Oberlandesgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 2 U 574/12

Leiharbeitnehmer verunglückt - Vorgesetzter haftet für 1 Mio. Euro Schadensersatz

(1.) Ein Baustellenleiter darf einem (Leih-)Arbeiter, der ihm vorübergehend zur Durchführung von Montagearbeiten auf der Baustelle überlassen wurde, keine Tätigkeiten zuweisen, bei denen mangels berufsgenossenschaftlich vorgeschriebener Schutzmaßnahmen die Gefahr von Gesundheitsschäden besteht.
Lässt er den Arbeiter entgegen eindeutiger Sicherheitsbestimmungen ungesichert auf dem Dach arbeiten und kommt es dabei zu einem Unfall, kann dies dazu führen, dass der zuständige Sozialversicherungsträger seine unfallbedingt an den Geschädigten geleisteten Aufwendungen vom Vorgesetzten ersetzt verlangen kann.
(aus der PM des OLG Koblenz)

(2.) Voraussetzung für eine Regresshaftung nach § 110 SGB VII ist allein, dass das schädigende Verhalten den Versicherungsfall im Sinne der zivilrechtlichen Adäquanz herbeigeführt hat. Dabei muss sich das Verschulden nach § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen, nicht mehr, wie unter Geltung der §§ 640, 641 RVO, auch auf die konkreten Schadensfolgen.
Maßgeblich für die Beurteilung sind damit die Vorgesetztenstellung und das Verhalten als solches in der konkreten Situation.

(3.) Zu den Pflichten eines Vorgesetzten gehört, einem ihm unterstellten Arbeitnehmer keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung besteht, weil vom Arbeitgeber zu ergreifende Schutzmaßnahmen nicht ergriffen worden sind. Diese Verpflichtung besteht nicht nur gegenüber ihm unterstellten Arbeitnehmern, die beim selben Arbeitgeber wie er tätig sind, sondern auch gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehenden Tätigkeit im Betrieb tätig sind und wie die übrigen dem Vorgesetzten unterstellten Beschäftigten eingesetzt werden.

(4.) Ein Vorgesetzter handelt grob fahrlässig, wenn er einen (Leih-)Arbeiter ohne ausreichende Sicherungsmaßnahmen zu Arbeiten auf dem Dach anweist.

(5.) Übernimmt der Arbeitnehmer eine gefährliche Arbeit in Kenntnis deren Gefährlichkeit, begründet dies kein Mitverschulden, wenn er damit einer Anordnung seines weisungsbefugten Vorgesetzten entspricht.

(6.) Einer Heranziehung der Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich bedarf es im Rahmen des Erstattungsanspruchs nach § 110 SGB VII nicht. Nach § 110 Abs. 2 SGB VII können die Sozialversicherungsträger nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, auf den Ersatzanspruch ganz oder teilweise verzichten. Dies wird allgemein dahin verstanden, dass, soweit die Voraussetzungen für einen Verzicht in der Sache gegeben sind, der Sozialversicherungsträger nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, auf seine Ansprüche (teilweise) zu verzichten. Er hat in jedem Fall abzuwägen, ob die Geltendmachung des Anspruchs unter Berücksichtigung einerseits des ihm eigenen Erziehungs- und Strafcharakters sowie der wirtschaftlichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder (Versicherten) und andererseits der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Schädigers geboten ist.

(7.) Tritt ein Haftpflichtversicherer (dem Grunde nach) für den Schuldner ein, so besteht (zunächst) kein Anlass für einen Verzicht.

Im vorliegenden Fall wies der beklagte Arbeitnehmer, der als Baustellenleiter tätig ist, einen Leiharbeitnehmer zur ungesicherten Arbeit auf einem Dach an. Der Arbeiter verlor dort das Gleichgewicht und stürzte 5,50 m tief auf Betonboden. Wegen seiner Verletzungen ist der Geschädigte querschnittsgelähmt, leidet an vollständiger Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, hat seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren und leidet an einem hirnorganischen Psychosyndrom. Dem klagenden Versicherer spricht das OLG Koblenz - wie schon die Vorinstanz - einen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von knapp 1 Millionen Euro gegen den Vorgesetzten zu. Über die Frage, ob hier ein voller oder teilweiser Verzicht der Klägerin nach § 110 Abs. 2 SGB VII veranlasst ist, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Mainz vom 20.04.2012,  Az. 4 O 292/09, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.140.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt den Beklagten im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage auf Ersatz der Aufwendungen in Anspruch, die ihr als Sozialversicherungsträger durch einen Arbeitsunfall ihres Versicherten, des Zeugen und Geschädigten ...[A], vom 21.11.2002 entstanden sind.

Der Geschädigte war bei der Fa. ...[B] GmbH & Co. KG (Firma ...[B]) als Zimmermann angestellt. Zusammen mit seinem Arbeitskollegen, dem Zeugen ...[C], war er am Unfalltag auf dem Kasernengelände der britischen ...[D]  in ...[Z] im Zusammenhang mit dem Neubau eines Kantinengebäudes mit Holzverlegearbeiten an der Dachkonstruktion beschäftigt. Die Arbeiten wurden im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Bauherrn von der Firma ...[E] durchgeführt, die von der Firma ...[B] mit Holzbauteilen beliefert wurde. Verantwortlicher der Firma ...[E] auf der Baustelle war der Beklagte, ein Zimmermannsmeister, dessen Funktion im Einzelnen zwischen den Parteien umstritten ist. Da die Firma ...[E] zu dieser Zeit nicht über ausreichend Personal verfügte, überließ ihr die Firma ...[B]  ihre Angestellten ...[A] und ...[C]  als Arbeitnehmer.

Der Geschädigte ...[A] verlegte gegen 15.25 Uhr zusammen mit dem Zeugen ...[C] auf dem Dach des Neubaus 14 m lange Leimbinderplatten auf Sparren. Unterhalb der noch unfertigen Dachkonstruktion, auf der die Zeugen ...[A] und ...[C] zu dieser Zeit arbeiteten, befand sich ein abgemauerter Bereich, der später den Toilettentrakt der Kantine bilden sollte. Die Platten wurden mit dem Kran zunächst quer über drei Leimbindersparren gelegt und sodann von den beiden Zeugen parallel und bündig zum Traufelement gezogen. Innerhalb des abgemauerten Bereiches war eine Zwischendecke eingezogen, so dass hier eine maximale Absturzhöhe zwischen 2 und 3 m bestand. Außerhalb des ummauerten Bereiches betrug die Absturzhöhe 5,50 m. Bei der Durchführung der vorbeschriebenen Verlegearbeiten stand der Zeuge ...[A] auf der etwa 36 cm breiten Mauer des abgemauerten Trakts. Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa 10 bis 15 m von der Unfallstelle entfernt. Er verrichtete dort Schweißarbeiten, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob und inwieweit er Sichtkontakt zu dem Zeugen ...[A] hatte oder haben konnte.

