Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Beschluss vom - Az: 10 TaBV 102/15

"... vor 70 Jahren hinter uns gebracht ..." - Ist das ein "Nazi"-Vergleich?

(1.) Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder anderer Betriebsangehöriger, insbesondere von Vorgesetzten sind geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen, soweit damit nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung verbunden ist.

(2.) Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und an betrieblichen Verhältnissen üben, wobei sie sich auch überspitzt oder polemisch äußern können. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen.

(3.) Im Falle von Mitgliedern des Betriebsrats ist zudem deren besondere Stellung zu berücksichtigen und dementsprechend an die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung ein strengerer Maßstab anzulegen als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört.

(4.) Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem bildet in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung.

Im vorliegenden Fall versendete das beteiligte Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Ratsfunktion eine E-Mail, welche die Formulierung enthielt: "Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem, was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann".
Unter anderem wegen dieser Aussage sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus, welcher der Betriebsrat die Zustimmung verweigerte. Im vorliegenden Verfahren verlangt der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung.
Das Landesarbeitsgericht sieht in der Äußerung des BR-Mitglieds jedoch eine zulässige Meinungsäußerung. Insbesondere habe der Arbeitnehmer keinen Vergleich mit dem NS-Regime angestellt. Vielmehr rufe er die historische Tatsache in Erinnerung, dass mit unendlich großem Aufwand und Leid etwas überwunden werden musste, was in seinen Anfängen von den seinerzeit handelnden Personen dramatisch unterschätzt wurde. Damit ziehe er allenfalls eine Parallele zu den Verhältnissen der Weimarer Republik. Zudem liege der erkennbare Beweggrund der Äußerung, wie die Formulierung "aus dem Ruder laufen kann" zeige, im warnenden Apell, dass die Entwicklung von Beginn an beobachtet werden muss. Hingegen habe es der Arbeitnehmer nicht auf eine Formalbeleidigung abgesehen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 29.07.2015 - 3 BV 15/15 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt ein Senioren- und Pflegezentrum mit Sitz in N. mit 125 Mitarbeitern. Sie gehört der N.-Gruppe an, die deutschlandweit 21 Senioren- und Pflegeeinrichtungen und zwei Rehabilitationskliniken betreibt. Der Antragsgegner (im Folgenden: Betriebsrat) ist der im Unternehmen gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3. ist bei der Arbeitgeberin seit dem 01.10.1994 als Altenpfleger im Nachtdienst tätig. Er gehört dem Betriebsrat seit 20 Jahren an und ist zudem seit geraumer Zeit Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der N. Kliniken AG.

Am 21.04.2015 versandte der Beteiligte zu 3. ein E-Mail an den Einrichtungsleiter Herrn I., die er zudem dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der N. Kliniken AG sowie dem von der Gewerkschaft entsandten Aufsichtsratsmitglied zukommen ließ. Wegen des vollständigen Inhalts dieser E-Mail wird auf die mit der Antragsschrift zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird.

Nachdem der Geschäftsführer der Arbeitgeberin von der E-Mail am 21.04.2015 Kenntnis erhalten hatte, beantragte die Arbeitgeberin am 30.04.2015 beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. Der Antrag ging dem Betriebsrat am 30.04.2015 zu. Da dieser bis einschließlich Montag, 04.05.2015 keine Zustimmung erteilte, hat die Arbeitgeberin mit der beim Arbeitsgericht am 05.05.2015 eingegangenen Antragsschrift die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3. beantragt.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Zustimmung des Betriebsrats sei nach § 103 BetrVG zu ersetzen. Für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung sei ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB gegeben. Die E-Mail des Beteiligten zu 3. vom 21.04.2015 enthalte grobe Ehrverletzungen. Insbesondere der Vergleich mit dem nationalsozialistischen Terrorregime sei nicht hinnehmbar. Die Führungskräfte der N. Senioren- und Pflegezentrums GmbH, C. GmbH und der N. Kliniken AG würden haltlos diffamiert. Die von dem Beteiligten zu 3. wider besseres Wissen behaupteten Missstände gebe es nicht. Zudem enthalte die E-Mail unwahre Tatsachenbehauptungen. Eine personenbezogene Auswertung von Aufzeichnungen der Rufanlage finde nicht statt und sei auch künftig nicht beabsichtigt. Die Rufanlage zeichne lediglich auf einem Server auf, welcher Bewohner wann nach einer Pflegekraft geklingelt und wann die Pflegekraft das Klingelzeichen abgeschaltet habe. Es gebe überdies keine permanente tägliche Unterbesetzung im Tages- und Nachtdienst. Außerdem treffe es nicht zu, dass das Stammpersonal trotz des Ausscheidens von Mitarbeitern in den letzten Monaten nicht aufgestockt worden sei. Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis bereits in der Vergangenheit belastet gewesen sei. Der Beteiligte zu 3. erhebe nicht zum ersten Mal beleidigende Vorwürfe. Insgesamt zeige die Korrespondenz des Beteiligten zu 3., dass er jeglichen Respekt gegenüber seinen Vorgesetzten vermissen lasse und diese wiederholt ehrverletzend angreife. Eine vertrauliche Zusammenarbeit mit ihm sei nicht mehr möglich.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. gem. § 103 BetrVG zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat keinen Antrag gestellt.

