Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 3 Ca 134/98

Zum Anspruch auf angemessene Beschäftigung

Das Weisungs- oder Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber grundsätzlich nicht, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu übertragen, und zwar auch dann nicht, wenn er die der bisherigen Tätigkeit entsprechende höhere Vergütung zahlt.

I. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Pflegedienstleiterin wieder mit den Kompetenzen und Aufgabebereichen, insbesondere hinsichtlich der Personalführung zu betrauen, wie das vor dem 23.12.97 der Fall war.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf DM 15.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Pflegedienstleiterin in ihrem Krankenhaus mit allen Kompetenz- und Aufgabenbereichen insbesondere hinsichtlich der Personalführung zu betrauen, wie dies vor dem 23.12.1997 der Fall war. Die Klägerin ist 59 Jahre alt und seit dem 03.04.1975 bei der Beklagten beschäftigt. Bis zum Jahre 1986 war sie als vollzeitbeschäftigte Krankenschwester bei der Beklagten tätig, seit 1986 ist sie als Pflegedienstleitung für die Beklagte tätig geworden. Die Klägerin ist alleinstehend und hat ein studierendes unterhaltsberechtigtes Kind. Die Vergütung der Klägerin richtet sich seit Juni 1996 nach KR IX des BAT. Grundlage des Vertragsverhältnisses der Parteien ist der Arbeitsvertrag vom 03.04.1975 (Bl. 5 d.A.) der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

Mit Ablauf des Jahres 1997 hat die Beklagte, ... GmbH, die bis zum Ende des Jahres 1997 die ... Klinik, das Kurmittelhaus und die ... Klinik unter einheitlicher Leitung betrieb, die ... Klinik geschlossen.

Unter dem Datum vom 22.12.1997 hat die Beklagte mit dem Betriebsrat der Beklagten eine Betriebsvereinbarung mit dem Titel Stellenabbau durch Fluktuation geschlossen (Bl. 16-22 d.A.), die auszugsweise folgende Regelung enthält: 

IV. Folgerungen
Der am 31.03.1999 nach den vorbestehenden Berechnungen verbleibende Personalüberhang wird im Wege der betriebsbedingten Kündigung abgebaut. Zu diesem Zwecke werden dann umgehend Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung zum Abschluss einer weiteren Betriebsvereinbarung „Interessenausgleich“ eingeleitet.

IV. Regularien
Die Betriebsvereinbarung „Stellenabbau durch Fluktuation“ tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft. Die in der Anlage beigefügten Listen („Personal-Bedarfsanalyse“, „Kurzarbeiterliste“) sind Bestandteile dieser Betriebsvereinbarung. Die Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 22.12.1997, bezüglich der ab 01.01.1998 von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Klinikbereich der ... GmbH enthält unter Ziffer 9 auch die Klägerin, der bezüglich als Ausmaß der Kurzarbeit in Wochenstunden eine Anzahl von 19,25 Std. ab dem 01.01.1998 mit einer Restarbeitszeit von 19,25 Std. angegeben ist. Unter dem Datum vom 23.12.1997 (Bl. 6 d.A.) hat die Beklagte der Klägerin dann mitgeteilt, dass ab dem 01.01.1998 für die Dauer von 15 Monaten 19,25 Std. ihrer bisherigen Wochenstundenzahl zur Kurzarbeit ab 01.01.1998 vorgesehen seien.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsdirektor der Beklagten Herr ... der Klägerin am 23.12.1997 mitgeteilt, dass sie künftig nicht mehr für die Personalangelegenheiten im Pflegedienst zuständig sei, sondern lediglich noch den Einkauf sowie andere betriebstechnische Angelegenheiten durchzuführen habe. Nach diesen Vorgaben der Beklagten war die Klägerin lediglich zuständig für die Arzneimittelversorgung und den Einkauf des medizinischen Sachbedarfes. Frau ... die zuvor die Pflegedienstleitung in der noch aufrecht erhaltenen ... klinik inne hatte, blieb für die sonstige Organisation des Pflegedienstes und alle personellen Angelegenheiten zuständig. An der Vergütung der Klägerin hat sich nichts geändert. Desweiteren wurden sowohl die Klägerin als auch Frau ... zu den Klinik-Konferenzen eingeladen und Dritten gegenüber, insbesondere auch gegenüber dem Kostenträger, beide als Leiterin des Pflegedienstes bezeichnet. Die Klägerin und Frau ... vertreten sich auch gegenseitig. Frau ... war von August 1983 bis September 1985 in der ... Klinik tätig. Danach ist sie aus dem Betrieb ausgeschieden. Eine erneute Einstellung von Frau ... erfolgte zum 01.10.1996. Frau ... ist darüber hinaus vier Jahre jünger als die Klägerin.

