Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 7 Sa 249/22

Wann ist eine Rückzahlungsklausel von Ausbildungs- und Studienkosten bei Eigenkündigung zulässig?

1. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Rückzahlung von Studienkosten in jedem Fall einer ohne wichtigen Grund ausgesprochenen Eigenkündigung vorsieht, ohne solche Kündigungen des Arbeitnehmers auszunehmen, zu der er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers veranlasst oder mitveranlasst wird, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Ein Arbeitnehmer, der unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, darf nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen. Dieses Risiko fällt in das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers.

(3.) Auslöser der Rückzahlungspflicht darf nur ein Ereignis sein, dass ausschließlich in die Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers fällt.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor:

1. Die Berufung der Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 3. August 2022, Az. 7 Ca 750/22, wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen. 

2. Die Revision wird zugelassen. 

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Berufungsklägerin gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch aus § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages vom 08.03.2018 hat.

Am 08.03.2018 schloss die Berufungsklägerin, vertreten durch den Präsidenten der B.., mit der 1998 geborenen Beklagten einen "Ausbildungs- und Studienvertrag nach dem TVAöD - Allgemeiner und Besonderer Teil BBiG - und der Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge" für die Zeit vom 27.08.2018 bis 26.08.2022 (Bl. 11 ff. d. A.).

Nach § 1 Abs. 1 dieses Ausbildungs- und Studienvertrages absolviert die Studierende ein ausbildungsintegriertes duales Studium. Dieses gliedert sich in einen Ausbildungs- und einen Studienteil, die jeweils dem Erreichen der entsprechenden Abschlussqualifikation dienen. Im Ausbildungsteil wird die Studierende in dem staatlich anerkannten oder als staatlich anerkannt geltenden Ausbildungsberuf eines Fachinformatikers - Anwendungsentwicklung ausgebildet. Im Studienteil werden die fachtheoretischen Studienabschnitte (Lehrveranstaltungen) im Studiengang Praktische Informatik an der Hochschule S. durchgeführt. Die berufspraktischen Studienabschnitte richten sich nach dem Ausbildungs- und Studienplan. Das Studium schließt mit dem akademischen Grad Bachelor of Science ab.

Nach § 2 Abs. 1 des Ausbildungs- und Studienvertrages bestimmt sich der Ausbildungsteil nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) seiner jeweiligen Fassung. Für das Vertragsverhältnis insgesamt finden die Vorschriften der Tarifverträge für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) - Allgemeiner Teil und Besonderer Teil BBiG, diese ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit die Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge in der jeweils gültigen Fassung die Anwendung nicht ausschließt. Für den Studienteil gilt zudem die Richtlinie in der jeweils gültigen Fassung.

Während des Ausbildungsteils des ausbildungsintegrierten dualen Studiums erhält der Studierende ein monatliches Ausbildungsentgelt nach § 8 Abs. 1 TVAöD - Besonderer Teil BBiG (§ 6 Abs. 1 des Ausbildungs- und Studienvertrages). Daneben erhält der Studierende vom Beginn des ausbildungsintegrierten dualen Studiums bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Abschlussprüfung des Ausbildungsteils des ausbildungsintegrierten dualen Studiums erfolgreich abgeschlossen wird, zusätzlich eine monatliche Studienzulage in Höhe von pauschal 150 € (§ 6 Abs. 2 des Ausbildungs- und Studienvertrages). Der Ausbildende übernimmt die notwendigen Studiengebühren (§ 6 Abs. 5 des Ausbildungs- und Studienvertrages).

§ 9 des Ausbildungs- und Studienvertrages hat folgenden Wortlaut:

"§ 9 Rückzahlungsbedingungen/-grundsätze (1) Wird die Studierende beim Ausbildenden nach Beendigung seines ausbildungsintegrierten dualen Studiums in ein Beschäftigungsverhältnis entsprechend ihrer mit dem Studienteil des ausbildungsintegrierten dualen Studiums erworbenen Abschlussqualifikation¹ übernommen, ist die ehemals Studierende verpflichtet, dort für die Dauer von 5 Jahren beruflich tätig zu sein (Bindebedingung). (2) Der vom Ausbildenden bezahlte Gesamtbetrag, bestehend aus der Studienzulage (§ 6 Abs. 2 des Vertrages), dem Studienentgelt (§ 6 Abs. 4 des Vertrages), den Studiengebühren (§ 6 Abs. 5 des Vertrages) sowie den notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten beim Besuch einer auswärtigen Hochschule, ist von den Studierenden oder den ehemals Studierenden zurückzuerstatten: a) [...], b) bei Beendigung des ausbildungsintegrierten dualen Studiums durch Kündigung vom Auszubildenden aus einem von der Studierenden zu vertretenen Grund oder durch eine Eigenkündigung der Studierenden, die nicht durch einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB gerechtfertigt ist, c) [...], d) [...]." (3) Sofern berufspraktische Studienabschnitte beim Ausbildenden absolviert wurden, verringert sich der Rückzahlungsbetrag auf 75 v. H. des Gesamtbetrages nach Absatz 2. (4) Der zurückzuerstattende Gesamtbetrag nach Absatz 2 wird für jeden vollen Monat, in dem nach Beendigung des ausbildungsintegrierten dualen Studiums ein Beschäftigungsverhältnis nach Abs. 1 bestand, um 1/60 vermindert. (5) Auf die Rückzahlungspflicht kann ganz oder teilweise verzichtet werden, soweit sie eine besondere Härte bedeuten würde." 

Die Fußnote 1 zu § 9 Abs. 1 des Ausbildungs- und Studienvertrages lautet:

"Die auszuübenden Tätigkeiten entsprechen mindestens der Entgeltgruppe 10 (Eingruppierung nach Teil III, Abschnitt 24 oder 25 des Tarifvertrags über die Entgeltordnung des Bundes - TV EntgO Bund)." 