Der Beteiligte zu 3. hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei unberechtigt. Mit seiner E-Mail habe er ausschließlich Kritik an den von ihm empfundenen Missständen bzw. Befürchtungen hinsichtlich zukünftiger Missstände bezweckt. Keiner seiner Sätze beinhalte persönliche Herabsetzungen oder Beleidigungen. Sämtliche Äußerungen seien vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt.

Mit Beschluss vom 29.07.2015 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen und dies damit begründet, dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3. nicht gegeben sei. Dessen Äußerungen in der E-Mail vom 22.04.2015 enthielten keine Beleidigungen oder Schmähungen, die die Grenzen der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) überschritten. Zunächst enthalte die E-Mail weder eine Gleichsetzung noch einen Vergleich der betrieblichen Zustände hinsichtlich der Überwachungskontrolle beim Klingelruf der Bewohner mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem. Der Beteiligte zu 3. weise mit seiner Anspielung auf das Naziregime lediglich auf die Gefahren von Überwachungseinrichtungen und mögliche zukünftige Entwicklungen bei deren Nichtbeachtung hin. Eine Gleichsetzung finde nicht statt. Der Formulierung, "Auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem, was irgendwann aus dem Ruder laufen kann" sei zu entnehmen, dass er derartige Zustände derzeit noch nicht für gegeben halte, sondern es sich lediglich um Befürchtungen seinerseits handele. Von der Meinungsfreiheit gedeckt sei auch die Anspielung auf die Zustände in den N.-Kliniken. Insoweit handele es sich ausschließlich um ein Werturteil. Konkrete Tatsachenbehauptungen seien damit nicht verbunden. Es finde sich weder eine polemische noch eine verletzende Formulierung. Die Ankündigung, an die Öffentlichkeit zu gehen, sofern die Antragstellerin an ihrer "Überwachung gegenüber uns Mitarbeitern" festhalte, sei für sich genommen noch nicht unzulässig. Es handele sich vielmehr um eine Vorgehensweise, die eine angemessene Abstufung vorsehe. Zunächst sei die E-Mail nur an zum Unternehmen gehörende Personen und nicht an die Öffentlichkeit gerichtet. Es liege auch weder eine Nötigung noch eine unzulässige Drohung vor, weil der Beteiligte zu 3. zum Ende des Schreibens ausdrücklich mitteile, für Gespräche zur Verfügung zu stehen und eine Rückmeldung der Arbeitgeberin erwarte, um zunächst betriebsintern die von ihm erhobenen Beanstandungen zu besprechen. Wenn der Beteiligte zu 3. meine, vermeintliche Missstände anzeigen und auf Unterbesetzung oder Überlastung von Mitarbeitern hinweisen zu müssen, sei dies, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er sich als Betriebsratsmitglied für die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter verantwortlich fühle, Ausdruck seiner Meinungsfreiheit.

Mit ihrer form- und fristgemäß eingelegten Beschwerde, wegen der teils wiederholenden, teils vertiefenden Details zunächst auf die Beschwerdebegründung verwiesen wird, wendet sich die Arbeitgeberin gegen diese Entscheidung des Arbeitsgerichts. Entgegen der fehlerhaften Interpretation des Arbeitsgerichts enthalte die E-Mail grobe Ehrverletzungen und Beleidigungen des Einrichtungsleiters sowie weiterer Führungskräfte der Arbeitgeberin bzw. der N.-Gruppe. Der Beteiligte zu 3. vergleiche von ihm gerügte vermeintliche Missstände mit dem totalitären Regime vor 70 Jahren, also dem Naziregime. Damit setze er die aus seiner Sicht verantwortlichen Führungskräfte der Antragstellerin mit Hitler und dessen Machtapparat gleich. Zudem stelle er unwahre Tatsachenbehauptungen auf, verbunden mit den ehrverletzenden und beleidigenden Vorwürfen, die verantwortlichen Führungskräfte würden gezielt Unruhe schüren, Mitarbeiter überwachen, mitarbeiterfeindlich handeln und das Ziel verfolgen, die Arbeitnehmer zur Eigenkündigung zu nötigen bzw. Arbeitgeberkündigungen vorzubereiten.