 

Beim Heranziehen einer Leimbinderplatte mittels eines Zimmermannhammers verlor der Zeuge ...[A] das Gleichgewicht und stürzte von der Mauer. Dabei fiel er 5,50 m tief auf den Betonboden außerhalb des ummauerten Bereichs und zog er sich schwerste, von der Klägerin näher dargelegte, Schädel- und Wirbelsäulenverletzungen zu. Der Zeuge ...[A] ist seither querschnittsgelähmt, leidet an vollständiger Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, hat seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren und leidet an einem hirnorganischen Psychosyndrom. Er kann seinen erlernten Beruf als Zimmermann nicht mehr ausüben und erhält von der Deutschen Rentenversicherung Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin hat den Unfall des Klägers  als Arbeitsunfall anerkannt.

Die Unfallstelle war zum Unfallzeitpunkt nur in einzelnen Teilflächen mit Sicherheitsnetzen gegen Abstürze gesichert und entsprach damit nach Auffassung des für die Baustelle eingesetzten Sicherheits- und Gesundheitskoordinators nicht den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Etwa zwei Stunden vor dem Unfall hatte der vom Liegenschaftsbetrieb ... als Bauherr beauftragte Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator, der Zeuge ...[F],  zusammen mit dem verantwortlichen Bauleiter des Bau- und Liegenschaftsbetriebs ..., dem Zeugen ...[G],  gegenüber dem Beklagten die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere eine aus ihrer Sicht in mehreren Bereichen unzureichende Absturzsicherung, moniert. In einem Bautagebuch hat der Zeuge ...[F] dieses Gespräch protokolliert und als Beanstandung vermerkt, dass Schutznetze sowie an den Randseiten der Arbeitsabschnitte Schutzgeländer angebracht werden müssten. Die bereits angebrachten Schutznetze seien nicht ausreichend befestigt. In dem Protokoll wurde der Beklagte als Verantwortlicher für die Sicherungsmaßnahmen bezeichnet und als Termin für die deren Durchführung "sofort" vermerkt.

Das Amtsgericht Paderborn verurteilte den Beklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe.

Eine Klage des Geschädigten gegen den Beklagten und die Firma ...[E] auf Schadensersatz und Schmerzensgeld hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 19.2.2009 (8 AZR 188/08 - DB 2009, 1134) letztinstanzlich abgewiesen. Der Zeuge ...[A] sei zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls im selben Betrieb wie der Beklagte tätig gewesen. Damit greife die Haftungsprivilegierung des § 105 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SBG VII ein. Der Beklagte habe den Unfall schuldhaft, wenngleich nicht vorsätzlich verursacht. Nach Auffassung des BAG konnte es offen bleiben, ob der Beklagte selbst für die Umsetzung der geforderten Sicherungsmaßnahmen verantwortlich war. Das BAG hat das Verschulden des Beklagten, der eine Vorgesetztenstellung innegehabt habe, in der Anweisung an die Zeugen ...[A] und ...[C] gesehen, die geschilderten Arbeiten im ungesicherten Bereich durchzuführen.

Der Beklagte steht unter dem Schutz der Betriebshaftpflichtversicherung der Firma ...[E] mit einer Deckungshöchstsumme von 1.534.000,- €.

Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren erstinstanzlich unter anderem die Auffassung vertreten, dem Beklagten habe die Leitung der Baustelle oblegen. Er sei auch für die Einhaltung der maßgeblichen Sicherheitsvorschriften verantwortlich gewesen. Der Sturz des Versicherten sei nur deshalb möglich gewesen, weil trotz eindeutiger Sicherheitsanforderungen aus der Arbeitsstättenverordnung sowie den Unfallverhütungsvorschriften trotz vorheriger Beanstandung durch den Sicherheitskoordinator und entsprechende Abhilfezusagen durch den Beklagten keinerlei Absturzsicherung angebracht gewesen seien. Der Zeuge ...[A] sei über die notwendigen Sicherungsmaßnahmen nicht informiert worden. Stattdessen habe der Beklagte ihn und den Zeugen ...[C] mit Nachdruck angewiesen, die Arbeiten im ungesicherten Dachstuhlbereich fortzusetzen. Ein Mitverschulden des Zeugen ...[A] liege nicht vor. Dieser habe in der Situation nicht autonom, sondern fremdbestimmt durch den Beklagten gehandelt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 942.436,13 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.5.2009 zu zahlen sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs zu ersetzen, die sie aus Anlass des Arbeitsunfalls ihres Versicherten ...[A] vom 21.11.2002 zu erbringen hat.

Der Beklagten hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags unter anderem vorgetragen, die Bauleitung habe nicht ihm, sondern dem Zeugen ...[G] oblegen. Bei dem vorangegangenen Gespräch mit dem Zeugen ...[F] habe man einvernehmlich die Anbringung eines Sicherungsnetzes im Bereich des Toilettentrakts wegen der dort vorhandenen Zwischendecke nicht für erforderlich gehalten. Die Zimmerleute hätten ihre Arbeiten dort auf den Bindern sitzend erledigen sollen. Er habe zu keinem Zeitpunkt angeordnet, dass die Zeugen ...[A] und ...[C] diese Arbeit allein ausführten. Die Platten seien schon aufgrund ihres Gewichts stets zu dritt oder viert verlegt worden. Er habe weder den Zeugen ...[A], noch den Zeugen ...[C] veranlasst, ungesichert an der Unfallstelle zu arbeiten und insbesondere auf die Zeugen auch keinen Druck ausgeübt. Die durch die Zeugen ...[F] und ...[G] erfolgten Beanstandungen habe er direkt unter anderem an die Zeugen ...[A] und ...[C] weiter gegeben. Es habe für ihn keine Veranlassung zu der Annahme gegeben, diese würden die so weitergegebene Anweisungen nicht befolgen. Ihm sei nicht einmal bekannt gewesen, dass die Zeugen ...[A] und ...[C] beabsichtigten, allein die schweren Leimbinderplatten, noch dazu ungesichert, verlegen zu wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands einschließlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen der Kammer nimmt der Senat Bezug auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil.