Die genaue Höhe der Studiengebühren für den gesamten Studiengang stand bei Abschluss des Vertrages noch nicht fest. Die Höhe der Gebühren wird von der Hochschule erst vor jedem Semester auf ihrer Website bekannt gegeben.

Die Beklagte schloss ihre Ausbildung am 25.06.2021 ab.

Mit Schreiben vom 26.08.2021 (Bl. 179 d. A.), bei der erstinstanzlichen Klägerin zu 1 (B.) eingegangen am 30.08.2021, kündigte die Beklagte den Ausbildungs- und Studienvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Sie führte zur Begründung aus:

"Meine persönlichen Interessen und Ziele für die Zukunft haben sich weg vom öffentlichen Dienst und somit auch weg von der B. entwickelt. Zudem befinde ich mich an einem Punkt, an dem ich keine persönliche Weiterentwicklung mehr als Angestellte der B. sehe." 

Die erstinstanzliche Klägerin zu 1 bestätigte ihr eine Beendigung des Vertrages zum 28.09.2021 und machte mit Schreiben vom 14.09.2021 (Bl. 24 f. d. A.), 11.11.2021 (Bl. 30 ff. d. A.) und anwaltlichem Schreiben vom 06.01.2021 (Bl. 39 ff. d. A.) Rückzahlungsansprüche unter Berufung auf § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages geltend. Sie errechnete einen Gesamtbetrag von 10.829,52 € (Studienzulage nach § 6 Abs. 2 in Höhe von insgesamt 5.124,19 €, Studienentgelt gemäß § 6 Abs. 4 für die Zeit vom 01.07. bis 28.09.2021 in Höhe von insgesamt 3.813,33 € sowie Studiengebühren gemäß § 6 Abs. 5 für die Dauer vom Wintersemester 2018/19 bis zum Wintersemester 2021/22 in Höhe von 1.892,00 €). Diesen Gesamtbetrag reduzierte sie gemäß § 9 Abs. 3 des Vertrages auf 75 %, mithin 8.122,14 €. Hiervon brachte sie im Laufe des Verfahrens von der Hochschule für das Sommersemester 2021 bezüglich des Semestertickets erstattete 62 € in Abzug.

Die Beklagte lehnte eine Zahlung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.10.2021 (Bl. 27 f. d. A.), 22.11.2021 (Bl. 33 f. d. A.) und 19.01.2022 (Bl. 38 d. A.) ab.

Die erstinstanzliche Klägerin zu 1 verfolgte den Rückzahlungsanspruch mit ihrer am 29.03.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 04.04.2022 zugestellten Klage zunächst in Höhe von 8.122,14 € zuzüglich Zinsen weiter. Im erstinstanzlichen Kammertermin am 03.08.2022 trat die in (erstinstanzliche Klägerin zu 2) dem Rechtsstreit auf Klägerseite im Wege der Parteierweiterung bei.

Die erstinstanzliche Klägerin zu 1 war der Ansicht,

sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der Studienzulage, des Studienentgeltes und der Studiengebühren gemäß § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungsvertrages in Höhe von 8.122,14 €. Ein wichtiger Grund für die Eigenkündigung der Beklagten vom 26.08.2021 gemäß § 626 BGB sei nicht ersichtlich.

Die Rückzahlungsvereinbarung in § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungsvertrages sei wirksam. Sie halte den Anforderungen einer AGB-Kontrolle statt. Eine Rückzahlung sei der Beklagten auch nach Treu und Glauben zuzumuten. Diese habe durch die Möglichkeit, das ausbildungsintegrierte duale Studium zu absolvieren, einen geldwerten Vorteil durch eine Verbesserung ihrer beruflichen Möglichkeiten erhalten.

Die vereinbarte Klausel zur Bindung der Beklagten bei Übernahme in ein Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 des Vertrages sei auch bezüglich der Bindungsdauer von fünf Jahren wirksam. Es bestehe ein angemessenes Verhältnis zwischen der Dauer der Ausbildung und der Höhe der Aufwendungen des Arbeitgebers.

Eine angebliche Unwirksamkeit der Klausel ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass sie sich nicht verpflichtet gehabt habe, die Beklagte nach Abschluss der Ausbildung weiter zu beschäftigen. Die Beklagte hätte die Ausbildungskosten nicht zurückzahlen müssen, wenn sie die Ausbildung beendet und dann kein Angebot für eine Weiterbeschäftigung erhalten hätte. Dass ihr kein Beschäftigungsverhältnis angeboten worden sei, liege allein daran, dass sie das Ausbildungsverhältnis deutlich vor Ende des Studiums beendet gehabt habe. Im Übrigen sei § 9 ohne weiteres teilbar.

Ein Einsatz in C. wäre für die Beklagte nicht unzumutbar gewesen. Die bundesweite Versetzung der Beschäftigten sei im öffentlichen Dienst Standard und unproblematisch möglich.

Es habe keine Unklarheit über die Höhe des tatsächlich zurückzuzahlen Betrages gegeben. Bei Abschluss des Ausbildungsvertrages habe eine genaue Höhe der Forderungssumme nicht im Vertrag festgehalten werden können.

Ein wichtiger Grund für die Eigenkündigung der Beklagte nach § 626 BGB habe nicht vorgelegen. Die Beklagte habe den Ausbildungsteil erfolgreich bei ihr absolviert gehabt. Selbstverständlich hätten die Auszubildenden bei ihr einen festen Ansprechpartner. Dieser stehe auch für Rückfragen zur Ausbildung bzw. zum Studium zur Verfügung. Der Ablauf und die Inhalte des dualen Studiums ergäben sich aus dem Ausbildungs- und Studienplan, den die Hochschule vorgebe. Unklarheiten hätte die Beklagte mit der Hochschule klären müssen. Es sei zwar zutreffend, dass die Ausbilder vorgeschlagen hätten, dass die Beklagte ihr Studium für ein Jahr pausieren könne, um fachliche Defizite der Ausbildung aufzuarbeiten. Diesem Angebot hätten aber keine Defizite in der fachlichen Ausbildung zugrunde gelegen. Die Formulierung einer zulassungsfähigen Bachelorthesis sei nicht Aufgabe des Ausbilders, sondern des Studenten.

