Arbeitsgericht Ludwigshafen

Urteil vom - Az: 8 Ca 1936/99

Mitteilungspflichten des Arbeitnehmers

Die Zahlung von Ortszuschlag erfolgt allein auf Antrag des Berechtigten, der hierzu Angaben über seine persönlichen Verhältnisse machen muß. Aus seiner Treuepflicht ist der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst auch gehalten, diesbezügliche Änderungen seinem Dienstherrn mitzuteilen.

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Streitwert wird auf DM 1.800,00 festgesetzt.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger zur Rückzahlung überhöhten Ortszuschlages verpflichtet ist. Der Kläger ist seit dem 01.12.1991 bei der ... beschäftigt, seit dem 01.01.1997 als dem BAT unterfallender Angestellter. Der Kläger erhielt auf seinen Antrag vom 02.12.1991 Sozialzuschlag gemäß § 33 BMT-G (ab 01.01.1997 nach § 29 B BAT) für ein eheliches Kind sowie ein weiteres Kind seiner damaligen Ehefrau, für das diese das alleinige Sorgerecht hat. Mit dem Antrag unterschrieb der Kläger die Erklärung: „Ich versichere die Richtigkeit meiner vorstehenden und nachfolgenden Angaben. Alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, werde ich unverzüglich der für die Festsetzung meiner laufenden Bezüge zuständigen Stelle anzeigen und belegen“. Ferner reichte er der Beklagten eine Haushaltsbescheinigung der Stadtverwaltung vom 05.12.1991 nach, in der bestätigt wird, dass das Stiefkind zu seinem Haushalt gehört. Im September 1994 trennte sich der Kläger von seiner Ehefrau, sie zog zusammen mit dem klägerischen Stiefkind aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung aus. Eine Mitteilung hierüber machte der Kläger der Beklagten nicht. Nach seiner bestrittenen Darstellung übergab er dem zuständigen Personalsachbearbeiter im April 1996 das Scheidungsurteil, wovon dieser eine Kopie gefertigt haben soll. Die Beklagte leistete auch über den August 1994 hinaus den kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlages für das klägerische Stiefkind. Ihr entstanden dadurch Kosten in Höhe von DM 9.155,69 für die Zeit bis einschließlich Januar 1999. Am 20.01.1999 gab der Kläger gegenüber der Beklagten eine neue formularmäßige Erklärung zum Bezug von Ortszuschlag ab, aus der hervorgeht, dass er keine Kinder mehr in seinem Haushalt aufgenommen hat. Mit Schreiben vom 26.01.1999 forderte die Beklagte den Kläger zur Rückzahlung des kinderbezogenen Ortszuschlagsanteils für seinen Stiefsohn auf. Seit Juli 1999 kürzt, sie seine Bruttobezüge monatlich um DM 300,00. 

Die bisher einbehaltenen Beträge fordert der Kläger mit seiner am 30.07.1999 erhobenen und mehrfach erweiterten Klage zurück. Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagten kein Rückzahlungsanspruch zustehe, da er im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB entreichert und etwaige Ansprüche zudem aufgrund der Ausschlussfrist des § 70 BAT verfallen seien, da die Beklagte durch Vorlage des Scheidungsurteils von seinen veränderten familiären Verhältnissen Kenntnis gehabt habe. Eine solche Kenntnis ergebe sich zudem aus der - unstreitigen - Vorlage einer Lohnsteuerkarte der Klasse I. 

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.800,00 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung für gegeben.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet, da der Kläger zu einer Rückzahlung der der Beklagten wegen der ab September 1994 zu Unrecht weiter erfolgten Auszahlung des kinderbezogenen Ortszuschlagsanteils für seinen Stiefsohn entstandenen Aufwendungen als Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung verpflichtet ist.

Die Beklagte ist gemäß § 387 BGB dazu berechtigt, unter Einhaltung der Pfändungsfreigrenzen gegen die Lohnforderungen des Klägers mit ihrem der Höhe nach unstreitigen Schadensersatzanspruch aufzurechnen.

Die Zahlung von Ortszuschlag erfolgt allein auf Antrag des Berechtigten, der hierzu Angaben über seine persönlichen Verhältnisse machen muß. Aus seiner Treuepflicht ist der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst auch gehalten, diesbezügliche Änderungen seinem Dienstherrn mitzuteilen. Vorliegend hat sich der Kläger durch Unterschrift auf seinem erstmaligen Antrag vom 02.12.1991 auch ausdrücklich dazu verpflichtet, Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der für die Festsetzung seiner Bezüge zuständigen Stelle anzuzeigen.