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben unter Annahme grober Fahrlässigkeit auf Seiten des Beklagten als dem für die Sicherung der Baustelle Verantwortlichen.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme vermochte die Kammer den Angaben des Beklagten in der persönlichen Anhörung sowie den Bekundungen des Zeugen ...[H], der die Angaben des Beklagten im Wesentlichen bestätigt hat, in wesentlichen Teilen nicht zu folgen. Hingegen ist die Kammer den Angaben des Zeugen ...[F] gefolgt, wonach dieser den Beklagten aufgefordert hat, die Arbeiter sofort vom Dach zu holen, weil nicht der gesamte Bereich mit Netzen gegen Abstürze gesichert war. Es hat darüber hinaus die Angaben des Zeugen ...[C] als glaubhaft erachtet, wonach der Beklagte keine Anweisung gegeben habe, wie gearbeitet werden solle, insbesondere auch nicht, dass im Sitzen gearbeitet werden solle. Aufgrund der Aussagen der Zeugen ...[F] und ...[C] hat sich die Kammer davon überzeugt, dass auf der Baustelle insgesamt mangelnde Sicherheitsvorkehrungen herrschten und der Beklagte vor dem Unfall durch den Zeugen ...[F] hierauf auch ausdrücklich hingewiesen wurde. Dementsprechend ist die Kammer von einer groben Missachtung der dem Beklagten obliegenden Pflichten, für eine ausreichende Sicherung der Baustelle zu sorgen, ausgegangen. Ein zu berücksichtigendes Mitverschulden auf Seiten des Geschädigten hat die Kammer nicht gesehen.

Die von der Klägerin im Einzelnen behaupteten Aufwendungen hat die Kammer als hinreichend belegt erachtet und, soweit in Einzelfällen Belege nicht mehr vorhanden waren, den Angaben der Zeugin ...[J] geglaubt.

Die Kammer hat angenommen, dem Geschädigten ...[A] stehe ein  - fiktives - Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,- € zu. Unter Berücksichtigung dessen könne es letztlich dahingestellt bleiben, ob tatsächlich auch ein Verdienstausfallschaden des Verletzten in behaupteter Höhe von 138.561,- € bestehe, da der festgestellte fiktive Ersatzanspruch des Verletzten die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin auch unabhängig davon bereits übersteige.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung greift der Beklagte seine Verurteilung vollumfänglich mit dem weiterverfolgten Ziel der Klageabweisung an.

Zur Begründung hält der Beklagte  an seiner erstinstanzlichen Bewertung seiner eigenen Funktion und der Schilderung der tatsächlichen Verhältnisse auf der Baustelle am Unfalltag fest.

Er bestreitet weiterhin ausdrücklich mit Nichtwissen, dass der Zeuge ...[A] zum Unfallzeitpunkt bei der Klägerin versichert gewesen sei.

Zu seiner eigenen Funktion betont er auch in der Berufung, die Bauleitung habe nicht ihm, sondern dem Zeugen ...[G] oblegen.

Es sei zwar zutreffend, dass Sicherungsnetze gegen Abstürze der Arbeiter nur über Teilflächen gespannt gewesen seien, so, wie der Zeuge ...[F] dies bekundet habe. Dies entspreche aber den Vorgaben von Sicherheit und Technik.

Die Aussagen der Zeugen ...[G] und ...[F] seien widersprüchlich. So habe keiner der Arbeiter bestätigt, dass der Zeuge ...[F] sie, wie von diesem behauptet, vom Dach geholt habe. Das Landgericht habe stattdessen den Zeugen ...[H] zu Unrecht als unglaubwürdig angesehen. Zudem gehe das Landgericht insoweit von einem falschen Sachverhalt aus. Es stehe bereits nicht fest, dass der Zeuge ...[F] die Arbeiter vom Dach geholt habe. Er, der Beklagte, habe die Anweisungen des Zeugen ...[F] an die Mitarbeiter der Firma ...[B] weitergegeben. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass der Zeuge ...[A] zum Unfallzeitpunkt überhaupt an der Unfallstelle gearbeitet habe.

In rechtlicher Hinsicht sei zu beachten, dass auf der Baustelle grundsätzlich der Bauherr verkehrssicherungspflichtig sei, in diesem Fall mithin der Bau- und Liegenschaftsbetrieb .... Eine Delegation der Verkehrssicherungspflicht von dort auf den Beklagten habe nicht stattgefunden. Dies sei bereits dadurch belegt, dass stattdessen die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination der Firma ...[F] übertragen gewesen sei. Es liege auch kein Verstoß gegen die §§ 3 und 44 der Arbeitsstättenverordnung vor, wobei die letztgenannte Vorschrift überhaupt nicht existiere. Er, der Beklagte, sei nicht der Arbeitgeber des Geschädigten gewesen. Die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung beträfen aber den Arbeitgeber.

Die Zeugen ...[A] und ...[C] seien selbst für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften in ihrem Gefahrenbereich als Zustandsverantwortliche verantwortlich gewesen. Die Absturzgefahr sei für diese Zeugen auch ohne weiteres erkennbar gewesen. Ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten sei hingegen nicht zu sehen, insbesondere liege keine grobe Fahrlässigkeit vor. Stattdessen sei auch ein Mitverschulden des Beklagten zu berücksichtigen. Hier liege ein "halsbrecherisches" Handeln auf eigene Gefahr vor. Schließlich blieben auch die erstinstanzlich geltend gemachten Einwände gegen die Schadenshöhe aufrecht erhalten. Das Landgericht habe sich in  verschiedenen, im Einzelnen benannten, Punkten unter Verstoß gegen § 286 ZPO über Sachvortrag und Beweisantritte des Beklagten hinweggesetzt.

In rechtlicher Hinsicht hat der Beklagte darüber hinaus darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht zu seinen Gunsten die Grundsätze der Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung eingreifen müssten. Der Regress der Klägerin stelle für ihn grundsätzlich eine existenzbedrohende Situation dar. Im Hinblick auf die absehbare Überschreitung der Deckungssumme der Betriebshaftpflichtversicherung sei die Beklagte nach § 110 Abs. 2 SGB VII gehalten, auf einen darüber hinausgehenden Ersatzanspruch zu verzichten.

Die Klägerin ist dem insgesamt unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlichen Rechts- und Tatsachenposition entgegen getreten und trägt auf Zurückweisung der Berufung an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten und zur Akte gelangten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung verbleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat der Klage sowohl bezüglich des Leistungs- als des  Feststellungsbegehrens zu Recht stattgegeben.

Dabei ist die Kammer zutreffend vom Vorliegen eines für die Klägerin eintrittspflichtigen Versicherungsfalls und der Anwendbarkeit der Regressregelung des § 110 Abs. 1 SGB VII ausgegangen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des umfassend und sehr sorgfältig begründeten landgerichtlichen Urteils kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen werden.