Sie habe an die S. die in der Klage genannten Semesterbeiträge gezahlt. Von einer Kürzung sei hier nichts bekannt.

Die aktuellen finanziellen Verhältnisse der Beklagten stellten keinen Härtefall dar.

Die erstinstanzliche Klägerin zu 1 hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.075,64 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2022 zu zahlen. 

Die beigetretene erstinstanzliche Klägerin zu 2 hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.075,64 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2022 zu zahlen. 

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen. 

Sie war der Ansicht,

die Klägerin zu 1 sei bereits nicht aktiv legitimiert, da sie nicht ihr Vertragspartner sei.

Die Rückzahlungsklausel des Ausbildungs- und Studienvertrages sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie einer Inhaltskontrolle nicht standhalte.

Die Rückzahlungsklausel sei unwirksam, da die Ausbilderin nicht zu ihrer Weiterbeschäftigung nach Abschluss der Ausbildung verpflichtet sei. Die Vertragsklausel könne auch so verstanden werden, dass sie die Rückzahlung durch eine Tätigkeit bei der Ausbilderin nur in dem Fall abbauen könne, dass die Ausbilderin ihr eine Tätigkeit anbiete und sie diese annehme.

Daneben sei Rückzahlungsklausel auch deshalb unwirksam, weil ihr bei Abschluss des Ausbildungsvertrages kein konkretes Stellenangebot unterbreitet worden sei.

Darüber hinaus sei entgegen der Fußnote des Vertrages von den Ausbildern gegenüber den dualen Studenten kommuniziert worden, dass eine Einstellung voraussichtlich in der Entgeltgruppe 6 erfolgen solle. Circa drei Monate vor ihrer Kündigung sei ihr signalisiert worden, dass ihr möglicherweise eine Stelle in C. angeboten werde, obwohl sie bekanntlich zu diesem Zeitpunkt in S. wohnhaft gewesen sei und dort auch studiert habe. Ein Umzug nach C. wäre unzumutbar gewesen. Alleine dieses Beispiel mache deutlich, wie wichtig eine örtliche Begrenzung im Vertrag gewesen wäre.

Darüber hinaus sei die Bindungsdauer von fünf Jahren und die Abschmelzung von 1/60 pro Monat vorliegend nicht zulässig, da diese unangemessen lang sei. Bezeichnend sei, dass die Ausbilderin bei dem Zeugen H., der sein duales Studium circa sechs Monate vor ihr begonnen habe, selbst noch von einer maximal zulässigen Bindungsdauer von zwei Jahren ausgegangen sei und deshalb lediglich 1/24 der gezahlten Beträge habe zurückverlangen wollen.

Die Rückzahlungsvereinbarung sei auch insoweit intransparent, als dem Studierenden unklar bleibe, in welcher Höhe eine Rückforderung auf diesen zukommen könne. Der maximal zurückzuzahlende Gesamtbetrag werde an keiner Stelle genannt.

Darüber hinaus sei die Vereinbarung auch unwirksam, da der Beginn der Bindungsdauer unzulässig von der Ausbilderin festgelegt werde.

Des Weiteren lägen die Voraussetzungen für die Rückzahlungsverpflichtung nicht vor, da ihre Eigenkündigung aus einem wichtigen Grund gemäß § 626 BGB gerechtfertigt gewesen sei. Die Qualität der Ausbildung bei der Ausbilderin sei so schlecht gewesen, dass das Ausbildungsziel erheblich gefährdet gewesen sei. Probleme hätten schon zu Beginn des Vertragsverhältnisses damit begonnen, dass die Studierenden bei der Ausbilderin keinen festen Ansprechpartner gehabt hätten. Von Beginn an sei den Studierenden daher gar nicht genau bekannt gewesen, wie das duale Studium konkret habe ablaufen sollen. Die Studierenden seien diesbezüglich stets an die Hochschule verwiesen worden. Die Ausbilder hätten die Lerninhalte der Ausbildung nicht gekannt. Gleichzeitig hätten diese Kompetenzen bei den Studierenden vorausgesetzt, über welche sie selbst nicht verfügt hätten. Die Ausbildung habe sich extrem auf prioritäre Software, wie zum Beispiel Microsoft Produkte, beschränkt, da sich dabei um den "Hausstandard" gehandelt habe. Demgegenüber werde sogar bei der Ausbilderin im Bereich der Infrastruktur andere Software eingesetzt, deren Umgang überhaupt nicht gelehrt worden sei. Erst vier Jahre nach dem Beginn der ersten dualen Studiengänge sei die Ausbilderin auf die Idee gekommen, zu evaluieren, ob sich Lerninhalte überschnitten. Aufgrund der mangelhaften Kommunikation zwischen der Hochschule und der Ausbilderin hätten die Studierenden mit der Studiengangsleitung und dem Prüfungsamt in Kontakt treten und die Prüfungspläne anpassen lassen müssen. Seitens der Ausbilderin habe keinerlei Information bezüglich der Anerkennung der Ausbildung stattgefunden. Es seien falsche Zeugnisse ausgestellt worden. Es seien keine Informationen über weitere Anerkennungsmöglichkeiten mitgeteilt worden. Mangels Kenntnis des Studienablaufs und der Studieninhalte wüssten die Ausbilder auch nicht, wie sie die Studierenden konkret einsetzen könnten. Hardware und Büromaterial seien wiederholt verspätet geliefert worden. Die Studierenden hätten keine Facheinsätze bekommen. Aufgrund der Missstände hätten im Januar 2021 und Februar 2021 bereits zwei Kommilitonen gekündigt. Sie habe gemeinsam mit einem Kommilitonen im Januar 2021 bei den Ausbildungsverantwortlichen und den Verantwortlichen in der Personalabteilung vorgesprochen und darum gebeten, die Abschlussprüfung an der X zu verschieben, da sie sich beide rein fachlich aufgrund der schlechten Ausbildung nicht ausreichend auf die Prüfung vorbereitet gesehen hätten. Von Seiten der Ausbilder sei dann vorgeschlagen worden, das Studium ein Jahr lang pausieren zu lassen und in diesem Jahr die fachlichen Defizite der Ausbildung aufzuarbeiten. Dazu sei es im Ergebnis zwar nicht gekommen. Schon das Angebot selbst spreche aber dafür, dass die Ausbilderin die erheblichen Ausbildungsdefizite gekannt habe und selbst nicht in der Lage gewesen sei, diesen anders als durch eine Verlängerung des Studiums um ein Jahr abzuhelfen. Anschließend hätten mehrere Meetings und Sitzungen zwischen den Studierenden und den Verantwortlichen der Interessenvertretung stattgefunden, in denen die Situation im Detail erläutert worden sei. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung habe sich zwar für die Studierenden eingesetzt, habe aber ebenfalls keine Besserung der Ausbildung erreichen können. Nachdem andere Maßnahmen nicht zu einer Besserung geführt hätten, sei ein Wechsel der Ausbildungsverantwortung von der Außenstelle "H." in das Referat "0" geplant und zum 01.08.2021 durchgeführt worden. Leider habe auch dies nicht zum Erfolg geführt. Es möge zwar zutreffen, dass sie ihre Ausbildung am 25.06.2021 beendet habe, dies habe aber nicht zu einer Beendigung der Missstände geführt. Sie habe dann nämlich erst mit ihrer Bachelorarbeit begonnen. Die bei der Ausbilderin tätigen Ausbilder seien nicht dazu in der Lage, überhaupt eine zulassungsfähige Bachelorthesis vorzuschlagen. Die gleichen Probleme hätten sich schon bei dem Thema für die Abschlussarbeit gestellt.