Die Klägerin trägt vor:
Durch ihre Anordnung bezüglich der Tätigkeit der Klägerin habe die Beklagte die Klägerin innerhalb der Klinik als auch gesellschaftlich massiv diskreditiert. Die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche zwischen der Klägerin und Frau ... führe dazu, dass die Klägerin nur noch untergeordnete Tätigkeiten ausübe. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass im Falle der Abwesenheit der Klägerin die Abwicklung des Einkaufs sowie die Durchführung der anderen betriebstechnischen Angelegenheiten ohne jeglichen Einarbeitungsaufwand von der Schwesternhelferin Frau ... sowie dem  Verwaltungsangestellten Herrn ... hätten erledigt werden können. Die Zuweisung dieser untergeordneten Tätigkeitsbereiche sei nicht mit der Tätigkeit einer Pflegedienstleitung zu vereinbaren, da zu deren wesentlichen Befugnissen die Weisungsbefugnis gegenüber allen Mitarbeitern im Pflegedienst gehöre. Diesbezüglich müsse auf die Stellenbeschreibung einer Pflegedienstleitung eines deutschen Klinikums vom März 1998 (Bl. 34-37 d.A.) beispielhaft verwiesen werden. Die Klägerin habe auch in ihrer Zeit als Pflegedienstleitung der ...-Klinik insbesondere folgende Aufgaben gehabt:

- Mitwirkung bei der Festlegung von Organisationsabläufen im Klinikbetrieb,
auch über den reinen Pflegedienst hinaus,

- Mitwirkung in den Gremien, Kommissionen oder Arbeitsgruppen, soweit sie
den Pflegedienst betreffen,

- Auswahl und fachliche Entscheidungen hinsichtlich der einzustellenden
Pflegekräfte, 

- Erstellung von Personalschlüssel, Einsatzplanung, Dienst- und Urlaubsplanung,

- Durchführung von internen Fortbildungen, Mitarbeiterbesprechungen,
Schulungen,

- Organisation und Sicherung der Pflegeplanung und Dokumentation,

- Erstellung von Arbeitszeugnissen, 

- Überwachung der Arzneimittelversorgung und Einkauf des medizinischen
Sachbedarfs,

- Vortragsdienst,

- bereichsübergreifende Tätigkeiten.

Die Klägerin hat in die Klageschrift vom 12.01.1998, eingegangen am 14.01.1998 schriftlich folgende Anträge angekündigt: 

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung vom 23.12.1997, zugegangen am 27.12.1997, nicht abgeändert worden ist und die Klägerin weiterhin als Pflegedienstleitung mit gleichen Kompetenzen und Aufgabenbereichen bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Std. bei der Beklagten tätig ist.

