Arbeitsgericht Hamburg

Urteil vom - Az: 27 Ca 207/13

Totenkopf mit Polizeimütze - Keine Fristlose Kündigung

(1.) Die Verherrlichung des Nationalsozialismus ist als Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst grundsätzlich geeignet. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L müssen sich die Beschäftigten durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.

(2.) Postiert ein Angestellter im Polizeidienst einen (unechten) Totenkopf in einem Wach-Container, der wiederum vor einer jüdischen Schule steht, wobei die Schule selbst nicht zu sehen ist und der Ort nur zu erahnen ist, setzt dem Totenkopf eine Polizeimütze auf und lädt ein Foto hiervon auf "Facebook" hoch, so stellt dies keine Pflichtverletzung dar.
Der Totenkopf hat für sich genommen keine nationalsozialistische Bedeutung. Maßgeblich sind die Umstände, in denen er verwendet wird.
Vorliegend war die jüdische Schule, vor der der Polizei-Container stand, nicht sichtbar und nur aufgrund der im Hintergrund des Bildes zu sehenden Straße zu erahnen. Dies lässt auf eine zufällige Anordnung schließen, bei der keine Verbindung zwischen dem Totenkopf und der jüdischen Schule hergestellt werden sollte.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 11.04.2013, zugegangen am 12.04.2013, nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag vom 01.08.2003 und Änderungsvertrag vom 15.11.2012 als Angestellten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. weiterzubeschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 7.458,68 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist seit dem 01.08.2003 bei der Beklagten als Angestellter im Polizeidienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 2.864,67. Er arbeitete am Polizeikommissariat A bzw. der Zentraldirektion B bzw. D. C.. U.a. verrichtet der Kläger seinen Dienst in dem Postencontainer vor dem Schutzobjekt Ta. T. Schule (J.-C.-Schule) der Jüdischen Gemeinde in H..

Im Jahr 2007 nahm der Kläger ein Foto im Postencontainer auf, das einen (unechten) Totenkopf zeigt, dem eine Polizeimütze aufgesetzt ist. Im oberen Bereich des Fotos ist durch das Fenster der Straßenbereich vor dem Schutzobjekt zu erkennen, wobei im Bild nur ein schmaler Ausschnitt des Fensters zu sehen ist. Die Schule selbst ist nicht im Bild. Der Kopf einer auf der Straße vorbeigehenden Person ist nicht zu erkennen. Es wird Bezug genommen auf die Anlage K 7a (Bl. 76 d.A.). Der Totenkopf wurde von einem Kollegen des Klägers in der Pause in einem in der Nähe des Postencontainers befindlichen Geschäft gekauft. Der Kollege des Klägers setzte dem Totenkopf seine Polizeimütze auf. Beide machten Fotos hiervon. Anfang 2011 lud der Kläger das mit seinem Handy aufgenommene Foto auf seine Facebook-Seite hoch, wo es zumindest vom Bruder des Klägers eingesehen und kommentiert wurde mit dem Satz: „hey Bruderherz, machst du Pause???“. Bei der Facebook-Seite verwendete der Kläger statt seines eigenen Namens den Namen „Th. O.“ als Pseudonym.

Das Foto wurde am 21.03.2013 von einem Mitarbeiter der Beklagten auf Facebook entdeckt. Am 02.04.2013 erhielt die Beklagte Hinweise, dass der Umstand, dass das Foto in dem Postencontainer vor der Ta. T. Schule aufgenommen wurde, in den Medien thematisiert wurde. Der Kläger wurde in einem persönlichen Gespräch am 02.04.2013 aufgefordert, zu dem Vorgang bis zum 05.04.2013 Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 04.04.2013 konkretisierte die Beklagte ihre Vorwürfe (Anlage K 6, Bl. 62 d.A.). Hierzu nahm der Kläger mit Schreiben vom 05.04.2013 Stellung (Anlage K 7, Bl. 68 ff. d.A.).

Die Beklagte wirft dem Kläger weiteres Fehlverhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten in den letzten Jahren seit 2009 vor, das Eingang in die Personalakte des Klägers gefunden hat und zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist (es wird Bezug genommen auf die in der Personalratsanhörung vom 08.04.2013 von der Beklagten aufgelisteten Fälle, Anlage B 1, Bl. 18 f. d.A.). Hierbei geht es u.a. um die - vom Kläger bestrittene - Behauptung der Beklagten, er habe im Kollegenkreis geäußert, jeder solle das Buch „Mein Kampf“ im Haus haben. In einem Vermerk vom 25.03.2013 heißt es zu dem Vorgang:

Aus dem Vermerk geht hervor, dass Herr W. im Beisein von Herrn K. (ebenfalls AiP) vor längerer Zeit (Datum nicht bekannt) in einem Gespräch über wirtschafts- und allgemeinpolitische Themen angemerkt haben soll, dass jeder das Buch „Mein Kampf“ im Haus haben sollte. Ein näherer Kontext wird nicht erwähnt.