Die Höhe des zurückgeforderten Betrages sei nicht korrekt berechnet. Als Teilzeitstudentin seien von Anfang an nur hälftige Semesterbeiträge zu zahlen gewesen. Die Rückzahlung stelle für sie eine besondere Härte dar.

Da die Ansprüche von der - richtigen - Ausbilderin (in) nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden seien, seien sie gemäß § 19 TVAöD verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen durch Urteil vom 03.08.2022 abgewiesen. Es hat - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Weder die Klägerin zu 1 noch die Klägerin zu 2 könne die geltend gemachte Rückzahlung verlangen. Die Klägerin zu 1 sei bereits nicht aktiv legitimiert. Auch die Klägerin zu 2 dringe mit ihrem Klagebegehren nicht durch. Sie habe in der letzten mündlichen Verhandlung zulässigerweise ihren Beitritt zum Rechtsstreit im Wege der Parteierweiterung erklärt. Die Klägerin zu 1 habe ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt. Der von der Klägerin zu 2 in zulässiger Weise erhobene Anspruch sei nicht begründet. Die streitgegenständliche Rückzahlungsklausel sei unwirksam. Ihre Unwirksamkeit ergebe sich zunächst aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (der jedenfalls in Verbindung mit § 310 Abs. 3 BGB zur Anwendung gelange). Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen habe, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide, seien zwar grundsätzlich zulässig und benachteiligten den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Die Klägerseite hätte sich jedoch im Rahmen des Ausbildung- und Studienvertrages verpflichten müssen, die Beklagte nach Abschluss des Studiums zum Zweck des ratierlichen Abbaus der Rückzahlung weiter zu beschäftigen. An einer solchen Verpflichtung fehle es hier. Die Beklagte habe ein Anschlussangebot der Klägerseite auch nicht etwa "vereitelt", indem sie das Vertragsverhältnis ihrerseits gekündigt habe, da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der vertraglichen Regelung im Rahmen der Inhaltskontrolle auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankomme. Selbst wenn man dies anders sehen und der Argumentation der Klägerseite folgen würde, eine Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich von vornherein nicht für den Fall, dass man ihr kein Anschlussarbeitsverhältnis anbiete, ergebe sich nichts anderes. Zum einen werde dies ihr aus dem Gesamtkontext des § 9 und der darin enthaltenen Einzelregelung nicht hinreichend erkennbar. Zum anderen würde dies bedeuten, dass sich die Klägerseite bis zum Ende des ausbildungsintegrierten dualen Studiums, also für einen Zeitraum von vier Jahren, die Entscheidung offenhalten könnte, ob sie die Beklagte in ein Anschlussverhältnis übernehme oder nicht. Unabhängig hiervon wäre die Klausel jedoch selbst bei Zugrundelegung des Verständnisses im Sinn der Klägerseite unwirksam, da sie eine Rückzahlungsverpflichtung im laufenden Vertragsverhältnis pauschal an eine Eigenkündigung der Beklagten anknüpfe, ohne nach dem Grund für eine solche zu differenzieren. Die Unwirksamkeit der Klausel folge zudem aus der Verletzung des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klägerseite habe im Vertrag nicht geregelt, zu welchen konkreten Bedingungen eine Anschlussberufstätigkeit erfolgen sollte. Insoweit wären jedenfalls rahmenmäßig Angaben zu Beginn des Vertragsverhältnisses, zu Art und zeitlichem Umfang der Beschäftigung sowie zur Gehaltsfindung der Anfangsvergütung erforderlich. Diesen Anforderungen genüge die Regelung in § 9 nicht. Der Beginn des Vertragsverhältnisses sei bereits nicht konkret benannt, die vertragliche Formulierung "nach Beendigung (des Studiums)" sei unklar und eröffne der Klägerseite ungerechtfertigte Entscheidungsspielräume, da "nach Beendigung" nicht gleichbedeutend sei mit "im unmittelbaren Anschluss an (das Studium)". Zum zeitlichen Umfang der Beschäftigung fehlten ebenso Angaben wie zur Art der Beschäftigung. Soweit § 9 Abs. 1 des Ausbildungs- und Studienvertrages darauf abstelle, eine Übernahme erfolge "entsprechend ihrer mit dem dualen Studium erworbenen Abschlussqualifikation", und die Klägerseite auf entsprechende Rüge der Beklagten diese Formulierung lediglich noch einmal wiederholt habe, ohne sie weiter zu konkretisieren, genüge dies nicht. Soweit die Klägerseite vortrage, bei der (erstinstanzlichen) Klägerin zu 1 handele es sich um eine Bundesbehörde, weshalb eine Anschlussbeschäftigung im gesamten Bundesgebiet erfolgen könne, behalte sie sich auch damit ungerechtfertigt weite Entscheidungsspielräume vor. Nichts daran ändere das der Beklagten kurz vor ihrer Eigenkündigung unterbreitete Angebot einer Beschäftigung in C., da sich die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beurteile und aus späteren konkreten Angeboten ein solcher Rückschluss auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gezogen werden könne. Erweise sich die vertragliche Rückzahlungsverpflichtung damit in jedem Fall als unwirksam, habe dahinstehen können, ob die Bindungsdauer von fünf Jahren unangemessen lang sei, die Beklagte sich für ihre Eigenkündigung auf einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB berufen könne, die Klägerin zu 2 ihren Anspruch innerhalb der tariflichen Verfallfristen geltend gemacht habe oder die Rückzahlungsregelung bereits nach § 26 in Verbindung mit §§ 12 Abs. 1 Satz 1,17 Absatz 1 Satz 1 BBiG unwirksam wäre. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 114 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist den erstinstanzlichen Klägerinnen am 24.08.2022 zugestellt worden. Die erstinstanzliche Klägerin zu 2 (in) hat hiergegen mit einem am 23.09.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 26.10.2022 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet. Auf den gleichzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag der in hat das Landesarbeitsgericht dieser durch Beschluss vom 07.12.2022 wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Zur Begründung der Berufung macht die Berufungsklägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes (dort S. 6 ff.) sowie des Schriftsatzes vom 06.12.2022 (dort S. 4 ff.), auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 158 ff., 223 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts benachteilige die streitgegenständliche Klausel die Beklagte nicht unangemessen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (18.03.2008 - 9 AZR 86/07). Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Beklagte die Ausbildungskosten nicht hätte zurückzahlen müssen, wenn sie die Ausbildung beendet und dann kein Angebot für eine Weiterbeschäftigung erhalten hätte.