Die hiergegen geführten Angriffe der Berufung greifen nicht durch.

Soweit der Beklagte auch in der Berufung ausdrücklich die Mitgliedschaft des Geschädigten als Versicherten der Klägerin bestreitet, verbleibt dies unter mehreren Aspekten unbeachtlich.

Das Landgericht hat in dem angegriffenen Urteil bereits im unstreitigen Tatbestand festgestellt, dass es sich bei dem Zeugen ...[A] um den Versicherten der Klägerin handele. Ein Verfahren zur Tatbestandsberichtigung hat die Klägerin insoweit nicht betrieben, so dass die Versicherteneigenschaft bereits nach § 314 ZPO auch für das Berufungsverfahren grundsätzlich bindend festgestellt ist. Ungeachtet dieser zivilprozessualen Erwägung sind die zur Entscheidung über die Ersatzansprüche nach den §§ 104 bis 107 SGB VII  berufenen Zivilgerichte nach § 108 Abs. 1 SGB VII an eine unanfechtbare Entscheidung, ob ein Versicherungsfall vorliegt, gebunden. Die Klägerin hat das Vorliegen eines für sie eintrittspflichtigen Versicherungsfalls nach § 7 Abs. 1 SGB VII unanfechtbar bejaht. Diese Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Frage, ob der Verletzte versichert war und darauf, in welchem Betrieb sich der Unfall ereignet hat (zur vorliegenden Sache BAG, Urteil vom 19.2.2009 - 8 AZR 188/08 - DB 2009, 1134-; vertiefend zur Problematik insgesamt Krasney, NZS 2004, 68, 71 ff.). Die Bindungswirkung erstreckt sich insgesamt auf den Umfang, d.h., Art, Ausmaß, Höhe und Dauer der zu gewährenden Leistungen einschließlich ihrer Berechnungsgrundlagen, den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Versicherungsfall und der Gesundheitsbeeinträchtigung sowie die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers. Sie besteht selbst dann, wenn der Unfallversicherungsträger zu Unrecht einen Versicherungsfall angenommen oder abgelehnt hat (so insges. Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 108 Rn. 5 mwN).

Schließlich hat die Klägerin bereits erstinstanzlich auch die tatsächlichen  Daten zur Mitgliedschaft der Fa. ...[B]  im Einzelnen mitgeteilt (GA 124 f.). Dem ist die Beklagtenseite nicht entgegengetreten.

Von der Berufung nicht angegriffen und in der Sache zu Recht ist das Landgericht der (nicht bindenden) Beurteilung des BAG im arbeitsgerichtliche Verfahren gefolgt, wonach die Haftung des Beklagten nach § 105 Abs. 1 SGB VII beschränkt ist, da es sich um einen durch eine betriebliche Tätigkeit im selben Betrieb verursachten Versicherungsfall handelt. Der Zeuge ...[A] wurde - obgleich er bei der Firma Firma ...[B] angestellt war - von der Firma ...[E] zur Erfüllung deren vertraglicher Verpflichtungen an der Baustelle in ...[Z] eingesetzt. Zum Unfallzeitpunkt bestand die Tätigkeit des Zeugen ...[A] ausschließlich darin, die Firma ...[E] bei der Erfüllung ihres Auftrags zu unterstützen. Er war in seiner konkreten Weisungsgebundenheit dem Beklagten gleichsam wie eigene Arbeitnehmer der Firma ...[E] unterstellt und mithin ebenso wie diese in deren Betrieb eingegliedert (vgl. BAG, aaO, BAGU 12 ff., BA S. 162 ff.).

Selbst wenn man aber diese Frage mit dem Landesarbeitsgericht dahingehend beantworten wollte, dass es sich bei der Baustelle  - lediglich - um eine gemeinsame Betriebsstätte iSd § 106 Abs. 3, Alt. 3 SGB VII gehandelt haben sollte, ergibt sich für die hier zu treffende Entscheidung kein abweichendes Ergebnis, als nach dieser Vorschrift die §§ 104, 105 SGB VII entsprechend gelten.

Der Beklagte hat die ihm als dem für die Sicherheit der ihm arbeitsorganisatorisch und weisungsabhängig unterstellen Personen obliegenden Pflichten grob fahrlässig verletzt.

Dass der Beklagte gegenüber dem Geschädigten ...[A] ebenso wie gegenüber dem Zeugen ...[C] die maßgebliche Rolle des weisungsbefugten Vorgesetzten innehatte, haben in der Beweisaufnahme die vernommenen Zeugen sowie auch der Beklagte selbst in seiner persönlichen Anhörung bestätigt.

Der Beklagte hat in seiner Anhörung vom 7.6.2010 vor dem Landgericht bestätigt, er sei auf der Baustelle der Richtmeister, dh, der Bauleiter gewesen (GA 129). Als am Nachmittag des Unfalltages die Zeugen ...[F] und ...[G] als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator und Bauleiter die Baustelle besuchten, um die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen, war der Beklagte für sie der maßgebliche Ansprechpartner. Er hat nach eigenen Angaben diesen Zeugen gegenüber die Handhabung der Sicherungsmaßnahmen erläutert (GA 130). Nach eigenem Bekunden war der Beklagte auch derjenige, der die Arbeiter auf der Baustelle über die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen unterrichtet haben will (GA 131). Der Beklagte war damit diejenige Person, die - gleichsam als Bindeglied zwischen der (öffentlichen) Bau- und Gesundheitsaufsicht und den ihm unterstellten Arbeitnehmern vor Ort - nach eigenem wie dem Verständnis aller weiteren Beteiligten, für die Einhaltung der erforderlichen Sicherheit auf der Baustelle verantwortlich war. Er hat den Zeugen ...[A] und ...[C] auch vor dem Unfall die konkreten Arbeitsanweisungen erteilt. Nach eigenen Angaben hat er die Arbeiter angewiesen, noch die Folie zu Ende zu verlegen und anschließend die Dachplatten zu verlegen und zu vernageln (GA 132). Insoweit ist allein die Frage umstritten, ob und inwieweit der Beklagte dabei mit Drohungen Druck auf die Zeugen ausgeübt hat und ob und welche konkreten Anweisungen er zur Art und Weise der Sicherung auf dem Dach erteilt hat .

In diesem Kontext hat das Landgericht weder übersehen, dass durch den Landesbetrieb dem Zeugen ...[K] insgesamt die Bauleitung übertragen und zudem der Zeuge ...[F] als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator eingesetzt war.