Nach dem die Parteien im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 23.06.1998 unstreitig gestellt hatten, dass die Beklagte keinerlei Änderungskündigung oder Beendigungskündigung ausgesprochen hat, sondern der Klägerin die Tätigkeit als Pflegedienstleitung per Direktionsrecht zugewiesen wurde, hat die Klägerin nachfolgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit den Kompetenzen und Aufgabenbereichen wieder zu betrauen, insbesondere hinsichtlich der Personalführung, wie dies vor dem 23.12.1997 der Fall war. Hinsichtlich der Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Std. auf 19,25 Std. hat die Klägerin - ihren Antrag nicht weiterverfolgt, da die Parteien in der Sitzung vom 23.06.1998 übereinstimmend erklärt haben, dass sich die Dauer der Kurzarbeit in Höhe von 15 Monaten erkennbar aus der Betriebsvereinbarung ergibt.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
Bezüglich der Änderung der Aufgabenzuständigkeit der Klägerin sei anzuführen, dass die ...-Klinik, in der die Klägerin bis 1997 beschäftigt gewesen sei, mit Ablauf des Jahres 1997 geschlossen worden sei. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin derzeit aufgrund von Kurzarbeit lediglich 19,25 Std. arbeite. Bis zur Schließung der ...-Klinik sei die Klägerin als Pflegedienstleitung tätig gewesen. Ihr Aufgabengebiet habe die Leitung und Organisation des Pflegedienstes, die Regelung der Arzneimittelversorgung und den Einkauf von medizinischem Sachbedarf umfasst. Ihr seien 24 Pflegekräfte unterstellt gewesen. In der ebenfalls von der Beklagten betriebenen ...-Klinik sei zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls eine Pflegedienstleitung eingesetzt gewesen, mit bis zu diesem Zeitpunkt 38 unterstellten Pflegekräften. Diese Pflegedienstleitung sei von Frau ... ausgeübt worden, die seit 1981 mit zeitlicher Unterbrechung diese Position inne habe. Ab 01.01.1998 sei auch Frau ... aufgrund von Kurzarbeit mit 19,25 Std. tätig. Seit dem 01.01.1998 betreibe die Beklagte nur noch die ... Klinik, unter deren Dach die verbleibenden Reha-Bereiche der ...-Klinik und der ...-Klinik zusammengeführt worden seien. Gleichzeitig sei das zu diesem Zweck erforderliche Personal der ...-Klinik in die ...- Klinik versetzt worden. Aufgrund einer bereits erstellten Personalbedarfsanalyse bestehe seit dem 01.01.1998 daher ein personeller Überhang, der abzubauen gewesen sei und bezüglich dessen letztendlich die Betriebsvereinbarung vom 23.12.1997 geschlossen worden sei. Da Kündigungen ausgeschlossen gewesen seien, und beide Leiterinnen des Pflegedienstes nur mit der Hälfte ihrer bisherigen Wochenstunden tätig würden, sei es zu der Aufteilung der Pflegedienstleitung im Wege des Direktionsrechtes auf die beiden Stelleninhaberinnen gekommen. 

Die Klägerin übernehme die Regelung der Arzneimittelversorgung und den Einkauf des medizinischen Sachbedarfes. Frau ... obliege die Organisation des Pflegedienstes und personelle Angelegenheiten. Weder am Gehalt noch an der Bezeichnung der Klägerin als Pflegedienstleiterin habe sich etwas geändert. Die Gehaltseinbuße sei lediglich auf die Kurzarbeit zurückzuführen. Beide Damen würden zu Klinikkonferenzen eingeladen und auch Dritten gegenüber, insbesondere gegenüber den Kostenträgern, als Leiterin des Pflegedienstes bezeichnet. Beide Damen würden sich gegenseitig vertreten. Es sei organisatorisch nicht möglich die Pflegedienstleitung dergestalt aufzuteilen, dass jede der beiden Damen für eine bestimmte Anzahl von Stationen zuständig sei, da Dienstpläne einheitlich erstellt würden und auch der Einkauf für die gesamte Klinik einheitlich zu erfolgen habe. 

Diese Aufteilung der Aufgaben der beiden Damen sei auch sachlich gerechtfertigt und habe nicht die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit zur Folge. Ein Ansehensverlust sei für die Klägerin damit nicht verbunden. Letztendlich müsse darauf hingewiesen werden, dass die personelle Akzeptanz der Klägerin als Pflegedienstleitung von einer Vielzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen insbesondere aus dem Bereich des Pflegedienstes nicht gegeben sei. Diesbezüglich müsse auf einer Unterschriftenliste vom 03.11.1997, aus der zwar der Name der Klägerin, nicht hervorgehe, die aber ein eindeutiges Votum beinhalte, verwiesen werden (Bl. 23 d.A.) 