Zu den Anspielungen bezüglich den N.-Kliniken gelange das Arbeitsgericht zu der rechtsfehlerhaften Wertung, es habe sich ausschließlich um ein Werturteil gehandelt und eine konkrete Tatsachenbehauptung sei hiermit nicht verbunden gewesen. Diese Äußerungen bezögen sich auf negative Presseberichte über die N. Kliniken insbesondere im Jahr 2013, die z.B. von "eigenartigen Geschäfte der N.-Kliniken'' bzw. über die hohe Fluktuation der Vorstände und Mitarbeiter in deren Hauptverwaltung berichteten und den Vorwurf der Kungelei erhoben hätten. Sowohl der Leiter der Einrichtung als auch der Geschäftsführer der Arbeitgeberin und zugleich Vorstandsmitglied der N. Kliniken AG als auch der für die Arbeitgeberin verantwortliche Regionaldirektor der N. Kliniken AGs seien alle ca. ein Jahr vor der E-Mail des Beteiligten zu 3. aus der N.-Kliniken-Gruppe, in der sie Führungsaufgaben wahrgenommen hätten, zu der N.-Gruppe gewechselt. Insofern sei eindeutig, dass der Kläger, der diese Führungsstrukturen aufgrund seiner Funktion als Betriebsratsmitglied und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der N. Kliniken AG gekannt habe, diese Personen mit seiner E-Mail vom 21.04.2015 habe verletzen und beleidigen wollen, indem er ihnen "unsaubere Maßnahmen" und die Verfolgung von Zielen unterstelle, "die sich jeder selber ausmalen kann".

Auch hinsichtlich der Drohung des Beteiligten zu 3., an die Öffentlichkeit zu gehen, komme das Arbeitsgericht zu einer falschen Bewertung. Der Beteiligte zu 3. sei unter keinem Gesichtspunkt berechtigt gewesen, die von ihm behaupteten und angeblich bestehenden betrieblichen Missstände öffentlich zu machen.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2016 hat die Arbeitgeberin ihren Antrag zusätzlich auf den Inhalt einer weiteren E-Mail des Beteiligten zu 3. vom 07.02.2016 gestützt. Mit dieser E-Mail, wegen deren Inhalt auf die mit dem Schriftsatz zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird, habe der Beteiligte zu 3. erneut ehrverletzende Äußerungen getätigt. Mit der Aussage "…Es hat den Anschein, dass der Mitarbeiter mit Vorteilen rechnen kann, der im gleichen Chor mit der Einrichtungsleitung singt…" werde der Einrichtungsleitung Willkür und mangelhafte Personalführung unterstellt. Mit der Formulierung, "Wie meinte ein Kollege so treffend, den ich sehr schätze: Es ist beschämend, wie wenig Sensibilität von Führenden ausgeht, aber was soll man sagen. Schon die Vergangenheit hat ja gezeigt, dass ein Ozean Verstand nichts nützt, wenn kein Tropfen Verständnis darin steckt…" werde der Geschäftsleitung Insensibilität vorgeworfen und jegliche Führungsfähigkeit abgesprochen. Um seiner Forderung nach Zahlung von Zuschlägen, eine höhere Eingruppierung und die Vergütung nach dem TVöD einen rechtlich unzulässigen Nachdruck zu verleihen, habe der Beteiligte zu 3. angekündigt, andere Mitarbeiter der Arbeitgeberin in N. und der Schwestergesellschaft in F. anstiften zu wollen, Zahlungsansprüche geltend zu machen. Dabei geht es ihm vorrangig darum, seine eigenen Interessen durchzusetzen, indem er der Arbeitgeberin und der Schwestereinrichtung in F. ein empfindliches Übel, nämlich erhebliche wirtschaftliche Schäden durch eine Vielzahl von Verfahren vor dem Arbeitsgericht androhe. Ziel der Drohung sei zunächst die eigene Bereicherung, nämlich die Zusage einer bislang nicht gewährten höheren Eingruppierung bzw. die Vergütung nach dem TVöD zu erlangen. Zugleich verfolge der Beteiligte zu 3. das Ziel, andere Kollegen zu bereichern, und zwar durch abgenötigte Zusagen höherer Löhne und von Weihnachtsgeldzahlungen. Seine Ankündigung stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB dar. Zwar sei es einem Arbeitnehmer erlaubt, dem Arbeitgeber selbst bei zweifelhafter Rechtslage eine Klage zur Durchsetzung eigener Ansprüche anzukündigen. Dieses Vorgehen dürfe aber nicht zu einer über die Erhebung der eigenen behaupteten Ansprüche hinausgehenden Belastung für den Klagegegner führen. Die Weitergabe von Informationen an andere Personen oder Stellen sei widerrechtlich; das Aufhetzen von Kollegen und Arbeitnehmern einer Schwestergesellschaft unter keinem Gesichtspunkt rechtlich zulässig. Zugleich stelle das geschilderte Verhalten eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung dar, die regelmäßig eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 29.07.2015 - 3 BV 15/15 - abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. gemäß § 103 BetrVG zu ersetzen.