Die Verantwortlichkeit des Beklagten knüpft insoweit aber weder an die formale Stellung eines (alleinigen) Bauleiters an, noch an die Frage, ob und inwieweit Verkehrssicherungspflichten eingehalten worden sind und wer für deren Einhaltung die Verantwortung trägt. Verkehrssicherungspflichten sind maßgeblich für die Pflichten der Bauverantwortlichen gegenüber Dritten. Ihre Verletzung ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch des Sozialversicherungsträgers aus § 110 SGB VII. Voraussetzung hierfür ist allein, dass das schädigende Verhalten den Versicherungsfall im Sinne der zivilrechtlichen Adäquanz herbeigeführt hat (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Bd. II, § 110 Rn. 6). Dabei muss sich das Verschulden nach § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen, nicht mehr, wie unter Geltung der §§ 640, 641 RVO, auch auf die konkreten Schadensfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 15.7.2008 - VI ZR 212/07 - NJW 2009, 681 mwN sowie Schmitt, aaO, § 110 Rn. 9 mwN).

Maßgeblich für die Beurteilung sind damit vorliegend die Vorgesetztenstellung des Beklagten und sein Verhalten als solches in der konkreten Situation.

Dementsprechend sieht auch die Unfallverhütungsvorschrift für Bauarbeiten (BGV C 22) in § 4 Abs. 1 vor, dass die Bauarbeiten von fachlich geeigneten Vorgesetzten geleitet werden müssen und diese die vorschriftsmäßige Durchführung der Bauarbeiten zu gewährleisten haben. Ob damit, wofür nach Dafürhalten des Senats viel spricht, eine eigenständige Garantenpflicht statuiert wird, bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung.

Unabhängig davon nämlich, ob sich die Unfallverhütungsvorschriften, wie der Beklagte meint, zuvörderst an den Arbeitgeber richten und inwieweit der Beklagte allgemein zur Überwachung und Sicherstellung der Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften auf der Baustelle verpflichtet war, gehört es grundsätzlich zu den Pflichten eines Vorgesetzten nicht nur, einem ihm unterstellten Arbeitnehmer keine Arbeit zuzuweisen, welche dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben darf, sondern auch, ihm keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung besteht, weil vom Arbeitgeber zu ergreifende Schutzmaßnahmen nicht ergriffen worden sind (vgl. BAG, aaO, S. 15 f., Hervorhebg. d.d.Senat). Diese Verpflichtung des Vorgesetzten besteht nicht nur gegenüber ihm unterstellten Arbeitnehmern, die beim selben Arbeitgeber wie er tätig sind, sondern auch gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehende Tätigkeit im Betrieb tätig sind und - wie hier -  wie die übrigen dem Vorgesetzten unterstellten Beschäftigten eingesetzt werden (wie vor).

Gegen diese Verpflichtung hat der Beklagte in grob fahrlässiger Weise verstoßen, unabhängig von der auch in der Berufung umfassend thematisierten Frage, ob die Arbeiter auf Veranlassung des Zeugen ...[F] zunächst das Dach verlassen haben und vom Beklagten sodann wieder dorthin zurückgeschickt wurden. Der Beklagte hätte die ihm weisungsgebunden unterstellten Arbeiter spätestens, nachdem er durch die Zeugen ...[F] und ...[G] auf die unzureichende Absturzsicherung hingewiesen worden war, nicht mehr weiter ungesichert auf dem Dach arbeiten lassen dürfen. Selbst wenn der Zeuge ...[F] nicht alle Arbeiter selbst vom Dach geholt hätte, hätte dies - ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die Zeugen ...[G] und ...[F] ggf. eigene Versäumnisse treffen - nach den dargestellten Verpflichtungen als Vorgesetzter - unverzüglich durch den Beklagten erfolgen müssen.

Nach der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt grobe Fahrlässigkeit einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 30.01.2001 - VI ZR 49/00 - NJW 2001, 2092, Rn. 12). Besteht, wie hier, die Pflichtverletzung des Schädigers in einen Verstoß gegen  eine Unfallverhütungsvorschrift, so gilt, dass nicht jeder Verstoß schon für sich als eine schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht anzusehen ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und somit elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Damit spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im Letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (wie vor, Rn. 13).

So liegt der Fall hier, wie das Landgericht zutreffend gesehen hat (LGU 13 ff.). Es geht vorliegend um die Frage der ausreichenden Sicherung der mit der Dachkonstruktion an dem Kantinengebäude betrauten Arbeiter mit einer möglichen Absturzhöhe von über 5 Metern. Diese dienen selbstredend dem Schutz vor erheblicher Gesundheitsgefahr und Tod der Arbeitnehmer. Dabei kann es dahinstehen, ob und in welcher Weise über dem abgemauerten Bereich eine Sturzhöhe von lediglich 2, 2,5 oder, wie der Beklagte in seiner Anhörung eingeräumt hat, möglicherweise bis zu 3 Metern (GA 130), zu gewärtigen und in diesem Bereich eine gesonderte Absturzsicherung durch Anbringung von Netzen nach den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften erforderlich war.

Nach § 12 Abs. 1 Ziff. 4 BGV C 22 ist an Arbeitsplätzen auf Dächern mit einer Absturzhöhe von mehr als 3 Metern in jedem Fall eine Absturzsicherung erforderlich. Selbst wenn über dem Toilettentrakt die Absturzhöhe unterhalb dieser Grenze verblieben sein sollte, war sie außerhalb dieses Bereichs mit über 5 Metern unstreitig deutlich überschritten.

Dass die Absturzsicherung im Dachbereich jedenfalls außerhalb des abgemauerten Bereichs (Toilettentrakt) nachzubessern war, stellt der Beklagte selbst auch nicht in Abrede. Ergebnis der Besprechung mit den Zeugen ...[F] und ...[G] war nach eigenen Angaben des Beklagten, dass jenseits des abgemauerten Bereichs Netze gespannt werden sollten (GA 130), dort mithin nicht vorhanden waren und, wie der Zeuge ...[F] bestätigt hat, auch nach dem Unfall nicht gespannt waren (GA 197). Nach eigenem Vortrag der Beklagtenseite war die Absturzgefahr in diesem Bereich offensichtlich. Die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen waren mithin zum einen insoweit eindeutig und zum anderen dem Beklagten auch nicht nur latent, sondern durch das Gespräch mit den Zeugen ...[F] und ...[G] auch aktuell in ihrer Bedeutung  präsent und bei Missachtung in ihrer akuten Gefahr für Leib und Leben der Arbeiter offensichtlich.