Die Auslegung des § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages durch das Arbeitsgericht sei falsch und nicht vertretbar. Die streitgegenständliche Klausel verlange keine außerordentliche, fristlose Kündigung, sondern lege lediglich den Maßstab der Veranlassung durch den Arbeitgeber fest. Dies entspreche der üblichen und weitverbreiteten Klauselformulierung, wonach eine Rückzahlung stets bei einer Eigenkündigung zu erfolgen habe, es sei denn dass diese auf einem wichtigen Grund beruhe. Der Verweis auf § 626 BGB stelle somit eine Rechtsgrundverweisung und nicht eine Rechtsfolgenverweisung dar. Eine angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien sei gegeben. Die streitgegenständliche Klausel mache deutlich, dass nicht jede Eigenkündigung schädlich sei. Unschädlich sei eine Eigenkündigung, für die es einen relevanten Grund gebe. Würde man diesen Maßstab auflösen, wäre der nächste greifbare und transparent formulierte Maßstab der, dass eine Eigenkündigung so lange nicht zu einer Rückzahlung führe, wie sie nicht aus eigensüchtigen Motiven des Arbeitnehmers oder gänzlich grundlos erfolge. Eine solche Formulierung würde jedoch die Interessen des Arbeitgebers vollständig unberücksichtigt lassen und wäre damit keine angemessene Interessenabwägung mehr.

Darüber hinaus komme es auch insoweit auf die Betrachtung des konkreten Sachverhaltes an. Dem von der Beklagten zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts habe eine Weiterbildung eines Altenpflegers zum "Fachtherapeut Wunde ICW" zugrunde gelegen. Bei der Frage, ob hinsichtlich des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aufgrund einer Eigenkündigung nach der Ursache zu differenzieren sei oder nicht, habe das Bundesarbeitsgericht auf die Risikosphären abgestellt. Dabei gehe es vom Grundsatz aus, dass Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, grundsätzlich der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen hat (BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21 a. E.). Das Bundesarbeitsgericht sehe also eine Art Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbildung seiner Arbeitnehmer. Nur so lasse sich nämlich begründen, dass es sich bei der Frage nach dem Erfolg der Bildungsmaßnahme um ein Betriebsrisiko handeln solle. Im konkreten Fall gehe es nicht um eine Weiterbildung eines bestehenden Arbeitnehmers, sondern um einen Ausbildungsvertrag im Rahmen eines dualen Studiums, der ausschließlich der Beklagten einen Vorteil verschafft habe. Die Beklagte sei ausschließlich zum Zweck dieses dualen Studienganges und zu dessen Ermöglichung eingestellt worden. Es könne schlechterdings nicht in ihrem Betriebsrisiko liegen, dass diese Ausbildung erfolglos bleibe.