Diese Pflicht hat der Kläger verletzt, indem er es unterließ, den Auszug seines Stiefsohnes aus seiner Wohnung per 01.09.1994 der Beklagten anzuzeigen. Dabei kann unterstellt werden, dass er im April 1996 der Beklagten sein Scheidensurteil zukommen ließ. Denn dadurch hätte er seiner Mitteilungspflicht in Bezug auf das vorliegend allein maßgebliche Stiefkind nicht genüge getan. Für dieses hatte, wie schon aus seinem Antrag vom 02.12.1991 hervorgeht, seine damalige Ehefrau das alleinige Sorgerecht. Das Scheidungsurteil musste deshalb bezüglich des Stiefkindes keine Bestimmungen treffen. Das Urteil enthielt auch, wovon sich die Kammer im Termin durch Einsichtnahme überzeugen konnte, weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe. Da andererseits die Scheidung für den Kläger eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner früheren Ehefrau mit sich brachte (vgl. Antrag vom 20.01.99, Ziffer 3), die wiederum zur Folge hat, dass er weiter Anspruch auf Ortszuschlag der Stufe 2 hatte und hat (§ 29 B Abs. 2 Nr. 3 BAT), kann einer etwaigen Überreichung des Scheidungsurteils auch nicht der Erklärungswert beigemessen werden, der Kläger wolle den Wegfall von Voraussetzungen für den Bezug erhöhten Ortszuschlages anzeigen. Bedienstete der Beklagten hatten deshalb auch nicht etwa Anlass zur weiteren Nachforschungen. Ebenso wenig ist der Kläger seiner Erklärungspflicht durch Überlassung von Lohnsteuerkarten der Klasse I nachgekommen. Denn er hatte sich dazu verpflichtet, alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der für die Festsetzung seiner laufenden Bezüge zuständigen Stelle anzuzeigen. Die Vorlage einer  Lohnsteuerkarte, aus der sich nur möglicherweise Rückschlüsse auf solche Umstände ziehen lassen, genügt dem nicht. Hinzu kommt, dass Kinderfreibeträge nur auf Antrag in die Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Dabei können Eltern wählen, wem sie die Kinder zuordnen wollen, und sie können darauf auch ganz verzichten. Da sich seit 1996 der Kinderfreibetrag auf der Lohnsteuerkarte nur noch bei der Kirchensteuer und beim Solidaritätszuschlag positiv auswirkt, die Höhe der monatlichen Lohnsteuer jedoch durch den Kinderfreibetrag nicht mehr gemindert wird, lohnt sich die Eintragung von Kinderfreibeträgen in den meisten Fällen ohnehin kaum. Um so weniger Erklärungswert kann der Übersendung einer Lohnsteuerkarte in dieser Hinsicht zukommen.

Der Kläger hat seine Mitteilungspflicht auch grob fahrlässig im Sinne von § 14 BAT i.V.m. § 86 Abs. I. S 1 LBG verletzt. Denn er wusste, dass die Zugehörigkeit seines Stiefsohnes zu seinem Haushalt für die Höhe des ihm zustehenden Ortszuschlages von Bedeutung ist, da er zu seinem Antrag vom 02.12.1991 noch eine Bescheinigung nachreichte (seine dortige Unterschrift datiert vom 05.12.91), in der er eigens angibt, dass das streitgegenständliche Kind zu seinem Haushalt gehöre. Begab er sich extra noch einmal zum Amt für Stadtentwicklung und Einwohnerwesen, um diese Bescheinigung zu erlangen, musste ihm die zentrale Bedeutung dieses Umstandes auch bewusst sein. Auf der Rückseite dieses Formulars findet sich auch der ausdrückliche Hinweis, das Kindergeld - davon abhängig der erhöhte Sozialzuschlag - grundsätzlich nur für Kinder gezahlt wird, die zum Haushalt des Antragsstellers gehören, wobei eine solche Haushaltszugehörigkeit nur dann vorliege, wenn das Kind ständig im Haushalt des Antragsstellers lebt, von ihm betreut und erzogen, sowie aus Mitteln seines Haushalts versorgt wird; die polizeiliche Anmeldung allein also nicht genügt. Ferner wurde der Kläger über seine Verpflichtung zur Mitteilung von Änderungen der für die Gewährung des erhöhten Ortszuschlages maßgeblichen Umstände ausdrücklich belehrt. Verletzt er diese Pflicht trotz gegebener Hinweise und. Belehrungen, liegt nicht mehr nur einfache Fahrlässigkeit vor.

