Arbeitsgericht Berlin

Urteil vom - Az: 28 Ca 1396/12

Verhaltensbedingte Kündigung - Lebensalter muss dem BR mitgeteilt werden; Anhörung des Arbeitnehmers

(1.) Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bezüglich der Kündigung eines Arbeitnehmers (§102 I BetrVG) erfordert zwingend, dass der Betriebsrat über das Lebensalter sowie die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers informiert wird (vgl. BAG 15.12.1994 - 2 AZR 327/94).
(2.) Wird eine Kündigung auf das Fehlverhalten eines Arbeitnehmers gestützt (hier: Fälschung eines Arbeitsberichts), wobei zur Feststellung des Fehlverhaltens Kunden (hier: bzgl. tatsächlich stattgefundene Gespräche zwischen Kunde u. Arbeitnehmer) befragt werden, so muss dem Arbeitnehmer hierauf -wie bei einer Verdachtskündigung- die Möglichkeit der Stellungnahme gegeben werden.
Eine trotz fehlender Anhörung des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 18. Januar 2012 noch durch die hilfsweise fristgemäße Kündigung im selben Schreiben aufgelöst worden ist.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 18. Januar 2012 bzw. über den 30. September 2012 hinaus fortbesteht.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits vertragsgemäß zu den bisherigen Bedingungen als Mitarbeiterin im Verkaufsaußendienst weiterzubeschäftigen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

V. Der Wert der Streitgegenstände wird auf 10.406,-- Euro festgesetzt.

Tatbestand

Es geht um auf Gründe im Verhalten gestützte vorzugsweise fristlose - Kündigung. - Vorgefallen ist dies:

I. Die (heute) 57-jährige Klägerin trat im Juli 1998 als „Verkäuferin im Autohaus“ in die Dienste der Beklagten, die unter dem Namenskürzel „N.“ mit regelmäßig mehr als zehn Vollzeitbeschäftigten ein Versicherungsunternehmen betreibt. Hier fand sich die Klägerin kraft (nicht datierter) Zusatzvereinbarung mit der „ASB A. B. GmbH“ und „ASB V. GmbH“ als Mitarbeiterin im Versicherungsaußendienst eingesetzt. - Der nach Erscheinungsbild und Diktion von der Beklagten gestellte Arbeitsvertrag trifft unter anderem folgende Bestimmungen:

 „Allgemeine Verpflichtungen

Frau C.F. [Name der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.] hat die Interessen der N. in allen Bereichen (Akquisition, Organisation, Werbung) unter Beachtung der jeweils von der N. erlassenen Anweisungen und Richtlinien sowie der gesetzlichen und sonstigen Vorschriften wahrzunehmen. ¡K

Aufgaben

Frau C.F. [wie oben] hat die Aufgabe, unter Berücksichtigung jährlich festzusetzender Ziele,

- für ein ausreichendes, qualitativ einwandfreies und kostendeckendes Neugeschäft in allen Sparten zu sorgen,

- neue Kundenverbindungen anzuwerben,

- die Bestände der ihr zugewiesenen hauptberuflichen Agenturen gemäß den getroffenen Auswertungsvereinbarungen auszuwerten,

- Maßnahmen zur Erhaltung der Bestände zu treffen,

- an allen Schulungsveranstaltungen, Tagungen und Arbeitsbesprechungen, soweit dazu aufgefordert wird, teilzunehmen.

Die gesonderte Stellenbeschreibung für den Verkäufer im Autohaus in der jeweils geltenden Fassung ist Vertragsbestandteil.“.

Weiterer Teil der Verpflichtungen der Klägerin war es, auf Geheiß der Beklagten über ihre Vertriebsaktivitäten in im Detail vorgeschriebener Weise Bericht zu erstatten. In diesen Zusammenhang gehört ihre Verpflichtung, im sogenannten „Technik Unterstützungs System [TUS]“ wöchentlich über ihre Kundentermine zu berichten und Hinweise auf deren Charakter und Thematik zu notieren. Zur Veranschaulichung wird auf einen Auszug aus den von der Beklagten aktenkundig gemachten „Wochenberichten“ aus der Zeit vom 1. April bis 16. Dezember 2011 (Kopie [Auszug]: Urteilsanlage I.) verwiesen.

II. Was die Rückschau auf ihre bisherige Vertragsgeschichte anbelangt, so gehen die Einschätzungen der Parteien streckenweise deutlich auseinander:

1. Während die Klägerin versichert, das Arbeitsverhältnis sei zumindest bis Ende März 2011 völlig reibungslos verlaufen, weil die Beklagte sie durch Ausstattung mit ausreichend Kundenpotenzial in die Lage versetzt habe, „ihre Ergebnisse“ immer zu deren vollster Zufriedenheit zu erbringen, bringt diese ein anderes Erinnerungsbild zur Sprache: Danach sei die Klägerin was diese nicht bestreitet - bereits mit Schreiben vom 22. Juni 2000 (Kopie: Urteilsanlage II.) und nochmals vom 22. März 2001 (Kopie: Urteilsanlage III.) wegen unzureichender Geschäftserfolge abgemahnt und sodann unter dem 8. Mai 2011 (Kopie: Urteilsanlage IV.) sogar gekündigt worden. Nachdem sie diese Kündigung dann „wegen deutlicher Verbesserung der Produktion“ nicht weiter verfolgt habe, sei der Klägerin am 22. April 2002 (Kopie: Urteilsanlage V.) eine neuerliche Abmahnung und schließlich am 4. September 2008 (Kopie: Urteilsanlage VI.) nochmals eine Ermahnung erteilt worden.

2. Fest steht immerhin, dass sich die Klägerin nach Auflösung ihres bis dahin angestammten und der Berlin-Direktion der Beklagten zugehörigen „Orga-Bereichs“ von Herrn Ch. K. zum Ende März 2011 ab Januar 2011 zunächst dem Orga-Bereich des Herrn A. R. zugeteilt sah, ehe sie ab 1. April 2011 ihre neue betriebliche Heimat unter der Regie des dortigen Bezirksdirektors (Herrn T. T.) in der Betriebsdirektion Brandenburg zugewiesen erhielt. - Wie es ihnen zuletzt miteinander erging, stellen die Parteien abermals divergierend dar:

a. Die Klägerin verweist insofern darauf, dass sie nunmehr „wieder ein neues Team, einen neuen Orga-Leiter und neue Kunden sowie neue Autohäuser zu betreuen“ gehabt, als sie am 21. April 2011 nach ihrem Jahresurlaub den Dienst unter Herrn T. und im Orga-Bereich von Herrn R. Ka. angetreten habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten ihr allerdings weder neue Kundendaten noch neue Agenturnummern zur Verfügung gestanden. Ebenso wenig habe sie Zugriff auf die neuen Kundendaten über die Anwendungsprogramme Basis und Extranet gehabt. Insofern habe die Beklagte es bis Ende Juli 2011 trotz wiederholter Anmahnungen nicht geschafft, ihr eine ordentliche Arbeitsgrundlage zur Verfügung zu stellen. Bis dahin sei sie darauf angewiesen gewesen, mit jenen ca. 35 Bestandskunden zu arbeiten, welche ihr beim Organisationswechsel hätten verbleiben dürfen. - Dies habe dann dazu geführt, dass sie „neun firmenbedingte Fehltage“ in ihr „TUS“ eingetragen habe, weil ihr aufgrund mangelnder Kundenzuweisung keine andere Wahl geblieben sei. Das wiederum habe die Beklagte bewogen, durch ihren Bezirksdirektor Herrn T. immer mehr Druck auf sie auszuüben: So habe sie am 27. Juli, 7. September und schließlich am 21. Dezember 2011 zu Gesprächen erscheinen müssen, an denen auch Herr Ka. teilgenommen habe. Allerdings sei(en) in den Gesprächen am 27. Juli und 7. September 2011 „lediglich auf die fehlenden Umsätze geschaut“ und ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten „gezählt“ worden. Mit Blick darauf habe Herr T. ihr für den Fall, dass die Erkrankungen mit ihrer Arbeit im Zusammenhang ständen, „anheim gestellt“, mit Herrn N. und dem Ziel, „zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen“, ein Gespräch zu führen. Allerdings sei sie in dieser Situation nicht gewillt gewesen, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Sie habe vielmehr Hilfe in ihrer misslichen Situation erwartet und dies auch dem Betriebsrat mitgeteilt.

b. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass der Klägerin erst am 11. Mai 2011 die Kundendaten zur Verfügung gestellt worden seien. Sie lässt jedoch bestreiten, dass die Klägerin erst ab 1. Juli 2011 die Möglichkeit gehabt habe, mit diesen Kunden zu arbeiten. Im Übrigen legt sie Wert auf die Feststellung, dass selbst die behauptete Übermittlung von zu wenig Kundendaten die Klägerin nicht dazu berechtigt habe, „im TUS in dieser Zeit nun firmenbedingte Fehltage einzutragen“.