Die Klägerin erwidert auf das Vorbringen der Beklagten wie folgt:
Bezüglich der Unterschriftenliste müsse vorgetragen werden, dass diesbezüglich nur Mitarbeiter der ... Klinik befragt worden seien. Unterschrieben hätten diese Liste auch nur 20 der ca. 35 Pflegedienstmitarbeiter der ...-Klinik. Von den 27 unterschreibenden seien 7 Mitarbeiter der Küche, Ärzte oder ähnliches, die mit Pflegedienst nichts zu tun hätten. Für den weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.02.1998 und 23.06.1998 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage der Klägerin ist zulässig nach §§ 263, 264 ZPO.

Die Klägerin hatte schriftsätzlich (Bl. 1 d.A.) nachfolgenden Antrag angekündigt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung vom 23.12.1997, zugegangen am 27.12.1997 nicht abgeändert worden ist und die Klägerin weiterhin als Pflegedienstleitung mit gleicher Kompetenz und Aufgabenbereich und einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Std. bei der Beklagten tätig ist. Nachdem die Parteien im Termin vom 23.06.98 übereinstimmend erklärt haben, dass sich die Dauer der Kurzarbeit in Höhe von 15 Monaten erkennbar aus der Betriebs Vereinbarung vom 23.12.1997 ergebe und die Parteien darüber hinaus unstreitig gestellt haben, dass die Beklagte keinerlei Änderungs- bzw. Beendigungskündigung ausgesprochen, sondern der Klägerin die Tätigkeit als Pflegedienstleitung in Bezug auf die Materialbeschaffung und Lebensmittelversorgung per Direktionsrecht zugewiesen hat, hat die Klägerin in der Sitzung nachfolgenden Antrag gestellt: 

Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit den Kompetenzen und Aufgabenbereichen wieder zu betrauen, insbesondere hinsichtlich der Personalführung, wie es vor dem 23.12.1997 der Fall war.

Diesbezüglich haben die Parteien streitig verhandelt und die Beklagte Klageabweisung beantragt. 

Die Klageänderung ist zulässig, in Sicht von §§ 263, 264 Ziffer 2 ZPO. Nachdem die Beklagte im Termin vom 23.06.1998 klargestellt hat, dass sie keine Kündigung ausgesprochen hatte, war die Klägerin gehalten, zur Durchsetzung ihres Anspruches von der besonderen Feststellungsklage des § 2 KSchG auf die allgemeine Leistungsklage zu wechseln. Diese Änderung der Klage von der besonderen Feststellungsklage des KSchG zur allgemeinen Leistungsklage auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen hat das Gericht auch als sachdienlich angesehen, da eine wesentliche Änderung des Prozeßstoffes durch die Erklärung der Beklagten nicht eingetreten ist und eine Sachentscheidung ohne weitere Verzögerung daher möglich war. Darüber hinaus hat die Beklagte jedoch der Umstellung der Klage auf eine Leistungsklage nicht ausdrücklich widersprochen und zur Sache verhandelt, indem sie Klageabweisungsantrag stellte. Daher ist auch nach § 267 ZPO das mutmaßliche Einverständnis der Beklagten zur Klageänderung anzunehmen. 

Des Weiteren hat die Klägerin ihren Klageantrag in der Sitzung vom 23.06.1998 zulässig in Sicht von § 264 Ziffer 2 ZPO beschränkt. Nachdem die Parteien unstreitig gestellt hatten, dass sich aus der Betriebsvereinbarung vom 23.12.1997 ergibt, dass die Kurzarbeit auf 15 Monate beschränkt sein soll, hat die Klägerin ihren dahingehenden Antrag aus dem Klageschriftsatz vom 12.01.1998 nicht weiter verfolgt. Insoweit hat die Klägerin die Klage daher zulässiger Weise zurückgenommen. Eines Einverständnisses der Beklagten hierzu bedurfte es nicht, da bis zur Beschränkung des Antrages im vorliegenden Verfahren noch keine Sachanträge gestellt waren (§ 269 ZPO). 

