Verwaltungsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 4 L 587/20

Polizist auf Probe kann wegen gewalttätigen Tritten entlassen werden

(1.) Ein Beamter auf Probe darf nach Tritten gegen einen am Boden liegenden und bereits fixierten Tatverdächtigen schon vor Ablauf der regulären Probezeit entlassen werden.

(2.) Ein Beamter auf Probe darf nur in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden, wenn er sich in der Probezeit hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat.

(3.) Steht die fehlende Befähigung fest, ist der Beamte zu entlassen. Ein Ermessen besteht insoweit nicht.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.688,82 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 29. Juli 2020 begehrt, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsgegner das besondere Interesse am Sofortvollzug der Entlassungsverfügung in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet hat. So hat er zum einen darauf abgestellt, dass der Verbleib im Beamtenverhältnis auf Probe verhindere, dass die Planstelle an einen anderen Bewerber vergeben werden könne und dies angesichts der begrenzten Zahl der Planstellen einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Personalhoheit der Dienstherren darstelle. Zum anderen führte der Antragsgegner fiskalische Interessen an und stellte weiterhin darauf ab, dass es mit dem Ziel der Wahrung von Akzeptanz und Legitimation des öffentlichen Dienstes gegenüber der Bevölkerung nicht vereinbar sei, einen Polizeibeamten, gegen den der begründete Verdacht einer gefährlichen Körperverletzung im Amt bestehe, im Dienst zu belassen. Insofern bestehe bei den Vorgesetzten keinerlei Vertrauen in die ordnungsgemäße Amtsführung des Antragstellers. All dies genügt der Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung führt vorliegend zur Ablehnung des Antrags. Bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Rechtslage ist davon auszugehen, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die Entlassungsverfügung erweist sich als offensichtlich rechtmäßig. Das private Interesse des Antragstellers, das Dienstverhältnis bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens fortsetzen zu können, tritt deshalb gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung zurück. Daran ändert auch die Dauer des Entlassungsverfahrens nichts. Denn dieses hat jedenfalls nicht so lange gedauert, dass das Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung verneint werden müsste. Die Anhörung zur Entlassung erfolgte mit Schreiben vom ..... Danach wurden noch Stellungnahmen eingeholt, unter anderem zu den unberechtigten Personenabfragen des Antragsstellers (vgl. die Stellungnahme vom ....).

Formelle Fehler der Entlassungsverfügung sind weder gerügt noch ersichtlich.

Materiell-rechtlich findet die Entlassungsverfügung ihre Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Hiernach kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat. Der Entlassungstatbestand steht im Zusammenhang mit § 10 Satz 1 BeamtStG, wonach in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nur berufen werden darf, wer sich in der Probezeit hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat. Steht die fehlende Befähigung fest, ist der Beamte zu entlassen. Ein Ermessen besteht insoweit nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1998 – 2 C 5.97 – juris).

Die Bewährung setzt voraus, dass der Probebeamte nach seiner Eignung und Befähigung sowie nach den von ihm in der Probezeit gezeigten Leistungen den Anforderungen, die mit dem auf Lebenszeit zu verleihenden Status verbunden sind, voraussichtlich gerecht werden wird. Der Begriff der Bewährung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen dem Antragsgegner ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt. Die Prognoseentscheidung des Dienstherrn ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt, ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BVerwG, Urteile vom 24. November 1983 – 2 C 28.82 – und 19. März 1998 – 2 C 5.97 –, jeweils juris). Dabei genügen bereits begründete ernsthafte Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung – hierzu zählt auch die charakterliche Eignung (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 – 2 B 18/16 – juris Rn. 26) – und Befähigung besitzt sowie die Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2019 – 2 A 15/17 – juris Rn. 54). Davon ausgehend ist die Einschätzung des Antragsgegners, der Antragsteller habe sich nicht bewährt, rechtlich nicht zu beanstanden.