Zu dieser Aussage befragt, gibt Herr W. an, dass das so nicht richtig sei. Er habe zwar über das Buch mein Kampf gesprochen, allerdings in dem Zusammenhang, dass er als Jugendlicher begonnen habe, dieses Buch zu lesen, dieses aber sehr schnell aufgegeben habe.

Da aus arbeitsrechtlicher Sicht auch die Aussage, jeder solle dieses Buch im Haus haben, so ohne weiteren Zusammenhang nicht zu würdigen ist, wurde Herr W. lediglich darauf hingewiesen, er möge im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten in Zukunft sensibler reagieren.

Es wird Bezug genommen auf das Anlagenkonvolut K 6 (Bl. 67 d.A.).

Mit Datum vom 18.05.2012 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben mit dem Betreff „Unangemessene Auffälligkeiten Ihrer Verhaltensweise im Umgang mit Arbeitskollegen“ (Anlagenkonvolut K 6, Bl. 65 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 19.06.2012 (Anlage K 11, Bl. 82 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit:

Entgegen dem Hinweis, die Pflichtenmahnung vom 18.05.2012 in ihre Personalakte abzulegen, verbleibt das Schreiben als Beurteilungsvermerk an Ihrer Dienststelle. Mit der Fertigung der nächsten Beurteilung ist das Verhalten zu bewerten, der Vermerk anschließend zu vernichten.

Sollten Sie sich jedoch bis zur nächsten Beurteilung erneut im Umgang mit Arbeitskollegen unangemessen verhalten, werden durch die Personalabteilung arbeitsrechtliche Konsequenzen geprüft.

Mit Datum vom 15.10.2012 erhielt der Kläger eine Beurteilung. Diese enthält u.a. folgende Gesamtbewertungen:

Denken und Urteilen

Herr W. löst Routineaufgaben und -situationen gut. Er kann sich Wissen selbst erarbeiten und zeigt Bereitschaft zur regelmäßigen Fortbildung

 (...)

Umgang mit anderen / Kommunikation

Herr W. verfügt über einen differenzierten Wortschatz und formuliert klar. In der Regel ist er freundlich und überwiegend hilfsbereit.

Es wird Bezug genommen auf die Anlage K 12 (Bl. 83 ff. d.A.). Der Kläger wurde rückwirkend zum 01.08.2012 höhergruppiert.

Mit Schreiben vom 08.04.2013 beteiligte die Beklagte den Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung (Anlage B 1, Bl. 18 ff. d.A.). Zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung nahm der Personalrat ausdrücklich keine Stellung (Anlage B 2, Bl. 21 d.A.), dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung widersprach der Personalrat zwischenzeitlich.

Mit Schreiben vom 11.04.2013, dem Kläger zugegangen am 12.04.2013, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2013, eingegangen beim Gericht per Fax am selben Tag, hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die der Beklagten am 30.04.2013 zugestellt worden ist.

Der Kläger trägt vor, dass er das Foto mit dem Totenschädel aufgrund eines Fehlers bei den Privatsphäre-Einstellungen Dritten zugänglich gemacht habe. Das Foto habe nur für Facebook-Freund zugänglich sein sollen. Wenn die Beklagte ihn gleich am 21.03.2013 auf das Foto angesprochen hätte, hätte er es sofort aus dem Internet entfernt. Hierdurch wäre die mediale Aufmerksamkeit vermieden worden. Das Foto könne auch nicht als Anlass für eine Kündigung herhalten. Keinesfalls habe er sich fremdenfeindlich oder antisemitisch geäußert oder äußern wollen. Eine Ähnlichkeit des Totenkopfes mit dem Uniform-Abzeichen der SS-Verbände bestehe nicht. Auch wenn die Beklagte das Foto als „geschmacklos“ und „befremdlich“ bezeichne, reiche dies für eine Kündigung nicht aus. Etwaige Vorwürfe, er habe sich gegenüber Kollegen mit Migrationshintergrund herablassend verhalten seien unzutreffend. Auch der Vorwurf, er habe sich der Anweisung eines Vorgesetzten im Hinblick auf seine Dienstkleidung widersetzt, stimme nicht, da er nur gescherzt habe. Außerdem habe er sich nach dem Vorfall entschuldigt. Am 15.05.2011 habe es zwar ein Kritikgespräch u.a. mit der damaligen Vorgesetzten gegeben aufgrund eines behaupteten - und unzutreffenden - ausländerfeindlichen und frauenfeindlichen Verhaltens. Allerdings habe seine damalige Vorgesetzte auf dem Vermerk vom 04.07.2011 handschriftlich ergänzt: „Am 2.11.11 mit Kollege Sch. gesprochen. Keine weiteren Vorkommnisse. Vermerk hat sich erledigt“ (Anlage K 17, Bl. 150 d.A.). Diesen entlastenden Sachverhalt habe die Beklagte dem Personalrat nicht mitgeteilt. Da sie die Pflichtenmahnung vom 18.05.2012 hätte vernichten müssen, hätte sie dem Personalrat die darin erhobenen Vorwürfe nicht mehr mitteilen dürfen. Auch habe die Beklagte dem Personalrat nicht mitgeteilt, dass der Kläger im September 2011 ein interkulturelles Seminar besucht habe (Anlage K 13, Bl. 95 d.A.). Zusammengenommen sei der Personalrat unzutreffend bzw. nicht ausreichend unterrichtet worden. In einem Aktenvermerk vom 21.03.2013 sei der „Vorfall“ mit dem Foto beschrieben worden, sodass die Beklagte ab diesem Zeitpunkt Kenntnis des Sachverhalts gehabt habe. Die Kündigung sei nicht innerhalb der zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden.

Nach der Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags sowie der übereinstimmenden Erledigungserklärungen hinsichtlich des Antrags auf Entfernung des Schreibens vom 18.05.2012 aus der Personalakte beantragt der Kläger zuletzt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 11.04.2013, zugegangen am 12.04.2013, nicht aufgelöst worden ist,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag vom 01.08.2003 und Änderungsvertrag vom 15.11.2012 als Angestellten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.04.2013 wirksam beendet worden sei. Das Foto sei dem Dienstbetrieb zuzuordnen, was an der Anmerkung des Bruders des Klägers auch deutlich geworden sei. Außerdem sei zu erkennen gewesen, dass das Foto vor der J.-C.-Schule aufgenommen worden sei. Diese Verbindung zwischen dem Foto und der jüdischen Schule sei zumindest geschmacklos und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte äußerst befremdlich. Bereits in der Vergangenheit habe es Beschwerden wegen ausländerfeindlich empfundener Verhaltensweisen des Klägers gegeben. Beispielsweise habe der Kläger zu einem Kollegen gesagt, dass jeder „Mein Kampf“ zu Hause haben sollte. Auch wenn die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren mangels eines Strafantrags eingestellt habe, sei das Verhalten des Klägers nach Aussage der Staatsanwaltschaft dienstrechtlich nicht hinnehmbar. Aufgrund der aufgetretenen Beschwerden in der Vergangenheit sei der komplexe Eindruck entstanden, dass der Kläger fremdenfeindlich sei. Eine Weiterbeschäftigung sei der Beklagten nicht zumutbar, da durch das Verhalten des Klägers und der dadurch bedingten medienwirksamen Außendarstellung der Betriebsfrieden stark belastet sei.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, ihrer Beweisantritte und der eingereichten Unterlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde durch die fristlose Kündigung vom 11.04.2013 nicht beendet Der Kläger hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

I.

1. Die Klage ist zulässig.

Das für die Feststellungsanträge erforderliche besondere Feststellungsinteresse folgt schon aus der Fiktion der Kündigungen als sozial gerechtfertigt nach §§ 13 Abs. 1 S. 2, 4 S. 1, 7 KSchG, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, unabhängig davon, ob die nach § 23 KSchG für die Anwendbarkeit des § 1 KSchG maßgebliche Beschäftigtenzahl erreicht ist.

2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

a. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 11.04.2013 ist unwirksam. Weder liegen in der Person des Klägers noch in seinem Verhalten Gründe vor, die den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung rechtfertigen könnten.

aa. Das Verhalten des Klägers stellt keinen wichtigen Grund iSd § 626 BGB dar.

 (1) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (BAG v. 07.07.2005 - 2 AZR 581/04 -, juris; BAG v. 25.03.2004 - 2 AZR 341/03 -, juris).

Nach dieser Bestimmung ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Es ist zunächst zu prüfen, ob ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß bzw. der Kündigungssachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung abzugeben. In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann zu klären, ob es dem Arbeitgeber im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen zumutbar ist, den Arbeitnehmer auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen (BAG v. 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 -, juris).

 (2) Es fehlt vorliegend bereits an einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Klägers, die an sich als wichtiger Grund in Betracht kommt, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Maßgeblich ist vorliegend der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe im Postencontainer vor der jüdischen Ta. T.-Schule ein Foto mit einem Totenschädel aufgenommen, auf den eine Polizeimütze gesetzt war, und dieses Foto auf seine Facebook-Seite gestellt. Die anderen Vorwürfe, die die Beklagte erhoben hat, stellen nach dem Vortrag der Beklagten und dem Inhalt der Personalratsanhörung hingegen keine eigenständigen Kündigungsgründe dar, wobei die entsprechenden Sachverhalte ohnehin weit außerhalb der zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB liegen.

Die Verherrlichung des Nationalsozialismus ist als Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst grundsätzlich geeignet. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L müssen sich die Beschäftigten durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich - bei verfassungskonformer Auslegung der Tarifvorschrift - nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist. Der Beschäftigte schuldet lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unverzichtbar ist. Auch Arbeitnehmer, die nur eine „einfache“ politische Treuepflicht trifft, müssen aber ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Auch außerhalb ihrer Arbeitszeit sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen. Handelt ein Arbeitnehmer diesen Anforderungen zuwider, kann dies ein Grund für eine verhaltensbedingte - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich (BAG v. 06.09.2012 - 2 AZR 372/11 -, juris Rn. 17 f. m.w.N.; ähnlich BAG v. 12.05.2011 - 2 AZR 479/09 -, juris Rn. 28 ff.).

Entsprechendes gilt für die Beleidigung oder gar Bedrohung von Kollegen oder Dritten während der Dienstausübung. Auch in solchen Verhaltensweisen kann grundsätzlich ein Grund für eine außerordentliche Kündigung zu sehen sein (vgl. KR-Fischermeier, 10. Aufl. 2013, § 626 BGB Rn. 88).

Vorliegend unterliegt der Kläger als Angestellter im Polizeidienst mit hoheitlichen Befugnissen zwar einer gesteigerten Loyalitätspflicht. Nach Überzeugung der Kammer ist das vom Kläger aufgenommene und auf seine Facebook-Seite gestellte Foto nicht unter die vorgenannten Fallgruppen zu subsumieren. Ein Bezug zum Nationalsozialismus oder eine antisemitische Aussage vermag die Kammer weder in dem Foto selbst noch in einer etwaigen Verknüpfung mit dem Postencontainer vor dem Schutzobjekt, der jüdischen Schule, zu erkennen. Bei dem fotografierten Totenkopf bestehen keine Ähnlichkeiten zu dem von nationalsozialistischen Organisationen verwendeten Totenkopf. Eine solche Ähnlichkeit wurde von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Allein das Foto eines Totenkopfes, das in der Arbeitspause aufgenommen wurde, stellt keine Vertragspflichtverletzung dar. Totenköpfe haben vielfältige Bedeutungen. Es kommt immer auf den Kontext an, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll. Der Totenkopf findet Verwendung in Jugendkulturen, bei einem Fußballverein, der im Stadtbild in Ha. und auf Kleidungsstücken präsent ist, als Gefahrzeichen, zur Warnung oder aber auch zur Drohung. Bei Wikipedia (de.wikipdedia.org) wird unter dem Stichwort „Totenkopf (Symbol)“ ausgeführt:

 „Der Totenkopf dient im Allgemeinen der Symbolisierung oder gar Androhung von physischer Lebensgefahr und Tod, der Vergänglichkeit menschlichen Lebens im Vergleich zur unsterblichen Seele sowie der gesamten physikalischen Welt im Vergleich zu geistlichen Werten, die durch die Religion verkörpert werden.“

