Landesarbeitsgericht Köln

Urteil vom - Az: 7 Sa 625/17

Pflichtverletzung muss in Abmahnung konkret und bestimmt dargestellt werden

Wegen der sich regelmäßig auf mehrere Jahre erstreckenden Relevanz einer zur Personalakte genommenen Abmahnung müssen der Anlass und die Eigenart der beanstandeten Pflichtverletzung in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkret und bestimmt dargestellt werden, um über Jahre hinweg rekonstruierbar zu bleiben
(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.2017 in Sachen9 Ca 483/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um den Verbleib einer der Klägerin unter dem 21.12.2016 erteilten Abmahnung in deren Personalakte.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der gegen die Abmahnung vom 21.12.2016 gerichteten Klage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 21.06.2017 in Sachen 9 Ca 483/17 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 07.07.2017 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 02.08.2017 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 07.10.2017 - am 05.10.2017 begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin vertritt die Auffassung, dass das Arbeitsgericht die streitige Abmahnung zu Unrecht als zu unbestimmt und deshalb formal unwirksam angesehen habe. Eine Abmahnung habe mehrere Funktionen, darunter eine Dokumentations-, Rüge- und Warnfunktion. Im Hinblick auf die Rüge- und Warnfunktion sei die Abmahnung hinreichend bestimmt gewesen. Der Klägerin sei hinreichend verdeutlicht worden, welche Fehlleistung ihr vorgeworfen werde. Für den Inhalt des Abmahnungsvorwurfs sei die Identität des betroffenen Jugendlichen nicht von Bedeutung. Im Übrigen wisse die Klägerin aus den in der schriftlichen Abmahnung vorangegangenen Gesprächen genau, um welchen Jugendlichen es gehe und welche konkreten Vorgänge hierbei von Bedeutung gewesen seien. Sie habe sich dementsprechend auch mündlich zu den Vorwürfen eingelassen. Es sei auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geboten gewesen, den Namen des betroffenen Jugendlichen in der Abmahnung zu erwähnen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.2017 in Sachen 9 Sa 483/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte tritt der Auffassung des Arbeitsgerichts bei, dass die streitige Abmahnung vom 21.12.2016 schon aus formalen Gründen unwirksam sei und aus der Personalakte entfernt werden müsse. Vor allem aber macht die Klägerin geltend, dass die Abmahnungsvorwürfe auch sachlich ungerechtfertigt seien. Sie behauptet, der Vorwurf, sie habe im Zusammenhang mit der Unterbringung des Jugendlichen A keine Fallakte angelegt, sei unzutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten, der Berufungserwiderungsschrift der Klägerin und den weiteren Schriftsatz der Beklagten vom 30.11.2017 sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 19.04.2018 Bezug genommen.

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.2017 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die streitige Abmahnung schon wegen nicht hinreichender Bestimmtheit aus formalen Gründen unwirksam sei und aus der Personalakte entfernt werden müsse, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Zunächst ist das Arbeitsgericht von den zutreffenden Grundsätzen über die Behandlung arbeitsrechtlicher Abmahnungen und etwaigen Ansprüchen eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin auf die Entfernung einer ihm/ihr erteilten Abmahnung aus den Personalakten ausgegangen. Auf Abschnitt II 1 des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Das Berufungsgericht macht sich die dortigen Ausführungen zu Eigen.