Wenn allerdings der Ausgangspunkt nicht die Risikoposition auf Seiten des Arbeitgebers sei, von der sich dieser dann durch eine Vertragsgestaltung loszulösen suche, sondern umgekehrt das Risiko, beispielsweise zu erkranken, ein Risiko in der Sphäre des Arbeitnehmers sei, ändere sich hierdurch auch der Blick auf den angemessenen Ausgleich der Interessen, der im Zuge der Frage der Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entscheidend sei. Realisiere sich beim Arbeitnehmer sein allgemeines Lebensrisiko und kein Betriebsrisiko des Arbeitgebers, so sei es angemessen, dass in diesem Fall das jeweilige Ausbildungsentgelt zurückzuzahlen sei. Hiervon könne man Fälle ausnehmen, in denen ein wichtiger Grund vorliege. Bereits dies gehe aber nach ihrem Verständnis über die eigentlichen Pflichten des Arbeitgebers hinaus, solange es sich bei den aufgewandten Kosten nicht um eine betriebliche Ausgabe in Erfüllung eigener Obliegenheiten handele. In einem Rechtsverhältnis über ein duales Studium falle das Risiko, sich anders zu entscheiden, ausschließlich in die Sphäre des Arbeitnehmers, der Beklagten. Dies sei kein Risiko, was im Ausgangspunkt der Arbeitgeber zu tragen hätte. Folglich könne es nicht unangemessen sein, wenn die Beklagte für den Fall des Risikoeintritts das Ausbildungsentgelt zurückzuzahlen habe.

Das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht verletzt. Das Bundesarbeitsgericht habe einen fraglichen Rechtssatz des Inhalts, wonach eine Rückzahlung nur dann verlangt werden könne, wenn zuvor ein Anschlussarbeitsverhältnis garantiert worden sei, gar nicht aufgestellt. Es komme somit auf die Überlegung, wie konkret das Angebot sei, nicht an.

Die Bindungsdauer von fünf Jahren, die nur bei einer Weiterbeschäftigung eingetreten wäre, sei nicht unangemessen lang. Für die Bewertung der Bindungsdauer sei es unerheblich, ob mit anderen dualen Studenten eine andere Bindungsdauer vereinbart worden sei.

Ein wichtiger Grund der Beklagten für die Eigenkündigung gemäß § 626 BGB sei nicht ersichtlich.

Sie habe ihrem Anspruch innerhalb der tariflichen Verfallfristen geltend gemacht. Die erstinstanzliche Klägerin zu 1 sei ihre ständige Vertreterin gewesen. Da auch ein Vertreter der erstinstanzlichen Klägerin zu 1 den Vertrag mit der Beklagten unterzeichnet habe, reiche es ohne weiteres aus, dass diese die sich aus dem Vertrag ergebenden Ansprüche geltend gemacht habe.

Die Rückzahlungsregelung sei nicht nach § 26 in Verbindung mit §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 1 BBiG unwirksam.

Die Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.08.2022, Az. 7 Ca 750/22, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 8.075,64 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2022 zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. 

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 22.11.2022, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 217 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Soweit sich die in nun darauf berufe, dass im Falle des Unterbleibens eines Weiterbeschäftigungsangebots auch keine Rückzahlungspflicht entstehe, so sei es dem Auszubildenden unzumutbar, abzuwarten, ob und gegebenenfalls wann die in ihm ein Weiterbeschäftigungsangebot unterbreite.

Die Rückzahlungsklausel sei unwirksam, weil sie jeden Fall der Eigenkündigung des Auszubildenden erfasse. Das Bundesarbeitsgericht habe mit Urteil vom 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 entschieden, dass sogar eine Klausel, die eine Rückzahlung bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vorsehe, unwirksam sei. Die Begründung dafür, weshalb selbst diese Klausel unangemessen benachteiligend sei, sei nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts darin zu sehen, dass diese Klausel die Rückzahlungspflicht auch für den Fall vorsehe, dass der Arbeitnehmer unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zurecht weise das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass auch in diesem Fall eine Rückzahlungsverpflichtung von Ausbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt sei. In diesem Fall könne der Arbeitgeber unabhängig von der Kündigung des Arbeitnehmers dessen Qualifikation bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht nutzen. Dieses Risiko falle in das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers. Da die verwendete Klausel diesen Fall nicht von der Rückzahlungspflicht ausnehme, sei diese unangemessen und damit gesamtunwirksam.

Zwar möge zutreffend sein, dass ein Arbeitgeber jederzeit frei darin sei, ein Arbeitsverhältnis ohne jegliche Konkretisierung am Maßstab des § 106 GewO zu vereinbaren. Sofern der Arbeitnehmer in diesem Fall mit den Arbeitsbedingungen nicht einverstanden sei, könne er sich jedoch nach den gesetzlichen Vorschriften von diesem Vertrag lösen, wenn ihm die Bedingungen nicht genehm seien. Vorliegend sei dies aber durch den Druck der Rückzahlungsklausel aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen.

Die maximale Ausschöpfung der zulässigen Bindungsdauer sei im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.

Der Anspruch sei durch die Berufungsklägerin auch nicht innerhalb der tariflichen Verfallfristen geltend gemacht. Eine Geltendmachung sei ausschließlich durch die erstinstanzliche Klägerin zu 1 im eigenen Namen erfolgt. Dass diese bei der Geltendmachung als Vertreterin der in gehandelt habe, sei nicht ersichtlich gewesen. Das Aufforderungsschreiben sei auch nicht auslegungsfähig gewesen.

Schlussendlich sei die Rückzahlungsvereinbarung ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen § 26 iVm. § 12 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 1 BBiG unwirksam.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 03.05.2023 (Bl. 256 ff. d. A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

A. 

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Berufungsklägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wurde der Berufungsklägerin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt. Die Berufung erweist sich auch sonst als zulässig.

B. 

In der Sache hatte die Berufung der Berufungsklägerin keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Der Berufungsklägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung der Studienzulage, des Studienentgeltes und der Studiengebühren zu. Dem Begehren der in steht keine Anspruchsgrundlage zur Seite. Die Vereinbarung über die Rückzahlung von Ausbildungskosten in § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages vom 08.03.2018 benachteiligt die Beklagte unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel entfällt ersatzlos und ist weder im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion noch im Wege ergänzender Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrecht zu erhalten. Ob die Beklagte durch die in zur Kündigung veranlasst wurde, ist nicht entscheidungserheblich.

I. 

Die dem Kostenerstattungsverlangen der Berufungsklägerin zu Grunde liegende Klausel ist am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu messen. Sie ist danach unwirksam.