Anstatt aber diese für Leib und Leben der Arbeiter elementaren Vorkehrungen vor jedweder Fortsetzung der Dacharbeiten umzusetzen, will der Beklagte nach eigener - von den Zeugen zudem teilweise nicht bestätigter - Darstellung, die Verantwortung vielmehr an die Arbeiter selbst delegiert haben. Diese hätten entweder ein Rollgerüst verschieben oder nur im Sitzen arbeiten und ihre Tätigkeit auf den abgemauerten Bereich beschränken sollen.

Selbst derartige Anweisungen als zutreffend unterstellt, hätten in der Sache in keinem Fall ausgereicht. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass im nicht abgemauerten Bereich eine Absturzsicherung durch Sicherheitsnetze erforderlich und mit den Zeugen ...[F] und ...[G] auch so abgesprochen war. Soweit eine vorübergehende Fortsetzung der Arbeiten in sitzender Position mit dem Zeugen ...[F] erörtert worden ist, hat dieser klargestellt, dass dann die Arbeiter aber hätten angegurtet sein müssen und er dies dem Beklagten auch so erklärt habe, ohne, dass dieser ihm widersprochen habe (GA 196).

Des Weitern würde es die dargelegten Pflichten des Vorgesetzten in Bezug auf die Sicherheit der ihm unterstellten Arbeitnehmer  leerlaufen lassen, wenn er diese schlicht auf die zu schützenden Arbeitnehmer delegieren könnte. Selbst wenn man eine Delegation bezüglich der tatsächlichen Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich billigen wollte, könnte der Vorgesetzte seiner eigenen originären Verantwortlichkeit zur Gewährleistung der vorschriftsmäßigen Durchführung der Bauarbeiten  aber nur dann gerecht werden, wenn er vor Fortsetzung der Arbeiten die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen durch die Arbeiter wenigstens durch eigene Überprüfung sicherstellt. Auch dies hat der Beklagte aber nach eigenem Bekunden unterlassen. Er will vielmehr stattdessen darauf vertraut haben, dass die Arbeiter die erforderlichen Maßnahmen selbst ergreifen und sich insbesondere auch ausschließlich über dem abgemauerten Bereich aufhalten. Bezüglich des Geschädigten ...[A] hat dem Beklagten nach eigener Darstellung der Sichtkontakt gefehlt, so dass er nicht hat sehen können, wo, wie und unter welchen Sicherungsbedingungen dieser konkret arbeitete. Trotz der unterstellten Sichtbehinderung wäre dem Beklagten bei pflichtgemäßem Verhalten mit Überprüfung der Umsetzung der Sicherungsmaßnahmen ein tatsächliches Eingreifen und Einwirken auch im unmittelbaren Arbeitsbereich des Zeugen ...[A] jederzeit zwanglos möglich gewesen. Die Annahme eines quasi dem Zugriff des Beklagten entzogenen, abgeschotteten Verantwortungsbereichs der Zeugen ...[A] und ...[C] entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage. Im Übrigen zeigt der Unfallhergang, dass der Beklagte selbst dann, wenn sich am Nachmittag des Unfalls die Verlegearbeiten auf den Bereich über dem Toilettentrakt beschränken sollten, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Abläufe auf einer Großbaustelle keinesfalls darauf vertrauen durfte, dass die Arbeiter diesen Bereich auch nicht - jedenfalls kurzfristig - übertreten würden. Insoweit hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte angesichts der durchzuführenden Arbeiten mit den großen, schweren Holzteilen immer die Möglichkeit in Betracht ziehen musste, dass Arbeiter während dieser Tätigkeiten auch in den Gefahrenbereich geraten könnten und es, insbesondere durch den Verlust des Gleichgewichts, zu einem Absturz auch im ungesicherten Bereich kommen könnte (vgl. insbesondere LGU 24 f.).

Damit stellt sich das Verhalten des Beklagten in seinem dargestellten Handeln und Unterlassen nach Maßgabe der dargestellten anerkannten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits auf Grundlage seines eigenen Sachvortrags als grob fahrlässig dar.

Zutreffend hat das Landgericht in dieser Situation auch ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB verneint. Insoweit ist zunächst erneut auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen (LGU 24 ff.) Bezug zu nehmen, wobei es in diesem Kontext nach Dafürhalten des Senats in der Sache, wie ausgeführt, in der Bewertung keinen Unterschied darstellt, ob der Beklagte die Arbeiter wieder zurück auf das Dach beordert hat, nachdem der Zeuge ...[F] sie zuvor herunterbeordert hatte, oder aber, ob er trotz und in Kenntnis der konkreten Gefährdung die Arbeiter angewiesen hat, ihre Arbeiten auf dem insgesamt nicht ausreichend gesicherten Dach fortzusetzen bzw. die ihnen erteilte Arbeitsanweisung nach dem Gespräch mit den Zeugen ...[F] und ...[G] nicht umgehend widerrufen und die Arbeiter seinerseits vom Dach beordert hat.

Dass der Beklagte auch die Arbeiter einschließlich des Zeugen ...[A] selbst angewiesen hatte, die Arbeiten an jenem Nachmittag vor dem Wochenende noch fertig zu stellen, ist als solches unstreitig und hat der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung auch entsprechend bestätigt (s.o.).

Für die Frage der Berücksichtigung etwaigen Mitverschuldens des Geschädigten verbleibt es in dieser Konstellation auch ohne Bedeutung, ob dem Verunfallten selbst die Gefährlichkeit der Arbeit bewusst war oder hätte bewusst sein können.

Übernimmt der Arbeitnehmer eine gefährliche Arbeit in Kenntnis deren Gefährlichkeit, begründet dies kein Mitverschulden, wenn er damit einer Anordnung seines weisungsbefugten Vorgesetzten entspricht (OLG Naumburg, Urteil vom 12.12.2007 - 6 U 200/06 - VersR 2008, 704).