III. Jedenfalls zog nun herauf, was den Hintergrund des Rechtsstreits bildet:

1. Nachdem die Klägerin in ihrem neuen Geschäftsbereich aus Sicht der Beklagten hinreichende Erfolge vermissen ließ, gab diese der Klägerin im Herbst 2011 zunächst in Person des Herrn Ka. einen Begleiter zu ihren Kundenterminen mit. Dies geschah nach den Worten der Beklagten, „um festzustellen, ob die Klägerin die ihr vorgegebenen Verkaufsgespräche“ beherrsche und auch bei Kunden einsetze. Dies ergab jedoch keine „Bestandungen“.

2. Dann geschah folgendes:

a. Da nach den Worten der Beklagten „die Produktion“ der Klägerin weiterhin hinter ihren Vorgaben zurückblieb, nahm sich Herr N. Ende 2011 ihre „Wochenberichte“ aus der Zeit vom 29. April bis 16. Dezember 2011 (s. oben, S. 2-3 [I.]) zur näheren Inspektion vor. Bei anschließend getätigten „Serviceanrufen“ ergab sich nach Angaben der Beklagten, dass „die Klägerin mehrere Kunden häufiger, bzw. regelmäßiger besucht“ habe, als es aus Sicht der Beklagten - „für die Ausübung der Tätigkeit notwendig gewesen“ wäre. Jedenfalls sei es „bei diesen Kunden“ nicht zu Vertragsabschlüssen gekommen, „die in einem nennenswerten Verhältnis zu dem Besuchsaufwand und der Art der angegebenen Beratung“ gestanden hätten. Daraufhin habe Herr N. „einige dieser Kunden, soweit sie telefonisch erreichbar“ gewesen seien, angerufen. Hierbei habe er „festgestellt“, dass die Klägerin „eine Vielzahl der im TUS eingetragenen Kundentermine gar nicht durchgeführt“ und „insbesondere ihre privaten Kosmetikstudio-Termine als Kundentermine im TUS eingetragen“ habe (s. noch unten, S. 5; S. 7 [1 a.]).

b. Dass die Beklagte nunmehr bemüht gewesen wäre, sich über Hintergrund und Objektivierbarkeit ihrer so umrissenen Eindrücke durch Rücksprache zunächst mit der Klägerin näheren Aufschluss zu verschaffen, ist nicht vortragen. Vorgetragen ist, dass Herr N., dem Herr Ka. die Früchte seiner Recherchen nach bestrittener - Darstellung der Beklagten (erst) am 5. Januar 2012 per E-Mail zugänglich gemacht hatte, die Klägerin für den 9. Januar 2012 um 14.00 Uhr bestellte, „um mit ihr die Möglichkeiten einer kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu besprechen“. Zu dieser Unterredung kam es dann nicht: Die Klägerin sagte den Termin krankheitsbedingt ab (s. hierzu auch noch unten, S. 8 [d.]).

c. Noch am selben Tage (9. Januar 2012, 16:26 Uhr) wandten sich die Sachwalter der Beklagten mit der Ankündigung an den Betriebsrat, das Arbeitsverhältnis der Klägerin vorzugsweise fristlos und hilfsweise fristgerecht kündigen zu wollen. Zur Begründung machten sie dem Gremium gegenüber (wohl) durch Herrn N. folgende Angaben (Kopie: Urteilsanlage VII.):

 „Begründung:

Frau F. [Name der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.] ist seit 01.07.1998 als Verkäuferin im Außendienst tätig. Bis 31.03.2011 war Frau F. dem Bereich VTL K. in der BD Berlin AH zugeordnet.

Ab 01.04.2011 erfolgte die Versetzung in den VTL Bereich Ka. der BD Brandenburg AH. Im Zuge des Wechsels wurde sichergestellt, dass Frau F. über ausreichend Adresspotential verfügt.

Per 11/2011 hat Frau F. ein Geschäftsergebnis von 213.620 GNLW bei einem Kostensatz von 101,21 0/00 erreicht.

Bei der Analyse der Verkaufsergebnisse in Verbindung mit dem Berichtswesen hat Herrn VTL Ka. festgestellt, dass es Differenzen zwischen der Führung des Berichtswesens und der Erfüllung des Verkaufsauftrages gibt.

Frau F. erreicht im Monat die vorgegebene Terminquote (57).

Auffällig ist allerdings ein geringer GNLW bei verhältnismäßig hoher Terminfrequenz. In der Erfolgsquote weicht Frau F. deutlich nach unten von vergleichbaren Mitarbeitern ab.

In diesem Zusammenhang hat Herr Ka. das Berichtswesen von Frau F. analysiert und festgestellt, dass Frau F. sehr häufig Termine mit gleichen Kunden hat.

In der Zeit vom 21.06.-30.11.2011 hat Frau F. sieben Termine mit der Kundin D. R., .... . Die Recherche von Herrn Ka. ergab, dass es sich bei Frau R. um die Kosmetikerin von Frau F. handelt. An den aufgeführten Terminen erhielt Frau F. ihre Basisbehandlungen sowie Anwendungen. Frau R. ist keine Kundin der BD Brandenburg AH. Frau F. hat diese Termine als Verkaufstermin mit Verkaufsgesprächen in ihrem Berichtswesen vermerkt. Auf konkrete Nachfrage von Herrn Ka. hat Frau F. diesen Sachverhalt nicht widerlegt.

Weitere Recherchen ergaben:

Mit dem Kunden H. W., ...., sind vier Termine (14.09., 22.09., 26.09. und 28.09.2011) vermerkt. Bei einem Serviceanruf bestätigte der Kunde, dass lediglich ein Termin am 28.09.2011 stattgefunden hat.

Beim Kunden J. B., ...., hat Herr Ka. festgestellt, dass in der Zeit vom 24.04.-14.12.2011 13 Termine mit verschiedenen Familienmitgliedern der Familie B. gespeichert sind. Bei einem Servicetelefonat wurde lediglich ein Termin am 27.06.2011 bestätigt (Telefonat vom 04.01.2011).

Bei der Kundin M. Ke., ...., hat Herr Ka. 7 Verkaufstermine im Zeitraum 06.09.-01.12.2011 festgestellt. Durch Frau Ke. wurde ein persönlicher Termin am 23.11.2011 bestätigt. Es gab lediglich telefonische Kontakte mit der Kundin.

Kunde C. L., .....: Im Verkaufsbericht von Frau F. sind am 20.10. und 21.10.2011 zwei Verkaufstermine mit jeweils einem Erfolg Kfz und Unfall vermerkt. Beide Abschlüsse wurden in einem Antrag am 20.10.2011 aufgenommen. Der Termin am 21.10.2011 fand offensichtlich nicht statt.

Frau F. hat ihr Berichtswesen gefälscht. Wir werten diese Fälle als Betrug.