Der Antrag der Klägerin die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit den Kompetenzen und Aufgabenbereichen wieder zu betrauen, insbesondere hinsichtlich der Personalführung wie dies vor dem 23.12.1997 der Fall war ist auch in Hinsicht von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmt. Da der Inhalt der von der Klägerin begehrten Tätigkeit zwischen den Parteien unstreitig feststeht, genügt der von ihr gestellte Antrag dem verfahrensrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Soweit das Gericht bei der Tenorierung die Worte „als Pflegedienstleitung“ eingefügt hat, ist dies kein Verstoß gegen § 308, da dies nur zur Konkretisierung des Klageantrags der Klägerin führte, jedoch nicht über den beantragten Streitgegenstand hinaus ging. Denn Gegenstand der Klage war soweit sie noch zur Entscheidung anstand, dass Begehren der Klägerin wieder als Pflegedienstleiterin mit ihren Kompetenzen wie vor dem 23.12.1997 beschäftigt zu werden. 

Die zulässige Klage der Klägerin ist auch begründet.

Der Anspruch der Klägerin auf Beschäftigung als Pflegedienstleitung mit Kompetenzen und Aufgabenbereichen insbesondere hinsichtlich der Personalführung wie vor dem 23.12.1997 folgt aus § 611BGB. 

Der Anspruch der Klägerin auf Beschäftigung als Pflegedienstleitung mit den Kompetenzen wie vor dem 23.12.1997 folgt aus der Tatsache, dass die Beklagte nicht in der Lage war der Klägerin eine anderweitige Tätigkeit im Wege des Direktionsrechtes (§ 315 BGB) zuzuweisen. Das Weisungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers ist wesentlicher Bestandteil eines jeden Arbeitsverhältnisses. Es erlaubt dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag meist nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht nach Art, Zeit oder Ort zu konkretisieren. Seine Grenzen können sich aus Einzelarbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz ergeben. Bei der Ausübung dieses Rechtes, steht dem Arbeitgeber im obig genannten Rahmen grundsätzlich ein weiterer Spielraum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Dieser kann letztendlich auch dazu führen, dass es einen Wechsel in der Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers gibt. Jedoch darf das Direktionsrecht, soweit es nach obigen Grundsätzen grundsätzlich besteht, nur nach billigem Ermessen in Sicht des § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt worden sind. Ob dies der Fall ist unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. 

Nach den im öffentlichen Dienst üblichen Arbeitsverträgen (vergleiche vorliegend Bl. 5 d.A.) wird der Angestellte regelmäßig nicht für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt, sondern für einen allgemein beschriebenen Aufgabenbereich, der lediglich durch die Nennung der Vergütungsgruppe (wie vorliegend) bezeichnet ist. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst erstreckt sich bei dieser Vertragsgestaltung grundsätzlich auf alle, dem Beruf des Arbeitnehmers entsprechenden Tätigkeiten, die den Merkmalen seiner Vergütungsgruppe (vorliegend Vergütungsgruppe Kr IX) entsprechen, soweit nicht ausnahmsweise Billigkeitsgesichtspunkte entgegenstehen. Das Weisungs- oder Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber daher grundsätzlich nicht, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu übertragen, und zwar auch dann nicht, wenn er die der bisherigen Tätigkeit entsprechende höhere Vergütung zahlt. Auch die Übertragung einer Tätigkeit, die geringwertigere Qualifikationsmerkmale erfüllt und nur im Wege des Bewährungsaufstiegs die Eingruppierung in die ursprünglich maßgebende Vergütungsgruppe ermöglicht, ist regelmäßig vom Direktionsrecht nicht gedeckt. Vorliegend haben die Parteien (Bl. 5 d.A.) im Jahre 1975 einen Arbeitsvertrag geschlossen, der als Vergütungsgruppe Kr 5 des BAT ausweist und als Tätigkeitsbereich Krankenschwester in der Kurklinik postuliert. Im Zuge des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin jedoch seit 1986 als Pflegedienstleitung bei der Beklagten beschäftigt und sukzessive in Vergütungsgruppe Kr IX des BAT höher gruppiert. Daher hat die Klägerin Anspruch auf Beschäftigung nach den vertraglichen Bestimmungen in einer Tätigkeit, die der Vergütungsgruppe IX des BAT entspricht. Dies folgt aus der Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch Bestandschutz gegen eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit geniest (vergleiche BAG, 30.08.1995, AP Nr. 44 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG 29.10.1997 5 AZR 455/96, nicht amtlich veröffentlicht).In Vergütungsgruppe Kr IX der Anlage 1 b zum BAT Pflegedienst sind einzugruppieren: 

1. Krankenschwestern, die dem Operationsdienst oder Anästhesiedienst vorstehen, und denen mindestens 40 Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind.

2. Krankenschwestern, die einer Einheit für Intensivmedizin vorstehen, denen mindestens 48 Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind.

3. Krankenschwestern, denen mehrere Pflegebereiche oder abgrenzbare Funktionsbereiche mit insgesamt 96 Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung unterstellt sind.

4. Leitende Krankenschwestern in Krankenhäusern bzw. Pflegebereichen, in denen mindestens 150 Pflegepersonen beschäftigt sind.

5. Krankenschwestern, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertreterin von leitenden Krankenschwestern der Vergütungsgruppe Kr X Fallgruppe 2 bestellt sind. 

6. Krankenschwestern mit mindestens einjähriger erfolgreich abgeschlossener Fachausbildung an Schulen für Unterrichtsschwestern, die als leitende Unterrichtsschwestern an Krankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe mit durchschnittlich mindestens 8 Lehrgangsteilnehmern tätig sind. 

7. Krankenschwestern, mit mindestens einjähriger erfolgreich abgeschlossener Fachausbildung an Schulen für Unterrichtsschwestern, die als Unterrichtsschwestern an Krankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe tätig und durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertreterin von leitenden Unterrichtsschwestern der Vergütungsgruppe Kr X Fallgruppe 4 bestellt sind. 

8. Krankenschwestern der Vergütungsgruppe Kr VIII Fallgruppen 1-9 nach fünfjähriger Bewährung in der jeweiligen Vergütungsgruppe.

Allen diesen Vergütungsgruppen ist ersichtlich gemeinsam, dass den Personen, die in der Vergütungsgruppe Kr IX der Anlage 1 b des BAT eingruppiert sind, Pflegepersonen ausdrücklich unterstellt sind. Soweit dies für die Vergütungsgruppe Kr X Fallgruppe 4 nicht im Wortlaut der Vergütungsgruppe niedergelegt ist, ergibt sich dies aus der Tatsache, dass hier leitende Krankenschwestern erwähnt sind. Eine leitende Krankenschwester ist jedoch nur eine, die Leitungsbefugnisse, d. h. Weisungsbefugnisse bezüglich des ihr unterstellten Personals hat.

Im Ergebnis folgt daher aus den Fallgruppen der Vergütungsgruppe Kr IX der Anlage 1 b des BAT, dass die Beklagte zur Erfüllung Ihrer vertraglichen Pflicht gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen wäre, dieser eine Tätigkeit zuzuweisen, die mit Leitungsbefugnissen gegenüber nachgeordnetem Personal insbesondere Weisungsbefugnis verbunden ist. Nach dem von der Beklagten vorgetragene Aufteilungschema der Tätigkeiten zwischen der Klägerin und der weiteren Pflegedienstleitung Frau ... ist jedoch ersichtlich, dass - die Klägerin seitens der Beklagten seit dem 01.01.1998 keinerlei Personalleitungsbefugnisse mehr übertragen bekommen hat. Die Tätigkeit der Klägerin sollte sich vielmehr auf den administrativen Bereich d. h. Regelung der Arzneimittelversorgung, den Einkauf des medizinischen Sachbedarfs beschränken. Damit steht jedoch schon fest, dass die Beklagte bei der Aufteilung der Tätigkeiten zwischen der Klägerin und der weiteren Pflegedienstleitung Frau ... nach den obigen Grundsätzen zum Direktionsrecht im öffentlichen Dienst gegen ihre vertaglichen bzw. tarifvertraglichen Pflichten zur Zuweisung einer Tätigkeit, die der Vergütungsgruppe Kr X BAT entspricht verstossen hat. Daher war auch die Zuweisung der administrativen Tätigkeiten bezüglich der Pflegedienstleitung an die Klägerin nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt.