In diesem Kontext hat das Landgericht, wie dargestellt, auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beklagte angesichts des Umstands, dass der vorgesehene Arbeitsbereich unmittelbar an den ungesicherten Bereich mit der vollen Absturzhöhe angrenzte, bei seiner Anweisung bei lebensnaher Betrachtung damit rechnen musste, dass der Aufenthalt der Arbeiter nicht durchgängig exakt auf den Bereich über dem abgemauerten Trakt beschränkt bleiben würde. Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme die Behauptung des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten zu den vermeintlich genauen Anweisungen bzgl. Arbeitsweise und Arbeitsbereich, gerade nicht bestätigt. Zwar hat, worauf die Berufung als solches zutreffend hinweist, auch der Zeuge ...[C] bestätigt, der Beklagte habe die Arbeiter darüber in Kenntnis gesetzt, dass Netze aufgehängt werden müssten. Dabei hat der Zeuge jedoch einschränkend erklärt, dies sei "in der Woche" gewesen, er wisse nicht mehr, ob am Unfalltag selbst (GA 199). Eine Anweisung, wie in dem Bereich gearbeitet werden sollte, habe es  vom Beklagten aber nicht gegeben (GA 200). Insbesondere die vom Beklagten behauptete - im Hinblick auf die fehlende Angurtung aber ohnehin unzureichende, s.o. - Anweisung, nur sitzend auf den Bindern zu arbeiten, hat der Zeuge auch auf Vorhalt entgegenstehender anderer Zeugenangaben ausdrücklich bestritten (GA 200). Auch an eine Anweisung des Beklagten, ein Rollgerüst herumzuschieben, konnte sich der Zeuge nicht erinnern (GA 201). Bezüglich des Rollgerüst ist nur der Vollständigkeit halber und ohne, dass es letztlich hierauf ankommt, darauf hinzuweisen, dass der Beklagte selbst im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in seiner anwaltlichen Stellungnahme hat erklären lassen, das mobile Gerüst hätte sowieso nicht dort gestanden und stehen sollen, wo der Zeuge ...[A] später abstürzte (EA 50). Die Missachtung einer unterstellten dahingehenden Anweisung des Beklagten durch die Zeugen ...[A] und ...[C] hätte sich damit ohnehin nicht schadensrelevant auswirken können.

Entgegen der Auffassung der Berufung wird  die Haftung des Beklagten auch nicht dem Grunde nach durch entsprechende Heranziehung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung relativiert.

Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich vorsätzlich und grob fahrlässig verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 15.11.2012 - DB 2013, 705- unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Großen Senats d. BAG vom 27.09.1994 - GS 1/89). Damit hat der Arbeitnehmer auch auf Grundlage der einschlägigen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung im Falle der grob fahrlässigen Schadensverursachung dem gesamten Schaden zu tragen (vgl. wie vor, Leitsatz 1.).

Gleichsam erkennt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung an, dass im Einzelfall auch bei grober Fahrlässigkeit im Hinblick auf ein mögliches Missverhältnis vom Verdienst des Arbeitnehmers zum verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit und einer drohenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Arbeitnehmers Haftungserleichterungen in Betracht kommen können (wie vor, Leitsatz 2.; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.11.1995 - 7 Sa 843/ 95 - NZA-RR 1996, 443 mwN).

Einer Heranziehung dieser Grundsätze bedarf es im Rahmen des Erstattungsanspruchs nach § 110 SGB VII  aber nicht.

Soweit in der Literatur teilweise eine Angleichung der Haftungsregime der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung einerseits und andererseits dem haftungsrechtlichen Ansatz nach dem SGB VII, insbesondere beim Regress nach § 110 SGB VII, gefordert wird, betrifft dies, soweit ersichtlich, maßgeblich die Frage der bereits oben angesprochenen Anknüpfungsgrundlagen sowie der Voraussetzungen und Reichweite des jeweiligen Verschuldens sowie die Berücksichtigung des fiktiven Schmerzensgeldes im Rahmen der Ermittlung des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII (vgl. etwa Brose, RdA 2011, 205, 213 ff.mwN).

Zu berücksichtigen bleibt in der Sache, dass maßgeblich für die in § 110 Abs. 1 SGB VII getroffene Regelung letztlich präventive und erzieherische Gründe sind, die nur dann greifen, wenn der durch das Haftungsprivileg begünstigte Schädiger den Unfall und damit die Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten verursacht hat (BGH, NJW 2009, 681, 684, Tz. 31 mwN; vgl. auch Kasseler Kommentar-Ricke, aaO, § 110 Rn. 2; Schmitt, aaO, § 110 Rn. 2, jew. mwN). So wird in dieser Regelung auch die gesetzgeberisch bewusst vorgesehene "Kehrseite" des Haftungsausschlusses nach 104 ff. SGB VII gesehen (vgl. Brose, aaO, S. 214 unter Bezugnahme auf Lauterbach-Dahm, Unfallversicherung, § 110 Rn. 9). Damit müsste eine Vereinheitlichung beider Haftungsregime durch die Rechtsprechung unter Beachtung der dargestellten bewussten gesetzgeberischen Differenzierung von vorneherein als bedenklich erscheinen. Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seinem vom Beklagten angeführten Urteil vom 10.10.2001 (8 AZR 103/02 - NJW 2003, 1890) die bewusste gesetzgeberische Differenzierung zwischen dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten und dem Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers betont (juris Rn. 23).

Für eine generelle Haftungsabfederung für den Fall der wirtschaftlichen Überforderung des Ersatzpflichtigen durch Heranziehung arbeitsrechtlicher Grundsätze besteht im Hinblick auf die Regelung des § 110 Abs. 2 SGB VII darüber hinaus schon kein Bedürfnis.

Nach § 110 Abs. 2 SGB VII können die Sozialversicherungsträger nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, auf den Ersatzanspruch ganz oder teilweise verzichten. Dies wird allgemein dahin verstanden, dass, soweit die Voraussetzungen für einen Verzicht in der Sache gegeben sind, der Sozialversicherungsträger nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, auf seine Ansprüche (teilweise) zu verzichten. Er hat in jedem Fall abzuwägen, ob die Geltendmachung des Anspruchs unter Berücksichtigung einerseits des ihm eigenen Erziehungs- und Strafcharakters sowie der wirtschaftlichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder (Versicherten) und andererseits der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Schädigers geboten ist (BGH, Urteil vom 28.9.1971 - VI ZR 216/69 - BGHZ 57, 96, 99 = NJW 1972, 107; vgl. auch Schmitt, aaO, § 110 Rn. 23; Kasseler Kommentar-Ricke, aaO; § 110 Rn. 15, jew. mwN). Dieser grundsätzlichen Verpflichtung verschließt sich vorliegend auch die Klägerin nicht.

Damit wird aber genau dem Aspekt der Verhinderung der wirtschaftlichen Überforderung und Vernichtung des Ersatzpflichtigen, auf den die Berufung insoweit abstellt, ausdrücklich Rechnung getragen. Eine durch die Rechtsprechung ausfüllungsbedürftige Regelungslücke liegt damit insoweit gerade nicht vor.

Zwar obliegt die Überprüfung der Ausübung dieses Ermessens durch den Sozialversicherungsträgers ebenfalls den Zivilgerichten (vgl. nur Schmitt, aaO § 110 Rn. 23; BGH, NJW 1972, 109). Zur verfahrensmäßigen Handhabung der Regelung des § 110 Abs. 2 SGB VII hat der BGH jedoch bereits seit langem einschlägige Leitlinien entwickelt. So hat er in seinem vorgenannten Urteil vom 28.9.1971 (NJW 1972, 107, 109) darauf hingewiesen, dass das Gesetz für den Verzicht nicht nur keine Form, sondern auch keinen bestimmten Zeitpunkt vorsehe. Eine gleichzeitige Entscheidung des Gerichts über den Verzicht bereits im Regressverfahren könne nur dann gefordert werden, wenn sich die Versagung des Verzichts schon jetzt abschließend als Rechtsmissbrauch darstellen würde. Im Übrigen sei es Sache des Schuldners, gegebenenfalls einen solchen Einwand mittels Vollstreckungsgegenklage, Abänderungsklage oder Feststellungsklage geltend zu machen, und zwar auch insoweit, als er die betreffenden Umstände schon im Zeitpunkt der Verurteilung vorgelegen hätten. Es ergebe sich damit eine ähnliche Lage wie im Fall des § 780 ZPO mit dem Unterschied, dass sich hier der Vorbehalt unmittelbar aus dem Gesetz ergebe und keine Aufnahme in das Urteil bedürfe (wie vor).

Zu Recht weist die Klägerseite darauf hin, dass, wenngleich es absehbar sein mag, dass die Deckungssumme der Betriebshaftpflichtversicherung ausgeschöpft werden wird, derzeit noch keine abschließende Beurteilung möglich ist, ob und inwieweit der Beklagte selbst in der Zukunft jenseits des bestehenden Versicherungsschutzes wirtschaftlich in der Lage sein wird, eine möglicherweise verbleibende, derzeit noch nicht abschließend bezifferbare Deckungslücke, ggf. selbst zumindest anteilig zu decken. Einstweilen ist vorliegend, wie im vom BGH in NJW 1972, 107 entschiedenen Fall, damit davon auszugehen, dass derzeit der Haftpflichtversicherer für den Beklagten einzutreten hat und schon aus diesem Grunde derzeit für die Klägerin kein Anlass für einen Verzicht besteht und dessen Unterbleiben daher jedenfalls jetzt nicht als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden kann (vgl. BGH, aaO, Tz. 4).

Ungeachtet der Reichweite der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII hat das Landgericht zutreffend gesehen, dass die Klägerin die von ihr getätigten Aufwendungen hinreichend belegt und, soweit Belege nicht mehr vorhanden waren, der Klägervortrag sich durch die Angaben der Zeugin ...[J] bestätigt hat. Tragfähige Angriffe gegen die landgerichtliche Beweiswürdigung insoweit führt die Berufung nicht. Dass ein Dauerschaden vorliegt, hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 13.09.2010 unstreitig gestellt (GA 205). Ebenso beanstandungsfrei hat das Landgericht unter umfassender Würdigung aller Umstände auf Grundlage hinreichend aussagekräftiger Anknüpfungsgrundlagen die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs ermittelt, § 287 ZPO. Insbesondere hat das Landgericht auch die Kosten der berufsfördernden Maßnahmen zutreffend als solche des Schadens des Geschädigten gewertet. Auch insoweit ist abermals auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils Bezug zu nehmen (LGU 26 ff.). Bezüglich letztendlich vergeblich aufgewendeter Kosten, etwa für die abgebrochene Umschulung oder die Umbauten bei der Firma ...[B] liegt es auf der Hand, dass die erst ex-post vorhandenen Erkenntnisse zur gesundheitlichen Überforderung des Geschädigten die erfolgten Bemühungen um dessen berufliche Wiedereingliederung nicht nachträglich in ihrer Berechtigung relativieren können. Hätte die Klägerin diese Bemühungen von vorneherein unterlassen, hätte sie sich zugleich dem Vorwurf des Beklagten ausgesetzt gesehen, die Chance einer berufliche Wiedereingliederung und damit die Sicherung einer eigenen wirtschaftlichen Existenzgrundlage durch den Geschädigten versäumt und damit zugleich gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen zu haben. Dies wird anschaulich dadurch belegt, dass der Beklagte in der Berufung weiterhin trotz allem die Umschulungsfähigkeit des Zeugen ...[A] weiterhin behauptet. Damit erweist sich diese - zwar unter Sachverständigenbeweis gestellte, gleichwohl aber gänzlich unsubstantiierte - Behauptung, der Geschädigte sei umschulungsfähig, als widersprüchlich zu dem zugleich gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwurf, die berufliche Re-Integration ihres Versicherten überhaupt versucht zu haben. Dass diese Maßnahmen letztlich angesichts der weitreichenden unfallbedingten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Zeugen ...[A] sämtlich gescheitert sind, hat sich erstinstanzlich- unter anderem durch die Angaben der Zeugin ...[J] -  mit aller Deutlichkeit bestätigt. Dementsprechend ist das Landgericht zutreffend zu der Überzeugung gelangt, dass die durch den Abbruch der entsprechenden Versuche dokumentierte körperliche und seelische Überforderung des Geschädigten zeigt, dass dieser nicht mehr die Fähigkeit besitzt, umgeschult zu werden und dem Berufsleben gewachsen zu sein. Beachtliche Angriffe gegen diese Würdigung führt die Berufung nicht. Die bloße -wenngleich unter Beweis gestellte - Behauptung des Gegenteils erfolgt ersichtlich „ins Blaue“ und mutmaßlich wider bessere eigene Erkenntnis.

Entgegen der Auffassung des Beklagten entspricht es schließlich der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, auch den fiktiven Schmerzensgeldanspruch bei der Ermittlung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs mit zu berücksichtigen (vgl. etwa  BGH, Urteile vom 27.6.2006 - VI ZR 143/05 - NJW 2006, 3563 sowie vom 29.1.2008 - VI ZR 70/07 - NJW 2008, 323; vgl. auch Schmitt, aaO; § 110 Rn 13 mwN). Die landgerichtliche Bemessung des (fiktiven) Schmerzensgeldes mit 300.000,- € ist unter den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden. Substantiierte Angriffe hiergegen führt auch die Berufung nicht. Zutreffend hat das Landgericht schließlich gesehen, dass angesichts der sich damit ergebenden Gesamthöhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs die Frage, ob tatsächlich ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 138.561,- € besteht, insgesamt dahinstehen kann (vgl. LGU 31). Dass sich die insgesamt erforderlichen Aufwendungen der Klägerin zwischenzeitlich weiter erheblich erhöht haben und aller Voraussicht nach noch erheblich erhöhen werden, ist letztlich unstreitig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10,  § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Über die Frage, ob hier ein voller oder teilweiser Verzicht der Klägerin nach § 110 Abs. 2 SGB VII veranlasst ist, hatte der Senat nicht zu entscheiden.



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