Das Verhalten von Frau F. führt dazu, dass ein normale Führungstätigkeit mit entsprechendem Controlling durch Herrn VTL Ka. nicht mehr möglich ist. Zukünftig müssen alle Termine geprüft werden. Dies ist nicht zumutbar. Frau F. hat das Vertrauensverhältnis zu ihrer Führungskraft schwer belastet. Eine weitere Zusammenarbeit ist unzumutbar. Wir werden daher Frau F. fristlos kündigen.

Ein vereinbartes Gespräch mit dem Unterzeichner am 09.01.2012 um 14.00 Uhr wurde heute krankheitsbedingt abgesagt.

d. Unterdessen kam es am 11. Januar 2012 um 13.00 Uhr zu einem Gespräch zwischen Herrn N. und dem Bezirksdirektor (Herrn T.) und der Klägerin im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden (Herrn Lu.), in dessen Verlauf die Akteure der Beklagten der Klägerin ihre „Feststellung der manipulierten Eintragungen im TUS und die beabsichtigte fristlose Kündigung“ vorhielten. In diesem Zusammenhang erboten sie sich gegenüber der Klägerin, ihr Arbeitsverhältnis zur Vermeidung einer fristlosen Kündigung einvernehmlich aufzuheben. Da eine Einigung nicht an Ort und Stelle erzielt wurde, vereinbarten die Beteiligten nach Darstellung der Beklagten ein weiteres Treffen für den Folgetag (12. Januar 2012), zu dem es dann jedoch (wohl) nicht kam.

e. Unterdessen ließ der Betriebsrat die Beklagte per E-Mail vom 12. Januar 2012 wissen, er habe die Kündigungsabsicht „zur Kenntnis genommen“.

3. Mit Schreiben vom 18. Januar 2012, das die Klägerin am selben Tage erreichte, erklärte die Beklagte ohne Angabe von Gründen die fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2012.

III. Hiergegen richtet sich die am 24. Januar 2012 bei Gericht eingegangene und der Beklagten acht Tage später (1. Februar 2012) zugestellte Kündigungsschutzklage, mit der die Klägerin das Fehlen von Gründen zur Kündigung rügt. Außerdem bestreitet sie die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates und wünscht für den Fall ihres Obsiegens die vorläufige Weiterbeschäftigung.

IV. Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 18. Januar 2012 noch durch die hilfsweise fristgemäße Kündigung im selben Schreiben aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 18. Januar 2012 bzw. über den 30. September 2012 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte im Falle des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits vertragsgemäß zu den bisherigen Bedingungen als Mitarbeiterin im Verkaufsaußendienst weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

V. Sie hält sich zur Kündigung aus Gründen im Verhalten der Klägerin für zwanglos berechtigt und die Anhörung des Betriebsrats für einwandfrei:

1. Die Berechtigung zur Kündigung ergebe sich daraus, dass die Klägerin

 „wiederholt vorsätzlich gegen ihre Verpflichtung verstoßen“ habe, „die von ihr durchgeführten Kundenbesuche ordnungsgemäß im TUS zu dokumentieren“. Insbesondere habe die Klägerin, so die Beklagte unter Verweis auf die schon erwähnte Wochenberichterstattung (Kopie: Urteilsanlage VIII.), „durch die Eintragung von mindestens 30, tatsächlich nicht stattgefundenen Kundenbesuchen im TUS“ sie „absichtlich über Art und Umfang ihrer Außendiensttätigkeit getäuscht“, um den Eindruck zu erwecken, sie würde entsprechend ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung 60 Kundentermine im Monat wahrnehmen. - Im Einzelnen:

a. Was zunächst die Kontakte zu Frau R. anbelangt (s. oben, S. 7), so habe die Klägerin im TUS eingetragen, dass es sich bei der Kundin um eine Bestandskundin (BST) handele und diese aufgesucht worden sei, um u.a. ein Verkaufsgespräch zu führen. Demgegenüber habe Frau R. gegenüber Herrn Ka. mitgeteilt, „dass die Klägerin an den vorgenannten Verkaufsterminen jeweils ihre so genannten 'Basisbehandlungen und -anwendungen' im Kosmetikstudio der Frau R. erhalten“ habe. Zudem sei Frau R. auch „nicht im Bestand der Klägerin verzeichnet, also keine Kundin der Beklagten“.

b. Soweit Herr W. mit Kalendereinträgen vom 14., 22., 26. und 28. September 2011 als Verkaufsgesprächen („VK“) betroffen ist (s. oben, S. 7), habe dieser „auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, dass es ausschließlich am 28.09.2011 einen Termin mit der Klägerin gegeben habe“. Dabei sei „auch ausschließlich über die 'Autoversicherung' gesprochen worden“. Eine Versicherungsanalyse und ein „Leben/Rentengespräch“, wie von der Klägerin a.a.O. eingetragen, habe „nicht stattgefunden“.

c. Was die gleichfalls schon erwähnten (s. oben, S. 7) 13 Kundentermine bei der Familie B. zwischen dem 25. April und 14. Dezember 2011 betrifft, so habe „auf telefonische Nachfrage“ die Ehefrau des Herrn B. „ausschließlich den Termin am 27.06.2011 bestätigt“.

d. Soweit die Klägerin für die Zeit vom 6. September bis 1. Dezember 2011 als Verkaufsgespräche mit Frau Ke. (s. oben, S. 7) insgesamt sieben Termine eingetragen habe, habe die Kundin „auf telefonische Nachfrage“ bestätigt, „dass die vorgenannten Termine nicht stattgefunden“ hätten. Nur am 23. November 2011 habe ein Termin zur Antragsaufnahme für die Privathaftpflichtversicherung stattgefunden.

e. Bei den von der Klägerin im Bezug auf Herrn L. für den 13., 20., 21. und 25. Oktober 2011 notierten Verkaufsgesprächsterminen (s. auch oben, S. 7.: 20. und 21. Oktober 2011) mit Abschlüssen einer Kfz-Versicherung am 20. Oktober und einer Unfall-Versicherung am 21. Oktober 2011 habe es sich schließlich so verhalten, „dass der Abschluss der beiden Versicherungen“ am 20. Oktober 2011 „auf einem gemeinsamen Antrag“ erfolgt sei.

2. Ebenso wenig sei, wie die Beklagte meint und ausführt, die Konsultation des Betriebsratsrates (s. schon oben, S. 6-7 [c.-d.]) rechtlich zu beanstanden.

VI. Hierzu erwidert die Klägerin, die vermeintlich fehlerhaften Eintragungen in ihren „Wochenberichten“ seien zumindest wegen der Kunden R. und B. bereits am 21. Dezember 2011 Gegenstand einer Unterredung mit Herrn N. gewesen, so dass zumindest insoweit keine Rede davon sein könne, dass dieser davon erst ̈C wie die Beklagte unterbreiten lässt (s. oben, S. 5 [2 b.]) - mit dem 5. Januar 2012 erfahren habe. Im Übrigen seien weder die Eintragungen unrichtig, noch der Betriebsrat ordnungsgemäß konsultiert:

1. „Wochenberichte“. - a. Frau R. (s. oben, S. 9 [V.1 a.]):

aa. Frau R. sei seit 2004 mit Verträgen zur Betriebshaftpflicht, Kfz mit Anhänger bei der Beklagten versichert. Tatsächlich habe sie Frau R. auch „an den im Wochenbericht angegebenen Tagen aufgesucht und entsprechend ihren Angaben im TUS u.a. Verkaufsgespräche geführt“.

ab. Ebensowenig entspreche den Tatsachen, dass ̈C wie behauptet (s. oben, S. 5 [2 a.]; S. 9 [V.1 a.]) - Herr N. den „Serviceanruf“ bei Frau R. getätigt habe. Richtig sei vielmehr dies:

 „Es meldete sich eine Frau telefonisch bei Frau R. unter der Angabe, dass diese eine Mitarbeiterin der N. Versicherung sei. Diese Dame meldete sich unter der Telefonnummer: 0151 ... [wird ausgeführt; d.U.] und fragte, ob Frau F. [Name der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.] Kundin bei ihr wäre. Frau R. bestätigte dies. Die Anruferin sagte, dass Frau F. am 19.12. Geburtstag habe und es gehe um einen Gutschein für Frau F. Es wurde weiter gefragt, wie oft man denn zur Kosmetik gehe, was man da so machen lässt. Frau R. antwortete, dass dies davon abhängig sei, ob man eine Basisbehandlung oder andere Anwendungen beanspruchen wolle.

Allerdings sollte man sich alle vier bis sechs Wochen behandeln lassen. Die Anruferin wollte wissen, wie man das mit dem Gutschein machen könnte. Die Anruferin sagte, sie würde dieses noch einmal in der Donnerstagsrunde mit den anderen Mitarbeiterinnen besprechen und sich dann wieder bei Frau R. melden. Das Telefonat war damit beendet (Beweis: .....).

Die Zeugin R. hat niemals mitgeteilt, und schon gar nicht einem Herrn Ka. gegenüber, dass die Klägerin an den vorgenannten Verkaufsterminen jeweils ihre sogenannten Basisbehandlungen und Anwendungen im Kosmetikstudio der Frau R. erhalten hat (Beweis: ...)“.

b. Was Herrn W. betrifft (s. oben, S. 9-10 [b.]), so habe dieser nach dem Kauf eines Autos in W. mit ihr vereinbart, dass sie bei dessen Auslieferung im Autohaus anwesend sein solle, damit er bei Übernahme des Fahrzeugs gleich den Versicherungsvertrag unterschreiben könne. Dementsprechend habe sie am 14. September 2011 im Autohaus ein Versicherungsangebot vorbereitet, ehe Herr W. sie darüber informierte, dass die Auslieferung am 22. September 2011 erfolgen solle. Als an diesem Tage allerdings in Wandlitz eingetroffen sei, habe sie vom Autohaus erfahren, dass der Auslieferungstermin auf den 26. September 2011 verschoben worden sei. Als sie hiernach am 26. September 2011 neuerlich nach W. gekommen sei, sei sie dort darüber informiert worden, dass die Auslieferung nun doch bereits am 24. September 2011 erfolgt sei. - Am 28. September 2011 habe sie Herrn W. hiernach zu Hause in E. aufgesucht und den Kfz-Versicherungsvertrag mit ihm abgeschlossen. Bei diesem Gespräch sei auch umfassend über das „Auto-Set (Kfz.-, Unfall- und Rechtsschutzversicherung)“ gesprochen worden. Ebenso seien die vorhandene Hausrat- und Wohngebäudeversicherung thematisiert worden. Allerdings habe Herr W. ihr diesbezüglich mitgeteilt, dass er bei der Allianz versichert sei, und davon abgeraten werde, die alte Hausratversicherung von der Allianz zu kündigen. Schließlich auf die Bestattungsvorsorge angesprochen, habe Herr W. diese abgelehnt, da er sie nicht brauche. - Mit allem sei, wie die Klägerin meint, ganz eindeutig belegt, dass sie am 14., 22. und 26. September 2011 jeweils zu Verkaufsgesprächen nach Wandlitz gefahren sei. Im Gespräch am 28. September 2011 sei es sodann zu einem umfassenden Versicherungsgespräch gekommen, in dem es auch eine Versicherungsanalyse und ein Gespräch über Leben/Rentenversicherung gegeben habe. - Im Übrigen habe es auch Herrn W. gegenüber keine konkrete Nachfrage hinsichtlich der Termine vom 14., 22., 26. und 28. September 2011 gegeben. Es sei vielmehr lediglich darum gegangen, ob er als Kunde zufrieden mit der „N.“ sei, was er mit dem Hinweis bejaht habe, dass alles in Ordnung sei, da Frau F. (Klägerin) bei ihm gewesen sei.

c. Was die Familie B. betrifft (s. oben, S. 10 [c.]), so habe sie am 27. Juni 2011 die Eheleute besucht. Am 4. Juni 2011 habe sie Herrn B. aufgesucht, wobei es um die Rechnung zur Rechtsschutzversicherung mit Beitragserhöhung gegangen sei. Im Folgetermin am 19. Juli 2011 habe Herr B. Beratung darüber gewünscht, ob „bei der IBU und bei der Rentenversicherung“ ein Versicherungswechsel auf seinen Sohn M. sinnvoll sei. Als Folgetermin sei der 25. Juli 2011 verabredet worden, bis zu dem Herr B. mit seinem Sohn habe sprechen wollen. An diesem 25. Juli 2011 habe ein Termin zur Prüfung der Wohngebäudeversicherung bei Herrn B. für dessen Laube stattgefunden. Am 15. November 2011 sei es um einen Termin mit Frau B. wegen einer Kfz-Tarifumstellung gegangen. Am 6. Dezember 2011 habe es wiederum einen Termin mit Herrn B. gegeben, diesmal „als VC-Folgetermin zur ablaufenden Lebensversicherung bei der D.“. Am 14. Dezember 2011 sei es noch einmal zu einem Termin mit Frau B. gekommen. Hier sei es die Kündigung der Haftpflichtversicherung wegen bestehender Doppelversicherung bei der S. gegangen. Herrn M. B. habe sie am 29. April 2011 wegen eines Kfz-Neuantrages mit Verkehrsrechtsschutzversicherung aufgesucht. Den betreffenden Antrag habe sie schon am 27. April 2011 vorbereitet, so dass es am 29. April 2011 um die Unterzeichnung gegangen sei. Am 6. Mai 2011 sei zu einem Folgetermin wegen eines Angebots zur Riester-Rente gekommen. Am 31. Mai 2011 habe sich ein weiterer „Folgetermin VC“ ergeben, diesmal wegen eines Versorgungsgesprächs „für die Tochter und die Lebenspartnerin“. Am 4. Juli 2011 sei es bei Herrn M. B. um wegen fehlender Kontodeckung unbezahlte Rechnungen für die Kfz- und die Rechtsschutzversicherung gegangen, ehe sich am 19. Juli 2011 ein Folgetermin zur Riester-Rente und für ein Versorgungsgespräch angeschlossen habe. Am 15. November 2011 habe ein Termin hinsichtlich der Kfz-Tarifumstellung stattgefunden.

Herrn J. B. habe sie schließlich am 16. Mai 2011 aufgesucht, wobei es um die „Riester-Aktion S1“ gegangen sei, die Anpassung des Beitrages. Das sei dann jedoch auf Anfang August 2011 vertagt worden, da der Kunde damals Arbeitsplatzprobleme gehabt habe. Der Folgetermin am 8. August 2011 sei dann ohne Erfolg geblieben. Da die Arbeitsplatzprobleme fortgedauert hätten, sei ein neuer Termin für Oktober 2011 vereinbart worden. So habe es am 25. Oktober 2011 „einen weiteren Termin zu VC“ gegeben. Am 1. November 2011 sei es dann „zur Auswertung VC und zur Kfz-Tarifumstellung“ gekommen und „ein PHV-Angebot unterbreitet“ worden.

d. Was die Familie Ke. angeht (s. oben, S. 10 [d.]), so habe es in der Tat Verkaufsgesprächstermine am 6., 12. und 16. September, am 7., 14. und 23. November sowie am 1. Dezember 2011 gekommen.