Vorliegend fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Totenkopf vom Kläger eine politische Aussage zugeschrieben wurde. Selbst wenn man die von der Beklagten äußerst pauschalen Vorwürfe hinsichtlich eines etwaigen fremdenfeindlichen Verhaltens in der Vergangenheit als zutreffend unterstellen würde, ist ein Zusammenhang mit dem Totenkopf gleichwohl nicht erkennbar. Dass sich der Kläger mit dem Totenkopf in fremdenfeindlicher oder antisemitischer Weise positionieren wollte, wird von der Beklagten nicht vorgetragen. Der Beklagten ist Recht zu geben, dass es geschmacklos ist, in dem Postencontainer vor der jüdischen Schule Fotos mit einem Totenkopf und einer Polizeimütze aufzunehmen. Dieser Umstand allein ist jedoch für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht ausreichend. Es ist auch von besonderer Bedeutung, dass sich die Beklagte auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten verlassen kann. Auch die Schüler, Lehrer und sonstigen Personen, die sich in dem Schutzobjekt aufhalten, müssen sicher sein, dass der Staat seinen Aufgaben nachkommt, die Sicherheit zu gewährleisten. Jedoch ist vorliegend nicht zu erkennen, dass der Kläger eine Verknüpfung zwischen dem Totenkopf und dem Schutzobjekt herstellen wollte. Der Ort des Fotos ist nur für Eingeweihte zuzuordnen, die im oberen Bildbereich durch das Fenster des Postencontainers die Straße vor dem Schutzobjekt wiedererkennen können. Das Schutzobjekt selbst ist auf dem Bild nicht zu sehen. Insofern ist es nicht naheliegend und ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, dass der Kläger den Totenkopf in Beziehung zu dem Schutzobjekt setzen wollte, um beispielsweise dort beschäftigte Mitarbeiter oder die Schüler zu verunglimpfen oder zu bedrohen. Es stellt sich vielmehr für die Kammer so dar, dass es dem Kläger nicht auf den Ort des Fotos ankam. Auch der Fensterausschnitt mit der Straßenszene ist nicht bewusst gewählt. Vielmehr erscheint es rein zufällig, dass das Foto im Postencontainer vor der jüdischen Schule aufgenommen wurde, weil der Kläger hier gerade Dienst hatte. Das Foto hätte aber genauso an einem anderen Ort aufgenommen werden können, wenn der Kläger dort Dienst gehabt hätte.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Kläger durch die Aufnahme des Fotos keine so schwerwiegende Arbeitsvertragsverletzung begangen hat, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Ob in der Aufnahme des Fotos überhaupt eine Arbeitsvertragsverletzung zu sehen ist, musste die Kammer nicht entscheiden. Aber auch aus dem Umstand, dass der Kläger das Foto auf die Facebook-Seite hochgeladen und für Dritte zugänglich gemacht hat, folgt keine andere Bewertung. Soweit man in der Präsentation von Dienstkleidung im Zusammenhang mit einem Totenkopf einen Verstoß gegen die Loyalitätspflicht sehen kann, ist dieser nicht so schwerwiegend, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Eine politische Bekundung oder gar eine Drohung kann in dem Hochladen des Fotos nicht gesehen werden. Das Foto erscheint auf der Facebook-Seite in keinem anderen Kontext. Schließlich ist sogar fraglich, ob der Bruder des Klägers überhaupt erkannt hat, dass das Foto vor der Ta. T. Schule aufgenommen wurde. Der Bruder des Klägers hat mit seinem Kommentar lediglich Bezug zum Dienst des Klägers genommen. Hierdurch wird die Vertrauensgrundlage nicht so schwer geschädigt, dass der Beklagten selbst das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten wäre.

bb. Der von der Beklagten dargelegte Sachverhalt vermag auch keine außerordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen zu tragen.

 (1) Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen. Im öffentlichen Dienst kann sich ein - nicht behebbarer - Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L legt zwar in erster Linie Verhaltensanforderungen fest. Die Regelung beschreibt aber zugleich das notwendige Maß an Verfassungstreue, das ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst mitbringen muss, um seine Arbeitsaufgaben vertragsgerecht zu erfüllen; mit diesen Anforderungen ist die Verfassungstreue Bestandteil des Begriffs „Eignung“ in Art. 33 Abs. 2 GG (BAG v. 06.09.2012 - 2 AZR 372/11 -, juris Rn. 19 m.w.N.)