Der Anspruch entfällt auch nicht bzw. wird auch nicht gemildert durch ein Mitverschulden der Beklagten im Sinne des § 254 BGB. Die Beklagte hatte weder durch eine etwaige Überlassung des Scheidungsurteils noch durch die Vorlage der Lohnsteuerkarte Veranlassung, von sich aus die Rechtmäßigkeit der Ortszuschlagszahlungen an den Kläger zu überprüfen. Hinsichtlich des Scheidungsurteils ergibt sich dies schon aus dem Umstand, dass dies das streitgegenständliche Kind nicht betrifft und dessen - bestrittene - Weiterleitung allein als Kundgabe des Klägers verstanden werden kann, dass er trotz Scheidung weiterhin Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 gemäß § 29 B Abs. 2 Nr. 3 BAT habe. Die Lohnsteuerkarten lassen ebensowenig zwingend den Schluss zu, dass der Kläger in seinem Haushalt keine Kinder mehr aufgenommen hat, da es der Steuerpflichtige - wie bereits ausgeführt - in der Hand hat, ob er eine für ihn günstigere Steuerklasse wählt und einen ihm an sich zustehenden Freibetrag eintragen lässt oder nicht. Davon abgesehen besteht auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Abgleich von Lohnsteuerkarte und Lohnabrechnungen, der für sie einen erheblichen Verwaltungsaufwand mitbringen würde. Sie darf sich vielmehr darauf verlassen, dass ihre Bediensteten ihren vertraglichen Anzeigenpflichten von sich aus nachkommen. Kontrollen mögen sachdienlich sein, unterlassene Kontrollen stellen jedoch keine Pflichtverletzung im Verhältnis zu demjenigen dar, der besser kontrolliert worden wäre (vgl. BAG, Urt. v. 16.11.89, § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 81 unter II. 3. c). 5. Der demnach in voller Hohe bestehende Schadensersatzanspruch der Beklagten, der ihrem überhöhten Bruttolohnaufwand entspricht, ist auch nicht nach § 70 BAT verfallen. Nach der Rechtsprechung des BAG unterliegen zwar auch Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überhöhter Gehaltszahlungen dieser tarifvertraglichen Ausschlussfrist, wobei es für den Beginn der Frist nicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Überzahlung und damit von seinem Rückzahlungsanspruch ankommen, sondern ausreichen soll, dass die maßgeblichen Umstände bekannt waren bzw. hätten bekannt sein müssen (BAG, Urt. v. 01.06.95, 6 AZR 912/94 = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 114, unter II. 2. der Gründe). Ob ein derartiges Kennen Müssen vorliegend allein aufgrund der - unterstellten - Vorlage des Scheidungsurteils sowie der Einreichung von Lohnsteuerkarten zu bejahen ist, kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn nach der vorgenannten Rechtsprechung des BAG (a.a.O., unter II. 3. der Gründe) kann sich ein Schuldner nicht auf diese tarifliche Ausschlussfrist berufen, wenn er den Gläubiger durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten oder wenn er es pflichtwidrig unterlassen hat, diesem Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten. Dies ist vorliegend der Fall. Denn der Kläger war nach dem vorstehend Ausgeführten dazu verpflichtet, von sich aus den allein in seiner Sphäre liegenden Wegfall der Voraussetzungen eines erhöhten Ortszuschlages mitzuteilen. Hätte er seiner Pflicht genügt, wäre es zu den streitgegenständlichen Überzahlungen nicht gekommen. Etwaige technisch bedingte Überzahlungen für einige Monate wären im Falle einer unverzüglichen Mitteilung noch innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 70 BAT offenbar geworden. Es kommt deshalb auch nicht wie im Falle zufälliger, allein, durch den Arbeitgeber veranlasster Überzahlungen darauf an, ob dem Kläger die Überzahlung hätte auffallen müssen bzw. ob er zu einer Überprüfung seiner Abrechnungen verpflichtet gewesen wäre.

Da der Kläger nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, kann er sich weder auf die kurze Verjährung des § 196 Nr. 8 f. BGB noch auf Entreicherung berufen. Denn Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung unterliegen der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (Palandt-Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 276, Rn 123), auch bei Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (a.a.O., § 195, Rn 9), und der Wegfall der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB kann nur gegenüber bereicherungsrechtlichen Ansprüchen geltend gemacht werden.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen