerseits und den Interessen der öffentlichen Hand, im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung (vgl. § 6 HGrG) solche Versorgungsfälle zu vermeiden, die bereits im Zeitpunkt der Einstellung unabweisbar zu erwarten sind, andererseits zum Gegenstand haben, selbst wenn dadurch einem Schwerbehinderten im Einzelfall der Eintritt in das Beamtenverhältnis versagt bleiben muss. Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das beklagte Land in Anlehnung an die Verwaltungspraxis in anderen Bundesländern (z.B. Bayern o. Schleswig-Holstein) die Übernahme eines Schwerbehinderten davon abhängig macht, ob mit einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre ab Antrag des Bewerbers auf Verbeamtung bzw. ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstherrnzu rechnen ist (vgl. Rundschreiben des MBFJ vom 04. Dezember 2002 und 24. Januar 2003).

(5.) Für die anzustellende Prognose der Dienstfähigkeit darf das Land eine amtsärztliche Prüfung und Stellungnahme verlangen (vgl. insoweit die vorgenannten Rundschreiben des MBFJ, a.a.O.). Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ihm nachfolgend der Instanzgerichte, dass einem amtsärztlichen Gutachten, was seine Objektivität anlangt, regelmäßig ein höherer Beweiswert zukommt als privatärztlichen Bescheinigungen. Dies gilt in besonderem Maße für die Gutachten, in denen – wie hier – Fragen des Dienstrechts aus medizinischer Sicht zu beurteilen sind.

(6.) Ob und wann eine Störung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit beeinträchtigt, ist eine Frage, deren Entscheidung mit Vorrang dem Amtsarzt zukommt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Stellungnahme des Amtsarztes in ihren wesentlichen, die Entscheidung des Dienstherrn tragenden Feststellungen inhaltlich zutreffend und insgesamt in sich nachvollziehbar ist.

(7.) Liegen privatärztliche Stellungnahmen vor, die in der Frage der Dienstfähigkeit eines Beamten bzw. Beamtenanwärters mit ihrer medizinischen Beurteilung den Feststellungen des Amtsarztes substantiiert widersprechen, und ist dies dem Amtsarzt bekannt, kommt seinen Feststellungen nur unter der Voraussetzung Vorrang zu, dass er sich mit den entgegenstehenden Erwägungen des privaten Arztes auseinandersetzt und nachvollziehbar darlegt, warum er diesen nicht folgt.

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juni 2004 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 15. November 2001 auf Verbeamtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin steht als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis an der Berufsbildenden Schule III (BBS III) in ... im Dienste des beklagten Landes. Sie begehrt vom Beklagten, sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit unter Anrechnung der im Schuldienst des Landes Rheinland-Pfalz bereits zurückgelegten Zeit als Studienrätin in der Besoldungsgruppe A 13 BBesO zu ernennen.

Die 1967 geborene Klägerin leidet ausweislich amtsärztlicher Stellungnahmen an einer Erkrankung aus dem neurologischen Fachbereich mit eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit. Ihr wurde durch das Amt für soziale Angelegenheiten in Mainz zuletzt durch Bescheid vom 14. Mai 2002 ein Grad der Behinderung von 70 v.H. zuerkannt.

Die Klägerin trat nach Absolvierung ihrer Ausbildung zum 02. November 2000 als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis zunächst in den Schuldienst des Landes Hessen ein. Zum 01. Februar 2001 wechselte sie in den Schuldienst des beklagten Landes, wo sie als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis an der BBS III in ... im Teilzeitangestelltenverhältnis eingesetzt ist; ihr Stundendeputat beträgt derzeit 21/24 Wochenstunden, ermäßigt auf 17 Wochenstunden.

Mit Schreiben vom 08. November 2001, eingegangen bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion am 15. November 2001, stellte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung einen Antrag auf Verbeamtung. Nachdem der Amtsarzt in seiner darauf hin eingeholten Stellungnahme vom 27. Februar 2002 darauf hingewiesen hatte, dass er im Falle einer beabsichtigten Verbeamtung unter Berücksichtigung der vorhandenen Schwerbehinderung einen präzisen Untersuchungsauftrag benötige, wobei u.a. von Wichtigkeit sei, auf welchen Zeitraum sich eine Prognose hinsichtlich der vorzeitigen Dienstunfähigkeit beziehen müsse, teilte das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend auf Anfrage der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion mit Schreiben vom 26. Juni 2002 mit, dass nach den der-zeit geltenden Anwendungsleitlinien des MASG vom 01. August 2001 Schwerbehinderte auch dann als Beamte eingestellt werden könnten, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich sei. Eine Regelung über einen Mindestzeitraum der Dienstfähigkeit eines Schwerbehinderten gebe es nicht; dies könne nur im Einzelfall entschieden werden, wobei hier die zu verrichtende Tätigkeit und der Gesundheitszustand des Schwerbehinderten maßgeblich seien.

Mit Schreiben vom 05. September 2002 teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion dem Gesundheitsamt mit, dass in Anlehnung an die Verwaltungspraxis und an Regelungen in anderen Bundesländern davon ausgegangen werde, dass es aufgrund einer Prognose wahrscheinlich sein müsse, dass eine Lehrkraft noch mindestens fünf Jahre dienstfähig sein müsse, wobei hiervon im Einzelfall nach oben oder nach unten abgewichen werden könne. In seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2002 wies der Amtsarzt darauf hin, dass aufgrund der Erkrankung der Klägerin eine krankheitsbedingte vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden könne, dass die Klägerin aktuell ihrer Unterrichtsverpflichtung nachkommen könne und eine sichere Prognose hin-sichtlich des weiteren Krankheitsverlaufs bei dem bestehenden Krankheitsbild nur schwer möglich sei. Aufgrund der anzuwendenden Richtlinien sei daher eine Verbeamtung der Klägerin allein in das Ermessen des Dienstherrn gestellt. Auf diese amtsärztliche Stellungnahme hin wandte sich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion mit Schreiben vom 21. Januar 2003 erneut an das Gesundheitsamt mit der Bitte um Abgabe einer Prognose, für welchen Zeitraum es wahrscheinlich sei, dass die Klägerin dienstfähig sein werde. Auf dieses Schreiben teilte der Amtsarzt in seiner Stellungnahme vom 28. Februar 2003 mit, dass sich aufgrund des Verlaufs der Erkrankung der Klägerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lasse, dass vor Ablauf von fünf Jahren der Eintritt der Dienstunfähigkeit ausgeschlossen werden könne, dass eine genauere Prognose aufgrund der Erkrankung jedoch nicht möglich sei.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. April 2003 wandte sich die Klägerin an das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend und erneuerte ihren Antrag auf Verbeamtung. Sie wies zur Begründung darauf hin, dass neben den Regelungen des Beamtenrechts und des SGB IX auch europäisches Recht zu beachten sei, aus dem sich ein Diskriminierungsverbot für Schwerbehinderte er-gebe. Dies habe zur Folge, dass bei Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses keine Benachteiligung wegen einer Behinderung erfolgen dürfe. Die von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vorgegebene Prognose einer Dienstfähigkeit von mindestens 5 Jahren stelle eine unmittelbare positive Diskriminierung dar und sei rechtswidrig, zumal sie in geltendem Recht keine Stütze finde. Im Übrigen ergebe ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes privates Fachgutachten vom 10. Dezember 2002, dass bei der Klägerin keine Einschränkungen der Dienstfähigkeit festzustellen seien; der Gutachter stufe das bei ihr gegebenen Krankheitsbild aufgrund seiner Verlaufsbeobachtungen als – wenn überhaupt – nur sehr langsam progredienten Verlauf ein, wobei im letzten Jahr eher eine Stabilisierung mit einer eher leichten Verbesserung stattgefunden habe, so dass – soweit für die Zukunft voraussagbar – für die Tätigkeit als Lehrerin keine konkret fassbare Bedrohung der Dienstfähigkeit bestehe. Auch habe sich der Schulleiter der BBS III positiv über die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der Klägerin geäußert.

Am 22. Dezember 2003 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie verweist zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbrin-gen sowie gutachterliche Stellungnahmen des Neurologen Dr. ... sowie der Neuro-logischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg.

Durch Bescheid vom 22. Juni 2004 lehnte der Beklagte die Übernahme der Klägerin in ein Beamtenverhältnis unter Hinweis darauf ab, dass sich das Gesundheitsamt Mainz auch unter Berücksichtigung eines Prognosezeitraums von nunmehr nur noch zweieinhalb Jahren aufgrund der Schwere der Erkrankung zu einer Prognose nicht in der Lage sehe.

Die Klägern beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juni 2004 zu verpflichten, über ihren Antrag auf Verbeamtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Gemäß Ziffer 3.12. der Anwendungsleitlinien zur Betreuung schwer-behinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Landes könnten Schwerbehinderte auch dann als Beamte eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich sei. Gleichzeitig gelte § 10 LBG, der u.a. die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfordere. Aus diesem Zusammenhang ergebe sich, dass für die gesundheitliche Eignung schwerbehinderter Menschen geringere Anforderungen zu stellen seien. Zwar müssten schwerbehinderte Menschen die Voraussetzung, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, nicht erfüllen; andererseits müsse aber der sofortige bzw. kurzfristige Eintritt einer dauernden Dienstunfähigkeit nach Einstellung in das Beamtenverhältnis aufgrund einer Prognoseentscheidung ausgeschlossen werden können. In Anlehnung an die Verwaltungspraxis und Re-gelungen in anderen Bundesländern werde davon ausgegangen, dass es aufgrund einer Prognose wahrscheinlich sein müsse, dass die Lehrkraft noch mindestens fünf Jahre dienstfähig sein werde. Der Amtsarzt habe dieses bei der Klägerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen können, so dass eine Verbeamtung der Klägerin ausgeschlossen sei. Eine Diskriminierung der Klägerin liege nicht vor, denn sie sei als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis beschäftigt, welches gegenüber einer Beschäftigung im Beamtenverhältnis gleichwertig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in den Gerichtsakten verwiesen. Die Personalakten der Klägerin liegen sowie die Verwaltungsakten „Verbeamtung“ der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die ursprünglich als Untätigkeitsklage im Sinne von § 75 VwGO statthafte und auch ansonsten zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte über ihren Antrag vom 15. November 2001 auf Verbeamtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

In ein Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer neben den in § 9 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes – LBG – genannten Voraussetzungen den Anforderungen des Leistungsprinzips (§ 10 LBG) genügt, also die für das entsprechende statusrechtliche und funktionelle Amt erforderliche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung aufweist. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig sein dürfte, weist die Klägerin – die seit 01. Februar 2001 als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis an der Berufsbildenden Schule III (BBS III) in ... katholische Religion, Sozialkunde und Rechnungswesen unterrichtet – in fachlicher Hinsicht die für die Berufung in ein Beamtenverhältnis der Besoldungsgruppe A13 (Studienrätin) erforderliche Leistung, Eignung und Befähigung auf. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin aber auch in gesundheitlicher Hinsicht unter Berücksichtigung der für Schwerbehinderte geltenden Regelungen als geeignet anzusehen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

In gesundheitlicher Hinsicht weist ein Beamter bzw. ein Beamtenbewerber die erforderliche Eignung im Sinne von § 10 LBG grundsätzlich auf, wenn im Rahmen einer verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn festgestellt werden kann, dass bei dem betreffenden Beamten bzw. Beamtenbewerber die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze (vgl. § 54 Abs. 1 LBG) mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diesen Anforderungen genügt die Klägerin jedoch unstreitig nicht, denn wie bereits das Gesundheitsamt in Mainz in einer wie bereits das Gesundheitsamt in Mainz in einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 02. November 2000 (vgl. Blatt 74 der Personalakten) aus Anlass einer beabsichtigten Einstellung der Klägerin als Berufsschullehrerin im Beamtenverhältnis im hessischen Schuldienst ausgeführt hat, kann bei der Klägerin aufgrund einer bei ihr bestehenden Erkrankung aus dem neurologischen Fachbereich mit eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit (Multiple Sklerose) aus amtsärztlicher Sicht die Möglichkeit einer vorzeitigen krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Einschätzung des Amtsarztes zwischenzeitlich etwas geändert hat, sind weder ersichtlich, noch von der Klägerin auch nur selbst geltend gemacht worden.

Zugunsten der Klägerin greift jedoch der Umstand, dass sie als Schwerbehinderte im Sinne des § 68 SGB IX mit einem Grad der Behinderung von zuletzt 70 v. H. (vgl. Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten vom 14. Mai 2002, Blatt 179 der Personalakten) anerkannt ist, denn für diesen Personenkreis greifen die vorgenannten – hohen – Anforderungen an die gesundheitliche Eignung nicht. So können nach Ziffer 3.12 der Anwendungsleitlinien zur Betreuung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Landes (Rheinland-Pfalz) vom 01. August 2001 Schwerbehinderte auch dann als Beamte eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist; dies gilt auch für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (vgl. Blatt 56 der Gerichtsakten). Auch aus Ziffer V.3. der Integrationsvereinbarung für die im Landes-dienst stehenden schwerbehinderten Beschäftigten an staatlichen Schulen des Landes Rheinland-Pfalz vom 07. Juli 2003 (vgl. Blatt 88 der Gerichtsakten) ergibt sich, dass schwerbehinderte Menschen auch dann in ein Beamtenverhältnis übernommen werden können, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Dieser erleichterte Zugang für Schwerbehinderte in ein Beamtenverhältnis – der Ausfluss des verfassungsrechtlich garantierten Verbotes der Benachteiligung Behinderter (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) ist – bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass Schwerbehinderte gleichsam ohne Prüfung der gesundheitlichen Eignung in ein Beamtenverhältnis übernommen werden müssen, denn das Verbot der Benachteiligung Behinderter verbietet nur solche Regelungen, die es einem Behinderten von aufgrund seiner Behinderung vornherein generell unmöglich machen, die angestrebte berufliche Laufbahn – hier als Lehrerin im Beamtenverhältnis – zu ergreifen. Dagegen kann der Dienstherr durchaus solche Regelungen treffen, die einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen des Schwerbehinderten an der Möglichkeit des Zugangs zum Beamtenverhältnis einerseits und den Interessen der öffentlichen Hand, im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung (vgl. § 6 HGrG) solche Versorgungsfälle zu vermeiden, die bereits im Zeitpunkt der Einstellung unabweisbar zu erwarten sind, andererseits zum Gegenstand haben, selbst wenn dadurch einem Schwerbehinderten im Einzelfall der Eintritt in das Beamtenverhältnis versagt bleiben muss. Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in Anlehnung an die Verwaltungspraxis in anderen Bundesländern (vgl. z. B. Ziffer 8.3 Satz 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 17. April 2003 „Fürsorge für schwerbehinderte Angehörige des öffentlichen Dienstes in Bayern; Ziffer 2.1.9 Satz 2 der Bekanntmachung des schleswig-holsteinischen Ministeriums des Innern vom 05. Dezember 1990 „Richtlinien über die Einstellung, Beschäftigung und begleitende Hilfe Schwerbehinderter in der Landesverwaltung“, MBl. Schl.-H. 1991, 144) die Übernahme eines Schwerbehinderten davon abhängig macht, ob mit einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre zu rechnen ist (vgl. Rundschreiben des MBFJ vom 04. Dezember 2002 und 24. Januar 2003, Blatt 48, 66 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“), wobei für den Beginn des fünfjährigen Prognosezeitraums der Antrag des Bewerbers auf Verbeamtung bzw. der Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstherrn, einen Bewerber in das Beamtenverhältnis zu übernehmen, maßgeblich ist.

Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist es ferner, wenn der Beklagte für die anzustellende Prognose der Dienstfähigkeit für einen Zeitraum von fünf Jahren auf eine amtsärztliche Prüfung und Stellungnahme abstellt (vgl. insoweit die vorgenannten Rundschreiben des MBFJ, a.a.O.). Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ihm nachfolgend der Instanzgerichte, dass einem amtsärztlichen Gutachten, was seine Objektivität anlangt, regelmäßig ein höherer Beweiswert zukommt als privatärztlichen Bescheinigungen. Dies gilt in besonderem Maße für die Gutachten, in denen – wie hier – Fragen des Dienst-rechts aus medizinischer Sicht zu beurteilen sind, denn hierfür ist bei einem Amtsarzt ein spezieller zusätzlicher Sachverstand zu unterstellen, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der Verwaltung, andererseits aus der einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen gewonnenen Erfahrung beruht. Ob und wann eine Störung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit beeinträchtigt, ist eine Frage, deren Entscheidung mit Vorrang dem Amtsarzt zukommt, denn er vermag aus der Kenntnis der Belange der Verwaltung, der von dem Beatmen zu verrichtenden Tätigkeit und dessen bisherigen dienstlichen Verhalten besser als ein Privatarzt den erhobenen medizinischen Befund zu der von ihm zu beantwortenden Frage der Dienstunfähigkeit in Beziehung zu setzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1976 – 1 DB 16.75 –, BVerwGE 53, 118, 120 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 19. August 2002 – 2 B 11124/02.OVG –, DÖD 2002, 318, und vom 08. Mai 1996 – 2 B 10927/96.OVG –, Urteil vom 04. Oktober 1989 – 2 A 30/89 –, NJW 1990, 788, 789). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Stellungnahme des Amtsarztes in ihren wesentlichen, die Entscheidung des Dienstherrn tragen-den Feststellungen inhaltlich zutreffend und insgesamt in sich nachvollziehbar ist. Dies setzt neben einer eindeutigen Beantwortung der für den Dienstherrn in medizinischer Hinsicht bedeutsamen Fragestellung u. a. auch voraus, dass die amtsärztliche Stellungnahme nicht nur das Ergebnis, sondern auch die tragenden Feststellungen und Gründe enthält, soweit deren Kenntnis für die vom Dienstherrn zu treffende Entscheidung erforderlich sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 2 M 203/02 –, ZBR 2004, 327, 328). Liegen privatärztliche Stellungnahmen vor, die in der Frage der Dienstfähigkeit eines Beamten bzw. Beamtenanwärters mit ihrer medizinischen Beurteilung den Feststellungen des Amtsarztes substantiiert widersprechen, und ist dies dem Amtsarzt bekannt, kommt seinen Feststellungen nur unter der Voraussetzung Vorrang zu, dass er sich mit den entgegenstehenden Erwägungen des privaten Arztes auseinandersetzt und nachvollziehbar darlegt, warum er diesen nicht folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08. März 2001 – 1 DB 8.01 –, ZBR 2001, 297, 298). Aus alledem folgert, dass in bestimmten Fällen auch einer privatärztlichen Stellungnahme Vorrang vor einer amtsärztlichen Stellungnahme zukommen kann, etwa in den Fällen, in denen ein Facharzt zu bestimmten medizinischen, sein Fachgebiet betreffenden Fragen substantiiert und nachvollziehbar Stellung genommen hat. Ein solcher (Ausnahme-)Fall ist vorliegend gegeben.

Die Klägerin hat vorliegend zwei privatärztliche Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. med. ... vom 10. Dezember 2002 (vgl. Blatt 74 bis 78 der Gerichtsakten) und vom 26. April 2004 (vgl. Blatt 94 bis 98 der Gerichtsakten) vorgelegt, in denen der Gutachter nach ausführlicher Untersuchung der Klägerin insbesondere in neurologischer Hinsicht zu dem Ergebnis kommt, dass bei der Klägerin von einem eher gutartigen Verlauf ihrer Erkrankung Multiple Sklerose auszugehen sei, ferner, dass sie selbst bei einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes aller Voraussicht nach für ihre Tätigkeit als Lehrerin weiterhin dienstfähig bleibe. Die Klägerin hat ferner eine ärztliche Bescheinigung von Frau Prof. Dr. ..., Neurologische Klinik Prof. Dr. ..., Universitätsklinikum ..., vom 13. September 2004 (vgl. Blatt 136 der Gerichtsakten) vorgelegt, aus der sich ergibt, dass bei der Erkrankung der Klägerin von einem günstigen Krankheitsverlauf auszugehen sei und aus neurologischer Sicht ohne Einschränkung attestiert werden könne, dass sie als Lehrkraft noch mindestens bis November 2006 erhalten bleibe. Die Klägerin hat zu der ärztlichen Bescheinigung vom 13. September 2004 in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie am 09. September 2004 auf Empfehlung eines anderen Arztes bei Prof. Dr. ... vorstellig geworden sei. Bei dieser Ärztin handele es sich um eine Kapazität auf dem Gebiet von MS. Prof. Dr. ... habe sie untersucht und auf der Grundlage dieser Untersuchung dann die ärztliche Stellungnahme abgegeben (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 22. September 2004).

Demgegenüber hat der Amtsarzt in seinen Stellungnahmen (vgl. zuletzt Schreiben vom 21. Mai 2004 und 18. Juni 2004 an die ADD Trier, Blatt 112, 116 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“) lediglich ausgeführt, dass er sich aufgrund der Erkrankung der Klägerin außer Stande sehe, überhaupt eine Prognose für die Zukunft – auch für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren – abzugeben. Diese amtsärztlichen Stellungnahmen sind nach Auffassung der Kammer in keiner Wei-se geeignet, die substantiierten und in sich nachvollziehbaren Feststellungen in den von der Klägerin eingeholten privatärztlichen Gutachten und Stellungnahmen zu erschüttern. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sich der Amtsarzt nicht einmal ansatzweise mit dem von der Klägerin eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. med. ... vom 26. April 2004 (a.a.O.) auseinander gesetzt hat, obwohl er vom Beklagten in dem Untersuchungsauftrag vom 06. Mai 2004 (vgl. Blatt 106, 107 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“) ausdrücklich um dessen Berücksichtigung gebeten worden war. Zum anderen hätte es nahe gelegen, dass sich der Amtsarzt – der ausweislich des Schreibens vom 18. Juni 2004 (a.a.O.) kein Neurologe ist – einer externen Fachbegutachtung bedient, wenn er sich außer Stande sieht, eine Prognose im Sinne des Untersuchungsauftrags abzugeben; hierfür wurde er seitens des Beklagten in Gestalt einer Kostenübernahmeerklärung im Untersuchungsauftrag (vgl. Blatt 107 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“) auch ermächtigt, und derartiges hatte er offenbar ursprünglich sogar selbst in Erwägung gezogen (vgl. Schreiben vom 27. Februar 2002 an die ADD Trier, Blatt 8 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“). Schließlich spricht gegen eine Verwertbarkeit der amtsärztlichen Stellungnahmen auch, dass der Amtsarzt offenbar von falschen Voraussetzungen ausgeht, wenn er ausführt, dass eine ausreichende Dienstfähigkeit der Klägerin schon jetzt nicht mehr gegeben sei (vgl. Blatt 112 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“). Denn abgesehen davon, dass zwischen den Beteiligten während des gesamten Verfahrens Einigkeit darüber bestand und besteht, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der ihr aufgrund ihrer Schwerbehinderung zu gewährenden Ermäßigungsstunden (vgl. § 10 Abs. 2 LehrArbZVO) im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrerin für katholische Religion, Sozialkunde und Rechnungswesen der BBS III in ... in ausreichendem Maße dienst-fähig ist (vgl. insoweit auch das Schreiben des Beklagten vom 08. Juni 2004 an das Gesundheitsamt Mainz, Blatt 113, 114 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“), liegen auch objektiv keine Anhaltspunkte – etwa in Gestalt erhöhter Fehlzeiten der Klägerin – vor, die ihre Dienstfähigkeit in Zweifel ziehen. Insbesondere kann aus dem Umstand, dass die Klägerin mit einem Regelstundendeputat von 21/24 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt ist, nicht geschlossen werden, dass ausreichende Dienstfähigkeit nicht vorliegt, denn wie der Beklagte in genanntem Schreiben vom 08. Juni 2004 (a.a.O.) ausgeführt hat, sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin aus dem Grund erfolgt sei, weil eine Vollbeschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht gekommen sei.

Ist nach alledem für die Frage der Eignung der Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht den von ihr eingeholten privatärztlichen Stellungnahmen Vorzug vor den Stellungnahmen des Amtsarztes einzuräumen, so steht zur Überzeugung der Kammer mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass die Klägerin voraussichtlich bis November 2006 – dann wäre ausgehend von ihrem Antrag auf Verbeamtung (15. November 2001, vgl. Blatt 1 der Verwaltungsakten „Verbeamtung“) der Prognosezeitraum von fünf Jahren entsprechend den Regelungen des Beklagten abgelaufen – dienstfähig sein wird und damit die unter Berücksichtigung der Erleichterungen für Schwerbehinderte erforderliche gesundheitliche Eignung für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis aufweist. Da es vorliegend jedoch keinen Anspruch auf Verbeamtung gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 07. Mai 1981 – 2 C 42.79 -, ZBR 1982, 85, 86 m.w.N.), konnte der Beklagte nicht zur Verbeamtung, sondern lediglich zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 15. November 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden, wobei darauf hingewiesen wird, dass der Beklagte selbst die Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis allein von der Frage der gesundheitlichen Eignung abhängig gemacht hat (vgl. insoweit die in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2004 abgegebene Erklärung des Beklagten, Seite 2 der Sitzungsniederschrift, Blatt 92 der Gerichtsakten).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.



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