Sozialgericht Dortmund
Urteil vom - Az: S 17 U 237/18
Sturz beim Firmenlauf ist kein Arbeitsunfall
(2.) Etwaige Verletzungen, die im Rahmen einer solchen Veranstaltung herrühren, stellen demnach keinen Arbeitsunfall dar.
(Redaktionelle Orientierungssätze)
Die beim Jobcenter beschäftigte Klägerin nahm zusammen mit 80 weiteren Beschäftigen an einem Firmenlauf teil. Das Sportereignis wurde von einem privaten Veranstalter für eine Vielzahl von Firmen und deren Beschäftigten organisiert. Die Klägerin stürzte während des Firmenlaufs und brach sich das rechte Handgelenk. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfalls ab. Nach ihrer Auffassung habe es sich bei dem Firmenlauf weder um Betriebssport noch um eine Gemeinschaftsveranstaltung des Jobcenters gehandelt. Hiergegen wandte sich die Klägerin ohne Erfolg.
Der Firmenlauf stehe in keinem wesentlichen Zusammenhang mit der für das Unternehmen dienenden Tätigkeit, so dass für den Sturz kein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe – so das SG. Auch sei die Teilnahme an einem Firmenlauf nicht als Betriebssport zu werten, da dieser Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter besitze und dazu – anders als bei einem Firmenlauf - regelmäßig stattfinden müsse. Weiterhin handele es sich bei einem Firmenlauf nicht um eine unfallversicherungsrechtlich geschützte Gemeinschaftsveranstaltung. Der Arbeitgeber habe die Veranstaltung lediglich beworben und gemeinsame Trikots gestellt, nicht jedoch selbst organisiert. Demnach habe es sich nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zum Zwecke der Förderung der Betriebsgemeinschaft gehandelt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
(Redaktionelle Zusammenfassung)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die im Jahre XXXX geborene, im K beschäftigte Klägerin nahm am XX.XX.XXXX mit Arbeitskollegen zusammen an einem von der Firma C GmbH veranstalteten Firmenlauf teil, stürzte dabei und erlitt u.a. eine Fraktur des rechten Handgelenkes.
Die Beklagte führte Ermittlungen durch zu den Modalitäten der Veranstaltung. Mit Bescheid vom 06.07.2017 erklärte die Beklagte dann, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung könnten der Klägerin nicht gewährt werden. Zur Begründung ist ausgeführt, der Firmenlauf sei kein Betriebssport gewesen. Es habe sich auch nicht um eine Gemeinschaftsveranstaltung des K gehandelt.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, welchen sie damit begründete, dass insgesamt 80 Kollegen des K an dem Lauf teilgenommen hätten. 120 hätten sich angemeldet gehabt. Ihr Arbeitgeber habe die Veranstaltung beworben und genehmigt. Auch habe er Trikots gestellt und die Startgebühr entrichtet. Von Bedeutung sei auch, dass die Veranstaltung durch den Oberbürgermeister eröffnet worden sei und dieser betont habe, dass jeder Kollege, wenn auch nur als Zuschauer, daran teilnehmen könne.
Mit Bescheid vom 21.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, dass es sich nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, weil die Befriedigung sportlicher Interessen im Vordergrund gestanden habe. Die Veranstaltung sei entsprechend auch als Deutsche Firmenlaufmeisterschaft ausgeschrieben gewesen. Eine Veranstaltung, an der im Übrigen prinzipiell jedermann habe teilnehmen können, sei im Übrigen nicht geeignet, das Gemeinschaftsgefühl der Betriebsangehörigen zu stärken. Als Betriebssport könne die Veranstaltung ebenso wenig angesehen werden. Insoweit fehle es an dem erforderlichen Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit, worunter die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Häufigkeit von mindestens einmal im Monat verstehe.
Hiergegen ist am 26.03.2018 beim erkennenden Gericht Klage erhoben worden.
Die Klägerin wiederholt zur Begründung der Klage ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, alle Kriterien, welche die Rechtsprechung für die Annahme einer Betriebsveranstaltung aufgestellt habe, seien erfüllt. Maßgebend sei, dass der Personalrat die Teilnahme organisiert habe. Unerheblich sei, dass eine Fremdfirma die Veranstaltung organisiert gehabt habe. Der Veranstalter sei beliebig austauschbar. Wichtig sei hingegen der Inhalt der Veranstaltung. Insofern sei von Bedeutung, dass es nicht um den Leistungsgedanken gegangen sei, sondern um die sportliche Betätigung und damit um die Gesundheit der Mitarbeiter. Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2018 zu verurteilen, das Ereignis vom XX.XX.XXXX als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und trägt ergänzend vor, die Argumentation der Klägerin könne nicht überzeugen, nachdem insgesamt 10.000 Menschen an der Veranstaltung teilgenommen hätten und angesichts der Ausschreibung als Deutsche Firmenlaufmeisterschaft sehr wohl die Veranstaltung einen Wettkampf dargestellt habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2018 ist nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung der Kammer hat es sich bei dem streitbefangenen Ereignis vom XX.XX.XXXX nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Die Klägerin ist im vorliegenden Fall nicht als Beschäftigte i.S. des § 2 Abs. 1 N. 1 SGB VII versichert gewesen. Den hier streitbefangenen Unfall hat sie nicht bei Ausübung ihrer Beschäftigung als solcher erlitten und auch nicht bei einer Aktivität, die mit der Beschäftigung in engem rechtlichen Zusammenhang steht. Einer der Tatbestände, die in Rechtsprechung und Literatur als in engem Zusammenhang mit der Beschäftigung als solcher stehend anerkannt sind, besteht in der Durchführung von Betriebssport. Dieser Tatbestand ist im vorliegenden Fall indes im Ergebnis nicht einschlägig. Betriebssport muss Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter besitzen und diesen Ausgleichszweck durch Regelmäßigkeit anstreben (vgl. Bereiter-Hahn / Mehrtens, Rz. 7.12 zu § 8 SGB VII). Hier hat es sich demgegenüber um ein nur einmal jährlich stattfindendes Ereignis gehandelt, welches zudem mindestens auch einen Wettkampf dargestellt hat. Der Umstand, dass auf dieses Ereignis von den Teilnehmern gemeinschaftlich hintrainiert worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts, denn das Training hat nicht regelmäßig über einen unwesentlichen Zeitraum hinausgehend stattgefunden.
Ein weiterer Tatbestand ist die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Maßgebend ist dabei das arbeitgeberseitig verfolgte Ziel, mit der Veranstaltung die Betriebsgemeinschaft zu fördern (vgl. Bereiter- Hahn / Mehrtens, Rz. 7.20 zu § 8 SGB VII). Die Zurechnung zur versicherten Beschäftigung erfolgt, weil der Beschäftigte wegen seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers durch seine freiwillige, aber vom Unternehmer erwünschte und erbetene Teilnahme das erklärte Unternehmensinteresse unterstützt, durch die Gemeinschaftsveranstaltung den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung zu fördern (vgl. BSG, Urteil v. 22.09.2009, Az.: B 2 U 27/08 R, UV-Recht Aktuell 2010, S. 275 ff.). Dieser Tatbestand ist zur Überzeugung der Kammer im vorliegenden Falle ebenso wenig erfüllt. Zwar hat der Arbeitgeber der Klägerin durch bestimmte Fördermaßnahmen, wenn auch nicht durch die Gutschrift von Arbeitszeit, die Teilnahme seiner Mitarbeiter an der streitbefangenen Veranstaltung unterstützt, es hat sich bei der Veranstaltung indes schlechterdings nicht um eine Veranstaltung des K gehandelt, sondern die Veranstaltung als Firmenlauf mit anschließendem gemütlichen Beisammensein stand auch vielen anderen Firmen und Einrichtungen und deren Mitarbeitern offen. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Beklagten dem Grunde nach unschädlich, dass das K nicht die Organisation innehatte, sondern die Firma C GmbH, denn auch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung kann organisatorisch ausgelagert werden. Die hier streitbefangene Veranstaltung wurde indes von der Firma C GmbH nicht allein auf die Mitarbeiter des K abzielend organisiert, sondern für eine Vielzahl anderer Firmen und Organisationen und deren Beschäftigten. Es hat sich um eine groß angelegte Veranstaltung gehandelt, die eine Anzahl von Laufteilnehmern angezogen hat, von denen die Läufer der Einrichtung der Klägerin nicht einmal 1 % ausgemacht haben. Es hat auch innerhalb dieser Großveranstaltung, etwa im Anschluss an den Lauf ersichtlich keine weitere Veranstaltung gegeben, die sich etwa allein an die Mitarbeiter des K gerichtet hätte, um spezifisch deren Zusammenhalt zu fördern. Letzteres wäre im Übrigen misslungen, nachdem bei dem Firmenlauf überhaupt nur etwa 80 von mehr als 1000 Mitarbeitern des K gestartet sind. Der Akte der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zu entnehmen, dass der Personalrat des K nicht unerhebliche Schwierigkeiten hatte, eine repräsentative Anzahl von Beschäftigten dafür zu gewinnen, entweder als Läufer an der Veranstaltung teilzunehmen oder auch nur als Fans die Veranstaltung zu besuchen. Soweit der Vortrag der Beklagten zutrifft, dass die Gesamtveranstaltung unter dem Titel "Deutsche Firmenlaufmeisterschaft" ausgeschrieben und beworben war, würde die Kammer auch mit der Beklagten erhebliche Bedenken haben, dem Firmenlauf den Charakter eines Events zum besseren Kennenlernen und Verstehen beizumessen und nicht deutlich überwiegend den eines sportlichen Wettkampfes. Die Kammer konnte es indes dahinstehen lassen, ob dieser Vortrag der Beklagten zutrifft, denn der Tatbestand einer unfallversicherungsrechtlich geschützten Gemeinschaftsveranstaltung des K ist bereits aus genannten anderen Gründen nicht erfüllt. Geradezu abwegig erscheint der Kammer die Auffassung der Klägerin, die Meinung des Oberbürgermeisters der Stadt E, die Veranstaltung sei geeignet, Zusammengehörigkeit darzustellen und zu praktizieren, könne irgendeinen gestaltenden Einfluss auf die Rechtslage haben, Dabei ist der Kammer angesichts der vielen unterschiedlichen Organisationen, die teilgenommen haben, bereits unklar, welche Zusammengehörigkeit konkret gefördert werden sollte. Am nächstliegenden erscheint der Kammer angesichts des Charakters der Veranstaltung der Gedanke, dass eine gewisse Zusammengehörigkeit derjenigen Personen gefördert werden sollte, die sich dem Laufen verschrieben haben. Diese Gruppe stellt indes keine Beschäftigtengruppe dar, sondern eine durch ein gemeinsames Hobby verbundene Gruppe.
Die Klage war daher abzuweisen, wobei sich die Kostenentscheidung aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes ergibt.