Der Betriebsrat stellt keinen Antrag.

Der Beteiligte zu 3. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Beschwerdebeantwortung vom 21.12.2015, auf die wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens verwiesen wird, verteidigt der Beteiligte zu 3. die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nachgeschobenen Vorwürfe in Zusammenhang mit der E-Mail vom 07.02.2016 hält er für weit überzogen und im Übrigen mit Blick auf § 626 Abs. 2 BGB verfristet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Anhörungstermine aus beiden Instanzen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, denn sie ist an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 520 ZPO).

In der Sache ist sie jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat den Fall richtig entschieden. Die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. ist nicht zu ersetzen. Denn eine von der Arbeitgeberin auf der Grundlage der ermittelten Sachlage beabsichtigte außerordentliche Kündigung wäre unter Berücksichtigung aller Umstände des gegebenen Falles nicht gerechtfertigt i.S.d. §§ 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, 626 BGB.

Das Arbeitsgericht ist in zutreffender Darstellung und Anwendung der zu-grunde liegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zum zweistufigen Prüfungsaufbau einer außerordentlichen Kündigung und der hieraus für die Entscheidung des Rechtsstreits abzuleitenden Rechtsgrundsätze, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Entscheidung kein Sachverhalt zugrunde gelegt werden kann, der "an sich" (1. Prüfungsstufe) geeignet wäre, eine außerordentliche Kündigung als wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen.

Das gilt gleichermaßen bei isolierter Betrachtung des der Entscheidung des Arbeitsgerichts zugrundeliegenden Sachverhalts betreffend die E-Mail des Beteiligten zu 3. vom 21.04.2015 als auch unter Einbeziehung des im Beschwerdeverfahren nachgeschobenen Sachverhalts bezüglich der E-Mail vom 07.02.2016. Aus letztgenanntem Grunde bedarf es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der in der Literatur unterschiedlich beantworteten Frage, ob die Arbeitgeberin gehalten war, diesen Sachverhaltskomplex binnen der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB in das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuführen oder insoweit die rechtzeitige Beantragung beim Betriebsrat genügt (vgl. HWK/Ricken, § 103 BetrVG Rn. 19 m.w.N. zu den unterschiedlichen Literaturmeinungen).

1. Weder die E-Mail vom 21.04.2015 noch die E-Mail vom 07.02.2016 enthält eine grobe Beleidigung oder eine wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptung, die die Arbeitgeberin zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen könnte.

a) Wie das Arbeitsgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat, sind grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder anderer Betriebsangehöriger, insbesondere von Vorgesetzten durchaus geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 2 BGB darzustellen, soweit damit nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung verbunden ist. Entsprechendes gilt auch für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa dann, wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (vgl. z.B. BAG Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - Rn 17, juris; LAG Hamm, Urteil vom 04.12.2013 - 5 Sa 867/13 -, Rn. 29, juris, jeweils m.w.N.). Entscheidend ist dabei weniger die strafrechtliche Würdigung als der mit der Pflichtverletzung hinsichtlich Einhaltung des Gebotes der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) einhergehende Vertrauensbruch und die Beantwortung der Frage nach der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (LAG Saarland, Urteil vom 16.07.2014 - 2 Sa 162/13 -, Rn. 102, juris, unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 - Rn 17,juris). Schon die erstmalige Ehrverletzung kann kündigungsrelevant sein und wiegt vor allem dann umso schwerer, je überlegter sie von Arbeitnehmerseite aus erfolgt ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 534/08-, Rn 17, juris; BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 -, Rn 23, juris).

Allerdings gilt es zu beachten, dass auch und gerade bei kritischen Äußerungen von Arbeitnehmern gegenüber ihren Vorgesetzten oder über das Unternehmen bzw. andere Personen und Einrichtungen des Betriebes oder Unternehmens die jedem durch Art. 5 Abs.1 GG garantierte Meinungsfreiheit eine große Rolle spielt, wozu natürlich auch das Recht zählt, diese Meinung äußern zu dürfen (LAG Saarland, Urteil vom 16.07.2014 - 2 Sa 162/13 -, Rn. 103, juris, m.w.N.). Dieses Grundrecht schützt aber weder Formalbeleidigungen und Schmähungen, noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Die Meinungsfreiheit wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre anderer Personen gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Dies schließt zwar nicht aus, dass Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und an betrieblichen Verhältnissen üben dürfen, wobei sie sich auch überspitzt oder polemisch äußern können. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (BAG, Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 -, Rn 17; BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 -, Rn 23, juris; LAG Saarland, Urteil vom 16.07.2014 - 2 Sa 162/13 -, Rn. 103, juris). Dem zutreffenden Hinweis des Arbeitsgerichts folgend ist im Falle von Mitgliedern des Betriebsrats zudem deren besondere Stellung zu berücksichtigen und dementsprechend an die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung ein strengerer Maßstab anzulegen als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört ((LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.10.2014 - 3 TaBV 2/14 -, Rn. 58, juris; BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 989/11 -, juris).

b) Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend lässt sich eine die Grenze zur außerordentlichen Kündigung überschreitende Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3. hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB nicht feststellen.

aa) Das gilt zunächst für die in der E-Mail vom 21.04.2015 in Zusammenhang mit der Aufzeichnung von Klingelrufen der Bewohner getätigte Äußerung.