Die mangelnde Bewährung ergibt sich für das Gericht bereits aus dem Geschehen vom ......, das die charakterliche Ungeeignetheit des Antragstellers in eindeutiger Weise offenbart. Das Gericht geht insoweit von dem Sachverhalt aus, wie er vom Antragsgegner in der angefochtenen Verfügung geschildert wurde. Es hat sich durch Ansicht der entsprechenden Videoaufzeichnung davon überzeugt, dass die Schilderung des Antragsgegners zutreffend ist. Danach hat der Antragsteller den am Boden liegenden und fixierten Tatverdächtigen insgesamt zwölf Mal getreten. Bei Beamten im Polizeivollzugsdienst darf der Dienstherr die Fähigkeit und innere Bereitschaft voraussetzen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Generell muss nach § 34 Satz 3 BeamtStG das Verhalten von Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern. Die Verhinderung sowie Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gehört zu den Kernaufgraben des Polizeivollzugsdienstes, sodass eigene Verstöße in diesem Bereich grundsätzlich geeignet sind, Zweifel an der persönlichen Eignung des Beamten zu begründen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 7. Mai 2020 – 1 M 51/20 – juris Rn. 6 m.w.N.). Zwar liegt bislang eine strafrechtliche Verurteilung des Antragsstellers wegen des Geschehens am ....... nicht vor – das Verfahren liegt noch bei der Staatsanwaltschaft – es gibt aber insoweit – insbesondere aufgrund der Videoaufzeichnung in Verbindung mit dem Gutachten der Rechtsmedizin – unzweifelhaft einen dringenden Tatverdacht. Abgesehen davon entspricht das Verhalten des Antragstellers, wie es den Videoaufzeichnungen zu entnehmen ist, dem äußeren Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung. Das Fehlverhalten des Antragstellers ist auch derart gravierend, dass allein aufgrund dieses Verhaltens durchschlagende Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestehen. Mit seinem Verhalten hat der Antragsteller das für den Polizeivollzugsdienst unabdingbar erforderliche Vertrauen in eine ordnungsgemäße Amtsführung nachhaltig zerstört.

Soweit der Antragsteller zu seiner Verteidigung einwendet, er habe unverschuldet gehandelt, da infolge des Auffahrunfalls von einer relevanten Beeinträchtigung der Hirnfunktion auszugehen sei, bestehen dafür keinerlei objektive Anhaltspunkte. Im Gegenteil wurde nach dem Auffahrunfall im Klinikum V. lediglich eine Schädelprellung diagnostiziert, die in der Folge nur zu einer Krankschreibung bis .... führte (vgl. Blatt XX der ...akte). Das Klinikum V. führte zudem unter der allgemeinen Anamnese aus, dass beim Antragsteller keine Bewusstlosigkeit, keine Amnesie, keine Übelkeit und kein Erbrechen vorgelegen habe. Die Feststellung „keine Amnesie“, die nur auf den eigenen Angaben des Antragstellers beruhen kann, steht im Übrigen im Widerspruch zu dem Vorbringen des Antragsstellers, er habe hinsichtlich des Geschehens am .... Erinnerungslücken. Hinsichtlich des körperlichen Untersuchungsbefundes wurde unter anderem festgehalten, dass der Antragsteller neurologisch orientierend unauffällig sei. Es gibt mithin keinerlei Anhaltspunkte für eine schwerere Verletzung des Antragstellers mit Beeinträchtigung der Hirnfunktion. Eine mildere Beurteilung im Rahmen der Eignungsprognose war daher unter diesem Gesichtspunkt nicht geboten.

Wie oben bereits ausgeführt, reicht allein das Verhalten des Antragstellers am .... aus, um durchgreifende Zweifel an seiner charakterlichen Eignung zu begründen. Allerdings ergeben sich auch aus den unberechtigten Datenabfragen, die der Antragsgegner in seinem Bescheid näher dargelegt hat, Zweifel an der charakterlichen Eignung. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der Entlassungsverfügung Bezug genommen.

Ohne dass es noch darauf ankäme ist auch festzustellen, dass der Kläger in seiner dienstlichen Beurteilung mit der Stufe „D“ (entspricht teilweise den Anforderungen) nur unterdurchschnittlich bewertet worden ist.

Da nach alledem hier der Entlassungsgrund der mangelnden Bewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG vorliegt, braucht der Entlassungsgrund des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG, auf den sich der Antragsgegner gleichfalls gestützt hat, nicht mehr näher geprüft zu werden.

Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Entlassung bereits vor Ablauf der regulären Probezeit ausgesprochen wurde. Steht die Nichtbewährung nämlich – wie hier – bereits vor Ablauf der Probezeit fest, so ist es nicht nur zulässig, sondern kann aus Gründen der Fürsorgepflicht sogar geboten sein, die Entlassung sofort und nicht erst zum Ende der Probezeit auszusprechen (OVG RP, Beschluss vom 22. März 1988 – 2 B 5/88 – NVwZ 1989, 82).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014,169). Unter Zugrundelegung der Summe der einem Polizeikommissar für die Hälfte eines Kalenderjahres zu zahlenden Bezüge der Besoldungsgruppe A 9 LBesO (monatlich 3.562,94 €), folgt ein Halbjahresbetrag von 21.377,64 €, der sich gemäß der Empfehlung nach Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um die Hälfte ermäßigt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 18. Februar 2019 – 2 B 11685/18.OVG).



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