1.

Bei den im Ausbildungs- und Studienvertrag getroffenen Abreden handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es handelt sich um von der Berufungsklägerin entsprechend der Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge vom 01.01.2018 (RdSchr. des BMI vom 25.09.2018, GMBl. S. 1102) vorformulierte Vertragsbedingungen. Der Ausbildungs- und Studienvertrag weist außer den persönlichen Daten der Beklagten keine individuellen Besonderheiten auf. Dies - wie auch das äußere Erscheinungsbild - begründet auch eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich bei den Bestimmungen des Ausbildungs- und Studienvertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.

2.

Die Wirksamkeit der im Ausbildungs- und Studienvertrag getroffenen Abreden ist anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht der uneingeschränkten AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nicht entgegen. Danach gelten die Abs. 1 und 2 des § 307 BGB sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten. Um eine derartige Regelung handelt es sich vorliegend. Die in hat § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte zu Erstattung der von der in getragenen Kosten für das duale Studium verpflichtet sein sollte. Außerdem wird durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck die durch Art. 12Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt (st. Rspr., vgl. BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 13 mwN.).

3.

§ 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Beklagte wird durch die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligt. Die von der in gestellte Klausel belastet die Beklagte für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung, die nicht aus wichtigem Grund erfolgt, mit einer Rückzahlungspflicht für entstanden Ausbildungskosten. Die Bestimmung unterscheidet nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzuordnen ist. Sie sieht ein Entfallen der Rückzahlungspflicht im Fall einer Eigenkündigung nur für den Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes vor, im Übrigen kennt sie keine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht, also auch nicht für den Fall, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, zum Beispiel durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers, das nicht den Grad eines wichtigen Grundes erreicht. Das führt zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten.

a) Die Auslegung der Klausel ergibt, dass die Beklagte nach einer Eigenkündigung die Studienzulage, das Studienentgelt und die Studiengebühren immer dann zurückzuzahlen hat, wenn kein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt, d. h. auch dann, wenn die Kündigung durch Gründe in der Sphäre der in als Arbeitgeberin, die nicht das Gewicht eines wichtigen Grundes erreichen, veranlasst worden ist.

Die Klausel in § 9 Abs. 2 lit b) des Ausbildungs- und Studienvertrages ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Zu berücksichtigen sind dabei die für die Vertragspartner des Verwenders allgemein erkennbaren äußeren Umstände, die einem verständigen und redlichen Erklärungsempfänger Anhaltspunkte für eine bestimmte Auslegung geben. Umstände, die den konkreten Arbeitnehmer bzw. die konkreten Umstände des Vertragsschlusses betreffen, sind nur dann von Belang, wenn im konkreten Einzelfall die Beteiligten übereinstimmend eine Erklärung in demselben Sinn verstanden haben. Völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernsthaft nicht zu befürchten ist, haben dabei außer Betracht zu bleiben (BAG 13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 17 mwN.).

Danach ergibt die Auslegung, dass § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages eine Pflicht zur Erstattung der Studienzulage, des Studienentgelts und der Studiengebühren in jedem Fall einer vom Studierenden ausgesprochenen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses vorsieht, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor, ohne hiervon die Eigenkündigung auszunehmen, die vom einem Arbeitgeber veranlasst worden, d. h. dessen Verantwortungssphäre zuzurechnen sind.

Die Klausel unterscheidet nicht danach, ob die Gründe für die vom Studierenden ausgesprochenen Kündigung aus der Verantwortungssphäre des kündigenden Studierenden oder der des Arbeitgebers entstammen. Die Formulierung, "bei Beendigung des ausbildungsintegrierten dualen Studiums durch Kündigung vom Ausbildenden aus einem vor der Studierenden zu vertretenen Grund oder durch eine Eigenkündigung der Studierenden, die nicht durch einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB gerechtfertigt ist", zeigt, dass die Klausel grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Beendigungstatbestände unterscheidet und zwar zwischen der vom Ausbildenden ausgesprochenen Kündigung einerseits und der vom Auszubildenden ausgesprochenen Kündigung andererseits. Nur bei Ersterer wird eine Einschränkung dahin vorgenommen, dass die Rückzahlungsverpflichtung nur dann eingreifen soll, wenn die Kündigung auf Gründen beruht, die von der Studierenden zu vertreten sind. Diese Einschränkung ist beim Beendigungstatbestand der Arbeitgeberkündigung formuliert. Sie ist daher ausdrücklich ausschließlich auf die Beendigungsvariante "Arbeitgeberkündigung" bezogen und kann nicht auf die Arbeitnehmerkündigung übertragen werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 20) stellt die vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Kündigung des Arbeitnehmers im Arbeitsleben keinen so seltenen und fernliegenden Beendigungstatbestand dar, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsste. Soll die Rückzahlungsklausel gerade diese Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nicht erfassen, so muss dies auch hinreichend klar formuliert sein. Daran fehlt es hier.

b) Die so verstandene Klausel ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen.

Nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Es kommt nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auf die typische Sachlage an. Abzuwägen sind Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (st. Rspr., BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 20 mwN.; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 22 mwN.).

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21; 11.12.2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24 mwN.; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 23 mwN.) grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen.

Von der Übernahme der Kosten einer Aus- oder Fortbildung versprechen sich Arbeitgeber einerseits im Anschluss an die Fortbildung vor allem von der erworbenen Qualifikation ihrer Arbeitnehmer zu profitieren und diese möglichst langfristig nutzen zu können (vgl. BAG 18.03.2014 - 9 AZR 545/12 - Rn. 19 mwN.). Dieses Interesse des Arbeitgebers besteht nicht nur bei einer Weiterbildung eines Arbeitnehmers in einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern auch bei der Ausbildung im Hinblick auf einen späteren Einsatz als qualifizierter Mitarbeiter. Andererseits hat der Arbeitnehmer das Interesse, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich gegenüber dem Arbeitgeber nur in einem solchen Umfang zu binden, wie das im Verhältnis zu dessen Aufwendungen angemessen ist. Diese Interessen sind ins Verhältnis zu setzen.

Eine Rückzahlungsklausel ist danach nur wirksam, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, sei es, dass bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder dass sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Außerdem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BAG 14.01.2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18, juris)

Es ist zudem nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden (BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21; 11.12.2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24 mwN.; 18.03.2014 - 9 AZR 545/12 - Rn. 17 mwN.; 28.05.2012 - 3 AZR 103/12 - Rn. 18 mwN.;13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 26 mwN.). Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine von diesem ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, können im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Da sie geeignet sind, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, muss einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Letzteres ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein (stRspr., BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21; 11.12.2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 23 mwN.).

Die Unangemessenheit der streitgegenständlichen Rückzahlungsklausel ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits daraus, dass diese hinsichtlich des die Rückzahlungspflicht auslösenden Tatbestandes "Eigenkündigung der Studierenden" zu weit gefasst ist, da dieser auch Eigenkündigungen der Studierenden erfasst, deren Gründe der Sphäre des Arbeitgebers entstammen, sofern diese nicht zugleich einen wichtigen Grund darstellen.

Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen hat (BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21 mwN.; 11.12.2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24 mwN.). Hätte der betriebstreue Arbeitnehmer die in seine Aus- oder Weiterbildung investierten Betriebsausgaben aber dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition des Arbeitgebers belastet. Sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig nur diejenigen des Arbeitgebers (BAG 18.03.2014 - 9 AZR 545/12 - Rn. 18). Damit benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen (BAG 28.05.2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 18 mwN.; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 26 mwN.).

Die in § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages enthaltene Rückzahlungsklausel differenziert bei der Eigenkündigung der Studierenden nicht danach, wessen Verantwortungs- und Risikobereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist. Der Arbeitnehmer soll im Falle einer selbst ausgesprochenen Kündigung auch dann mit den Ausbildungskosten belastet werden, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen darf. In solchen Fallkonstellationen ist die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Dieser kann die Rückführung der Aufwendungen durch weitere Betriebstreue nicht mehr erreichen. Eine sachliche Grundlage für seine Kostenbeteiligung, die dies als angemessenen Interessenausgleich erscheinen lässt, gibt es nicht.

Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der in - aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2022 - 9 AZR 260/21. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung gerade nicht seine Rechtsprechung aufgegeben, dass eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers in den Fällen anzunehmen ist, in denen der Arbeitnehmer es nicht in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, weil er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers zu einer eigenen Kündigung veranlasst oder mitveranlasst wird. Es geht in der genannten Entscheidung vielmehr davon aus, dass eine Rückzahlungsklausel auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll (BAG 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 23; vgl. auch Os. 3). Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist auch unter dieser Voraussetzung eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf Auslöser der Rückzahlungspflicht nur ein Ereignis sein, dass ausschließlich in die Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers fällt (vgl. Blumauer/Niemeyer, NZA 2022, 755, 757; von Steinau-Steinrück/Miller, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 51). Der Arbeitgeber hat die entstandenen Ausbildungs- bzw. Fortbildungskosten nicht nur dann zu tragen, wenn die Beendigung von ihm verschuldet ist, sondern auch dann wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beidseitig unverschuldet ist.

Bei der Klauselgestaltung kann den Interessen des Arbeitgebers beispielsweise dadurch Rechnung getragen werden, dass die Rückzahlungspflicht positiv abgegrenzt wird, also vereinbart wird, dass die Rückzahlung der Fort- und Ausbildungskosten nur in abschließend aufgezählten Fällen geleistet werden muss, die allesamt eindeutig der Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen sind (vgl. Blumauer/Niemeyer, NZA 2022, 755, 758 mwN.).

4.

Die Klausel ist nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, das der Arbeitnehmer nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind, zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet ist. Dies wäre eine geltungserhaltende Reduktion, die im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich ist. Auch eine dahingehende ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. (vgl. BAG 18.03.2014 - 9 AZR 545/12 - Rn. 22 mwN.; 28.05.2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 19).

5.

Ob die Beklagte von der in zur Kündigung veranlasst wurde und ob sie zur Kündigung berechtigt war oder sich als berechtigt ansehen durfte, ist unerheblich. Die §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., vgl. nur BAG 11.12.2018 - 9 AZR 383/18 - Rn 28 mwN.; 28.05.2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 21 mwN.; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 39 mwN.).

6.

Es kann daher dahinstehen, ob die Rückzahlungsklausel auch deshalb unwirksam ist, weil sich die in nicht bereits in dem Ausbildungs- und Studienvertrag verpflichtet hat, die Beklagte nach der Ausbildung weiter zu beschäftigen, weil im Ausbildungs- und Studienvertrag die vorgesehene Beschäftigung nach dem Studienabschluss nicht genauer konkretisiert ist oder weil die vorgesehene Bindungsdauer von fünf Jahren ohne genaue Festlegung ihres Beginns unangemessen ist.

Dahinstehen kann ebenfalls, ob die Rückzahlungsvereinbarung bereits nach § 26 iVm. §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 17Abs. 1 Satz 1 BBiG unwirksam ist.

II. 

Nicht mehr streitentscheidend ist, ob durch die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch die erstinstanzliche Klägerin zu 1 die tarifliche Verfallfrist des § 19 TVAöD, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Auszubildenden oder vom Ausbildenden schriftlich geltend gemacht werden, gewahrt wurde.

C. 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 1, 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Vereinbarkeit der Rückzahlungsklausel in § 9 Abs. 2 lit. b) des Ausbildungs- und Studienvertrages mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuzulassen. Die im vorliegenden Fall vereinbarte Rückzahlungsklausel beruht auf der Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge vom 01.01.2018 und findet sich gleichlautend bundesweit in einer Vielzahl von Ausbildungs- und Studienverträgen aller Bundesbehörden.




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