2. Aus den vorstehend erwähnten Grundsätzen ergibt sich, dass der Arbeitnehmer das Recht hat, die Entfernung einer Abmahnung aus seinen Personalakten zu verlangen, wenn diese bestimmten formellen Grundanforderungen nicht gerecht wird. Von erheblicher Bedeutung ist dabei, dass in der Abmahnung eine hinreichend bestimmte Tatsachengrundlage für ein konkret bezeichnetes Fehlverhalten des Arbeitnehmers dargestellt wird. Wie die Beklagte und Berufungsklägerin in ihrer Berufungsbegründung zu Recht selbst erwähnt, kommt einer in die Personalakte aufzunehmenden Abmahnung nicht nur eine Rüge- und Warnfunktion, sondern auch eine Dokumentationsfunktion zu. Zwar steht inhaltlich die Rüge- und Warnfunktion im Vordergrund. Da jedoch eine Abmahnung je nach den Umständen des Einzelfalls regelmäßig über eine ganze Reihe von Jahren hinweg für ein Arbeitsverhältnis von Bedeutung sein kann, spielt auch die Dokumentationsfunktion eine wichtige und wesentliche Rolle. Wegen der mehrjährig andauernden Relevanz einer Abmahnung müssen der konkrete Anlass und die konkrete Eigenart der in der Abmahnung beanstandeten Pflichtverletzungen über Jahre hinweg jederzeit rekonstruierbar sein. Dies gilt einerseits vor dem Hintergrund, dass das menschliche Erinnerungsvermögen mit fortschreitender Zeit verblasst, andererseits aber auch deshalb, weil insbesondere auf Arbeitgeberseite im Laufe der Zeit die handelnden Personen und Verantwortungsträger wechseln können.

3. Vor diesem Hintergrund ist dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen, dass die streitige Abmahnung vom 21.12.2016 das tatsächliche Geschehen, auf das die Beklagte ihren Fehlverhaltensvorwurf stützen möchte, zu unkonkret und zu vage beschreibt.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, kann der Abmahnung nicht entnommen werden, wann welcher Jugendliche bei der Beklagten für welchen Zeitraum vorübergehend stationär untergebracht worden ist, um welchen Vormund und welches konkrete gerichtliche Schreiben es geht und wann die Klägerin in Bezug auf welchen minderjährigen Jugendlichen ihre vertraglichen Pflichten verletzt haben soll. Die Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Vorwürfe basieren, erscheint zu allgemein gehalten, um auch nach Jahren noch zutreffend individualisierbar zu sein.

4. Über die bereits vom Arbeitsgericht angesprochenen Gesichtspunkte hinaus erscheint die Abmahnung aber auch in inhaltlicher Hinsicht noch in einem weiteren Punkt zu unbestimmt:

a. Auf Seite 2, vierte Zeile von oben der Abmahnung vom 21.12.2016 führt die Beklagte aus, dass dem in der jetzigen Abmahnung beanstandeten Fehlverhalten "mehrfache Schlechtleistungen in der Vergangenheit" vorangegangen seien, die nicht abgemahnt worden sind. Die Beklagte will damit zum Ausdruck bringen, dass es sich bei der am 21.12.2016 von ihr beanstandeten Verhaltensweise der Klägerin nicht etwa um einen erstmaligen und bisher einmaligen Fall einer Pflichtverletzung seitens der Klägerin gehandelt habe, sondern dass es vielmehr sprichwörtlich ausgedrückt um die "Spitze eines Eisbergs" gehe, bzw. den Schlusspunkt in einer Reihe von Fehlleistungen, der "das Fass zum Überlaufen gebracht" habe.

b. Eine solche Erwähnung "mehrfacher Schlechtleistungen in der Vergangenheit" ist ersichtlich geeignet und augenscheinlich auch dazu gedacht, das Gewicht der vorliegenden Abmahnung erheblich zu erhöhen. Um welche "Schlechtleistungen in der Vergangenheit" es dabei aber gehen soll, bleibt in der Abmahnung vom 21.12.2016 völlig im Dunkeln und der Spekulation des Lesers überlassen.

c. Auch dieser Gesichtspunkt bestätigt und verstärkt die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Abmahnung vom 21.12.2016 in der dargebotenen Form schon aus formellen Gründen wegen nicht hinreichender Bestimmtheit aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen ist.

5. Nur ergänzend bleibt klarzustellen, dass z. B. die Erwähnung des Namens des von dem Geschehen in der Abmahnung betroffenen Klienten in dem Abmahnungsschreiben keinen datenschutzrechtlichen Bedenken begegnet. Dies gilt insbesondere schon deshalb, da die Personalakte der Klägerin grundsätzlich nur den Parteien des Rechtsstreits zugänglich ist.

III. Die Kosten der Berufungsinstanz waren gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der unterlegenen Berufungsklägerin aufzuerlegen.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.



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