da. Insofern legt die Klägerin vorab Wert auf die Feststellung, dass Frau Ke. keineswegs auf telefonische Nachfrage „bestätigt“ habe, „dass die vorbenannten Termine nicht stattgefunden“ hätten. Ebenso wenig habe Frau Ke. in dem „Servicetelefonat“ behauptet, es habe lediglich eine telefonische Kontaktaufnahme und nur am 23. November 2011 ein Termin zur Antragsaufnahme für die private Haftpflichtversicherung stattgefunden. - Zwar habe es einen „Serviceanruf“ bei Frau Ke. gegeben. Dabei habe der Anrufer, der sich als Mitarbeiter der N. Versicherung ausgegeben habe, jedoch „ausschließlich nach dem Termin am 23.11.2011 gefragt“. Zudem sei Frau Ke. befragt worden, warum sie nur eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen habe und nicht gleich auch eine Hausratversicherung. Darauf habe Frau Ke. angegeben, dass sie eine Hausratversicherung bereits vor einiger Zeit abgeschlossen habe und zwar bei ihr (der Klägerin).

db. Was die Termine im Einzelnen betrifft, so sei es am 6. September 2011 um die „Übergabe der EVB für die Zulassung eines Folge-Kfz und eines Angebotes für Kfz“ gegangen. Am 12. September 2011 habe sich in einem weiteren Termin die Unterzeichnung des Kfz-Antrages für das Fahrzeug B-JA ... angeschlossen. Insofern hätte es für die Beklagte, wie die Klägerin moniert, „ein Leichtes gewesen“ sein müssen, „über das Programm Basis bzw. Extranet zu erkennen, das am 08.09.2011 der Antrag vom 12.09.2011 hinsichtlich einer Kfz-Versicherung abgeschlossen worden“ sei. Damit habe die Beklagte gewusst und offensichtlich Kenntnis davon gehabt, „dass ein Besuchstermin am 12.09.2011 stattgefunden“ habe. Hiernach habe sie ebenso offensichtlich gegenüber dem Betriebsrat in der Anhörung (s. oben, S. 6-7; Urteilsanlage VII.) falsche Angaben gemacht. - Am 16. September 2011 habe „hinsichtlich eines Angebotes PHV“ und eines Versorgungsgesprächs ein weiterer Besuch stattgefunden. Abermals ein weiterer Termin habe sich „im Hinblick auf VC“ am 7. November 2011 ergeben. Wiederum zu einem Termin sei es am 14. November 2011 gekommen, der einer Tarifumstellung für die Kfz-Versicherung für das Fahrzeug B-RK ....gegolten habe. Dieses Auto fahre der Sohn von Frau Ke., der bei dem Termin aber leider nicht anwesend gewesen sei. Deshalb sei für den 23. November 2011 ein neuer Termin vereinbart worden, der dann auch stattgefunden habe. - Zwar habe sie (Klägerin) diesen Termin vom 23. November 2011 versehentlich für den 21. November 2011 „im TUS“ eingetragen. Da der Termin am 23. November 2011 jedoch tatsächlich stattgefunden habe, könne ihr dies nicht zur Last gelegt werden.

e. Mit dem Kunden L. (s. oben, S. 10 [e.]; s. auch schon oben, S. 7 [Betriebsrat]) habe sie wie in den „Wochenberichten“ notiert in der Tat am 13., 20., 21. und 25. Oktober 2011 Verkaufsgespräche geführt: Am 20. Oktober 2011 habe sie bei ihm eine dem Kunden Geld einsparende - Tarifumstellung gemacht. Da die Beklagte in solchen Fällen wünsche, dass das gesparte Geld gleich wieder in andere Versicherungen angelegt werde, habe sie Herrn L. „eine Unfallversicherung als Autofahrer-Rund-Um-Schutz-Paket verkauft“. Da der Kunde dies zunächst gut gefunden habe, habe er den Vertrag auch unterschrieben. Deshalb rührten auch beide Unterschriften vom 20. Oktober 2011 her. Allerdings habe sich Herr L. am Abend des 20. Oktober 2011 noch einmal bei ihr gemeldet und Bedenken geäußert. Deshalb sei sie am 21. Oktober 2011 noch einmal zu ihrem gefahren und habe Unfallversicherung „gerettet“. Dementsprechend treffe die Eintragung vom 21. Oktober 2011 „auch hinsichtlich der Unfallversicherung zu“.

f. Alles in allem, so resümiert die Klägerin, sei nicht nur eindeutig und dezidiert nachgewiesen, dass alle im TUS eingetragenen Termine auch tatsächlich stattgefunden hätten. Vielmehr sei auch dargelegt worden, dass „die sogenannten Service-Anrufe“, die Herr Ka. gemacht haben wolle, im angegebenen Umfang gar nicht stattgefunden hätten. Viele der im Rechtsstreit vorgetragenen Daten seien gar nicht abgefragt worden. Stattdessen mutmaße die Beklagte lediglich, dass sie (Klägerin) besagte Verkaufsgespräche bzw. Termine nicht gehabt habe, ohne dies tatsächlich in ihren Telefonaten verifiziert zu haben.

2. Darüber hinaus entspreche aber auch die hiesige Anhörung des Betriebsrates (s. oben, S. 6-7; Urteilsanlage VII.), so die Klägerin, nicht den rechtlichen Anforderungen:

a. Das gelte bereits deshalb, weil die Beklagte es versäumt habe, dem Betriebsrat gegenüber Angaben zu ihren Sozialdaten zu machen, zu denen insbesondere die Angaben zu ihrem Lebensalter und Unterhaltsstatus gehörten. Damit sei der Betriebsrat von Anfang an außer Stande gesetzt gewesen, gerade im Hinblick auf die fristlose verhaltensbedingte Kündigung mit wirklichen Bedenken Stellung zur Verhältnismäßigkeit der Kündigung zu nehmen.

b. Hinzu komme, dass der Betriebsrat ausweislich des Anhörungsanschreibens vom 9. Januar 2012 (Kopie: Urteilsanlage VIII. [unten]) nur wegen einer fristlosen Kündigung konsultiert worden sei. Soweit die Beklagte den Betriebsrat per Mail vom 10. Januar 2012 habe ergänzend wissen lassen, dass sie das Arbeitsverhältnis „parallel hilfsweise fristgerecht zum 30.09.2012 kündigen“ werde (Urteilsanlage VIII. [oben]), stelle keine Anhörung im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG dar.

c. Hinzu kämen, wie die Klägerin der Sache nach meint, inhaltliche Defizite in der Unterrichtung des Gremiums: So werde dem Betriebsrat zum Verlauf des 21. Dezember 2011 (s. oben, S. 10 Fn. 73) verschwiegen, dass sie sich dort bereits klar und dezidiert zu den Vorwürfen in Sachen „R.“ und „B.“ geäußert und diese im Gespräch widerlegt habe. Zudem habe die Beklagte zum Fall von Frau K. (s. oben, S. 7 [vor d.]: „Es gab lediglich telefonische Kontakte mit der Kundin“) über das Programm Basis bzw. Extranet offensichtlich Kenntnis davon, dass ein Besuchstermin am 12. September 2011 stattgefunden habe. Auch insofern habe sie in der Anhörung des Betriebsrates offensichtlich falsche Angaben gemacht. Das gelte schließlich auch, soweit sie dem Gremium mitgeteilt habe, dass die „Service-Anrufe ausschließlich durch Herrn Ka. durchgeführt worden“ seien. Ebenso wenig habe es „eine Recherche der Beklagten dahingehend“ gegeben, dass sie (Klägerin) an den benannten Terminen bei Frau R. Basisbehandlungen und kosmetische Anwendungen erhalten habe. Weder habe Frau R. solche Auskünfte Dritten gegenüber am Telefon machen dürfen und können, noch habe sie dies getan. Es handele sich hier vielmehr um eine offensichtlich fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats durch die Beklagte. Fehlerhaft sei die Anhörung schließlich auch in den Fällen B. und Ke..

VII. Die Beklagte entgegnet unter anderem, die Unterrichtung des Betriebsrats enthalte zwar in der Tat keine Angaben zum Lebensalter und zu den Unterhaltspflichten der Klägerin. Das sei aber, wie sie der Sache nach meint, unschädlich: Sowohl Lebensalter als auch Unterhaltspflichten der Mitarbeiter seien dem Betriebsrat nämlich aus den Bewerbungs- und Einstellungsunterlagen bekannt. Auch seien dem hiesigen Gremium „die Sozialdaten der Klägerin bekannt“ gewesen. Im Übrigen stehe die fehlende Mitteilung der genauen Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates ohnehin nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber aufgrund der Schwere der Kündigungsvorwürfe ersichtlich nicht auf die genauen Sozialdaten ankomme und der Betriebsrat die ungefähren Daten kenne. Hier stellten die „massiven Falscheintragungen der Klägerin im TUS“ einen „Arbeitszeitbetrug in erheblichem Umfange dar“, der für sie auch für den Betriebsrat erkennbar so schwer wiege, dass das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt werden sollte. Da der Betriebsrat der fristlosen Kündigung auch nicht widersprochen habe, werde bestätigt, dass er sich aus seiner Sicht umfassend informiert gefühlt habe.

VIII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. - Hiervon nicht inbegriffen sind die Ausführungen im der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz vom 29. Mai 2012 (Bl. 203-204 GA), weil die Beklagte dazu kein rechtliches Gehör mehr erhalten hat. Soweit hier aus diesem Schriftsatz zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration.

Entscheidungsgründe

Den Rechtsschutzbegehren der Klägerin war der Erfolg nicht zu versagen.

Das gilt für sämtliche Klageanträge und ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:

A. Die Kündigung vom 18. Januar 2012

Die Kündigung im Schreiben vom 18. Januar 2012 hat die ihr zugedachte Wirkung nicht entfaltet. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder mit Zugang bei der Klägerin aufzulösen vermocht, noch wird dies mit dem 30. September 2012 geschehen. Die Kündigung ist nämlich unwirksam. - Im Einzelnen:

I. Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (18. Januar 2012) bei Gericht einreichen lassen (24. Januar 2012). Deren Zustellung ist am 1. Februar 2012 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin selbst ohne die anderenfalls rechtlich gebotene Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO die ihr in den §§ 13, Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung „gilt“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 7 (1. Halbsatz) KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen Grundes und darf selbstverständlich auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.

II. Letzteres (Gesetzesverstoß) tut die hiesige Kündigung aber. Sie vernachlässigt bereits die prozeduralen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Konsultation des Betriebsrates (s. sogleich, 1.). Allerdings kann der Beklagten auch der benötigte „Grund“ zur Kündigung nicht bescheinigt werden, von dem ergänzend die Rede sein wird (s. unten, S. 22 ff.). - Der Reihe nach:

1. Die Kündigung verstößt, wie gerade schon vorausgeschickt, gegen die normativen Vorgaben des § 102 Abs. 1 BetrVG:

a. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

aa. Insbesondere hat er dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Geschieht dies nicht (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) oder nicht ausreichend, so ist die Kündigung schon deshalb unheilbar unwirksam. In denselben gedanklichen Zusammenhang gehört jene Rechtsprechung, die es dem Arbeitgeber bei der Konsultation des Betriebsrates gebiet, dem Gremium nicht nur die Personalien der Zielperson, sondern auch deren sogenannte „soziale Daten“ zu nennen: Gefordert sind insbesondere Angaben zum Alter, der Dauer des Arbeitsverhältnisses, etwaige Belastungen durch Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung. Wie schon die Klägerin hierzu in Erinnerung gerufen hat (s. oben, S. 16 [2 a.]), geht es bei diesen vorgerichtlichen Darlegungslasten nicht zuletzt darum, den Stellenwert und das Gewicht etwaiger Vertragsverfehlung besser beurteilen zu lassen und Material zur Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Kündigung beizusteuern.

ab. Eine Ausnahme vom diesen personenspezifizierenden Anforderungen der vorgerichtlichen Darlegungslasten hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in einem Einzelfall allerdings bekanntlich für die Frage der Unterhaltslasten zugelassen, in dem sich die Frage einer fristlosen Kündigung wegen Annahme von Schmiergeldern in Millionenhöhe gestellt hatte.

b. Nach diesen Grundsätzen lässt sich die hiesige Prozedur der Beklagten (s. Urteilsanlage VII.) im Lichte des § 102 Abs. 1 BetrVG nicht halten. Diese wird ihrer Informationsverantwortung gegenüber der Klägerin wie dem Betriebsrat schon nicht im Ansatz gerecht:

ba. So ist unstreitig, dass die Beklagte dem Betriebsrat hier im Zuge der Unterrichtung über ihren Kündigungswillen weder Alter noch Eintrittsdatum der Klägerin mitgeteilt hat (s. oben, S. 17 [VII.]). Im Gegenteil: Sie verweist sogar eigens darauf, dass der verwendete Vordruck „üblicherweise keine Angaben zum Lebensalter und den Unterhaltspflichten“ der fraglichen Arbeitsperson enthalte. - Das mag so sein. Dann wird sie die Folgen aber auch tragen müssen.

bb. Das Blatt ist auch nicht mit dem unter Berufung auf das Zeugnis des Vorsitzenden des Betriebsrats gegebenen Hinweis zu wenden, dem Gremiums seien die Sozialdaten der Klägerin „bekannt“ gewesen. Soweit die Beklagte die unsubstantiierte Darstellung mit dem Bemerken plausibel gemacht wissen will, das Gremium wisse über Lebensalter und Unterhaltspflichten der Mitarbeiter aus den Einstellungsvorgängen Bescheid, bei denen ihm Bewerbungs- und Einstellungsunterlagen zugänglich gemacht würden (s. nochmals S. 17 [VII.]), ersetzt dies nicht die Bekanntgabe - aktualisierter - Daten im Rahmen der Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG: Abgesehen davon, dass sich im Laufe der Jahre im privaten Lebensbereich berufstätiger Menschen sehr vieles ändern kann, kann vom Betriebsrat nicht erwartet werden, dass er vor seiner Befassung erst einmal Archivarbeit leistet, um sich über die persönlichen Verhältnisse der Klientel den benötigten Aufschluss zu verschaffen. Nicht ohne Grund bestehen die Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich seit dem Inkrafttreten des § 102 Abs. 1 BetrVG darauf, dass das Gremium zu einer sachgerechten Stellungnahme zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers „ohne zusätzliche eigene Nachforschungen“ befähigt werden muss. Davon war auch die hiesige Beklagte nicht befreit. Insbesondere spielte insofern keine Rolle, ob sich der Betriebsrat etwa wie sie beteuert (s. oben, S. 17 [VII.]) ̈C ausreichend „informiert gefühlt“ habe.

c. Erweist sich hiernach die Anhörung des Betriebsrats als von vornherein unzulänglich, so ist das Schicksal der Kündigung im Schreiben vom 18. Januar 2012 schon deshalb besiegelt. Auf die weitergehenden Fragen etwa zur Falschunterrichtung des Gremiums (s. oben, S. 16-17 [c.]) oder zur Vorenthaltung (oder Nichtvorenthaltung) von Äußerungen, die die Klägerin im Rahmen der Unterredung vom 21. Dezember 2011 (s. dazu auch schon oben, S. 10 Fn. 73) getätigt habe, kommt es somit nicht einmal mehr an. - Die Konsequenzen dieses Befundes bringt der Tenor zu I. des Urteils zum Ausdruck.

2. Die Kündigung erweist sich jedoch wie bereits vorausgeschickt (s. oben, S. 19 [II.]) auch im Lichte rein individualrechtlicher Kontrolle als unwirksam: Sie wäre schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „sozial gerechtfertigt“ und folglich aufgrund des § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Erst recht steht der Beklagten kein „wichtiger“ Grund nach § 626 Abs. 1 BGB zur Seite. Eine kündigungsrelevante Sachlage ist von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht aufgezeigt. - Hierzu, abermals, der Reihe nach:

a. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen“ (Wilhelm Herschel) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten hier erklärtermaßen um sogenannte verhaltensbedingte Gesichtspunkte.

b. Deren rechtliche Voraussetzungen lassen sich für die hiesige Kündigung aber nicht feststellen. So lassen sich als „Grundstein“ einer jeglichen verhaltensbezüglichen Kündbarkeit geschützter Arbeitsverhältnisse (wohl) schon keine Vertragsverstöße der Klägerin objektivieren. Jedenfalls fehlte es im Streitfall an prozeduralen Erfordernissen, die der Beklagten wegen der Besonderheiten ihrer hiesigen Informationsverschaffung vor Ausspruch der Kündigung abzuverlangen waren:

ba. Festzuhalten ist vorab, dass die verhaltensbedingte Kündigung eine (in aller Regel: vorwerfbare) Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers voraussetzt. Das sieht auch die Beklagte, die der Klägerin hier ja denn auch beharrlichen „Arbeitszeitbetrug“ (s. oben, S. 17 [VII.]) bescheinigt sehen will. Richtig daran wäre zwar, dass fortgesetzter „Arbeitszeitbetrug“ dem Arbeitgeber bei Wahrung der übrigen normativen Voraussetzungen in der Tat das Recht zur ggf. sogar abrupten Beendigung des Arbeitsverhältnisses verschaffen kann. Nur müssen die feststellbaren Tatsachen den Vorwurf auch hergeben.

bb. Was nun deren hiesige Gewinnung als Grundlage zum einen der innerbetrieblichen Willensbildung (s. oben, S. 6-7 [c.]; S. 8 [e.]) und zum anderen des Prozessvortrags der Beklagten anbelangt, so ist ihr zwar einzuräumen, dass sie ihre Behauptungen soweit ersichtlich - nicht kurzerhand „in's Blaue“ hinein aufstellt. Sie hat ihre zum Kündigungsgrund erhobenen Informationen (s. S. 7: „Berichtswesen gefälscht“; „Betrug“) jedoch in Gestalt von Telefongesprächen unter situativen Bedingungen recherchiert, die nicht nur für die Klägerin und den Betriebsrat in höchstem Maße intransparent waren, sondern deren Anfälligkeit auch für strukturell bedingte - Bildverfälschungen geradezu legendär sind:

 (1.) Worum es geht, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass sich die gegenüber dem Betriebsrat und später im Rechtsstreit verwerteten Informationen der Kundschaft allesamt aus Fragen ergeben haben (sollen), die Herr Ka. (bzw. seine Frau) ihren Gesprächspartnern am Telefon gestellt haben (sollen). Allerdings ist in keinem einzigen Fall mitgeteilt, wie denn die Fragestellung genau ausgesehen hat. Erst recht nicht überliefert ist, aus welcher konkreten dialogischen Interaktion sich welche wortwörtliche Angabe der befragten Kunden ergeben habe. Was dem Betrachter hier begegnet, verweist auf heutige Binsenweisheit grundlegendster kriminalistischer wie aussagepsychologischer Praxis: Wer fragt, der führt, so wissen wir, und nicht weniger als die Einsicht in die unheilvollen Konsequenzen dessen gehört zu den Ursprüngen der wissenschaftlichen Aussagepsychologie: Ihr verdankt die Jurisprudenz, soweit sie die Früchte erntet, nicht zuletzt jene Erkenntnis, die William Stern als einer der Wegbereiter der Disziplin schon im Jahre 1902 unter Verarbeitung von Forschungen eines Zeitgenossen so formulierte:

 „ ... Dass die erste Verhörsform 1/4 aller Aussagen fälscht, ist keine eigentliche Suggestionswirkung, denn die Fragestellung war völlig indifferent. Aber schon das bloße Vorhandensein von Fragen überhaupt hat jenen Erfolg, weil Fragen einen Zwang zur Aussage darstellen. Momente, die im spontanen Erinnerungsbild vielleicht fehlen oder unentschieden bleiben würden, werden jetzt gewaltsam ergänzt oder nach einer bestimmten Richtung determiniert, damit überhaupt eine Antwort möglich wird.

Suggestion spielt dagegen in der zweiten Verhörsform mit. Die fragende Person erscheint dem Befragten jetzt nicht nur als irgend eine Antwort heischend, sondern als eine Antwort bestimmten Inhalts erwartend; dies Bewußtsein kann, insbesondere, wenn die verhörende Person autoritativen Charakter hat, genügen, um in mehr als einem Drittel der Fälle die Antwort durch die Suggestion statt durch die Wahrheit bestimmen zu lassen.

Solche Erwartungsfragen sind nun aber gerade im praktischen Leben die weitaus häufigsten. ....

Hat auch das Verfahren Binets noch viele Schwächen, so müssen wir es ihm doch danken, einen gangbaren Weg gewiesen zu haben. Es gilt nun, den Weg, unter Vermeidung der oben genannten Fehler, weiter zu gehen, damit die Psychologie der spontanen Aussage die notwendige Ergänzung durch die Psychologie der Frage und Antwort erhalte. Ihr Leitmotiv darf der treffliche Satz Binets werden (S. 316): 'Eine Antwort, die von der sie hervorrufenden Frage isoliert wird, repräsentiert einen zweifelhaften Wert!'“.

Das legt den Finger in die Wunde. Wird nämlich die situative Abschirmung vertraulicher Telefongespräche bei der Sammlung von „Belastungsmaterial“ - wie hier bei Herrn und Frau Ka. - zum System, so verkürzen die geschaffenen - und eigener Wahrnehmung von Betriebsrat und Klägerin wirkungsvoll entrückten - situativen Begleitumstände zugleich die innerbetrieblichen Verteidigungsmöglichkeiten der Zielperson. Sie verweisen diese stattdessen darauf, ihr Heil notfalls nach Ausspruch der Kündigung im Gerichtsverfahren zu suchen. Wie wenig dessen Prozeduren jedoch bei hinreichender Entschlossenheit des Arbeitgebers als brauchbares Äquivalent taugen, belegt alle empirische Erfahrung in bemerkenswerter Weise: Trifft es danach zu, dass selbst eine unwirksame Kündigung in aller Regel praktisch unumkehrbare Tatsachen schafft, dann sind die Würfel in der Tat (bereits) mit dem Ausspruch der Kündigung selbst gefallen, und nicht (erst) mit ihrer nacheilenden Kontrolle vor Gericht.

 (2.) Es entspricht solchen Einsichten in die Ineffizienz nacheilender Aufklärung unsicherer Sachlagen, dass die Gerichte für Arbeitssachen als notwendiges Gebot rechtzeitiger Selbstkontrolle des kündigungswilligen Arbeitgebers in einer Vielzahl von Fallgestaltungen, in denen objektiv ungesicherte Annahmen zum springenden Punkt des Kündigungsentschlusses gemacht werden (sollen), die vorherige Anhörung der Zielperson fordern. Dieses Anhörungsgebot, das übrigens im Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation Nr. 158 sogar übergreifend kodifiziert ist, entspricht der forensischen Praxis entgegen verbreitetem Überzeugungsstand keineswegs nur im gleichsam klassischen Fall sogenannter „Verdachtskündigung“. Die Gerichte für Arbeitssachen kennen das Anhörungsgebot vielmehr in einer Vielzahl von Problemlagen, darunter namentlich solchen, in denen es wie hier - darum geht, Aufklärung über Vorwürfe zu suchen, die dem Arbeitgeber von Dritten zugetragen werden oder die dieser sich von ihnen organisiert.