Doch auch soweit man annehmen wollte, dass es der Beklagten grundsätzlich freigestanden hat, die Pflegedienstleitung in der von ihr vorgenommenen Weise aufzuteilen, hat sie ihr Direktionsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Beklagte im vorliegenden Falle bei der Aufteilung des Pflegedienstes zwischen Frau ... und der Klägerin soziale Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat. Die Beklagte hat vorliegend für ihre Maßnahme betriebsbedingte Gründe herangezogen. Sie hat vorgetragen, die Aufteilung des Pflegedienstes sei erforderlich, da sie die ...-Klinik zum Jahresende 1997 stillgelegt habe. Daher sei bei der Übernahme der Arbeitnehmer in die ...-Klinik, die zuvor mit der ...-Klinik und dem Kurmittelhaus als einheitlicher Betrieb im des Kündigungsschutzgesetzes geführt worden sei, das Erfordernis aufgetreten, den Pflegedienst zwischen den verbleibenden 2 Arbeitnehmern, die zuvor die Pflegedienstleitung ausgeübt hätten, aufzuteilen. Da sich die Beklagte für ihre Maßnahme auf betriebsbedingte Gründe berufen hat, ist es vorliegend im Sinne des § 315 VI BGB im Rahmen des billigen Ermessens angebracht, auch die Grundsätze der sozialen Auswahl heranzuziehen. Vorliegend ist jedoch die Klägerin gegenüber der weiteren Pflegedienstleitung Frau ... sozial schutzwürdiger. Die Klägerin weist eine durchgehende Betriebszugehörigkeit seit 1975 auf, wobei sie seit 1986 die Tätigkeit einer Pflegedienstleitung ausübt. Die weitere Pflegedienstleitung Frau ... war von August 1981 bis September 1985 in der ...-Klinik tätig und ist erneut am 01.10.1996 eingestellt worden. Im Sinne des Kündigungschutzgesetzes kann Frau ... daher nur eine Betriebszugehörigkeit von ca. eineinhalb Jahren aufweisen. Darüber hinaus ist die Klägerin auch noch vier Jahre älter als Frau .... Im Ergebnis ist die Klägerin daher aufgrund der Länge ihrer Betriebszugehörigkeit sowie ihres Alters sozial schutzwürdiger als Frau .... Das Frau ... gegenüber der Klägerin erheblich besser qualifiziert gewesen sei, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr hat die Klägerin ihrerseits vorgetragen, dass sich ihr Ausbildungsstand in positiver Weise von dem von Frau ... abhebe. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass durch die Unterschriftenliste sich herausgestellt habe, dass die personelle Akzeptanz der Klägerin geringer sei als die von Frau ..., kann das Gericht diesem Vortrag nicht folgen. Zum einen ist die Fragestellung der Unterschriftensammlung (Bl. 23 d.A.) schon derart formuliert, dass sie auf ein positives Ergebnis zugunsten von Frau ... hindeutet, zum anderen sind nur die Mitarbeiter der ... Klinik befragt worden. Darüber hinaus haben von den schon vor der Zusammenlegung in der ... Klinik beschäftigten 38 Pflegedienstpersonen nur 20 nach dem unbestrittenen Klägervortrag die Liste unterschrieben. Die 24 Mitarbeiter, die zuvor in der ...-Klinik Unter Leitung der Klägerin tätig waren, wurden zum Thema der Unterschriftensammlung überhaupt nicht befragt. Ein repräsentatives Ergebnis, dass zugunsten der Ausübung der Pflegedienstleitung durch Frau ... sprechen würde, läßt sich daher aus dieser Unterschriftenliste nicht herleiten. 