Dem Bundesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung bildet. Die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitgebers oder der für ihn handelnden Menschen mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stellt eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar (BAG, Urteil vom 24.11.2005 - 2 AZR 584/04 -, juris; BAG, Urteil vom 09.98.1990 - 2 AZR 623/89-, juris).

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist eine solche Gleichsetzung in der E-Mail des Beteiligten zu 3. vom 21.04.2015 jedoch nicht enthalten.

Richtig ist, dass der Beteiligte zu 3. auf die Überwindung des nationalsozialistischen Terrorregimes in Deutschland anspielt. Das bedeutet aber nicht, dass er die Arbeitgeberin oder für diese handelnde Personen mit den Tätern dieses Regimes gleichsetzt. Die Formulierung, "die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem, was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann", ruft vielmehr die historische Tatsache in Erinnerung, dass mit unendlich großem Aufwand und Leid etwas überwunden werden musste, was in seinen Anfängen von den seinerzeit handelnden Personen dramatisch unterschätzt wurde. Damit zieht der Beteiligte zu 3. allenfalls eine Parallele zu den Verhältnissen der Weimarer Republik. Das mag mit Blick auf den Größenunterschied zwischen den fatalen Auswirkungen der damaligen Fehleinschätzung und den möglichen Folgen der gerügten betrieblichen Missstände maßlos überzogen erscheinen. Eine die Position oder die Ehre der Vorgesetzten grob herabsetzende Formalbeleidigung oder Schmähung liegt darin gleichwohl nicht. Erkennbarer Beweggrund der Äußerung ist vielmehr, wie die Formulierung "aus dem Ruder laufen kann" deutlich zeigt, der warnende Apell, dass die Entwicklung von Beginn an beobachtet werden muss. Eine solche Äußerung ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung getragen.

bb) Die übrige Kritik des Beteiligten zu 3. beinhaltet zulässige Werturteile, die sich im Rahmen der ihm als Arbeitnehmer und noch dazu in seiner Funktion als Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied zuzustehenden Freiheit bewegen, seine Meinung über betriebliche Zustände kundtun zu dürfen.

 (1) Werturteile sind über Art. 5 Abs. 1 GG in weiterem Umfang geschützt als (unrichtige) Tatsachenbehauptungen. Sie sind nicht schon dann unzulässig, wenn es sich um überzogene, ungerechte oder ausfällige Kritik handelt, sondern erst dann, wenn sie den Charakter einer Schmähung annehmen. Das ist der Fall, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und zugespitzter Kritik diffamiert und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (LAG Düsseldorf, Urteil vom 17. August 2012 - 8 SaGa 14/12 -, Rn. 59, juris, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07, juris; BGH, Urteil vom 22.09.2009 - VI ZR 19/08, juris; BGH, Urteil vom 03.02.2009 - VI ZR 36/07 - juris).

 (2) Hieran gemessen erweist sich die von der Arbeitgeberin beanstandete Anspielung auf die Verhältnisse bei den sog. "N.-Kliniken" ebenso als eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung, wie der Vorwurf, durch seine mitarbeiterfeindliche Maßnahme trage der Einrichtungsleiter Herr I. nicht zu einer Entlastung der überforderten Kolleginnen und Kollegen bei, sondern erhöhe den Druck, der "letztlich Ihrem Ziel der Kündigung" entgegenkomme.

 (a) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass es sich bei der Äußerung, "Wir sollten dem nicht nachstreben, wie einst die N.-Kliniken mit ihren Mitarbeitern umgegangen ist, jedoch lässt mich der Gedanke nicht los, dass durch den Wechsel von Führungskräften der N.-Kliniken hin zu Führungskräften der N.-Kliniken, hier alte Systeme von N. bei N. schleichend verfolgt werden" ausschließlich um ein Werturteil handelt, dem jedoch keine verletzende Diffamierung oder Schmähung solcher Führungskräfte zukommt, die zuvor bei den N.-Kliniken tätig waren. Mit der Aussage wird in erster Linie eine Sorge zum Ausdruck gebracht und weniger eine in die Formulierung ggf. hineinzulesende Unterstellung, dass die zur Arbeitgeberin gewechselten Führungskräfte bei den N.-Kliniken für dort durch Presseberichte thematisierte Zustände verantwortlich gewesen wären. In den selben Kontext gehört auch die gegen Ende der E-Mail zu findende Äußerung, dass "sich der Verdacht hegt, dass ehemalige Führungskräfte der N.-Kliniken, jetzt bei N., durch unsaubere Maßnahmen andere Ziele verfolgen, die sich jeder selber ausmalen kann". Auch diese Aussage ist erkennbar von der Sorge um eine nachteilige Veränderung der betrieblichen Verhältnisse getragen, deren Kundgabe als solche unzweifelhaft der Meinungsäußerungsfreiheit unterfällt. Dasselbe gilt für den in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf, durch seine mitarbeiterfeindliche Maßnahme trage der Empfänger der E-Mail nicht zu einer Entlastung "unserer überforderten Kolleginnen und Kollegen" bei und erhöhe den Druck, der zu weiteren vermehrten Arbeitsunfähigkeiten führe und letztlich "Ihrem Ziel der Kündigung" entgegenkomme.

 (b) Soweit diese Äußerungen (auch) Behauptungen über äußere oder innere Tatsachen beinhalten, vermag das am Ergebnis nichts zu ändern. Denn in seiner Gesamtheit verliert das Vorbringen des Beteiligten zu 3. dadurch nicht seinen vorrangig wertenden und damit den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit auslösenden Charakter.

Um der Meinungsfreiheit gerecht zu werden, dürfen Gerichte einer Äußerung keine Bedeutung beilegen, die sie objektiv nicht hat. Bei Mehrdeutigkeit dürfen Äußerungen wegen eines möglichen Inhalts nicht zu nachteiligen Folgen führen, ohne dass eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden ist. Eine Trennung von tatsächlichen und wertenden Bestandteilen einer Äußerung ist nur zulässig, wenn dadurch deren Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies der Fall wäre, muss die Erklärung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 -, juris, Rn. 45 f. m.w.N. zur Rspr. des BVerfG).

So liegen die Dinge auch hier.

Die einkleidenden Formulierungen "lässt mich der Gedanke nicht los" und "sich der Verdacht hegt" aber auch der übrige textliche Zusammenhang bringen den Charakter einer subjektiv geprägten Wertung klar zum Ausdruck. Ihrem gesamten Kontext nach ist die E-Mail des Beteiligten zu 3. davon geprägt, aus der Perspektive des betroffenen Arbeitnehmers und mehr noch aus der Sicht eines Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglieds, Sorgen über betriebliche Zustände und Entwicklungen zum Ausdruck zu bringen. Mit diesem erkennbaren Beweggrund und den zugrundeliegenden Wertungen und Einschätzungen sind die tatsächlichen Bestandteile des Vorbringens so eng verwoben, dass sie von diesen nicht getrennt werden können, ohne die wahre Bedeutung der Äußerungen zu verfälschen. Das hat zur Folge, dass diese - unabhängig von ihrer sachlichen Berechtigung - insgesamt dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallen.

 (3) Dem Arbeitsgericht ist schließlich darin zuzustimmen, dass es sich bei der in der E-Mail angesprochenen Unterbesetzung im Tages- und Nachtdienst und den (vermehrten) Einsatz von Leiharbeitnehmern um eine Mischung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen handelt, bei deren Kundgabe nach dem Gesamtkontext der E-Mail nicht eine jenseits polemischer und zugespitzter Kritik angesiedelte Herabsetzung von Personen im Vordergrund steht, sondern ein zweifellos offener, gleichwohl aber sachbezogener Aufriss von Zuständen, die der Verfasser aus den von ihm im einzelnen erläuterten Gründen heftig kritisiert.

(4) Unter Einbeziehung der von der Arbeitgeberin zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung nachgeschobenen weiteren E-Mail des Beteiligten zu 3. vom 07.02.2016 ergibt sich kein anderes Bild.

Auch diese E-Mail enthält keine groben Beleidigungen oder eine nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigende Kundgabe unzulässiger Werturteile oder falscher Tatsachenbehauptungen.

Soweit der Beteiligte zu 3. in den einleitenden Absätzen dieser E-Mail rügt, dass "im C. das Nasenprinzip vorherrsche" oder es "den Anschein" habe, dass "der Mitarbeiter mit Vorteilen rechnen kann, der im gleichen Chor mit der Einrichtung singt", handelt es sich erkennbar um die Kundgabe von eigenen Einschätzungen und damit um Werturteile, mit denen der Beteiligte zu 3. meint, einer Grußbotschaft des Geschäftsführers der Arbeitgeberin zu Jahresbeginn und der darin offenbar enthaltenen bzw. zumindest vom ihm so verstandenen Auslobung von Prämien für die Vermittlung von potentiellen Mitarbeitern entgegen treten zu müssen. Damit unterfallen auch diese zwar zugespitzten aber nicht überzogenen Äußerungen - unabhängig von ihrer sachlichen Berechtigung - dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.

Dasselbe gilt für die die E-Mail abschließende Wiedergabe des Zitates eines Kollegen, der gesagt haben soll, "es ist beschämend wie wenig Sensibilität von Führenden ausgeht, aber was soll man sagen, schon die Vergangenheit hat ja gezeigt, dass ein Ozean Verstand nichts nützt, wenn kein Tropfen Verständnis darin steckt". Diese Äußerung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den beiden vorhergehenden Absätzen. In diesen appelliert der Beteiligte zu 3. zunächst an den Geschäftsführer, "ein Umdenken bezüglich des Miteinander anzustreben" und eine "korrekte ehrliche Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu überdenken", um daran anschließend zu bemängeln, dass mit der Betriebsratsvorsitzenden "bis heute nicht über den Vorfall gesprochen wurde" und "dieses wohl nicht für Notwendig" erachtet werde. In diesem Kontext kann das Zitat nicht auf eine isolierte Herabsetzung von "Führenden" und damit als eine jenseits polemischer und zugespitzter Kritik angesiedelte unzulässige Beleidigung reduziert werden. Es kann vielmehr ebenso gut als Wiederholung und Verstärkung des vorangegangenen Appells um Sensibilität und Verständnis im Umgang miteinander und damit als eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung gedeutet werden.

2. Der Beteiligte zu 3. hat auch kein Verhalten an den Tag gelegt, dass die Arbeitgeberin - ungeachtet der korrekten strafrechtlichen Bewertung - aus dem Gesichtspunkt einer Drohung, Nötigung oder Erpressung zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen könnte.

a) Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen. Eine auf ein solches Verhalten gestützte Kündigung setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden (BAG, Urteil vom 08.05.2014 - 2 AZR 249/13 -, Rn. 21, juris; BAG, Urteil vom 21.06.2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 20, juris).

b) In diesem Sinne hat der Beteiligte zu 3. seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme weder durch die in der E-Mail vom 21.04.2015 noch durch die E-Mail vom 07.02.2016 enthaltenen Erklärungen verletzt.

aa) Die in der E-Mail vom 21.04.2015 enthaltene Ankündigung, an die Öffentlichkeit zu gehen, sofern die Arbeitgeberin an der - jedenfalls vom Beteiligten zu 3. so empfundenen - Überwachung von Mitarbeitern festhalten sollte, stellt keine widerrechtliche Drohung dar.

Diese Ankündigung mag die Arbeitgeberin als ein empfindliches Übel empfunden haben. Sie war aber nicht widerrechtlich. Im Gegenteil: Für den Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen ("Whistleblowing") hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ausdrücklich darauf erkannt, dass sogar Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen (EGMR, Urteil vom 21. Juli 2011 - 28274/08 - juris). Da sich der EGMR allerdings gleichzeitig bewusst war, dass Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber gegenüber eine Pflicht zur Loyalität, Zurückhaltung und Diskretion haben, hat er in der zitierten Entscheidung betont, dass Hinweise in erster Linie gegenüber Vorgesetzten oder anderen zuständigen Stellen oder Einrichtungen vorgebracht werden sollten und als ultima ratio die Öffentlichkeit nur dann informiert werden dürfe, wenn die [unternehmensinterne] Anzeige von Missständen unpraktikabel sei. An eben diesen, vom EGMR vorgezeichneten Weg hat sich der Beteiligte zu 3. gehalten, indem er mit seiner E-Mail zunächst auf einem unternehmensinternen Kommunikationsweg auf die von ihm als solche wahrgenommenen Missstände aufmerksam gemacht und nur für den Fall, dass dies erfolglos bleiben sollte, den Weg in die Öffentlichkeit angekündigt hat. Damit hat er angemessen auf die Interessen der Arbeitgeberin Rücksicht genommen, zumal er - wie das Arbeitsgericht zu Recht betont - am Ende seiner E-Mail Gesprächsbereitschaft signalisiert hat.

bb) Die im Beschwerdeverfahren zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung nachgeschobene E-Mail vom 07.02.2016 beinhaltet ebenfalls keine widerrechtliche Drohung oder gar eine Nötigung oder Erpressung.

 (1) Das Berufungsgericht vermag der Ansicht der Arbeitgeberin, der Beteiligte zu 3. habe sich mit der E-Mail und der darin enthaltenen Aufforderung, ihm selbst aber auch seinen Kolleginnen und Kollegen eine höhere Eingruppierung und Vergütung zukommen zu lassen, in rechtlich unzulässiger Weise verhalten, nicht zu folgen. Der Beteiligte zu 3. hat gegenüber dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin die Rechtsauffassung geäußert, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen nicht korrekt eingruppiert seien. Die Kundgabe dieser Auffassung ist per se ebenso legitim wie es dem Beteiligten zu 3. offensteht, seine - vermeintlichen - Ansprüche auf dem Rechtsweg zu verfolgen. Nichts anderes gilt für die Ankündigung des Beteiligten zu 3., dass er seine Kolleginnen und Kollegen dazu auffordern werde, für die zurückliegenden sechs Monate Gehaltszahlungen nachzufordern. Weder seine Eigenschaft als Arbeitnehmer noch sein Amt als Betriebsrats- oder Aufsichtsratsmitglied verbieten es dem Beteiligten zu 3. seine Auffassung über die nach seiner Meinung fehlerhafte Vergütung und daraus resultierende Nachzahlungsansprüche in Ausübung seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung der Kollegenschaft kund zu tun. Das gilt auch für die an die Kollegenschaft gerichtete Aufforderung, es ihm gleich zu tun und Nachzahlungsforderungen zu stellen. Denn darin liegt zunächst nichts anderes, als die Kundgabe der Auffassung, dass auch diese entsprechende Ansprüche haben.

 (2) Anders mögen die Dinge liegen, wenn der Beteiligte zu 3. leichtfertig unwahre Tatsachen behaupten würde, um seine Kollegenschaft zu dem von ihm angestrebten Verhalten zu bewegen, oder seine E-Mail erkennen ließe, dass die Ankündigung die Kollegenschaft zu informieren allein dem Zweck dienen soll, die Arbeitgeberin durch eine unlauter aufgebauschte Drohkulisse zur Erfüllung seiner Ansprüche zu bewegen.

Hier lässt sich aber weder das eine noch das andere feststellen.

 (a) Der Sachverhalt und der Sachvortrag der Arbeitgeberin lassen nicht erkennen, dass die Rechtsauffassung des Beteiligten zu 3. von vornherein substanzlos wäre. Es fällt im Gegenteil auf, dass der Schriftsatz der Arbeitgeberin - abgesehen von der Bezeichnung als "vermeintlich" offene Zuschläge, Nachzahlungsansprüche, Forderungen usw.- eine ausdrückliche und unzweideutige Zurückweisung der Forderung vermissen lässt.

 (b) Die E-Mail vermittelt auch weder nach ihrer Wortwahl noch nach ihrem wohlverstandenen Inhalt den Eindruck, der Beteiligte zu 3. könnte mit der Ankündigung die Kollegenschaft aufzufordern, ebenfalls Gehaltszahlungen nachzufordern, eine unlautere Zweck-Mittel-Relation verfolgen. Auch insoweit gilt das Gegenteil. Schon der die Thematik einleitende Satz "Dennoch habe ich für unsere Kolleginnen und Kollegen positives zu vermelden", lässt weniger eine egoistische als vielmehr eine altruistische Grundhaltung erkennen. Dieser Eindruck wird durch den im Folgenden zu findenden Satz "somit kam das ans Tageslicht, worauf ich und meine Mitarbeiter schon jahrelang Anspruch haben" weiter verstärkt. Insgesamt drängt sich danach der Eindruck auf, dass der Beteiligte zu 3. die anschließende Aufforderung, die Arbeitgeberin sollte "eine Gesamtzusage machen, um weitere Kosten zu sparen und das Gesicht zu wahren", tatsächlich als eine so gemeinte, d.h. als eine die kollektiven Interessen der Belegschaft und nicht sein eigenes Individualinteresse befördernde Aussage verstanden wissen will.

Das mag die - von Seiten der Arbeitgeberin während der Anhörung vor der Beschwerdekammer angesprochene - Frage provozieren, ob der Beteiligte zu 3. sich damit in Überdehnung seines Mandats als einzelnes Mitglied des Betriebsrats in einer Rolle begab, die allein dem Betriebsrat als Gremium zukommt. Diese Frage bedarf jedoch keiner Vertiefung. Wäre dem so, so müsste der Beteiligte zu 3. sich u.U. eine Verletzung seiner "kollektivrechtlichen" Pflichten als Mitglied des Betriebsrats vorwerfen lassen. Für die Sanktionierung solcher Amtspflichtverletzungen sieht das Betriebsverfassungsgesetz ggf. das Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG vor (vgl. BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 -, juris, Rn. 39). An dem Ergebnis, dass die Ankündigung des Beteiligten zu 3. seine Kollegenschaft aufzufordern, es ihm gleichzutun, auf individualrechtlicher Ebene keine unlautere Zweck-Mittel-Relation erkennen lässt, ändert das hingegen nichts. Allein eine solche wäre aber geeignet, den ggf. eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Vorwurf einer widerrechtlichen Drohung zu begründen.

III.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand angesichts der dafür nach §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG geltenden Voraussetzungen keine Veranlassung.



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