 (2) Vorliegend war ein solcher Eignungsmangel des Klägers für seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst nicht erkennbar. Ob die Beklagte überhaupt eine personenbedingte Kündigung aussprechen wollte, wird weder aus der Personalratsanhörung noch aus dem Vortrag im Verfahren deutlich. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da es jedenfalls an den Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung fehlt. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich der Kläger nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennt. Wie bereits dargelegt, bietet das Foto aus Sicht der Kammer keinen Anlass, an der grundsätzlichen Eignung des Klägers für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu zweifeln. In dem Foto ist weder ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus noch eine antisemitische oder fremdenfeindliche Äußerung zu sehen. Auch die weiteren Vorfälle, die die Beklagte vorgetragen hat, sind nicht dazu geeignet, die Eignung des Klägers in Abrede zu stellen. Die Beklagte wirft dem Kläger zwar vor, er habe gesagt, jeder solle Mein Kampf zu Hause haben. Diese Behauptung wurde von der Beklagten nicht näher spezifiziert. Der Kontext dieser vom Kläger bestrittenen Aussage ist nicht ersichtlich. Offensichtlich hat die Staatsanwaltschaft diese Aussage nur unter dem Aspekt der Beleidigung eines Kollegen geprüft. Die Beklagte hat den Vorgang zum Anlass genommen, den Kläger darauf hinzuweisen, „er möge im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten in Zukunft sensibler reagieren“ (Vermerk vom 25.03.2013, Anlagenkonvolut K 6, Bl. 67 d.A.). Insofern ging die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt des mit dem Vermerk in Bezug genommenen Personalgesprächs vom 19.12.2012 nicht davon aus, dass sich der Kläger positiv zum Nationalsozialismus äußern wollte. Auch die weiteren Vorwürfe der Beklagten, der Kläger sei „bereits in der Vergangenheit (...) durch Verhaltensweisen aufgefallen, die den Verdacht erwecken, ausländerfeindliche bzw. antisemitische Tendenzen zu haben“ - so die Beklagte in der Personalratsanhörung - führen vorliegend nicht zu hinreichenden Zweifeln an der Verfassungstreue und gebotenen Loyalität des Klägers. Dass die Beklagte in diesen Umständen keinen Eignungsmangel gesehen hat, folgt bereits daraus, dass diese der Beklagten seit längerer Zeit bekannt waren und sie den Kläger gleichwohl im Jahr 2012 positive beurteilt und höhergruppiert hat. Das Bekanntwerden des Fotos, das der Kläger im Jahr 2007 aufgenommen hat, mithin vor knapp sechs Jahren, führt nicht zu einer anderen Bewertung des Sachverhalts.

 (3) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es bereits an einer Arbeitsvertragsverletzung fehlt, die als Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet wäre. Auch fehlt dem Kläger nicht generell die Eignung zur Dienstausübung. Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß war, weil dem Personalrat etwaige entlastenden Umstände nicht mitgeteilt wurden, oder ob die Beklagte die zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat, wozu es an einem ausreichenden Vortrag fehlt.

b Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Angestellten weiterzubeschäftigen.

Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung (§§ 611, 613, 242 BGB). Stellt ein Arbeitsgericht fest, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung unwirksam ist, hat der Arbeitgeber an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers kein schützenswertes Interesse mehr. Hierfür wären zusätzliche Umstände erforderlich, aus denen sich im Einzelfall ein besonderes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (vgl. BAG GS v. 27.2.1985 - GS 1/84 -, juris).

Die Kündigung der Beklagten zum 11.04.2013 ist aus den dargelegten Gründen unwirksam. Dementsprechend besteht grundsätzlich ein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Zusätzliche Umstände, aus denen sich ein besonderes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Klägers ergeben könnte, hat die Beklagte hingegen nicht dargetan.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Für den allgemeinen Feststellungsantrag, den der Kläger zurückgenommen hat, waren ihm nicht nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Kosten aufzuerlegen, da dieser nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen war. Soweit die Parteien die Klage hinsichtlich der Entfernung des Schreibens vom 18.05.2012 aus der Personalakte übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 19.06.2012 sowie der erfolgten Beurteilung hatte der Kläger Anspruch auf Entfernung des Schreibens aus der Personalakte, sodass nach billigem Ermessen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen waren.

Der im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 3 GKG. Maßgeblich waren die zuletzt gestellten Anträge. Die Kündigung hat die Kammer mit drei Bruttomonatsgehältern bewertet (§ 42 Abs. 3 GKG), den Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Bruttomonatsgehalt.

Die Zulässigkeit der Berufung hinsichtlich der Bestandsschutzanträge ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 c) ArbGG. Für den Weiterbeschäftigungsantrag ergibt sich die Zulässigkeit der Berufung aus § 64 Abs. 2 b) ArbGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes € 600,00 übersteigt. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor. Soweit der Beklagten die Kosten hinsichtlich des erledigten Antrags aufzuerlegen waren, besteht die Möglichkeit, nach Maßgabe des § 91a ZPO analog sofortige Beschwerde einzulegen.



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