Die Anweisung der Beklagten an die Klägerin, nunmehr nur noch Tätigkeiten im Bereich der Arzneimittelbesorgung bzw. des Einkaufs des medizinischen Sachbedarfs wahrzunehmen und den Bereich Organisation des Pflegedienstes, personelle Angelegenheiten Frau ... zu überlassen verstößt auch deswegen gegen die unter 1.) zu den Grundsätzen des Direktionsrechts vorgestellten Grundsätze, da die Zuweisung dieses Bereiches sich vorliegend als Zuweisung einer im tarifrechtlichen Sinne niedriger zu bewertenden Tätigkeit darstellt. Wie zuvor unter 1.) aufgeführt ist wesentlicher Gegenstand der Tätigkeiten der Vergütungsgruppe Kr IX der Anlage 1 b des BAT, dass diese Tätigkeit mit Personalführungsbefugnis verbunden ist. Im Rahmen der Tätigkeit als Pflegedienstleitung ist jedoch wesentlicher Gegenstand der Tätigkeit die Organisation des Pflegedienstes, und die Bearbeitung der personellen Angelegenheiten. Die Zuweisung der administrativen Tätigkeiten, Arzneitmittelversorgung, Einkauf des medizinischen Sachbedarfes ist daher nur ein untergeordneter Teilbereich der Tätigkeit Pflegedienstleitung, wie sie in Sicht von Vergütungsgruppe Kr IX BAT zu verstehen ist. Die Beschneidung der Kompetenzen der Klägerin stellt daher, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin weiterhin die Bezeichnung Pflegedienstleitung und die daraus folgende Vergütung erhält, die Zuweisung einer im tarifrechtlichen Sinne niedrigeren Tätigkeit dar. Dies folgt insbesondere aus der Tatsache, dass wie die Klägerin unbestritten vorgetragen hat, die Teilbereiche Arzneimittelversorgung, Einkauf des medizinischen Sachbedarfs in ihrer Abwesenheit ohne Einarbeitung von der Schwesternhelferin ... und dem Verwaltungsangestellten ... durchgeführt werden konnten. Besondere Anforderungsmerkmale sind daher für den Teilbereich Regelung der Arzneimittelversorgung, Einkauf des medizinischen Sachbedarfs ersichtlichnicht erforderlich. 

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass eine andere Aufteilung der Pflegedienstleitung vorliegend nicht möglich gewesen sei und Kündigungen vorliegend ausgeschlossen gewesen seien, muss darauf hingewiesen werden, dass die Betriebs Vereinbarung vom 23.12.1997 (Bl. 16-22 d.A.) hinsichtlich der Möglichkeiten der Änderungskündigung keine Regelung trifft. Die Betriebsvereinbarung Stellenabbau durch Fluktuation regelt nach Sinn und Zweck nur die Frage der Beendigungskündigung bzw. der Beschränkung der Stundenkontingente einzelner Arbeitnehmer durch Änderungskündigung. Keinerlei Regelung trifft diese Betriebsvereinbarung zu der Frage der Änderungskündigung bezüglich der Tätigkeiten der Arbeitnehmer. Es wäre der Beklagten daher möglich gewesen, bezüglich der Tätigkeit von Frau ... eine Änderungskündigung auszusprechen und die Pflegedienstleitung der Klägerin alleine zu überlassen. Dies wäre auch im Hinblick auf die sozialen Daten von Frau ... und der Klägerin im Sinne des Kündigungschutzgesetzes sozial gerechtfertigt gewesen, soweit wie von der Beklagten vorgetragen, eine Aufteilung der Pflegedienstleitung auf Stationen tatsächlich nicht möglich war. Im Ergebnis lässt sich daher feststellen, dass die Beklagte nicht berechtigt war, der Klägerin im Wege des Direktionsrechtes die von ihr angedachte beschränkte Zuständigkeit im Rahmen der Pflegedienstleitung zuzuweisen und das die Beklagte soweit man dies jedoch grundsätzlich annehmen wolle zumindest gegen den Grundsatz des billigen Ermessens in Sicht von § 315 BGB verstoßen hat. Die Zuweisung der nur administrativen Tätigkeiten an die Klägerin war daher unzulässig, die Beklagte ist daher verpflichtet, die Klägerin weiterhin als Pflegedienstleitung mit den Kompetenzen die ihr vor dem 23.12.1997 zustanden, insbesondere bezüglich der Personalführung, zu beschäftigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 12 Abs. 7 ArbGG.



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