 (a.) In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt die Konsultation des Betroffenen im Vorfeld der Beendigung von Arbeitsverhältnissen eingefordert, wo nach Lage der Dinge zu erwarten war, dass dessen Wissen zur Erhellung der Verhältnisse beitragen konnte:

So hat der Zweite Senat des BAG schon im Juli 1960 mit Blick auf die „Tragweite einer außerordentlichen fristlosen Entlassung, insbesondere auch gegenüber einer Arbeitnehmerin, die immerhin seit 9 Jahren dem Betrieb angehört“, das Gebot an den Arbeitgeber formuliert, „den wahren Sachverhalt vor Ausspruch der Entlassung in seinen Einzelheiten festzustellen“. Hierzu rechnete der Senat die Obliegenheit des (dortigen) Arbeitgebers, der damaligen Klägerin „Gelegenheit zur ausführlichen Stellungnahme zu gewähren“. - Es ging also, im Klartext, um Anhörung.

Im gleichen Sinne hat der Siebte Senat in einem im November 1983 entschiedenen Streitfall eine Kündigung als „treuwidrig“ (§ 242 BGB) kassiert, die ohne Anhörung des Betroffenen auf bloße Nachrede von dritter Seite hin verfügt worden war. In einem weiteren Urteil desselben Senats aus dem September 1987 wurde dem Arbeitgeber sogar angekreidet, vor einer Anfechtung des Arbeitsvertrags (§ 143 Abs. 1 BGB) „keinerlei Anstalten unternommen“ zu haben, sich durch Befragung des Klägers „über die wahre Sachlage zu vergewissern“.

Im März 1996 befand wiederum der Zweite Senat in einem Streitfall, in welchem dem Arbeitgeber zu Ohren gekommen war, der arbeitsunfähig erkrankt gemeldete Arbeitnehmer sei unterdessen Nebenbeschäftigungen nachgegangen, dass nun nicht durch fristlose Kündigung kurzer Prozess gemacht werden könne; vielmehr gelte, dass der Arbeitgeber „den Arbeitnehmer konkreter über die Art seiner Erkrankung befragen und ihm Gelegenheit zur Erklärung geben“ müsse, „weshalb die Krankheit diese anderen Tätigkeiten zuließ, aber vertragsgemäßen Arbeit im Betrieb entgegen stand“.

Man sieht: Betroffen sind allesamt Variationen auf ein und dasselbe Thema, dessen Kern zudem bereits der Bundesgerichtshof in Zivilsachen (BGH) schon 1956 in dezidierter Weise auf den Begriff gebracht hat: Er hat daran erinnert, dass die Anhörung des Betroffenen v o r Ziehung nachteiliger Konsequenzen „ein Fundamentalgrundsatz jeder rechtsstaatlichen Ordnung“ sei. Dem entspricht von ebenso pragmatischer wie grundrechtlicher Warte her gesehen die prägnante Mahnung Wilhelm Herschels gleichfalls bereits aus dem Jahre 1972:

 „Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hat, der belebenden Wirkung des Art. 103 Abs. 1 GG zum Trotz, erst neuerlich größere Bedeutung gewonnen. Sie will eine etwaige rechtzeitige Entlastung des Arbeitnehmers fördern und so unnütze Rechtsstreitigkeiten vermeiden; sie soll dem Arbeitgeber Gelegenheit verschaffen, den Sachverhalt zuverlässiger und umfassender kennen zu lernen und damit eine bessere Grundlage der Beurteilung für den Kündigungsentschluss zu erlangen. Zunehmende Lebenserfahrung belehrt uns ja darüber, wie sehr die Anhörung des anderen Teils in objektiver wie subjektiver Hinsicht neue Aspekte zu liefern vermag. In dem Postulat steckt darüber hinaus die Vorstellung, es könne die Achtung vor der Person des Arbeitnehmers erfordern, dass ihm vor Ausspruch einer insbesondere diskriminierenden außerordentlichen Kündigung rechtliches Gehör auch im Betrieb gewährt werde“.

 (b.) Auch dem hat die Kammer (fast) nichts hinzuzufügen. Insofern sei allenfalls ergänzend auf die Regelung des § 241 Abs. 2 BGB verwiesen, die nicht zuletzt auf einen Mindeststandard auch für die prozeduralen Anforderungen fairen Umgangs miteinander verweist. Nicht ohne Grund hat der parlamentarische Gesetzgeber unlängst unter Hinweis auf § 241 Abs. 2 BGB ein „eher partnerschaftliches Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten“ angemahnt. Dass solche Partnerschaft ohne reelle Chance für die Zielperson nicht herstellbar ist, zu Vorwürfen zu Wort zu kommen, bevor über sie „der Stab gebrochen“ wird, bedarf hoffentlich keiner weiteren Erläuterung.

 (3.) Im Lichte dessen ist die Verfahrensweise der hiesigen Beklagten auch im personalen Umgang mit der Klägerin rechtlich diskreditiert. Statt sich nach der Telefonaktion der Eheleute Ka. mit den gewonnenen Eindrücken schnurstracks an den Betriebsrat zu wenden, um diesem ihr einseitig geprägtes Lagebild als abgesichertes Tatsachenwissen zu präsentieren, hätte die Beklagte ihre Verdachtshypothese zunächst einmal durch Befragung der Klägerin einer Belastbarkeitsprobe aussetzen müssen. Dann hätte man weiter gesehen. Möglicherweise wäre sogar allen Beteiligten bei rechtzeitiger innerbetrieblicher Sachaufklärung eine womöglich „unnütze Rechtsstreitigkeit“ (Wilhelm Herschel) erspart geblieben. Die Klägerin stattdessen jedoch zu zwingen, die Dinge per Kündigungsschutzprozess nach außen zu tragen, um dort ihre Rehabilitation zu suchen, ist normativ auch unter grundrechtlichen Aspekten (s. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG [s. oben, Wilhelm Herschel]) nicht akzeptabel.

c. Auch deshalb hält die Kündigung im Schreiben vom 18. Januar 2012 gerichtlicher Nachprüfung nicht stand.

B. Der „Schleppnetzantrag“ (Klageantrag zu 2.)

Als nicht minder berechtigt erweist sich der als Klageantrag zu 2. verfolgte sogenannte allgemeine Feststellungsantrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, §§ 495 Abs. 1, 256 Abs. 1 ZPO. Insofern ist in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen seit langem anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung vorsorglich auch dieses Rechtsschutzbegehren an das Gericht herantragen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits womöglich überraschend auf andere zuweilen schlicht untergeschobene - Beendigungstatbestände beruft. Dieses Klagebegehren wird daher im Fachschrifttum pointiert als „Schleppnetzantrag“ bezeichnet. Das ihm zugrunde liegende Schutzbedürfnis ist auch der hiesigen Klägerin ohne damit gegen die Akteure des Beklagten irgendwelchen persönlichen Argwohn zu hegen objektiv nicht abzusprechen. - Daher: Tenor zu II.

B. Die Prozessbeschäftigung

Dass die Klägerin bis zur Beendigung des Kündigungsrechtsstreits ihre vorläufige Weiterbeschäftigung fordern kann, ergibt sich aus den bekannten Grundsätzen in BAGE 48, 122. Dem trägt der Tenor zu III. Rechnung.

D. Die Nebenentscheidungen

Für die übrigen Entscheidungen lässt es sich kurz machen:

I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO). Besagte Kosten treffen nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und in den Grenzen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Beklagte, weil sie im Rechtsstreit unterlegen ist (Tenor zu IV.).

II. Den Wert der Streitgegenstände hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG im Tenor festgesetzt. Ihn hat es für die Kündigungsschutzklage mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen, also mit (3 x 2.420,-- Euro = ) 7.260,-- Euro. Der „Schleppnetzantrag“ ist mit einem Zehntel dieser Summe bewertet, d.h. mit 726,-- Euro. Der Wunsch nach Weiterbeschäftigung schlägt mit nochmals einem Monatsgehalt zu Buche, also mit 2.420,-- Euro. Das macht zusammen (7.260,-- Euro + 726,-- Euro + 2.420,-- Euro = ) 10.406,-- Euro und erklärt den Tenor zu V.



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