Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 7 Ca 1140/20

Sind Wochenfeiertage bei zusammenhängender Urlaubsgewährung hinzuzurechnen?“

Eine zusammenhängende Urlaubsgewährung über mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage liegt auch dann vor, wenn in diesem Zeitraum ein Wochenfeiertag fällt und der Arbeitnehmer daher einen Urlaubstag weniger „verbraucht“.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 286,79 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.03.2020 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 69 % und die Beklagte zu 31 %.

4. Der Streitwert wird auf 1.720,80 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche.

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 01.02. - 27.11.2019 als kaufmännische Mitarbeiterin zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.106,95 EUR beschäftigt. Ihr stehen pro Jahr 24 Urlaubstage bei einer Fünftagewoche zu. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nahm sie 20 Urlaubstage, am 15. und 22.02. (je 1 Tag), vom 01. - 06.03. (4 Tage), vom 02. - 03.05. (2 Tage), am 31.05. (1 Tag), vom 11. - 12.06. (2 Tage) und vom 30.09. - 11.10.2019 (9 Tage).

Die Klägerin begehrt zunächst die ihr nicht gewährten 4 Urlaubstage zur Abgeltung sowie darüber hinaus unter Berufung auf § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG weitere 10 Tage. Hierzu vertritt sie die Ansicht, der Zeitraum von Montag, dem 30.09., bis Freitag, dem 11.10., umfasse nicht die ihr nach der gesetzlichen Regelung mindestens am Stück zu gewährenden zwei Urlaubswochen (also 10 Urlaubstage), da es sich bei dem 03.10. um einen Wochenfeiertag gehandelt und sie daher in den beiden Kalenderwochen insgesamt nur 9 Urlaubstage erhalten habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei ihr Urlaubsanspruch daher in Höhe von 2 Wochen nicht wirksam erfüllt, habe damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offengestanden und sei ihr nun abzugelten. Die Beklagte habe sie auch nicht darauf hingewiesen, dass sie zumindest 10 Urlaubstage am Stück hätte nehmen müssen.

Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hat,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.862,90 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21.03.2020 zu bezahlen,

und die Beklagte nach Abgabe eines Teilanerkenntnisses für 2 abzugeltende Urlaubstage mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Anerkenntnisurteil vom 30.06.2020 zur Zahlung von 286,80 EUR brutto verurteilt worden ist,

hat die Klägerin nach Neuberechnung ihrer Klageforderung zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.720,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21.03.2020 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Berufung der Klägerin auf § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG für rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin habe sämtliche Urlaubstage und -zeiten frei gewählt und sie nur noch hierüber informiert. Daher könne sie sich nicht darauf berufen, sie hätte mehr Urlaub am Stück erhalten müssen. Den Urlaubswünschen der Klägerin habe sie mangels entgegenstehender betrieblicher Gründe gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG entsprechen müssen, was ihr nun nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Der mit einer Urlaubsnahme verfolgte Erholungszweck sei nicht beeinträchtigt, da die Klägerin sich ihre Urlaubstage jeweils gezielt ausgesucht habe, insbesondere auch einzelne Brückentage. Die Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 2 sei gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG ohnehin abdingbar. Im Übrigen habe die Klägerin vom 28.09. - 13.10. sogar mehr als zwei Kalenderwochen am Stück frei gehabt, der Feiertag - selbst wenn man ihn nicht als Urlaubstag berücksichtigen wollte - spiele daher gar keine entscheidende Rolle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

 

Gründe

A. Die Klage ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.

1. Die Klägerin hat von den ihr für das Jahr 2019 zustehenden 24 Urlaubstagen unstreitig und durch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.07.2020 selbst eingereichten Monatsübersichten dokumentiert 20 Urlaubstage gewährt bekommen (15. und 22.02., 01. - 06.03., 02. und 03.05., 31.05., 11. und 12.06. sowie 30.09. - 11.10.). Für die restlichen 4 Tage ergibt sich ein Abgeltungsbetrag von (3.106,95 x 3 : 65 x 4 =) 573,59 EUR brutto. Davon verbleiben nach Abzug der durch das Teilanerkenntnisurteil der Klägerin bereits zugesprochenen 286,80 EUR noch 286,79 EUR brutto.

2. Darüber hinaus stehen der Klägerin keine Urlaubsabgeltungsansprüche zu.

a) Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG muss, wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden kann und der Arbeitnehmer insgesamt Anspruch auf mehr als 12 Werktage Urlaub hat, einer der Urlaubsteile mindestens 12 aufeinanderfolgende Werktage umfassen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung aus den sechziger Jahren (BAG 29.07.1965 AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG) insoweit bei einer Aufstückelung des Urlaubs - jedenfalls in Halbtages- oder sogar Stundenteile - einen Verstoß gegen den nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unabdingbaren gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch angenommen, da der "unersetzliche Wert des Erholungsurlaubs" seine Wirkung nur in einer "längeren geschlossenen Urlaubsperiode entfalten" könne, woran selbst ein Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Stückelung nichts ändere. In einem solchen Fall sei der Urlaubsanspruch nicht wirksam erfüllt und bestehe fort, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form eines Abgeltungsanspruchs, dessen Geltendmachung durch den Arbeitnehmer auch nicht rechtsmissbräuchlich sei.

b) Unabhängig von der Frage, ob die mit § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG verfolgte Intention, dem Arbeitnehmer eine längere Erholungsperiode zu gewähren, erst ab einer bestimmten Mindestdauer (etwa von 2 Wochen) erreicht werden kann (dagegen BeckOK-ArbR/Lampe, Stand: 01.09.2020, § 7 BUrlG Rn. 14), unabhängig davon, ob der Arbeitgeber, der den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zu beachten hat, sich dann auch im (erwünschten) Stückelungsfall auf eine Erfüllungswirkung berufen können muss (dafür LAG Niedersachsen 23.04.2009 - 7 Sa 1655/08; BeckOK-ArbR/Lampe, § 7 BUrlG Rn. 14) und unabhängig davon, ob die Geltendmachung eines Nachgewährungs- bzw. Abgeltungsanspruchs unter Berufung auf § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG für vom Arbeitnehmer frei bestimmte und gewählte Urlaubszeiten nicht schon von vornherein rechtsmissbräuchlich ist (vgl. hierzu LAG Niedersachsen 23.04.2009 - 7 Sa 1655/08), kann sich die Klägerin nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG berufen, da sie vom 30.09. - 11.10.2019 zwei Wochen von ihrer Arbeitsverpflichtung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt war und diese Zeitspanne durchgängig zur Erholung nutzen konnte.

aa) Ein "Verstoß" der Beklagten gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG liegt schon deshalb nicht vor, weil § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG die Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich vom für den gesetzlichen Mindesturlaub geltenden Unabdingbarkeitsschutz ausnimmt und daher auch die Arbeitsvertragsparteien - wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG vorliegen - eine andere Teilungsanordnung treffen können als die in § 7 Abs. 2 Satz 2 vorgesehene (LAG Niedersachsen 23.04.2009 - 7 Sa 1655/08; HWK/Schinz, 9. Aufl. 2020, § 7 Rn. 53; MH/Klose, 4. Aufl. 2018, § 86 Rn. 67; Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 11. Aufl. 2016, § 7 Rn. 61), jedenfalls solange dies nicht zu einer Atomisierung des Urlaubsanspruchs führt (BAG 29.07.1965 AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG; LAG Baden-Württemberg 06.03.2019 - 4 Sa 73/18; HWK/Schinz, § 13 Rn. 42). Eine solche Vereinbarung kann hier für die Zeit vom 30.09. - 11.10. angenommen werden, da die Klägerin ihren beantragten Urlaub unstreitig von der Beklagten gewährt bekommen hat. Selbst wenn man angesichts des Feiertags am 03.10. statt der auf die zwei Kalenderwochen grundsätzlich entfallenden 10 Urlaubstage nur von 9 gewährten Urlaubstagen ausgeht, handelt es sich bei diesem zusammenhängenden Teil des Jahresurlaubs um eine Zeitspanne, die den Erholungsanspruch der Klägerin durchaus angemessen berücksichtigt und ihn keineswegs atomisiert, wie es möglicherweise bei der singulären Gewährung einzelner Urlaubstage oder gar -stunden der Fall wäre. Dass ihr die Beklagte den kompletten Jahresurlaub iSv § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG hätte zusammenhängend gewähren müssen, behauptet die Klägerin selbst nicht - wohl auch vor dem Hintergrund, dass sie nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten ihre Urlaubszeiten stets selbst frei gewählt und die Beklagte hierüber nur noch informiert hat. Mithin liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG - dass der komplette Urlaub aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (hier dem Wunsch der Klägerin entsprechend [vgl. dazu generell LAG Niedersachsen 23.04.2009 - 7 Sa 1655/08]) nicht zusammenhängend gewährt werden konnte - vor.

bb) Aber auch unabhängig hiervon wäre die Beklagte ihrer Pflicht aus § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG nachgekommen.

Soweit die gesetzliche Regelung vorsieht, dass einer der Urlaubsteile "mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen" muss, ist dieses Erfordernis streng genommen auch bei einer Urlaubsperiode mit eingebettetem Wochenfeiertag erfüllt, da der "Urlaubsteil" sich um diesen Feiertag schließt und "zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfasst", wenngleich es sich dabei nicht um zwölf aufeinanderfolgende Urlaubswerktage handelt. Selbst wenn man diese Wertung nicht teilen wollte, ändert dies nichts. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 2 offenkundig einer - jedenfalls zu weitgehenden - Aufsplittung des Urlaubs entgegenwirken vor dem Hintergrund der Annahme, dass sich eine Erholungswirkung erst bei längerer Urlaubsdauer entfalten kann, wie das Bundesarbeitsgericht es in seiner oben zitierten Entscheidung ausdrücklich formuliert. Genau dieser Erholungszweck, 2 Wochen von der Arbeit freigestellt zu sein (da die 12 Werktage des § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG eine 6-Tage-Woche zugrundelegen [vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG]), wird aber auch erfüllt, wenn - wie hier - in diese 2-wöchige Freistellungsperiode ein Wochenfeiertag fällt, sodass der Arbeitnehmer an diesem Tag zwar nicht nach Urlaubs-, wohl aber nach Feiertagsrecht von seiner Arbeitsverpflichtung entbunden wird. Sinn und Zweck von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG sind in einem solchen Fall erfüllt, zumal der Arbeitnehmer für zwei Kalenderwochen - in einer Fünftagewoche - nicht 10, sondern nur 9 Urlaubstage verbraucht und den zehnten Tag zu einem anderen Zeitpunkt weiterhin als Urlaub einsetzen und mit ihm eine andere Urlaubsperiode verlängern kann (etwa als Brückentag). Es entspricht nicht nur allgemein vielfach gelebter Praxis, sondern bestätigt sich auch im Fall der Klägerin anschaulich, dass Arbeitnehmer häufig gezielt für Brückentage oder Wochen mit Wochenfeiertagen Urlaub beantragen, um mit weniger Aufwand (Einsatz an Urlaubstagen) denselben (Freistellungs-)Erfolg zu erzielen. So setzte die Klägerin im Mai 2 Urlaubstage (02. und 03.05.) im Anschluss an den Maifeiertag und 1 Urlaubstag (31.05.) im Anschluss an den Himmelfahrtstag als Urlaub ein, um dadurch 5 bzw. 4 freie Tage am Stück zu ihrer Erholung zu erwirken.

Sinn und Zweck der gesetzlich vorgesehenen durchgängigen zweiwöchigen Erholungsphase sind daher erfüllt, auch wenn die Klägerin hierfür nicht 10, sondern nur 9 Urlaubstage einsetzen musste. Dass der Gesetzgeber für einen solchen Fall gleichwohl 12 aufeinanderfolgende "Urlaubstage" hätte anordnen wollen, würde bedeuten, dass entweder eine Urlaubsperiode überhaupt nicht von einem Wochenfeiertag unterbrochen werden dürfte - da die Urlaubstage in diesem Fall streng genommen nicht aufeinanderfolgen - oder zumindest der Wochenfeiertag an den letzten Urlaubstag angehängt werden müsste, was dazu führen würde, dass der Arbeitnehmer statt eines Zeitraums von mindestens 12 freien Tagen (Montag der ersten bis Freitag der zweiten Woche) nunmehr mindestens 15 freie Tage (Montag der ersten bis einschließlich Montag der dritten Woche) beanspruchen könnte. Ein solches Verständnis von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG ist indes fernliegend und weder aus der Regelung selbst noch aus der ihr zugrundeliegenden Intention abzuleiten.

c) Die Klägerin kann daher nicht unter Berufung auf § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG weitere 10 Urlaubstage zur Abgeltung verlangen.

3. Daher war insgesamt zu entscheiden wie geschehen.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

C. Die Berufung war vorliegend nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt. Insbesondere bedurfte es auch im Hinblick auf § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG keiner Zulassung der Berufung, da durch das hier vertretene Verständnis der Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG die Klägerin beschwert wird und ihr Beschwerdewert die Schwelle des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschreitet.



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